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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 04.12.2001
Aktenzeichen: 20 W 31/01
Rechtsgebiete: HGB, FGG, GmbHG, KostO


Vorschriften:

HGB § 144
FGG § 144
FGG § 144 Abs. 1 Satz 2
FGG § 142
FGG § 143
FGG § 144 Abs. 1
GmbHG § 75
GmbHG § 76
GmbHG § 75 Abs. 1
KostO § 131 Abs. 2
KostO § 31 Abs. 1 Satz 2
KostO § 30 Abs. 2
KostO § 88 Abs. 2
Die Beteiligung einer ausländischen Gesellschaft, die zwar rechtmäßig im Ausland gegründet wurde, sodann aber ihren faktischen Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hat (sog. Auslandsscheingesellschaft), an der Gründung einer GmbH kann deren amtswegige Löschung im Handelsregister nach § 144 HGB nicht rechtfertigen (§ 144 FGG, § 75 GmbHG).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

BESCHLUSS

In der Handelsregistersache ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt mit dem Sitz in Offenbach am Main vom 04. Juli 2000 am 4. Dezember 2001 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: - auch für das Verfahren der Erstbeschwerde ­ 5.000,-- DM.

Gründe:

I.

Die GmbH wurde gemäß notarieller Urkunde vom 15. März 1999 durch die P. C. I. LDA als Alleingesellschafterin errichtet und am 20. Mai 1999 in das Handelsregister des Amtsgerichts Langen eingetragen. Bei der Alleingesellschafterin handelt es sich um eine auf der Grundlage eines Company Management Agreements von einer M. F. als Treuhänderin 1997 gegründete und im Handelsregister der freien Handelszone Madeira mit Sitz in F. registrierte Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach portugiesischem Recht. Zu den fünf registrierten Verwaltungsratsmitgliedern gehören nach Angaben der Antragsteller diese selbst sowie der Geschäftsführer der hier betroffenen Gesellschaft.

Die LDA war ursprünglich von fünf Personen zum Zwecke der Vermarktung eines Verfahrens aus dem Bereich der Medizintechnik gegründet worden, zwischenzeitlich besteht erheblicher Streit zwischen den Gründern. Der Geschäftsanteil der ursprünglichen Alleingesellschafterin der GmbH wurde ausweislich der Mitteilungen an das Handelsregister zwischenzeitlich mehrfach aufgeteilt und an verschiedene Personen übertragen, eine zwischenzeitlich angemeldete Erhöhung des Stammkapitals wurde wegen des anhängigen Verfahrens noch nicht in das Handelsregister eingetragen.

Mit Schriftsatz vom 30. September 1999 regten die Antragsteller die Löschung der GmbH gemäß § 144 FGG im Handelsregister an. Dies wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Langen vom 17. Januar 2000 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht zurück. Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit der weiteren Beschwerde.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27 FGG, 550 ZPO).

II.

Die Vorinstanzen sind im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Amtslöschung der Gesellschaft gemäß § 144 FGG nicht gegeben sind.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG kann eine in das Handelsregister eingetragene GmbH nach den §§ 142, 143 FGG als nichtig gelöscht werden, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach den §§ 75, 76 GmbHG die Nichtigkeitsklage erhoben werden kann.

Dies ist jedoch nicht schon dann der Fall, wenn - wie die Antragsteller behaupten - die Alleingesellschafterin der GmbH zwar nach portugiesischem Recht rechtmäßig gegründet und in Madeira registriert worden ist, aber ihre Geschäfte allein in Deutschland führt und auch ihre Verwaltung allein in Deutschland hat.

Daher kann für das vorliegende Verfahren dahinstehen, welche Auswirkungen nach den Regelungen des internationalen Privatrechts sich bei etwaigen Auslandsscheingesellschaften im einzelnen ergeben (vgl. hierzu z.B. Kindler, MünchKomm IntGesR 3. Aufl., Rn. 344 ff; Staudinger/Großfeld, EGBGB/IntGesR 1998, Rn. 425 ff; Kösters NZG 1998, 241 ff) und wie sich in diesem Zusammenhang die sog. Centros- Entscheidung" des EuGH (NJW 1999, 2027) auswirkt ( vgl. hierzu Kindler NJW 1999, 1993).

