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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 19.06.2007
Aktenzeichen: 20 W 403/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 2
WEG § 23 Abs. 1
Ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümerversammlung, der die Nutzung einer in Gemeinschaftseigentum stehenden Grundstücksfläche als Parkplatz so regelt, dass nicht alle Wohnungseigentümer auch während der Zeit von 18.00 Uhr bis 8.00 Uhr dort ein Fahrzeug abstellen dürfen, überschreitet nicht die Grenze einer Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 2 WEG. Es handelt sich nicht um die Begründung von Sondernutzungsrechten, die nach der Rechtsprechung des BGH nur durch Vereinbarung begründet werden können.
Gründe:

Der Antragsteller und die Antragsgegner bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft an der Wohnungseigentumsanlage A-Str. in O1.

Nach Teil II § 4 Ziff. 6 der die Gemeinschaft begründenden Teilungserklärung vom 25.04.1970 (Bl. 15 ff. d. A.) wird die Art und Weise der Mitbenutzung der gemeinschaftlichen Eigentums, zu dem nach Teil I § 3 Ziff. 3 auch Grund und Boden gehören, durch die vom Verwalter aufgestellte und von der Eigentümerversammlung beschlossene Hausordnung geregelt. Die Bestimmungen dieser Hausordnung können durch die Eigentümerversammlung mit einfacher Mehrheit geändert werden (Bl. 30 d. A.). In Teil II § 13 Ziff. 1 f) der Teilungserklärung sind je Wohnungseinheit ein Einstellplatz oder eine Kaufgarage mit gemeinsamer Zufahrt vorgesehen. Dem lag die ursprüngliche Planung zu Grunde, dass die 81 Wohnungen umfassende Anlage neben 55 Stellplätzen noch einen Garagenhof mit 26 Plätzen umfassen sollte, die Garagen gehören nach Grundstücksteilung jetzt aber zu einer gesonderten Teileigentumsanlage. Bis zum April 2002 war auch der Antragsteller Eigentümer einer Garage.

In einer Wohnungseigentümerversammlung vom 17.07.1970 (Bl. 74 d. A.) beschlossen die Wohnungseigentümer zu TOP 1 mehrheitlich, dass jeder Wohnungseigentümer, der keine Garage gekauft hat, einen Abstellplatz erhält, der entsprechend der Wohnungsnummer nummeriert wird. In den Garagenkaufverträgen der Erstkäufer war der Verzicht auf die Nutzung eines Abstellplatzes vorgesehen (Bl. 70 d. A.).

Zu TOP 6 der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.12.2001 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, die im Jahr 1996 beschlossene Schaffung von 55 PKW-Abstellplätzen auf 2003 zu verschieben. Weiter wurde als Anhang zur bestehenden Hausordnung die künftige Nutzung der Parkplätze so geregelt, dass in der Zeit von 18.00 Uhr bis 8.00 Uhr die Parkplätze ausschließlich von den Bewohnern bestimmter nach ihren Wohnungsnummern aufgezählter Wohnungen mit jeweils einem Fahrzeug genutzt werden dürfen, wobei kein Anspruch auf einen bestimmten Stellplatz besteht (Bl. 39 d. A.). Die Wohnung des Antragstellers, Nr. 20, ist in der Aufzählung nicht enthalten, da er im Beschlusszeitpunkt noch Garageneigentümer war. Der Beschluss ist nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegner nicht angefochten worden.

Der Antragsteller hat die Feststellung der Nichtigkeit des zu TOP 6 der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.12.2001 gefassten Beschlusses, hilfsweise seine Ungültigkeitserklärung, beantragt und die Auffassung vertreten, es handele es sich um die unzulässige Begründung von Sondernutzungsrechten, für die der Wohnungseigentümerversammlung entsprechend dem Beschluss des BGH vom 20.09.2000 (NJW 2000, 3500) die Beschlusskompetenz fehle. Es liege de facto ein vollständiger Nutzungsausschluss vom Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums für die nicht berücksichtigten Wohnungseigentümer vor. Die Hintergründe der früheren Beschlussfassungen seien ihm unbekannt, auch könne sein Eigentum nicht durch Regelungen der Hausordnung beschränkt werden, abgesehen davon, dass solche nicht getroffen worden seien.

