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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 29.12.2005
Aktenzeichen: 20 W 315/05
Rechtsgebiete: EU-Zweigniederlassungsrichtlinie, GmbHG, HGB


Vorschriften:

EU-Zweigniederlassungsrichtlinie Art. 2 I b
GmbHG § 3
GmbHG § 10
HGB § 13 d
HGB § 13 e
HGB § 13 g
1. Bei der Eintragung der Zweigniederlassung einer im EU-Ausland gegründeten Kapitalgesellschaft ist in das Handelsregister nicht der Gegenstand des Unternehmens der ausländischen Hauptniederlassung, sondern der Gegenstand der inländischen Zweigniederlassung einzutragen.

2. Zu Firma und Unternehmensgegenstand der Zweigniederlassung einer in Großbritannien gegründeten private limited company by shares.


Gründe:

I.

Die Antragstellerin, eine in Großbritannien registrierte private limited company by shares, meldete durch ihre Geschäftsführer durch notariell beglaubigte Urkunde vom 19. August 2004 die Errichtung einer Zweigniederlassung zur Eintragung in das Handelsregister an. In der Anmeldung wurde angegeben, die Zweigniederlassung beschäftige sich mit Unternehmensberatungsdienstleistungen und könne alle damit zusammenhängenden Geschäfte tätigen und sich an anderen Unternehmen des gleichen oder ähnlichen Geschäftszweiges in jeder geeigneten Form beteiligen oder solche Unternehmen erwerben.

Das Amtsgericht beanstandete in einer Zwischenverfügung den angegebenen Gegenstand der Zweigniederlassung und lehnte den Eintragungsantrag mit Beschluss vom 27. September 2004 ab.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluss vom 24. Mai 2005 zurück und führte zur Begründung aus, es gehe nicht um die Frage, ob nach der neueren und keineswegs in allen Punkten nachvollziehbaren Rechtsprechung des EuGH auch ausländische juristische Personen, die über keinerlei nennenswertes Eigenkapital verfügen, in Deutschland zuzulassen seien. Jedoch müsse gewährleistet sein, dass keine Tätigkeiten ausgeübt würden, die einer staatlichen Genehmigung bedürfen. Vorliegend sei der Gegenstand des Unternehmens sprachlich unverständlich und inhaltlich ohne jede Aussagekraft, so dass die Befürchtung nicht ausgeräumt sei, es werde eine unzulässige steuerliche oder rechtliche Beratung ohne die erforderlichen Qualifikationen und die gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigungen ins Auge gefasst. Im Übrigen sei auch die gewählte Firma zu beanstanden, da sie den Grundsätzen der Firmenwahrheit und Firmenklarheit nicht genüge, weil sie keine Kennzeichenwirkung habe.

Mit der hiergegen gerichteten weiteren Beschwerde macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, die Nichteintragung verstoße gegen die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit. Der Gegenstand der Zweigniederlassung sei hinreichend konkret angegeben. Im Übrigen dürfe das deutsche Recht für eine in einem europäischen Vertragsstaat wirksam gegründete Gesellschaft, die dem Personalstatut des Gründungsstaates unterliege, keine strengeren Anforderungen stellen.

II.

Die zulässige, weitere Beschwerde führt auch in der Sache insoweit zum Erfolg, als die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und das Verfahren zur Prüfung und Entscheidung an das Registergericht zurückzuverweisen ist, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Die Anmeldung und Eintragung einer englischen private limited company bestimmt sich nach §§ 13 d, 13 e und 13 g HGB. Die Eintragung hat in Abteilung B des deutschen Handelsregisters zu erfolgen, da dort gemäß § 3 Handelsregisterverordnung - HRV neben Kapitalgesellschaften deutschen Rechts und deren Zweigniederlassungen auch die Zweigniederlassungen ausländischer Rechtsträger einzutragen sind, wenn diese der Rechtsform nach dem deutschen Recht in der Abteilung B einzutragenden Rechtsträgern vergleichbar sind (§ 40 Ziffer 2 i.V.m. § 43 Ziffer 2 HRV, § 13 d HGB). Von einer derartigen Vergleichbarkeit der britischen private limited company by shares mit der GmbH deutschen Rechts ist insbesondere unter Berücksichtigung der EU-Zweigniederlassungsrichtlinie (Elfte Richtlinie 89/666/EWG über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen vom 21. Dezember 1989 - ABl. Nr. L 395/36) und der Einpersonen-Gesellschaft-Richtlinie (Zwölfte Richtlinie 89/667EWG auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter vom 21. Dezember 1989 - Abl. Nr. L 395/40, geändert durch Beschluss vom 1. Januar 1995 - Abl. Nr. L 1/144), welche eine Auflistung der der GmbH vergleichbaren ausländischen Gesellschaftsformen enthält, auszugehen (vgl. KG FGPrax 2004, 45; OLG Celle, GmbHR 2005, 1303; Wachter ZNotP 2005, 122/123; Klose-Mokroß DStR 2005, 971, 972).

