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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 07.06.2004
Aktenzeichen: 20 W 39/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG, PStG
Vorschriften:
BGB § 1310 I 2 | |
BGB § 1314 II | |
BGB § 1353 | |
FGG § 12 | |
PStG § 48 | |
PStG § 49 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
Entscheidung vom 07.06.2004
In der Personenstandssache
betreffend die Weigerung der Standesbeamtin zur Mitwirkung an der Eheschließung
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16. Januar 2004 am 07. Juni 2004 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Verfahren wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch darüber zu befinden haben wird, ob eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten stattfindet.
Beschwerdewert: 3.000,-- Euro
Gründe:
Die Antragsteller sprachen am ... September 2003 bei der Standesbeamtin des ... der Stadt ... zur Anmeldung der Eheschließung vor. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Antragstellerin zu 1) als Asylbewerberin nur eine räumlich beschränkte Aufenthaltsgestattung für das Stadtgebiet A hatte und sich mit einem ...ischen Reisepass auswies, den sie bei der zuständigen Ausländerbehörde in A nicht vorgelegt hatte, führte die Standesbeamtin eine getrennte Befragung der beiden Antragsteller durch, die hierbei widersprüchliche Angaben zu Zeitpunkt, Ort und Umständen ihres Kennenlernens machten. Die Standesbeamtin gelangte zu der Überzeugung, dass die Eheschließung nur dazu dienen solle, der Antragstellerin zu 1) einen gültigen Aufenthalt in Deutschland zu verschaffen und lehnte die Mitwirkung ab.
Die Antragsteller beantragten daraufhin am ... September 2003 beim Amtsgericht, die Standesbeamtin zur Entgegennahme der Eheanmeldung anzuhalten. Nach persönlicher Anhörung der Antragsteller wies der Amtsrichter das Standesamt mit Beschluss vom 04. November 2003 an, die Eheschließung zwischen den Antragstellern durchzuführen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei nicht erkennbar geworden, dass die Antragsteller die Ehe nur zum Schein schließen wollten.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 3) hob das Landgericht mit Beschluss vom 27. Januar 2004 ohne Durchführung eigener Ermittlungen oder persönlicher Anhörung der Antragsteller den amtsgerichtlichen Beschluss auf und wies den Antrag der Antragsteller zurück. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, aus den divergierenden Angaben der Antragsteller zu den Umständen ihres Kennenlernens, ihrem gewöhnlichen Aufenthalt in weit auseinanderliegenden Standesamtsbezirken und den unzureichenden Kenntnissen der Antragstellerin über die Eltern des Antragstellers habe die Standesbeamtin ohne Rechtsfehler schließen können, dass keine ernstliche Absicht zur Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft gegeben sei.
Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit der weiteren Beschwerde, mit der sie insbesondere geltend machen, sie hätten bereits Monate vor der Eheanmeldung zusammen gelebt, soweit dies aufgrund der räumlichen Beschränkung der Aufenthaltsgestattung der Antragstellerin möglich gewesen sei. Dies habe Ende 2003 zu einer Schwangerschaft der Antragstellerin geführt; im Hinblick auf die Verzögerung der Eheschließung hätten sie sich jedoch zum Abbruch der Schwangerschaft entschlossen, da anderenfalls Probleme seitens der Familie der Antragstellerin zu erwarten gewesen seien. Zwischenzeitlich sei der Asylantrag der Antragstellerin rechtskräftig abgelehnt und diese habe nach B zurückreisen müssen. Der Antragsteller sei inzwischen zum Islam konvertiert und wolle Ende Juni 2004 nach B reisen, um die Antragstellerin zu 1) dort zu heiraten. Hierzu werde ihm jedoch von der Standesbeamtin wiederum die Erteilung der Ehefähigkeitsbescheinigung verweigert.
Die weitere Beschwerde der Antragsteller ist gemäß §§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 Satz 2 PStG i. V. m. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 29 Abs. 1 Satz 1und 2 und Abs. 4 FGG zulässig. In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, da die Ausführungen des Landgerichts der rechtlichen Überprüfung nicht standhalten und weitere Ermittlungen erforderlich sind, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht selbst vornehmen kann (§§ 27 FGG, 546, 559 ZPO; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 58).
