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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.01.2008
Aktenzeichen: 20 W 399/07
Rechtsgebiete: AktG, FGG
Vorschriften:
AktG § 85 | |
AktG § 245 | |
AktG § 249 | |
FGG § 145 | |
FGG § 146 |
2. Die gerichtliche Bestellung von Vorstandsmitgliedern kommt in der Regel nicht in Betracht, wenn die erforderliche Mindestzahl von Vorstandsmitgliedern zwar durch den Aufsichtsrat bestellt wurde, die Wirksamkeit dieser Bestellung aber rechtlich zweifelhaft ist, weil die Wahl einzelner mitwirkender Aufsichtsratsmitglieder mit der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage angegriffen wurde, über die noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.
Gründe:
I.
Am 16. April 2007 fand eine außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrates der Gesellschaft statt. Ausweislich des Protokolls fassten die drei anwesenden Aufsichtsratsmitglieder A, B und C dort jeweils getrennte Beschlüsse, mit denen der Amtsniederlegung und dem Abschluss von Verträgen über die Beendigung der Anstellungs- und Versorgungsverträge für die drei Vorstandsmitglieder D, E und F zugestimmt wurde. Außerdem wurden zwei Beschlüsse über die Bestellung von zwei neuen Vorstandsmitgliedern (G und H) gefasst.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 3. Juli 2007 (16 O 386/05) stellte das Landgericht Darmstadt die Nichtigkeit der in der Hauptversammlung vom 18. Oktober 2005 gefassten Beschlüsse, darunter auch die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder B und C, die an der Aufsichtsratssitzung vom 16. April 2007 mitgewirkt hatten, wegen eines Einberufungsmangels fest. Mit weiterem Urteil vom selben Tage (16 O 320/06) wurden auf Anfechtungsklage diverse Beschlüsse der Hauptversammlung vom 4. Oktober 2006 - darunter die erneute Wahl der beiden vorgenannten Aufsichtsratsmitglieder - für nichtig erklärt; über die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (24 U 114/07- Zivilsenate Darmstadt) noch nicht entschieden.
Die Beschwerdeführerin zu 1 beantragte am 10. August 2007 beim Registergericht Offenbach am Main unter Hinweis auf die Amtsniederlegungen der bisherigen drei Vorstandsmitglieder D, E und F, ihren Geschäftsführer K und dessen Ehefrau L, die Beschwerdeführerin zu 2, gerichtlich zum Notvorstand zu bestellen. Der Aufsichtsratsvorsitzende A beantragte beim Registergericht Offenbach am Main am 22. August 2007 die Rechtsanwälte RA1 und RA2 zum Notvorstand zu bestellen. Die Personenvorschläge wurden wechselseitig jeweils abgelehnt.
Mit Beschlüssen vom 31. August 2007 lehnte die Registerrichterin die Anträge auf Bestellung von Notvorständen ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Amtsniederlegungen der Vorstandsmitglieder D, E und F seien zur Unzeit erfolgt und deshalb rechtsmißbräuchlich und unwirksam, da in der Aufsichtsratssitzung vom 16. April 2007 abzusehen gewesen sei, dass wegen des bereits bestehenden Streits über die wirksame Bestellung von zwei Aufsichtsratsmitgliedern die Neubestellung von Vorstandsmitgliedern in absehbarer Zeit auf große Schwierigkeiten stoßen würde. Des weiteren fehle es an der weiteren Voraussetzung der Dringlichkeit, da die zweite Anfechtungsklage noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei und deshalb möglicherweise doch ein funktionsfähiger Aufsichtsrat wirksam bestellt worden sei. Letztlich sei die gerichtliche Bestellung von Vorstandsmitgliedern hier schlechterdings nicht durchführbar, da von unterschiedlichen Antragstellern unterschiedliche Personen vorgeschlagen wurden und es nicht Aufgabe des Registergerichts sei, im Verfahren nach § 85 AktG die Differenzen über die Frage der Eignung auszutragen.
Am 31. August 2007 ging ein als Klage bezeichneter Schriftsatz bei dem Registergericht ein, mit dem die bisherigen Vorstände E, D und F die Feststellung begehrten, dass sie ordentlich bestellte Vorstände der Gesellschaft seien.
Außerdem ging während des Beschwerdeverfahrens vor dem Landgericht ein Schreiben der Frau E vom 10. Oktober 2007 bei dem Registergericht ein, in welchem sie als Vorstandsmitglied der Gesellschaft ausführte, sie selbst sowie die Herren D und F hätten zwar im Rahmen der Aufsichtsratssitzung vom 16. April 2007 ihre Vorstandsämter niedergelegt, sie seien jedoch durch den Beschluss des Registergerichts Offenbach am Main vom 31. August 2007 wieder in ihre Ämter berufen. Ihr sei nicht bekannt, in wieweit die in dieser Sitzung vermeintlich neue berufenen beiden Vorstände für die Gesellschaft tätig geworden seien und bitte vorsorglich etwaigen Schriftverkehr an die Gesellschaft an ein Büro in O1 zu richten. Außerdem teilt sie unter Vorlage entsprechender Schreiben mit, dass zwischenzeitlich Herr D am 21. September 2007 sein Amt als Vorstandsvorsitzender und Herr B am 17. September 2007 sein Aufsichtsratsmandat niedergelegt habe.