Im vorliegenden Falle hat das Landgericht zunächst die angemeldete Firma der Gesellschaft beanstandet, da es deren Kennzeichenwirkung in Frage stellt. Die diesbezüglichen Bedenken des Landgerichts erachtet der Senat als rechtlich nicht begründet. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Zulässigkeit der Firma der inländischen Zweigniederlassung einer englischen private limited company nach deutschem oder britischem Recht beurteilt (vgl. zum Streitstand Wachter, a.a.0., S. 137 und Klose-Mokroß, a.a.0., S. 973 jeweils m. w. N.). Denn die hier angemeldete Firma erweist sich nicht nur nach dem insoweit sehr liberalen britischem Recht (vgl. hierzu Triebel/Hogdson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 1995, § 3 Rn. 607 ff und Güthoff, Gesellschaftsrecht in Großbritannien, 3. Aufl., S. 51), sondern auch nach deutschem Firmenrecht als zulässig. Nach dem seit der Neufassung durch das Handelsrechtsreformgesetz -HRefG- vom 22. Juni 1998 (BGBl. I S. 1474) nunmehr einheitlich für alle Einzelkaufleute und sämtliche Handelsgesellschaften geltenden § 18 Abs. 1 HGB muss die Firma nur noch zur Kennzeichnung des Kaufmanns bzw. der Gesellschaft geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen; daneben hält § 18 Abs. 2 HGB in eingeschränktem Umfang an dem bereits früher geltenden Grundsatz des Irreführungsverbotes fest (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2005 Rpfleger 2005, S. 366). Im vorliegenden Falle wird dem allgemein gehaltenen Firmenbestandteil "consulting" der bei isolierter Betrachtung als unzulässige bloße Gattungs- oder Branchenbezeichnung anzusehen wäre, die beschreibende Phantasiebezeichnung "perspectives" vorangestellt. Durch diesen individualisierenden Zusatz erhält die Firma genügend Unterscheidungskraft und ist zur Kennzeichnung der Gesellschaft geeignet. Auch gegen den Zusatz "germany" bestehen im Hinblick auf den statuarischen Sitz der Gesellschaft im Ausland, jedoch die im Inland beabsichtigte Tätigkeit, unter Berücksichtigung der allgemeinen Liberalisierung des Firmenrechts in Bezug auf geografische Zusätze keine durchgreifenden Bedenken. Mithin ist die angemeldete Firma zulässig.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist auch der Gegenstand der Zweigniederlassung mit "Unternehmensberatungsdienstleistungen" rechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings enthält das mit den Eintragungsunterlagen vorgelegte "Memorandum of Association", welches der Satzung einer deutschen Gesellschaft vergleichbar ist, den für eine private limited company by shares nach britischem Recht zulässigen ganz allgemein gehaltenen Unternehmensgegenstand (sog. catch-all-clause), der in Ausprägung der sog. ultra-vires-doctrin außerordentlich umfangreich alle für die Gesellschaft möglichen Tätigkeiten auflistet (vgl. hierzu im Einzelnen Triebel/Hogdson/Kellenter/Müller, a.a.O., § 3 Rn. 618; Güthoff, a.a.O., S. 26 u. 50; Wachter, a.a.O., S. 136 und Klose-Mokroß, a.a.O., S. 974;). Bei der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft besteht Unsicherheit, ob in das Handelsregister der Gegenstand der Zweigniederlassung oder der Gegenstand des Unternehmens in das Handelsregister einzutragen und bekannt zu machen ist (vgl. LG Bielefeld GmbHR 2005, 1998 = Rpfleger 2004, 708; Ebenroth/Boujong/Joost/Pentz, HGB, § 13e Rn. 71; Balser/Bockelmann/Piorreck, Die GmbH, 13. Aufl., Rn. 300d u. 303; Wachter GmbHR 2005, 99; Keidel/Krafka/Willer, Registerrecht, 6. Aufl., Rn. 336/337; Klose-Mokroß, a.a.O., S. 974). Für die Handelsregisteranmeldung verlangt § 13 e Abs. 2 Satz 3 HGB ausdrücklich die Angabe des Gegenstandes der Zweigniederlassung. Demgegenüber verweist § 13 g Abs. 3 HGB für die Eintragung der Zweigniederlassung auf § 10 Abs. 1 GmbHG, welcher die Eintragung des Gegenstands des Unternehmens in das Handelsregister vorsieht. Allerdings geht der Senat davon aus, dass die diesbezüglichen Vorschriften europarechtskonform dahingehend ausgelegt werden müssen, dass der Gegenstand der Zweigniederlassung in das Handelsregister einzutragen ist, da Art. 2 Abs. 1 b der Zweigniederlassungsrichtlinie lediglich die Offenlegung der Tätigkeit der Zweigniederlassung verlangt. Der EuGH hat in seiner Entscheidung in der Rechtssache Inspire Art Ltd. vom 30. September 2003 (NJW 2003, 3331) entschieden, dass die Verpflichtungen zur Offenlegung bestimmter Umstände in der Zweigniederlassungsrichtlinie abschließend geregelt und die Mitgliedsstaaten deshalb nicht berechtigt sind, für Zweigniederlassungen aus Gesellschaften anderer EU-Staaten darüber hinausgehende Publizitätspflichten vorzusehen. Eine Eintragung des in aller Regel sehr umfangreichen Gegenstandes des Unternehmens der private limited company würde darüber hinaus auch den Zweck des deutschen Handelsregisters, Aussagen gerade über die Verhältnisse der Zweigniederlassung zu treffen (vgl. BGH BB 1988, 1065), widersprechen und die Übersichtlichkeit und den Informationsgehalt des Registers erheblich beeinträchtigen. Aus diesen Gründen geht der Senat davon aus, dass entsprechend der Anmeldeverpflichtung des § 13 e Abs. 2 Satz 3 HGB in das Handelsregister nicht der umfangreiche Gegenstand der ausländischen Gesellschaft, sondern nur der Gegenstand der inländischen Zweigniederlassung einzutragen und anzumelden ist. Dies steht auch im Einklang mit dem in § 13 d Abs. 3 HGB niedergelegten Grundsatz, dass die deutsche Zweigniederlas-sung einer ausländischen Gesellschaft registerrechtlich grundsätzlich wie eine Hauptniederlassung zu behandeln ist (vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl., Rn. § 12 Rn. 327; Klose-Mokroß, a.a.O., S. 974).

