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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.12.2006
Aktenzeichen: 20 W 365/06
Rechtsgebiete: BGB, VBVG


Vorschriften:

BGB § 1836
BGB § 1908 i Abs. 1
VBVG § 1 Abs. 2
VBVG § 4 Abs. 1 S. 2 Zif. 2
Einer staatlich anerkannten Sondererzieherin, die zu dieser Zusatzausbildung zugelassen wurde, nachdem ihre zuvor durchlaufene sonder- und heilpädagogische Ausbildung und Tätigkeit durch staatliche Anerkennung als dem Fachschulabschluss Sozialpädagogik vergleichbar anerkannt worden war, kann die Vergütungsstufe des § 41 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 VBVG zugebilligt werden.
Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über den der Antragstellerin als Berufsbetreuerin bei der Vergütungsfestsetzung zustehenden Stundensatz.

Die Antragstellerin studierte von Oktober 1972 bis März 1975 fünf Semester Erziehungswissenschaften an der A-Universität in O1. Außerdem war sie von Juli 1977 bis März 1983 als Gruppenleiterin bei einem gemeinnützigen Verein für Behindertenhilfe in dessen Werkstätten für Behinderte beschäftigt. Auf der Grundlage dieser Studien- und Tätigkeitsnachweise erkannte die Bezirksregierung in O2 mit Bescheid von 08. Juni 1976 die bisherige Ausbildung der Antragstellerin als eine dem Abschluss der Fachschule für Sozialpädagogik vergleichbare Ausbildung an. Aufgrund dieser Anerkennung wurde die Antragstellerin in die Fachschule für Sondererzieher der Diakonieanstalten O3 aufgenommen, die sie in der Zeit von September 1976 bis Juli 1977 in Vollzeitform besuchte. Ihr wurde dort nach bestandener Prüfung im Abschlusszeugnis vom 14. Juli 1977 die Bezeichnung "Staatlich geprüfte Sondererzieherin" zuerkannt. Des Weiteren wurde in dem Zeugnis bescheinigt, dass die Ausbildung zum staatlich geprüften Sondererzieher in ... eine heilpädagogische Zusatzausbildung ist, die der Ausbildung des Heilpädagogen entspricht.

Im Hinblick auf diese berufliche Qualifikation hat das Amtsgericht der Antragstellerin mit Beschluss vom 07. April 2006 für die Zeit vom 01. Juli 2005 bis zum 29. Oktober 2005 unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 44,00 EUR und eines pauschalen Zeitaufwandes von 15,2 Stunden eine Betreuervergütung von 668,80 EUR gegen die Staatskasse antragsgemäß festgesetzt.

Das Landgericht hat auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Beschluss die Betreuervergütung für diesen Zeitraum auf 509,20 EUR herabgesetzt und zur Begründung ausgeführt, es dürfe nur der Stundensatz von 33,50 EUR zu Grunde gelegt werden; da die mit einer Prüfung abgeschlossene Ausbildung der Antragstellerin lediglich ein Jahr gedauert habe, könne sie auch unter Berücksichtigung der in Bezug genommenen Senatsentscheidung vom 19. Juli 2002 - 20 W 241/02 -(OLG-Report Frankfurt 2002, 277 und FamRZ 2002, 277) in ihrer Wertigkeit nicht einer Hochschulausbildung gleichgesetzt werden.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie insbesondere geltend macht, neben der vom Landgericht isoliert betrachteten Zusatzausbildung müsse auch ihre mehrjährige theoretische und praktische vorherige Ausbildung Berücksichtigung finden, welche dem Abschluss der Fachschule für Sozialpädagogik entspreche.

II.

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie führt auch in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts auf einem Rechtsfehler beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Der Vergütung der Antragstellerin ist der ihr bereits vom Amtsgericht mit zutreffenden Erwägungen zugebilligte Stundensatz von 44,-- EUR zu Grunde zu legen.

Nach §§ 1908 i Abs. 1, 1836 Abs. 1 und 2 BGB bemisst sich die Vergütung des Berufsbetreuers seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern - VBVG - vom 21. April 2005 (BGBl. I S. 1073) am 1. Juli 2005 nach § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG und den weiteren Vorschriften dieses Gesetzes.

