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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 04.09.2007
Aktenzeichen: 20 W 325/07
Rechtsgebiete: FGG, GVG, WEG


Vorschriften:

FGG § 5
GVG § 72
WEG § 62
§ 72 Abs. 2 Satz 1 GVG in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.04.2007 (BGBl. I S. 509 ff) ist für vor dem 01.07.2007 bei Gericht anhängige Verfahren in Wohnungseigentumssachen nicht einschlägig. Für diese Verfahren, die sich noch nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit richten, verbleibt es bei der bisherigen Regelung über die örtliche Zuständigkeit des Beschwerdegerichts.
Gründe:

Mit am 10.07.2007 eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsgegner gegen den im Wohnungseigentumsverfahren ergangenen Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 13.06.2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Die Sache ist dem Landgericht Kassel vorgelegt worden. Durch Beschluss vom 11.07.2007 (Bl. 84 ff d. A.), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht Kassel das Verfahren an das Landgericht Frankfurt am Main abgegeben. Dieses hat sich durch Beschluss vom 13.08.2007 (Bl. 91 ff d. A.), auf den ebenfalls Bezug genommen wird, für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach den §§ 43 Abs. 1 WEG a. F., 5 Abs. 1 Satz 1 FGG (zur Anwendbarkeit des § 5 FGG im Wohnungseigentumsverfahren vgl. Keidel/Kuntze/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 5 Rz. 2; Bärmann/Pick, WEG, 17. Aufl., Vor § 43 Rz. 10; Jansen/Müther, FGG, 3. Aufl., § 5 Rz. 2) durch den Senat liegen vor. Wie sich aus den oben aufgeführten Entscheidungen der Landgerichte Kassel und Frankfurt am Main ergibt, besteht zwischen diesen beiden Gerichten Streit über die örtliche Zuständigkeit in dieser Sache, der zur Vorlage der Sache durch das zuletzt genannte Gericht an den Senat geführt hat. § 5 FGG ist auch anwendbar, wenn sich Landgerichte als Beschwerdegerichte nach § 19 Abs. 2 FGG über die örtliche Zuständigkeit nicht einigen können (vgl. Keidel/Kuntze/Sternal, a.a.O., § 5 Rz. 21; Jansen/Müther, a.a.O., § 5 Rz. 6). Die genannten Vorschriften sind gemäß § 62 Abs. 1 WEG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 370 ff) noch anwendbar, weil es sich hier um ein bereits vor dem 01.07.2007 bei Gericht anhängiges Verfahren in Wohnungseigentumssachen handelt.

Danach ist als zuständiges Beschwerdegericht das Landgericht Kassel zu bestimmen.

Beschwerdegericht im Sinne des § 45 Abs. 1 WEG a. F. ist gemäß den §§ 43 Abs. 1 WEG a. F., 19 Abs. 2 FGG das Landgericht, welches nach den Gerichtsorganisationsgesetzen der Länder dem Amtsgericht vorgeordnet ist (vgl. Bassenge/Roth, FGG/RpflG, 11. Aufl., § 19 FGG Rz. 35; vgl. auch Keidel/Kuntze/Kahl, a.a.O., § 19 Rz. 43; Jansen/Briesemeister, a.a.O., § 19 Rz. 41). Dem Amtsgericht Kassel ist das Landgericht Kassel vorgeordnet, vgl. § 3 Ziffer 6d des Gesetzes über den Sitz und den Bezirk der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften (Gerichtsorganisationsgesetz) vom 08.02.1961 (GVBl. S. 29) in der Fassung vom 11.02.2005 (GVBl. I S. 98).

§ 72 Abs. 2 Satz 1 GVG in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.04.2007 (BGBl. I S. 509 ff), mit dem das oben zitierte Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze hinsichtlich dieser Norm abgeändert wurde, ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Unabhängig von der Frage, inwieweit eine derartige Vorschrift des Gerichtsverfassungsgesetzes für das FGG-Verfahren - um ein solches handelt es sich hier - direkt oder entsprechend anwendbar wäre (vgl. dazu etwa Münchener Kommentar/Wolf, ZPO, 2. Aufl., § 72 GVG Rz. 1, 5; Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 2 EGGVG Rz. 2 ff, 13; § 72 GVG Rz. 19; Jansen/Briesemeister, a.a.O., § 30 Rz. 2; und - in anderem Zusammenhang - OLG Stuttgart NZM 2006, 348, 349), regelt die zitierte Vorschrift nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut, den auch das Landgericht Kassel im Beschluss vom 11.07.2007 zitiert, ausschließlich die (örtliche) Zuständigkeit "in Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 des Wohnungseigentumsgesetzes". Es handelt sich nach diesem Wortlaut dabei also lediglich um die Verfahren, die nach dem oben zitierten Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze (ab dem in § 62 Abs. 1 WEG geregelten Zeitpunkt; vgl. dazu Bergerhoff NZM 2007, 553) nach diesen Vorschriften, mithin im Verfahren nach der Zivilprozessordnung, zu führen sind. Für das vorliegende Wohnungseigentumsverfahren gelten die in dieser Norm aufgeführten Verfahrensvorschriften aber - wie oben ausgeführt - noch nicht. In der insoweit hier noch (weiter) geltenden Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes a. F. gibt es auch entsprechend bezeichnete Gesetzesvorschriften nicht; die maßgebliche Verfahrensvorschrift ist hier vielmehr der § 43 Abs. 1 WEG a. F. Auf ein derartiges Verfahren kann sich § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG n. F. mithin nicht beziehen. Aus diesem Gesetzesverständnis heraus bedurfte es auch einer Einbeziehung des § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG n. F. in die Übergangsvorschrift des § 62 Abs. 1 WEG nicht. § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG n. F. gilt vielmehr ab 01.07.2007 (vgl. Art. 6 des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.04.2007 und BT-Drucksache 16/4194, S. 15); der (sachliche) Anwendungsbereich der Vorschrift erschließt sich aus dem Gesetzeswortlaut.