Der für die Zweigniederlassung angemeldete Gegenstand der Unternehmensbera-tungsdienstleistungen ist auch bei Zugrundelegung der Maßstäbe des deutschen Rechtes inhaltlich hinreichend bestimmt und nicht unzulässig. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG i. V. m. § 13 d Abs. 3 HGB ist der Gegenstand des Unternehmens so bestimmt anzugeben, dass der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit für die beteiligten Wirtschaftskreise hinreichend erkennbar wird (vgl. BGH WM 1981, 163; Balser/Bokelmann/Piorreck, a.a.O., Rn. 43).

Das Tätigkeitsfeld der Unternehmensberatung ist ein im deutschen Rechtskreis etablierter Begriff, der inhaltlich hinreichend bestimmt ist. Er hat dem Wortsinn nach Beratungstätigkeiten für Unternehmen zum Gegenstand, die sich sowohl auf betriebswirtschaftliche als auch auf andere Aufgabenfelder beziehen können. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann der Antragstellerin aufgrund der Angabe in der An-meldung, dass sich die Zweigniederlassung mit Unternehmensberatungsdienstleistungen beschäftigt, nicht unterstellt werden, dass diese über den erlaubten Umfang des § 4 Nr. 5 StBerG und § 5 RechtsberatungsG hinaus unzuläs-sige Steuer- oder Rechtsberatung, die nach deutschem Recht bestimmten Berufsgruppen vorbehalten ist, betreiben will. In der Rechtsprechung ist anerkannt (vgl. BGH NJW 1981, 980; siehe dazu auch Anmerkung K. Schmidt DB 1981, 981), dass es sich bei der Unternehmensberatung um eine eigenständige und von der Steuer- sowie der Rechtsberatung unterscheidbare gewerbliche Tätigkeit handelt. Der interessierten Öffentlichkeit, an welche sich das Leistungsangebot richtet, ist wohl auch hinlänglich bekannt, dass es sich bei der Berufsbezeichnung "Unternehmensberater" im Unterschied zu Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern oder Rechtsanwälten nicht um eine Tätigkeit handelt, die nur von besonders beruflich qualifizierten und durch eine besondere Zulassung geschützten Personen ausgeübt werden darf. Zwar gibt es zwischen der Tätigkeit der Unternehmensberater einerseits sowie der Steuer- und Rechtsberatung andererseits gewisse inhaltliche Überschneidungen. Durch die vor-genannten Verbotsnormen ist jedoch klar gestellt, dass die eigentliche Steuer- und Rechtsberatung in Deutschland nur den hierfür zugelassenen Berufsgruppen vorbehalten ist. Wird hiergegen verstoßen, so können gerichtliche Unterlassungsansprüche geltend gemacht oder repressiv durch die zuständigen Behörden eingeschritten werden. Hieraus lässt sich jedoch nicht präventiv unter dem Gesichtspunkt der handelsregisterlichen Prüfung des Gegenstandes des Unternehmens eine Verpflichtung zu einer näheren und umfänglichen Beschreibung der angestrebten Tätigkeit über deren stichwortartige Bezeichnung hinaus ableiten oder eine gesetzwidrige Ausdehnung der Tätigkeit auf unzulässige Bereiche der Steuer- oder Rechtsberatung von vorneherein unterstellen. Damit ist der angegebene Gegenstand der Zweigniederlassung nicht geeignet, die Ablehnung der Eintragung der Zweigniederlassung im Handelsregister zu rechtfertigen.

Die angefochtenen Entscheidungen der Vorinstanzen waren deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht - Registergericht - zurückzuverweisen, welches nunmehr inhaltlich im Einzelnen die mit der Anmeldung vorgelegten Unterlagen zu überprüfen und über die Eintragung zu entscheiden haben wird.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 30 Abs. 2, 31 Abs. 1 Satz 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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