Für die Ermittlung des maßgeblichen Stundensatzes hat der Gesetzgeber in § 4 VBVG in Anknüpfung an die bisherige gesetzliche Regelung des § 1 Abs. 1 BVormVG an der entsprechend der Qualifikation des Betreuers typisierten, dreistufigen Skala mit verbindlich geregelten Stundensätzen festgehalten, die allerdings nunmehr gemäß § 4 Abs. 2 VBVG auch die Ansprüche auf Aufwendungsersatz und Umsatzsteuer mit abgelten und dementsprechend erhöht wurden. Der Mindestsatz beträgt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VBVG 27,-- EUR. Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so erhöht sich der Stundensatz auf 33,50 EUR, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre erworben sind und auf 44,-- EUR, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben sind (§ 4 Abs. 1 S. 2 Ziffer 1 und 2 VBVG). Dabei hat der Gesetzgeber - um ein zu grobes Raster zu vermeiden - einer abgeschlossenen Lehre bzw. Hochschulausbildung jeweils vergleichbare abgeschlossene Ausbildungen gleichgestellt, wodurch eine schematisches Abstellen auf die Bezeichnung der Schule oder Ausbildungsstätte ohne eine inhaltliche Bewertung der Vergleichbarkeit ausgeschlossen wird (vgl. OLG Hamm FamRZ 2001, 1398; OLG Zweibrücken, FamRZ 2004, 1323). Hierzu ist anerkannt, dass zu den Hochschulen im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Ziffer 2 BVormVG bzw. § 4 Abs. 1 S. 2 Ziffer 2 VBVG auch Fachhochschulen zu rechnen sind (vgl. BayObLG BtPrax 2001, 36; OLG Braunschweig BtPrax 2000, 130; Senatsbeschluss vom 19. Juli 2002 - 20 W 241/02 a.a.O.).

An der Nutzbarkeit der von der Antragstellerin im Rahmen ihrer Ausbildung in den Pflichtfächern Sonderpädagogik, Psychologie, medizinische Grundlagen sowie Rechts- oder Verwaltungskunde erworbenen Kenntnisse für die Führung einer rechtlichen Betreuung besteht im vorliegenden Fall kein Zweifel.

Die Gleichwertigkeit mit einer Hochschulausbildung ist dann anzunehmen, wenn die Ausbildung staatlich reglementiert oder zumindest staatlich anerkannt ist und der durch sie vermittelte Wissensstand nach Art und Umfang dem Studium an einer Universität oder Fachhochschule entspricht. Dabei können als Kriterien für die Vergleichbarkeit insbesondere der mit der Ausbildung verbundene Zeitaufwand, der Umfang und der Inhalt des Lehrstoffes sowie die Ausgestaltung der Abschlussprüfung herangezogen werden (vgl. BayObLG BtPrax 2001, 36; OLG Köln FamRZ 2001, 1398; OLG Braunschweig, FamRZ 2000, 1307; Senatsbeschluss 20 W 241/02 a.a.O.). Daneben kann auch auf die durch die Abschlussprüfung erworbene Qualifikation abgestellt werden. Eröffnet sie den Absolventen den Zugang zu beruflichen Tätigkeiten und den entsprechenden Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppen, die sonst üblicherweise Hochschulabsolventen vorbehalten sind, so spricht dies für eine Annahme der Vergleichbarkeit (vgl. BayObLG BtPrax 2001, 36). Allerdings kommt ein rein schematisches Abstellen auf die Schulbezeichnung ohne eine inhaltliche Bewertung der Vergleichbarkeit nicht in Betracht. So liegt die an einer Fachschule vermittelte Qualifikation zwar in aller Regel unterhalb des für die Bewilligung der höchsten Besoldungsstufe erforderlichen Fachhochschulniveaus (vgl. BayObLG FamRZ 2005, 932; OLG Schleswig BtPrax 2000, 172; BayObLG FamRZ 2000, 1307; OLG Dresden FamRZ 2000, 316, Senatsbeschlüsse 20 W 503/01=BtPrax 20021, 169 und 20 W 241/02 a.a.O.). Es kann jedoch nach der jeweils gebotenen inhaltlichen Bewertung im Einzelfall auch eine als Fachschule bezeichnete Ausbildungsstätte eine Ausbildung vermitteln, die mit einem Fachhochschulstudium gleichgesetzt werden kann (vgl. OLG Hamm FamRZ 2001, 1398 und Senatsbeschluss 20 W 241/02 a.a.O.).

Ob ein Berufsbetreuer im konkreten Falle die Voraussetzung für die Bewilligung eines erhöhten Stundensatzes nach der früheren Regelung des § 1 Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 und 2 BVormVG oder der jetzigen Regelung des § 4 Abs. 1 S. 2 Ziffer 1 und 2 VBVG erfüllt, ist vom Tatrichter zu beurteilen, dessen Würdigung im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde nur darauf überprüft werden kann, ob von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommene Feststellungen ausgegangen, wesentliche Umstände außer Acht gelassen oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen wurde (vgl. OLG Zweckbrücken FamRZ 2004, 1323; BayObLG FGPrax 2000, 22; OLG Jena FGPrax 2000, 110; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 42).

Die hier angefochtene Entscheidung des Landgerichts, mit welcher der Antragstellerin der Stundensatz von 44,-- EUR versagt wurde, weist einen derartigen Rechtsfehler auf, weil die Kammer bei der Bewertung der Kriterien zur Beurteilung der Vergleichbarkeit wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat. Sie ist zwar im Ansatz zutreffend von den eingangs genannten Kriterien ausgegangen und hat insbesondere berücksichtigt, dass die Antragstellerin ihre Ausbildung an einer staatlich anerkannten Fachschule abgeschlossen hat, die in aller Regel einem Fachhochschulabschluss nicht gleichgestellt werden kann.