Löschungsgründe im Sinne der §§ 144 Abs. 1 Satz 2 FGG,75 GmbHG sind nämlich grundsätzlich nur dann gegeben, wenn der Gesellschaftsvertrag keine Bestimmungen über die Höhe des Stammkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens enthält oder die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über den Gegenstand des Unternehmens nichtig sind. Solche Nichtigkeitsgründe sind hier nicht ersichtlich und werden auch von den Antragstellern nicht geltend gemacht.

Durch die Regelung des § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG und dessen Verweisung auf die Nichtigkeitsgründe des § 75 Abs. 1 GmbHG wurde eine die allgemeinen Bestimmungen der §§ 142, 143 FGG ausschließende Sonderregelung geschaffen, deren Zweck es ist, die Löschung von in das Handelsregister eingetragenen Gesellschaften nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zuzulassen. Hat eine GmbH die gerichtliche Gründungsprüfung durchlaufen und wurde in das Handelsregister eingetragen, so führt dies zur Entstehung einer eigenständigen juristischen Person, die am Wirtschaftsleben in vielfältiger Weise teilnimmt. § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG begründet durch die weitgehende Begrenzung der Geltendmachung von Gründungsmängeln für eingetragene Gesellschaften einen weitreichenden Bestandsschutz (vgl. Paschke ZHR 155, 1, 7). Hierdurch wird bewusst das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Bestand der Gesellschaft geschützt und diesem der Vorrang vor den privaten Interessen einzelner Personen eingeräumt, die durch die Eintragung einer fehlerhaften Gesellschaft in ihren Rechten betroffen sein können (vgl. BGHZ 21, 378, 381; KG FG Prax 2001, 31; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 144 Rn. 2).

Deshalb ist die Aufzählung der Nichtigkeitsgründe in §§ 141 Abs. 1 Satz 2 FGG, 75 GmbHG abschließend. Sämtliche sonstigen Mängel des Gesellschaftsvertrages oder der Beitrittserklärung eines Gründungsgesellschafters sind unbeachtlich (vgl. Scholz/Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 75 Rn. 12; Scholz-Emmerich, GmbHG, 9. Aufl., § 2 Rn. 65; Hachenburg/Hohner, GmbHG, 8. Aufl., § 75 Rn. 7). Als Konsequenz dieses gesetzlich bewusst weit gezogenen Bestandsschutzes führen nach vollzogener Handelsregistereintragung auch schwerste Mängel der Beitrittserklärung eines Gründungsgesellschafters wie Geschäftsunfähigkeit, fehlende Vertretungsmacht, Unterschriftsfälschung oder Drohung mit Gewalt nicht zur Nichtigkeit oder Löschung der Gesellschaft (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 2 Rn. 38 ff m. w. N.).

Lediglich im Falle einer gegenstandslosen Eintragung bzw. einer materiell überhaupt nicht existierenden bloßen Scheingesellschaft wird eine Nichtigkeit anerkannt, die gemäß der dann ausnahmsweise heranzuziehenden Vorschrift des § 142 FGG oder analog § 144 Abs. 1 FGG zur Amtslöschung führen soll (vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 2 Rn. 97; Baumbach/Hueck, a.a.0., § 2 Rn. 40 jeweils m. w. N.). Hiervon können jedoch nur solche seltenen Ausnahmefälle erfasst werden, in denen es an jeder privatautonomen Grundlage für einen Personenverband fehlt, auf die sich die Registereintragung beziehen könnte, etwa in dem Sinne, dass eine Satzung überhaupt nicht festgestellt worden ist oder ein Wille der Gründer zur Anmeldung der Gesellschaft überhaupt nicht vorhanden war (vgl. Paschke, a.a.0., S. 8).