Das Landgericht wies mit Beschluss vom 2. Oktober 2007 die sofortige Beschwerde der beiden Beschwerdeführer zurück und führte zur Begründung im wesentlichen aus, mangels Vorlage schriftlicher Amtsniederlegungserklärungen sei ein Rücktritt der Vorstände E, D und F nicht nachgewiesen. Einer einvernehmlichen Aufhebung der Bestellung dieser Vorstände stehe die vermutlich nichtige Wahl der mitwirkenden Aufsichtsratsmitglieder B und C entgegen. Außerdem seien die grundsätzlich durch einseitige Erklärung gegenüber einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied möglichen Amtsniederlegungen hier aus den vom Amtsgericht angenommenen Gründen rechtsmissbräuchlich und deshalb unwirksam.
Mit der hiergegen gerichteten sofortigen weiteren Beschwerde weisen die beiden Beschwerdeführer insbesondere darauf hin, dass E und F als Vorstände der Gesellschaft zwischenzeitlich einen Insolvenzantrag gestellt haben, der am 28. November 2007 zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters für die Gesellschaft führte.
II.
Die zulässige sofortige weitere Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg.
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die gerichtliche Bestellung von zwei Vorstandsmitgliedern abgelehnt, da die Voraussetzungen des § 85 AktG - jedenfalls derzeit - nicht vorliegen.
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass es der Gesellschaft nicht an einem Vorstand fehlt, weil eine wirksame einvernehmliche Aufhebung der Bestellung der zunächst berufenen Vorstände D, E und F in der Aufsichtsratssitzung vom 16. April 2007 wegen der von ihm angenommenen Unwirksamkeit der Wahl der mitwirkenden Aufsichtsratsmitglieder B und C ausscheide und etwaige Amtsniederlegungen dieser drei Personen in dieser Aufsichtsratssitzung unabhängig von Zweifeln an dem Vorliegen und dem Nachweis diesbezüglicher Erklärungen jedenfalls wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam seien. Die dem zugrunde liegenden Feststellungen können die Entscheidung jedoch nicht tragen, da sie verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sind, weil die Vorschrift des § 146 Abs. 1 FGG nicht beachtet wurde.
Nach § 146 Abs. 1 FGG ist in den Verfahren nach § 145 FGG ein Gegner des Antragstellers, soweit dieser vorhanden ist, vom Gericht, wenn tunlich, zu hören. Zu den Verfahren nach § 145 FGG zählt auch der hier vorliegende Antrag auf Bestellung eines Notvorstandes gemäß § 85 AktG. In einem derartigen Verfahren sind die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat und etwa vorhandene Vorstandsmitglieder zu hören (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 145 Rn. 14; Jansen/Ries, FGG, 3. Aufl., § 145 Rn. 20; MünchKomm/Hefermehl/ Spindler, AktG 2. Aufl., § 85 Rn. 10; BayObLG NJW-RR 1988, 301). Hiernach wäre jedenfalls die Anhörung des unzweifelhaft noch im Amt befindlichen Aufsichtsratsmitgliedes A geboten gewesen, da durch eine gerichtliche Bestellung von Vorstandsmitgliedern in die satzungsmäßigen Rechte des Aufsichtsrates, dem diese Aufgabe nach dem Gesetz zugewiesen ist, eingegriffen wird. Darüber hinaus kommt auch eine Anhörung der in den Aufsichtsrat gewählten und in dieser Funktion an der Sitzung mitwirkenden Frau C in Betracht, da über die ihre Wahl betreffende Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage in der Berufungsinstanz noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, und sie im Unterschied zu dem weiteren gewählten Aufsichtsratsmitglied B ihr Amt bisher nicht niedergelegt hat.