Nach den durch das Eheschließungsrechtsgesetz zum 01. Juli 1998 (BGBl. I S. 333) in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelungen muss der Standesbeamte seine Mitwirkung an der Eheschließung nach § 1310 Abs. 1 Satz 2 2. Hs BGB verweigern, wenn offenkundig ist, dass die Ehe nach § 1314 Abs. 2 BGB aufhebbar wäre. Ein Eheaufhebungsgrund liegt nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB dann vor, wenn beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 BGB begründen wollen. Hiernach stellt die Absicht der Eheschließenden, keine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, ein materiell-rechtliches Ehehindernis dar, das bereits der Mitwirkung des Standesbeamten an einer Eheschließung entgegensteht.
Schon vor dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung des Eheschließungsrechtes zum 01. Juli 1998 entsprach es einhelliger Rechtsprechung der Obergerichte, dass der Standesbeamte seine Mitwirkung an einer Eheschließung dann versagen durfte, wenn die Ehe als sog. Scheinehe offenkundig dem alleinigen ehefremden Zweck der Schaffung einer Aufenthaltsberechtigung dienen sollte und die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht beabsichtigt war. Dabei wurde durch das Merkmal der Offenkundigkeit zum Ausdruck gebracht, dass der Standesbeamte nur in aus sich heraus evidenten Missbrauchsfällen seine Mitwirkung an der Eheschließung versagen durfte, wohingegen bei Vorliegen von auch nur geringem Zweifel eine Mitwirkungspflicht bestand (vgl. BayObLG StAZ 1984, 341 und 1985, 70; OLG Celle StAZ 1982, 308; OLG Karlsruhe StAZ 1983, 14, OLG Hamburg StAZ 1983, 130; OLG Frankfurt am Main, StAZ 1995, 139 jeweils m.w.N.). Diese Grundsätze hat auch die neue gesetzliche Regelung aufgegriffen, indem sie in § 1310 Abs. 1 Satz 2 2. Hs BGB für die Verweigerung der Mitwirkung an der Eheschließung die Offenkundigkeit des Eheaufhebungsgrundes postuliert, so dass verbleibende Zweifel an der Ernsthaftigkeit der beabsichtigten Lebensgemeinschaft nicht zu Lasten der Eheschließungswilligen gehen dürfen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht bestimmt § 5 Abs. 4 PStG nunmehr, dass der Standesbeamte erst dann von den dort genannten Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch machen darf, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Eheaufhebungsgrundes im Sinne des § 1314 Abs. 2 BGB vorliegen.
Die Frage, ob ein Wille zur Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft vorliegt oder lediglich die Absicht besteht, eine Scheinehe zu schließen, liegt auf tatsächlichem Gebiet. Die Feststellung der hierzu erforderlichen Tatsachen und ihre Würdigung hat der Tatrichter selbständig vorzunehmen, er kann sich hierbei nicht auf die Überprüfung der vom Standesbeamten durchgeführten Ermittlungen und dessen Entschließung beschränken. Die Entscheidung des Landgerichts als letzter Tatsacheninstanz ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob das Landgericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend gemäß § 12 FGG erforscht, bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG StAZ 2001, 362; OLG Frankfurt am Main StAZ 1995, 139; Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.0., § 27 Rn. 42). Im vorliegenden Falle ist nach diesen Anforderungen die Entscheidung des Landgerichts nicht rechtsfehlerfrei ergangen, da bei der Erörterung des Beweisstoffes nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden und das Landgericht die Antragsteller nicht persönlich angehört hat, obwohl es deren Glaubwürdigkeit anders bewertet als das Amtsgericht.
