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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.02.2005
Aktenzeichen: 20 W 358/04
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG


Vorschriften:

BGB § 1836
BGB § 1836 a
BGB § 1908 i
BVormVG § 1 I 2 Nr. 2
Das an einer Technischen Hochschule abgeschlossene Studium der Fachrichtung Chemie vermittelt betreuungsrelevante Fachkenntnisse nicht im Kernbereich, sondern allenfalls am Rande der Ausbildung und rechtfertigt deshalb keine Vergütung mit dem Stundensatz von 31,- € nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG.
Gründe:

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 S. 2 FGG statthafte sowie frist- und formgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie führt in der Sache nicht zum Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht ( §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO ).

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem berufsmäßig bestellten Betreuer, dem nach erfolgreich abgeschlossenem Studium in der Diplom-Fachrichtung Chemie an der Technischen Hochschule X der Grad eines Diplom-Ingenieurs verliehen wurde, für seine Tätigkeit ab dem 1. Juli 2001 ein Stundensatz von 60,-- DM zusteht.

Die Entscheidung des Landgerichts, wonach die mit dem Diplom abgeschlossene Ausbildung des Betreuers die Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 BVormVG für die Bewilligung eines Stundensatzes von 60,-- DM bzw. 31,-- EUR nicht erfüllt, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

Gemäß §§ 1836 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, 1836 a BGB bemisst sich die Vergütung des Berufsbetreuers, die bei Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu zahlen ist, nach § 1 BVormVG.

Gemäß § 1 Abs. 1 BVormVG ist für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit ein der Qualifikation des Betreuers entsprechender vom Gesetzgeber in einer typisierten dreistufigen Skala verbindlich festgelegter Betrag zuzüglich Mehrwertsteuer vorgesehen. Der Mindestsatz beträgt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG 35,-- DM bzw. 18,-- Euro. Verfügt der Vormund über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind, so erhöht sich die Vergütung auf 45,-- DM bzw. 23,-- Euro, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre erworben sind, und auf 60,-- DM bzw. 31,-- Euro, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben sind. Abgeschlossene Ausbildungen, die diesen beiden Qualifikationen vergleichbar sind, werden ihnen gleichgestellt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BVormVG).

Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat ( vgl. etwa FamRZ 2002, 1657 und OLG-Report Frankfurt 2002, 189 und 2003, 62 ) sind besondere, für die Führung einer Betreuung nutzbare Fachkenntnisse solche, die bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet über ein Grundwissen deutlich hinausgehen und geeignet sind, die Geschäftsführung des Betreuers zu erleichtern, weil sie ihn befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (vgl. BT-Drucks. 13/1758 S. 14; Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1836 Rn. 14; BayObLG BtPrax 2000, 81). Dabei müssen diese Fachkenntnisse nicht das gesamte Anforderungsprofil aller theoretisch in Betracht kommenden Betreuungsaufgaben abdecken. Vielmehr reicht es aus, wenn sie zur Bewältigung bestimmter betreuungstypischer Aufgabenkreise verwendbar sind (vgl. BT-Drucks. 13/1758 S. 14/15; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836 a BGB Rn. 50; Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1836 a Rn. 2; OLG Zweibrücken FGPrax 2001, 21). Angesichts der gesetzlichen Betonung der rechtlichen Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt rechtlichen Kenntnissen hierbei eine besonders grundlegende Bedeutung zu. Betreuungsrelevant sind im Allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft. Allerdings muss die Ausbildung hierbei in ihrem Kernbereich und nicht nur am Rande auf die Vermittlung derartiger betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet sein (vgl. BayObLG, a.a.O. und BtPrax 2000, 124/125; Senatsbeschluss vom 08. April 2002 --20 W 368/01 - in OLG-Report Frankfurt am Main 2002, 189).

Ob ein Berufsbetreuer die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG erfüllt, obliegt der Beurteilung des Tatrichters und kann vom Rechtsbeschwerdegericht lediglich auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG), die nur vorliegen, wenn der Tatrichter einen unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, gegen Denkgesetze verstoßen oder allgemein bekannte Erfahrungssätze nicht beachtet hat (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 81/82 und 124/125).

Nach diesen Grundsätzen weist die Entscheidung des Landgerichts, wonach die von dem Betreuer abgeschlossene Hochschulausbildung der Fachrichtung Chemie jedenfalls in ihrem Kernbereich keine betreuungsrelevanten Kenntnisse vermittelt, keine Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat berücksichtigt, dass das Studium der Chemie an der Technischen Hochschule neben vielen anderen Kenntnissen auch besondere Fachkenntnisse über die Zusammensetzung und Wirkungsweise von Medikamenten vermittelt und der Betreuer deshalb in Bezug auf die Pharmazie über die erforderliche Sachkenntnis verfügt, die nach §§ 11a, 75, 76 Arzneimittelgesetz -AMG- seien Einsatz als sog. Pharmaberater für pharmazeutische Unternehmen gestattet. Es hat jedoch zutreffend darauf abgestellt, dass das Hochschulstudium der Chemie nur am Rande, nicht jedoch in seinem Kernbereich betreuungsrelevante Kenntnisse vermittelt. Zwar besteht zwischen dem eindeutig betreuungsrelevanten Studiengang der Medizin und der Chemie eine gewisse thematische Überschneidung im Bereich der Pharmakologie. Bezogen auf das Gesamtstudium der Chemie handelt es sich hierbei jedoch nur um einen von mehreren Teilbereichen. Des weiteren stellt die Pharmakologie innerhalb der Medizin nur einen sehr begrenzten Teil des Fachstoffes dar. In diesem Zusammenhang ist für die Führung einer rechtlichen Betreuung ist zu berücksichtigen, dass die Verordnung und Verabreichung verschreibungspflichtiger Medikamente allein in den Verantwortungsbereich des jeweils behandelnden Arztes fällt und pharmakologische Fachkenntnisse für die Führung einer rechtlichen Betreuung deshalb auch innerhalb des einzig in Betracht kommenden Aufgabenkreises der Gesundheitssorge nur eine sehr untergeordnete und begrenzte Rolle spielen. Zwar mögen die durch das Studium vom Betreuer erworbenen Fachkenntnisse der Pharmakologie die Kommunikation des Betreuers mit dem Arzt und auch dem Betroffenen erleichtern, wenn es um Probleme im Zusammenhang mit der Einnahme von Medikamenten geht. Das Landgericht ist aber zutreffend zu der Einschätzung gelangt, dass dies nicht für die Annahme ausreicht, das Studium der Chemie vermittele in seinem Kernbereich betreuungsrelevante Kenntnisse.

Die von dem Betreuer außerdem angeführte 3jährige berufliche Tätigkeit als Klinikreferent und die diesbezüglichen Schulungen können ebenso wie seine bisherige Erfahrung auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit als Berufsbetreuer die Vergütung nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG nicht rechtfertigen, weil es insoweit an dem Merkmal einer abgeschlossenen Ausbildung fehlt.

Da im vorliegenden Verfahren der Rechtsbeschwerde das Verbot der reformatio in peius gilt, bedarf es keiner Entscheidung des Senates darüber, ob der Betreuer die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BVormVG erfüllt.

Die sofortige weitere Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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