Des Weiteren bestand Anlass zur Anhörung der im Handelsregister als Vorstandsmitglieder noch eingetragenen E und F, da Streit und Ungewissheit über die Frage besteht, ob diese beiden Personen im Zusammenhang mit der Aufsichtsratssitzung vom 16. April 2007 eine Niederlegung ihrer Vorstandsämter erklärt haben und ob etwaige Amtsniederlegungen rechtsmissbräuchlich und deshalb unwirksam gewesen sein können. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich nach Erlass des amtsgerichtlichen Beschlusses Frau E mit Schreiben vom 09. Oktober 2007 unter Bezeichnung als Vorstand der Gesellschaft an das Registergericht wandte. Der Inhalt dieses Schreibens lässt erkennen, dass die Absenderin sowie Herr F weiterhin davon ausgehen, als Vorstandsmitglieder im Amt zu sein, während das weitere frühere Vorstandsmitglied D durch zugleich übermittelte schriftliche Erklärung vom 21. September 2007 an den Aufsichtsratsvorsitzenden sein Amt niedergelegt hat. Zusätzlich wird auch durch den zwischenzeitlich von E und F gestellten Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, der zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters durch das Amtsgericht Offenbach am Main führte, dokumentiert, dass diese Personen davon ausgehen, als Vorstände weiterhin im Amt zu sein. Die Anhörung dieser Personen war im vorliegenden Beschwerdeverfahren deshalb als Gegner und zur Gewährung des rechtlichen Gehörs geboten. Des Weiteren konnten von einer solchen Anhörung nähere Erkenntnisse zu der Frage erwartet werden, ob formal ordnungsgemäße Amtsniederlegungen im Zusammenhang mit der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung vom 16. April 2007 erklärt wurden. Gleiches gilt für die Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit etwaiger erklärter Amtsniederlegungen, da für die diesbezügliche rechtliche Beurteilung auch die Motive der handelnden Personen und deren subjektive Einstellung von Bedeutung sind. Insoweit reichen die bisher der Akte zu entnehmenden Umstände nicht aus, um die Annahme des Landgerichts zu rechtfertigen, die Vorstände E, F und D hätten im Zeitpunkt der Aufsichtsratssitzung vom 16. April 2007 trotz der damals noch ausstehenden erstinstanzlichen Entscheidung über die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen bezüglich der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder B und C nicht von einer Wirksamkeit der Beschlüsse in dieser Aufsichtsratssitzung einschließlich der dortigen Bestellung der Herren H und G zu neuen Vorständen ausgehen dürfen und wichtige sowie billigenswerte Gründe für die gleichzeitige Amtsniederlegung der Vorstände seien nicht ersichtlich.
Diese Verfahrensfehler führen jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Denn derzeit kommt die Bestellung eines Notvorstandes aus einem anderen Grund nicht in Betracht.
In der Aufsichtsratsitzung vom 16. April 2007 wurden ausweislich des vorgelegten Protokolls die Herren H und G von den gewählten Aufsichtsrats-mitgliedern A, B und C jeweils einstimmig zu Vorstandsmitgliedern berufen. Die Wirksamkeit dieser Bestellung hängt vom Ausgang der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung vom 4. Oktober 2006 ab, die in erster Instanz vor dem Landgericht Darmstadt (Urteil vom 3. Juli 2007 - 16 O 320/06) bezüglich der Anfechtung zwar erfolgreich war, im Unterschied zu dem stattgebenden Urteil bezüglich der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage betreffend die Beschlüsse in der früheren Hauptversammlung vom 18. Oktober 2005 (Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 3. Juli 2007 - 16 O 386/05) jedoch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, da über die vor dem 24. Zivilsenat des Oberlandesgericht Frankfurt anhängige Berufung (24 U 114/07) noch nicht entschieden wurde. Vor dem Abschluss dieses Verfahrens kann jedoch die für die Bestellung eines Notvorstandes im Verfahren vor dem Registergericht nach § 85 AktG erforderliche Feststellung, dass es der Gesellschaft an einem Vorstand fehlt, hier nicht getroffen werden. Zwar ist die 16. Kammer für Handelssachen des Landgerichts, die erstinstanzlich über beide Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen entschieden hat, in ihrer hier angefochtenen Beschwerdeentscheidung davon ausgegangen, dass die Berufung nicht zum Erfolg führen und es bei der auf die Anfechtung erfolgten Nichtigerklärung der Hauptversammlungsbeschlüsse über die Wahl von B und C in den Aufsichtsrat bleiben werde. Eine derartige Feststellung kann jedoch im Hinblick auf den Umfang und die Komplexität des Streitstoffes, der aus den hier vorliegenden erstinstanzlichen Urteilen nur unvollständig zu entnehmen ist, im hiesigen Verfahren nach § 145 FGG nicht getroffen werden. Abgesehen von den Fällen eines gesicherten rechtlichen Erkenntnisstandes, von dem hier nicht ausgegangen werden kann, ist es nicht Aufgabe des Registergerichts im Verfahren zur Bestellung eines Notvorstandes, vorgreiflich über eine vor dem Prozessgericht schwebende Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse zu befinden (vgl. ebenso für das Verfahren zur gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsräten OLG Köln FGPrax 2007, 143). Solange über die Anfechtungsklage nicht abschließend entschieden ist, kann deshalb im vorliegenden Verfahren nach §§ 85 AktG, 145 FGG die erforderliche Feststellung, dass es der Gesellschaft an zwei Vorstandsmitgliedern fehlt, nicht getroffen werden.
Auf die weitere Frage, ob die erforderliche Dringlichkeit zur gerichtlichen Bestellung von Vorstandsmitgliedern gegeben war oder zwischenzeitlich durch die erfolgte und veröffentliche Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters entfallen ist, kommt es deshalb nicht mehr an.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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