Die Antragsgegner sind diesem Antrag entgegengetreten und haben geltend gemacht, der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.12.2001 stelle eine Regelung der Nutzung von Gemeinschaftseigentum dar, die nach § 5 Ziff. 6 der Teilungserklärung bzw. § 15 WEG der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer unterliege und mehrheitlich beschlossen werden könne. Es liege nur eine Konkretisierung der schon seit 1970 bestehenden Regelung vor, die der Erfahrung Rechnung trage, dass Garageneigentümer aus Bequemlichkeit diese nicht nutzen und die Stellplätze für die anderen Wohnungseigentümer blockierten. Der Beschluss vom 04.12.2001 sei deshalb weder nichtig, noch anfechtbar, sondern bestandskräftig.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 24.10.2004 (Bl. 86-95 d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit zurückgewiesen. Da die Beschlussfassung jederzeit wieder aufhebbar sei und keiner der begünstigten Wohnungseigentümer sich auf eine unantastbare Rechtsposition verlassen könne, sei kein Sondernutzungsrecht begründet worden. Auch in anderen Fallgestaltungen, wie z. B. der Nutzung von Waschräumen an bestimmten Tagen für bestimmte Wohnungseigentümer, komme es zu einem Ausschluss der anderen Wohnungseigentümer. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses sei nicht mehr zu überprüfen, wobei die Gründe für die Ausgestaltung der Nutzung durchaus nachvollziehbar seien.

Dagegen hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, es liege schon wegen der besonders wertvollen Nutzung als Parkplatz keine Hausordnungsregelung vor, da diese nur untergeordnete Gegenstände betreffen könne. Der Mehrheitsbeschluss betreffe Sondernutzungsrechte, da der wesentliche Inhalt darin bestehe, dass eine gleichberechtigte Nutzung aller Wohnungseigentümer ausgeschlossen werde. Die verbliebene Nutzungsmöglichkeit sei völlig wertlos. Diese Ungleichbehandlung könne auch nicht mit dem Verweis auf die Nutzung der Garagen gerechtfertigt werden, für die schließlich der Kaufpreis aufgebracht worden sei.

Die Antragsgegner sind der Beschwerde entgegengetreten und haben darauf verwiesen, dass in Vergleichsfällen, wie z. B. der Vermietung, auch ein völliger Ausschluss einzelner Wohnungseigentümer von der Nutzung durch die Rechtsprechung anerkannt sei.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 13.07.2005 (Bl. 126-130 d. A.) den amtsgerichtlichen Beschluss bestätigt und die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten laut Empfangsbekenntnis am 15.08.2005 zugestellte landgerichtlichen Beschluss hat der Antragsteller mit am 26.08.2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz weitere Beschwerde eingelegt und seinen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit und hilfsweise Ungültigerklärung des am 04.12.2001 zu TOP 6 gefassten Wohnungseigentümerbeschlusses weiterverfolgt.

Der Antragsteller rügt, dass die Vorinstanzen seine Argumente nicht berücksichtigt hätten und insbesondere nicht erkannt hätten, dass durch den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung in Eigentumsrechte eingegriffen werde, die nicht Gegenstand von Hausordnungsregelungen sein könnten. Der angegriffene Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung stelle eine Sondernutzungsregelung dar, die nicht wirksam durch Mehrheitsbeschluss habe getroffen werden können und deshalb nichtig sei. Derartige Regelungen könnten nur einstimmig, gegebenenfalls durch Änderung der Teilungserklärung getroffen werden. Die Motivation der Entscheidungsfindung sei bedeutungslos.

Die Antragsgegner sind der weiteren Beschwerde entgegengetreten und verteidigen die Rechtsansicht des Landgerichts.

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat aber keinen Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, worauf sie im Rechtsbeschwerdeverfahren allein zu überprüfen ist (§§ 43 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Die Auslegung der Vorinstanzen, bei dem zu TOP 6 der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.12.2001 gefassten Beschluss handele es sich um eine Regelung des Gebrauchs von Gemeinschaftseigentum im Sinn von § 15 Abs. 2 WEG, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1998, 3713), der sich der Senat angeschlossen hat, sind Eigentümerbeschlüsse, die Dauerregelungen enthalten, anhand des Beschlusswortlauts unter Berücksichtigung des sonstigen Protokollinhalts auszulegen; maßgeblich ist der objektive Erklärungswert; auf die subjektiven Vorstellungen der Abstimmenden kommt es nicht an. Insoweit ist der Senat auch als Rechtsbeschwerdegericht nicht auf die begrenzte Nachprüfung der Auslegung durch den Tatrichter angewiesen, sondern kann den Beschluss selbst auslegen (vgl. Senat OLGR 2006, 327; Bärmann/Pick/Merle: WEG, 9. Aufl., § 45 Rdnr. 87; Niedenführ/Schulze: WEG, 7. Aufl., § 23, Rdnr. 4 und § 45, Rdnr. 42; Palandt/Bassenge, BGB, 66. Aufl., § 10 Rdnr. 15). Vorliegend führt diese Auslegung aber zu keinem gegenüber den Vorinstanzen abweichenden Ergebnis, insbesondere ist dem Antragsteller nicht darin zu folgen, dass durch den streitgegenständlichen Beschluss -und deshalb unwirksam- Sondernutzungsrechte hätten begründet werden sollen.