Allerdings hat das Landgericht die Besonderheiten der von der Antragstellerin insgesamt absolvierten und mit einer Prüfung abgeschlossenen Ausbildung nicht genügend berücksichtigt. Zwar trifft es zu, dass die Antragstellerin vor Ablegung ihrer Prüfung an der staatlich anerkannten Fachschule für Sondererzieher selbst nur eine einjährige Ausbildung in Vollzeitform mit den im einzelnen näher im Zeugnis aufgeführten Pflicht- und Wahlpflichtfächern absolviert hat. Entgegen der Auffassung des Landgerichts darf aber nicht mit einer isolierten Betrachtung allein auf diesen kurzen Ausbildungsabschnitt abgestellt und bereits deshalb eine Vergleichbarkeit mit einem Fachhochschulstudium verneint werden.

Denn das Landgericht hat bei seiner Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt, dass Zugangsvoraussetzung für diese einjährige Fachschulausbildung zum Sondererzieher eine mit dem Abschluss der Fachschule für Sozialpädagogik vergleichbare Ausbildung war. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht außer Acht gelassen, dass der Antragstellerin durch den vorgelegten Bescheid der Bezirksregierung Koblenz vom 08. Juni 1976 die von ihr zuvor durchlaufene nachgewiesene sonder- und heilpädagogische Ausbildung ausdrücklich als eine dem Abschluss der Fachschule für Sozialpädagogik vergleichbare Ausbildung anerkannt worden war und sie gerade deshalb zu der als Zusatzausbildung ausgestalteten weiteren Ausbildungsmaßnahme an der Fachschule zugelassen worden war. Auch wenn die Antragstellerin ihr erziehungswissenschaftliches Studium von 5 Semestern an der Universität nicht mit einer Prüfung beendet hat, war es dem Landgericht aufgrund der ausdrücklich erteilten staatlichen Anerkennung ( vgl. hierzu etwaBayObLG BtPrax 2003, 135; OLG Dresden FamRZ 2001, 188) verwehrt, die während dieses Studiums und in der langjährigen beruflichen Tätigkeit erworbenen Kenntnisse mit dem Hinweis eines insoweit fehlenden Abschlusses völlig außer Betracht zu lassen. Denn der von § 4 Abs. 1 S. 2 Ziffer 2 VBVG ausdrücklich geforderte Abschluss der Ausbildung bezieht sich nach dem Wortlaut der Vorschrift und dem Gesamtzusammenhang auf die am Ende der Ausbildung abzulegende Prüfung oder sonstige staatliche reglementierte oder anerkannte Leistungsüberprüfung. Ist aber ausweislich der von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen der vorherige Abschluss der Fachschule für Sozialpädagogik die regelmäßige Zugangsvoraussetzung für die hierauf aufbauende und weiterführende Zusatzausbildung als Sondererzieher und wird für einen Bewerber durch eine staatliche Stelle aufgrund einer allgemeinen Reglementierung eine andere vorher absolvierte Ausbildung und/oder Tätigkeit ausdrücklich anerkannt, so ist dies im Rahmen der Einstufung eines Berufsbetreuers für die Vergütungsentscheidung ebenfalls zu Grunde zu legen.

Auf dieser Grundlage hat das Amtsgericht hier zutreffend darauf abgestellt, dass der Abschluss an einer Fachschule für Sozialpädagogik in der Regel erst nach einer dreijährigen Ausbildung an einer solchen Fachschule erreicht werden kann und eine einjährige praktische hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Sozialarbeit, Sozialpflege, Sozialpädagogik oder Sonderpädagogik hinzukommen muss, um sodann als Zusatzausbildung in Vollzeitform die einjährige Fachschule für Sondererzieher besuchen und mit der Prüfung zum staatlich geprüften Sondererzieher abschließen zu können.

Unter Berücksichtigung der insoweit maßgeblichen Gesamtausbildungsdauer, der ausweislich der vorgelegten Unterlagen unterrichteten Pflicht- und Wahlpflichtfächer, der staatlichen Abschlussprüfung und der im Prüfungszeugnis bescheinigten Gleichstellung mit der Ausbildung eines Heilpädagogen und der hierdurch eröffneten beruflichen Tätigkeiten ist deshalb im vorliegenden Falle davon auszugehen, dass die von der Antragstellerin insgesamt durchlaufene staatlich reglementierte Ausbildung einschließlich der als ausbildungsbezogen anerkannten theoretischen und praktischen Tätigkeiten und der in einer staatlichen Prüfung erreichte Abschluss einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Fachhochschule vergleichbar ist.

Das Amtsgericht hat deshalb der Antragstellerin für ihre Tätigkeit als Berufsbetreuerin zutreffend den Stundensatz gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 VBVG zuerkannt, so dass der dies abändernde Beschluss des Landgerichts aufzuheben und die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Vergütungsfestsetzung des Amtsgerichtes zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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