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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 25.11.2002
Aktenzeichen: 20 W 340/02
Rechtsgebiete: BVormVG


Vorschriften:

BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2 Ziff. 2
Die mit einer Abschlußprüfung beendete Ausbildung an einem Priester- und Missionsseminar in der Schweiz vermittelt betreuungsrelevante Fachkenntnisse nicht im Kernbereich, sondern allenfalls am Rande der Ausbildung und rechtfertigt deshalb keine Vergütung mit dem Stundensatz des § 1 Abs. 2 Ziff. 2 BVormVG.
20 W 340/02

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

In dem Betreuungsverfahren

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf den Wiedereinsetzungsantrag und die sofortige weitere Beschwerde des Betreuers gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 25. Juni 2002 am 25. November 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 238,28 EUR

Gründe:

Es kann dahinstehen, ob dem Betreuer wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre, da auch im Falle der form- und fristgerechten Einlegung des kraft Zulassung im angefochtenen Beschlusses statthaften Rechtsmittels ( § 56g Abs. 5 S. 2 FGG ) dieses nicht zum Erfolg führen kann, weil die Entscheidung des Landgerichts jedenfalls nicht auf einer Rechtsverletzung beruht ( §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO ).

Der Senat neigt bereits dazu, im vorliegenden Falle eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen, da die Fristversäumung nicht unverschuldet war ( § 22 Abs. 1 FGG ). Denn von einem Berufsbetreuer sollte erwartet werden können, dass er die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Rechtsmittel im Betreuungsverfahren kennt oder zumindest in der Lage ist, sich entsprechende Kenntnisse unverzüglich nach Zustellung einer Entscheidung, gegen die er ein Rechtsmittel einlegen will, zu verschaffen ( vgl. BayObLG FamRZ 2002, 1362; OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 35 ). Dies bedarf jedoch hier keiner abschließenden Entscheidung.

Jedenfalls kann auch eine nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässige sofortige weitere Beschwerde in der Sache nicht zum Erfolg führen, weil die Entscheidung des Landgerichts, wonach die abgeschlossene Ausbildung des Betreuers an einem schweizerischen Prediger- und Missionsseminar die Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 BVormVG für die Bewilligung eines Stundensatzes von 60,-- DM bzw. 31,-- EUR nicht erfüllt, ohne Rechtsfehler ist.

Dieser höchste Stundensatz der dreistufigen Vergütungsskala des § 1 Abs. 1 BVormVG kommt nur in Betracht, wenn der Betreuer über besondere, für die Führung der Betreuung nutzbare Kenntnisse verfügt, welche durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

Besondere, für die Führung einer Betreuung nutzbare Fachkenntnisse sind solche, die bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet über ein Grundwissen deutlich hinausgehen und geeignet sind, die Geschäftsführung des Betreuers zu erleichtern, weil sie ihn befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (vgl. BT-Drucks. 13/1758 S. 14; Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1836 Rn. 14; BayObLG BtPrax 2000, 81). Dabei müssen diese Fachkenntnisse nicht das gesamte Anforderungsprofil aller theoretisch in Betracht kommenden Betreuungsaufgaben abdecken. Vielmehr reicht es aus, wenn sie zur Bewältigung bestimmter betreuungstypischer Aufgabenkreise verwendbar sind (vgl. BT-Drucks. 13/1758 S. 14/15; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836 a BGB Rn. 50; Palandt/Diederichsen, a.a.0., § 1836 a Rn. 2; OLG Zweibrücken FGPrax 2001, 21). Angesichts der gesetzlichen Betonung der rechtlichen Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt rechtlichen Kenntnissen hierbei eine besonders grundlegende Bedeutung zu. Betreuungsrelevant sind im Allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft. Allerdings muss die Ausbildung hierbei in ihrem Kernbereich und nicht nur am Rande auf die Vermittlung derartiger betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet sein (vgl. BayObLG, a.a.0. und BtPrax 2000, 124/125; Senatsbeschluss vom 08. April 2002 - 20 W 368/01 - in OLG-Report Frankfurt am Main 2002, 189).

Ob ein Berufsbetreuer die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG erfüllt, obliegt der Beurteilung des Tatrichters und kann vom Rechtsbeschwerdegericht lediglich auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG), die nur vorliegen, wenn der Tatrichter einen unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, gegen Denkgesetze verstoßen oder allgemein bekannte Erfahrungssätze nicht beachtet hat (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 81/82 und 124/125).

Hiernach weist die Entscheidung des Landgerichts, wonach die von dem Betreuer abgeschlossene Ausbildung des Prediger- und Missionsseminars Sankt Chrischona bei Basel in der Schweiz jedenfalls in ihrem Kernbereich keine betreuungsrelevanten Kenntnisse vermittelt, keine Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass sich aus dem Abschlusszeugnis folgende Ausbildungsinhalte ergeben:

"Auffrischung und Erweiterung der Elementarschuldbildung in Deutsch, Weltgeschichte, Rechnen und Geographie.

- Bibelkunde Alten und Neuen Testaments, Auslegung verschiedener Bücher des Alten und Neuen Testaments, Leben und Lehre Jesu.

- Exegetische Übungen, Homiletik, Predigtübungen.

- Biblische Glaubenslehre (Dogmatik), Christliche Lebenslehre (Ethik), die Lehre von der Seelsorge, Kirchengesichte von den Anfängen bis zur neuen Zeit Unterscheidungslehren der kirchlichen Bekenntnisse (Symbolik), Sektenlehre, Katechetik. Psychologie, Neutestamentliches Griechisch, Englisch, Chorgesang, Harmoniumspiel".

und hiervon allein das Fach Psychologie als betreuungsrelevant angesehen werden kann. Die tatrichterliche Einschätzung, wonach sich aus dem Gesamtumfang des Fächerkataloges ergibt, dass diese Ausbildung nicht im Kernbereich, sondern nur am Rande betreuungsrelevante Kenntnisse im Bereich der Psychologie vermittelt, ist zutreffend und rechtsfehlerfrei. Sie orientiert sich an dem konkreten Inhalt der Ausbildung und wird auch durch den allgemeinen Hinweis der weiteren Beschwerde auf die vermittelte allgemeine soziale Kompetenz sowie die langjährige Auslandserfahrung nicht widerlegt.

Anderes ergibt sich auch nicht aus der von dem Betreuer in Bezug genommenen Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen OLG ( BtPrax 2000, 262 ). Denn für die dort zu beurteilende Ausbildung zum Pastor war anhand des aus dem Studienbuch ersichtlichen Studienstoffes im Unterschied zum vorliegenden Fall die Feststellung getroffen worden, dass die betreuungsrelevanten Fächer zum Kernbereich der Ausbildung gehörten.

Damit kommt es auf die weiteren Fragen, ob das von dem Betreuer besuchte Prediger- und Missionsseminar in der Schweiz einer Hochschule gleichgestellt werden kann und es sich hierbei um eine staatlich anerkannte Ausbildung handelt, nicht mehr an.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 Kost0.

Ende der Entscheidung

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