Das Landgericht stützt die Annahme der Offenkundigkeit der fehlenden Absicht zur Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft auf die divergierenden Angaben der Verlobten zu den Umständen ihres Kennenlernens, die räumlich weit auseinanderliegenden gewöhnlichen Aufenthaltsorte in ... und A sowie die in der amtsgerichtlichen Anhörung zu Tage getretenen geringen Kenntnisse der Antragstellerin zu 1) zu den persönlichen Daten der Eltern des Antragstellers zu 2). Zwar sind derartige Umstände abstrakt jeweils geeignet, Hinweise auf die Absicht zur Schließung einer bloßen Scheinehe zu liefern. Es bedarf jedoch im Einzelfall hierzu einer Gesamtwürdigung, die die jeweiligen konkreten Umstände berücksichtigt und sich hiermit angemessen auseinandersetzt. Daran fehlt es hier.
Im vorliegenden Falle war die Antragstellerin zu 1) aufgrund der ihr nur räumlich beschränkt erteilten Aufenthaltsgestattung zwar rechtlich verpflichtet, in der ihr zugewiesenen Unterkunft in A Wohnsitz zu nehmen und das dortige Stadtgebiet nicht ohne ausdrückliche behördliche Erlaubnis zu verlassen. Gleichwohl erscheint es nicht lebensfremd und kann nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass sie sich tatsächlich über längere Zeit in ... aufgehalten und hier mit dem Antragsteller zu 2) zusammen gelebt hat. Hierzu hat das Landgericht keine Erwägungen angestellt.
Des weiteren ergibt sich aus der Akte, dass nur die Antragstellerin zu 1) über ein Auskunftsverweigerungsrecht bezüglich solcher Umstände, die eine Strafbarkeit begründen könnten, erstmals in der Anhörung durch den Amtsrichter belehrt wurde. Es steht zwar fest, dass die Antragsteller gegenüber der Standesbeamtin zunächst divergierende und wahrheitswidrige Angaben über Zeitpunkt und Umstände der Einreise der Antragstellerin zu 1) und ihres Kennenlernens gemacht haben. Im Hinblick auf die ihnen bekannte vorherige telefonische Kontaktaufnahme der Standesbeamtin mit der Ausländerbehörde und das damals noch nicht abgeschlossene Asylverfahren erscheint es jedoch zumindest naheliegend, dass die unrichtigen Angaben gegenüber der Standesbeamtin zunächst zu dem Zwecke gemacht wurden, eine positive Entscheidung im Asylverfahren zu erreichen und eine strafbewehrte illegale Einreise und Aufenthalt der Antragstellerin zu 1) zu verschleiern. Unter diesen Umständen durfte das Landgericht aus den früheren unrichtigen Angaben nicht ohne weiteres folgern, dass zwischen den Antragstellern eine persönliche Beziehung, die sie in eine eheliche Lebensgemeinschaft einmünden lassen wollen, überhaupt nicht entstanden sein konnte. Vielmehr hätte die Kammer sich mit dieser Frage auseinandersetzen und sich über die diesbezügliche Glaubwürdigkeit der beiden Antragsteller einen persönlichen Eindruck verschaffen müssen.
Des weiteren war hier eine erneute persönliche Anhörung durch das Landgericht deshalb geboten, weil dieses die Glaubwürdigkeit der beiden Antragsteller in Bezug auf das Bestehen einer persönlichen Beziehung und die Absicht zur Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft anders beurteilt hat als der Amtsrichter. Dies gilt umso mehr, als der Sachverhalt durch das Amtsgericht nur unzureichend aufgeklärt und gewürdigt wurde. Die Antragsteller wurden dort weder mit ihren früheren abweichenden Angaben zu Zeitpunkt und Umständen der Einreise und des Kennenlernens und den Ungereimtheiten bezüglich der Angaben zu den Eltern des Antragstellers zu 2) konfrontiert. Außerdem hat die untere standesamtliche Aufsichtsbehörde in ihrem Schriftsatz vom 03. Dezember 2003 ausdrücklich gerügt, dass der zeitliche Rahmen der Anhörung durch das Amtsgericht mehr als knapp bemessen und eine detaillierte Befragung der Antragsteller nicht möglich gewesen sei. Bei dieser Sachlage war eine erneute Anhörung durch das Landgericht sowohl zur Sachaufklärung gemäß § 12 FGG als auch zur Verschaffung des für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit notwendigen persönlichen Eindrucks geboten.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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