In Rechtsprechung und Literatur wird ein Sondernutzungsrecht als Befugnis einzelner oder mehrere Wohnungseigentümer definiert, Gegenstände des Gemeinschaftseigentums allein, also unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer zu nutzen. Charakteristisch für das Sondernutzungsrecht ist, dass der negativen Komponente, nämlich dem Ausschluss vom Mitgebrauch derjenigen Wohnungseigentümer, die nicht Berechtigte des Sondernutzungsrechts sind, eine positive Komponente entspricht, nämlich die Befugnis der Sondernutzungsberechtigten zum ausschließlichen Gebrauch (vgl. z. B. Palandt/Bassenge, aaO., § 13, Rdnr. 8; Niedenführ/Schulze, aaO., § 15, Rdnr. 8; Staudinger/ Kreuzer, BGB, (2005), § 15 WEG, Rdnr. 12; Häublein: Sondernutzungsrechte und ihre Begründung im Wohnungseigentumsrecht, 2003, Seite 2 mit umfangreichen Zitaten in Fußnote 6; Böhringer NotBZ 2003, 285).

Bei Zugrundelegung dieser Definition ist durch den streitgegenständlichen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung die Grenze der Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 2 WEG noch nicht überschritten. Kein Wohnungseigentümer ist völlig von der Stellplatznutzung ausgeschlossen, da alle auf dem Gelände von 8.01 Uhr bis 17.59 Uhr mit jeweils einem Fahrzeug parken dürfen. Insoweit verfängt auch der Einwand nicht, dass diese Nutzungsmöglichkeit völlig wertlos sei, da sicher nicht alle Wohnungseigentümer jeden Tag ganztägig berufsbedingt abwesend sein werden. Selbst für die Berufstätigen während ihrer Freizeit, wie auch für nicht berufsabwesende Wohnungseigentümer und insbesondere Familien, ist aber die Nutzung eines Stellplatzes tagsüber, allein schon für die Abwicklung von Einkäufen oder Fahrten mit Kindern und alten Menschen, durchaus vorteilhaft gegenüber der Alternative, nur den öffentlichen Parkraum nutzen zu können. Auch nach dem bereits zitierten Beschluss des BGH vom 20.09.2000 (NJW 2000, 3500, 3502) liegt aber erst bei einem vollständigen Ausschluss vom Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums keine Regelung des Gebrauchs nach § 15 WEG vor (vgl. auch Palandt/Bassenge: BGB, 66. Aufl., § 15 WEG, Rdnr. 3).

Darüber hinaus haben weder die für die Zeit von 18.00 Uhr bis 8.00 Uhr zum Parken berechtigten Wohnungseigentümer, noch alle anderen einen Anspruch auf einen bestimmten Stellplatz, es fehlt also auch an der Zuweisung eines Stellplatzes zum ausschließlichen Gebrauch bestimmter bzw. aller Begünstigten.

Demnach ist die von den Wohnungseigentümern durch Mehrheitsbeschluss getroffene Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 2 WEG nicht deshalb nichtig, weil es sich um die Begründung von Sondernutzungsrechte gehandelt hätte, zu der der Wohnungseigentümerversammlung die Beschlusskompetenz fehlte. Sonstige Nichtigkeitsgründe sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich, insbesondere liegt kein Eingriff in den wesentlichen Gehalt des Sondereigentums vor (vgl. die Beispielsfälle bei Weitnauer/Lüke, WEG, 9. Auflage, § 23, Rdnr. 25). Der Antrag des Antragstellers auf Feststellung der Nichtigkeit des streitgegenständlichen Beschlusses musste deshalb erfolglos bleiben.

Aber auch der auf Ungültigerklärung gerichtete Hilfsantrag war unbegründet, unabhängig davon, ob die beschlossene Gebrauchsregelung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach oder nicht. Denn derartige Mängel hätten nur zur Anfechtbarkeit des streitgegenständlichen Beschlusses geführt, nach Ablauf der Anfechtungsfrist schon im Januar 2002 konnte ihn der Antragsteller durch seine am 21.06.2004 bei Gericht eingegangene Antragsschrift nicht mehr anfechten, § 23 Abs. 4 WEG.

Die Gerichtskosten seiner demnach unbegründeten weiteren Beschwerde hat der Antragsteller gemäß §§ 47 Satz 1 WEG, 97 Abs. 1 ZPO (analog) zu tragen.

Zur Anordnung einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten sah der Senat keine Veranlassung, § 47 Satz 2 WEG.

Den Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat der Senat in Anlehnung an die unbeanstandet gebliebene Schätzung des Landgerichts festgesetzt (§ 48 Abs. 3 WEG).

Ende der Entscheidung

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