Dabei kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob von einer derartigen löschungsfähigen Scheingesellschaft auch dann ausgegangen werden kann, wenn die Errichtungserklärung des Gründers einer Einpersonen-GmbH etwa wegen Geschäftsunfähigkeit unwirksam ist (so: Baumbach/Hueck, a.a.0., § 2 Rn. 40; Hachenburg/Ulmer a.a.0., Rn. 97; Scholz-Emmerich, a.a.0., Rn. 68 a; Rohwedder/ Rittner/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, 3. Aufl., § 2 Rn. 6) oder in diesem Fall ebenfalls an dem grundsätzlichen Vorrang des Bestandsschutzes der zwar fehlerhaft gegründeten, aber in das Handelsregister eingetragenen Gesellschaft festzuhalten ist (so insbesondere KG FGPrax 2001, 31; Roth/Altmeppen, GmbHG, 3. Aufl., § 2 Rn. 39; Hachenburg/Hohner, a.a.0., § 75 Rn. 8; Scholz-Schmidt, a.a.0., § 75 Rn. 6).

Denn jedenfalls kann der hier von den Antragstellern behauptete Fall der Gründung durch eine Scheinauslandsgesellschaft mit faktischem Sitz in Deutschland der Gründung einer Einpersonen-GmbH durch eine geschäftsunfähige natürliche Person nicht gleichgestellt werden. Dies wird bereits dadurch verdeutlicht, dass nach den Grundsätzen des internationalen Gesellschaftsrechts die sogenannten Scheinauslandsgesellschaften nicht als im Ganzen nichtig zu behandeln sind. Sie werden lediglich wegen mangelnder Eintragung in einem deutschen Register nicht als eigenständige juristische Person anerkannt. Auf ihre Rechtsbeziehungen und Rechtsverhältnisse soll aber das vergleichbare inländische Kooperationsrecht anzuwenden seien, das ihrer jeweiligen Struktur am ehesten entspricht. Dabei kommen für eine portugiesische Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit erwerbswirtschaftlicher Zweckrichtung die Regelungen der offenen Handelsgesellschaft am ehesten in Betracht (vgl. Kindler/MünchKomm, a.a.0., Rn. 344 und 352; Staudinger/Großfeld, a.a.0., Rn. 435 und 440). Zwar handelt es sich bei einer OHG nach deutschem Recht nicht um eine juristische Person, jedoch um eine rechtlich verselbständigte Personengemeinschaft, die Gesellschafter einer GmbH sein kann (allg Meinung vgl. Baumbach/Hueck, a.a.0., § 1 Rn. 31 m.w.N; Balser/Bokelmann/Piorreck, Die GmbH, 2. Aufl., Rn. 10). Deshalb kann von einem völlig fehlenden oder nicht existierenden Gründungsvorgang nicht ausgegangen werden.

Damit verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung der § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG, 75 GmbHG, wonach aufgrund der vollzogenen gerichtlichen Gründungsprüfung und Eintragung der Bestandsschutz der Gesellschaft eingreift und im Interesse des auf ihre Existenz vertrauenden Rechtsverkehrs Vorrang gegenüber den möglicherweise bestehenden privaten Interessen einzelner Personen an der Geltendmachung von eventuellen Rechtsmängeln bei der Gründung hat.

Damit kommt eine Amtslöschung der GmbH gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG nicht in Betracht, ohne dass es hierzu der im registergerichtlichen Verfahren ohnehin nur eingeschränkt möglichen Überprüfung der Angaben der Antragsteller über den Sitz der Gründungsgesellschafterin bedarf.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 31 Abs. 1 Satz 2, 30 Abs. 2 Kost0. Die Gebührenfreiheit gemäß § 88 Abs. 2 Kost0 bezieht sich nur auf die Vornahme einer Löschung gemäß § 144 FGG, nicht jedoch auf den hier vorliegenden Fall der Zurückweisung von Löschungsbegehren im Beschwerdeverfahren.



Ende der Entscheidung

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