Diese Auslegung korrespondiert auch mit den dieser Gesetzesfassung zugrunde liegenden Materialien aus dem Gesetzgebungsverfahren. In der dem Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26.03.2007 vorangegangenen Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 16/3843, S. 29) wird zu Artikel 3 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b im Zusammenhang mit der Änderung des § 72 GVG ausschließlich auf die "Binnenstreitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG (neu)" und "die Fälle des § 43 Nr. 5 WEG (neu)" Bezug genommen. Die Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 WEG (alt) sind dort nicht aufgeführt. Ähnliches gilt für die sich auf Artikel 3 Absatz 1 beziehenden Ausführungen im vorangegangenen Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 16/887, S. 48) sowie für die Stellungnahme des Bundesrates hierzu (BT-Drucksache 16/887, S. 55), die allerdings jeweils noch anderweitige Zuständigkeitsregelungen vorsahen. Damit kann auch am ehesten das Ziel der Übergangsvorschrift des § 62 WEG, beim Übergang vom alten auf das neue Recht Verzögerungen und Erschwerungen zu vermeiden (vgl. BT-Drucksache 16/887, S. 43), erreicht werden. Die auch mit § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.04.2007 angestrebte Harmonisierung der Gerichtsverfahren (vgl. BT-Drucksache 16/887, S. 12) soll sich nach der ausdrücklichen Regelung in der Übergangsvorschrift des § 62 Abs. 1 WEG auf die "Altverfahren" gerade nicht beziehen. Demgemäß wird auch in den aufgeführten Gesetzesmaterialien jeweils davon ausgegangen, dass die Änderung des Instanzenzugs (erst) einhergeht mit der Verlagerung der Wohnungseigentumsverfahren zur ZPO (vgl. etwa BT-Drucksache 16/887, S. 13). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass es dem entgegen auch für "Altverfahren" bereits zu einer Zuständigkeitsänderung in der Rechtsmittelinstanz kommen sollte, finden sich darin nicht.

Wenn auch - soweit hier ersichtlich - die vorliegend aufgeworfene Frage in der veröffentlichten Literatur noch nicht explizit erörtert worden ist, wird doch dort ebenfalls im Ergebnis durchgehend darauf abgestellt, dass auch die neuen Zuständigkeitsvorschriften erstmals für Verfahren anwendbar sein sollen, die am bzw. nach dem 01.07.2007 bei einem Gericht anhängig werden (vgl. Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 18 Rz. 1; Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, 2. Aufl., Teil 17 Rz. 165, 166, 177; Briesemeister, Die Rechtsmittelverfahren in Wohnungseigentumssachen, ZWE 2007, 77; Elzer, Die WEG-Novelle 2007, WuM 2007, 295, 303, 305; Gottschalg, Wesentliche Aspekte der beschlossenen WEG-Novelle, NZM 2007, 194, 200; ders., WEG-Reform: Das neue Verfahrensrecht, DWE 2007, 13, 18; Abramenko, Das neue Verfahrensrecht im WEG, AnwBl 2007, 403, 408).

Soweit das Landgericht Kassel weiter auf § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Zuständigkeit auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit und anderer Aufgaben bei Änderung des Bezirks eines Amtsgerichts vom 22.06.1976 (GVBl. I S. 277) Bezug nimmt, ist diese Vorschrift hier nicht anwendbar. Der darin geregelte Fall, dass der Bezirk des Amtsgerichts ganz oder teilweise dem Bezirk eines anderen Rechtsmittelgerichts zugeordnet worden wäre, ist für das hier vorliegende Wohnungseigentumsverfahren nicht gegeben. Eine Änderung der Zuständigkeit für laufende FGG-Verfahren ist gerade nicht vorgenommen worden. Insoweit ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen. Damit scheidet auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift, auf die das Landgericht Kassel ergänzend abstellt, aus. Wollte man mit dem Landgericht Kassel davon ausgehen, dass § 72 Abs. 2 GVG n. F. auch auf FGG-Verfahren anwendbar wäre, würde sich überdies eine gesonderte Ermächtigung aus § 72 Abs. 2 Sätze 3, 4 GVG ergeben, so dass ein Rückgriff auf eine - auf einer gänzlich anderen Ermächtigung (vgl. Art. 2 des Gesetzes über die Zuständigkeit der Gerichte bei Änderungen der Gerichtseinteilung vom 06.12.1933, RGBl. I, S. 1037) beruhenden - Verordnung aus dem Jahr 1976 ausscheiden würde.

Ende der Entscheidung

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