Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.01.2007
Aktenzeichen: 20 W 42/07
Rechtsgebiete: GVG


Vorschriften:

GVG § 21 b
GVG § 21 c
1. Die Dauer der Amtszeit eines nach § 21 c II GVG nächstberufenen Präsidiumsmitglieds wird durch die restliche Amtszeit des Ausgeschiedenen bestimmt.

2. Ist der Ablauf der Amtszeit übersehen und Nachwahlen nicht durchgeführt worden, so wird auch die nächste im Zweijahresrhythmus durchgeführte (Teil-) Wahl zum Präsidium von dem Fehler erfasst und ist für unwirksam zu erklären.


20 W 42/07 20 W 43/07

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Vorsitzender Richter am Landgericht in O1. Er beanstandet die Zusammensetzung des Präsidiums.

Bei dem Landgericht in O1 wurden bei der Präsidiumswahl vom 13.12.2000 sechs Richterinnen und Richter für den Vierjahreszeitraum 2001 bis 2004 gewählt, von denen zum 31.12.2002 drei durch Losentscheid ausschieden. Alle drei wurden bei der am 16.12.2002 durchgeführten Präsidiumswahl wiedergewählt und zwar für den Vierjahreszeitraum 2003 bis 2006. Im Jahr 2004 wurde die Durchführung einer Präsidiumswahl vergessen. Die im Jahr 2000 bis zum Ende des Jahres 2004 gewählten Richter bildeten weiter das Präsidium mit. Alle drei schieden im Laufe des Jahres 2006 aus dem Präsidium aus und zwar wurde eine Richterin zum Amtsgericht versetzt, ein Richter pensioniert, ein Richter verstarb. Als Nachrücker wurden jeweils aufgrund der Ergebnisliste der Wahl vom 13.12.2000 nacheinander zwei Richterinnen und ein Richter bestimmt. Die Bestimmung des Richters beruhte zusätzlich noch auf einem im September 2006 durchgeführten Losentscheid, da er bei der Wahl am 13.12.2000 die gleiche Stimmenzahl erzielt hatte wie eine andere Richterin.

Die letzte Präsidiumswahl für die Wahlperiode 2007 - 2010 fand am 19.12.2006 statt. Die beiden in das Präsidium nachgerückten Richterinnen und der nachgerückte Richter waren in der Wahlliste nicht als wählbare Richter aufgeführt.

Der Präsident des Landgerichts hat nach dem Nachrücken der beiden Richterinnen bemerkt, dass Ende 2004 eine Wahl hätte stattfinden müssen. Im Zusammenhang mit dem Nachrücken für das dritte ausgeschiedene Präsidiumsmitglied hat er das Präsidium von dem Versäumnis unterrichtet und darauf hingewiesen, dass die unzweifelhaft fehlerhafte Besetzung des Präsidiums wegen § 21 b VI S. 3 GVG keine Besetzungsrügen nach sich ziehen kann. Der Präsident war der Meinung, dass es nicht unerträglich und auch vertretbar sei, den zwar fehlerhaften, aber mit keiner rechtlichen Außenwirkung behafteten Zustand bis Ende 2008 zu ertragen, um dann wieder in den Turnus des Gesetzes zu gelangen.

Im Landgericht und auch im Präsidium gab es in der Folgezeit eine Reihe von Stimmen, die sich dafür aussprachen, zugleich mit den turnusmäßigen Teilneuwahlen eine Art Nachwahl für die drei Mitglieder des Präsidiums durchzuführen. Der Präsident des Landgerichts hat hierzu im November 2006 in einer von ihm einberufenen Richterversammlung, an der der Antragsteller nicht teilgenommen hat, die Auffassung vertreten, dass er für eine Nachwahl keine Rechtsgrundlage zu erkennen vermöge. Da die Anfechtungsmöglichkeit des § 21 b VI S. 1 GVG nach der Rechtsprechung auch für den Fall gelte, dass die Wahl unterblieben sei, müsse daraus geschlossen werden, dass nur dieser Weg eröffnet sei, um die zweifellos rechtsfehlerhafte Besetzung des Präsidiums zu beheben. Diesen Weg hätte man unverzüglich nach Kenntniserlangung des Versäumnisses einschlagen müssen, nicht aber nachdem in voller Kenntnis des Fehlers der nachrückenden Richter in das Präsidium aufgenommen worden sei. Der Präsident des Landgerichts hat auch zu bedenken gegeben, dass nur dem Oberlandesgericht auf der Grundlage einer Anfechtung die Befugnis zustehe, eine solche Nachwahl anzuordnen. Die aufgrund einer selbst veranlassten Nachwahl eintretenden Mitglieder könnten geltend machen, sie seien nach dem Gesetz für vier Jahre (§ 21 b IV S. 1 GVG) gewählt. Das könnte sie veranlassen, ihre "Demission" Ende 2008 mit einer Anfechtung anzugreifen. Dem könne man nur dadurch entgehen, dass im Rahmen einer Wahlanfechtung das Oberlandesgericht die Feststellung treffe, dass das Präsidium fehlerhaft besetzt sei und dem Präsidium aufgebe, für die Restzeit der Wahlperiode 2004 bis 2008 Teilneuwahlen durchzuführen. Der Präsident des Landgerichts hat dabei weiter erklärt, dass er - unabhängig von seinen grundsätzlichen Bedenken - keinen gangbaren Weg sehe, die Ende 2006 durchzuführenden Teilneuwahlen mit der Teilnachwahl zeitlich und sachlich so zu koordinieren, dass die Gefahr auch die anstehende turnusmäßige Teilneuwahl mit weiteren Rechtsfehlern zu belasten, vermieden werden könnte. Die Wahl erfordere jeweils eine Vorlaufzeit von mindestens vier Wochen. Die turnusmäßige Wahl habe mindestens zwei Wochen vor Abschluss des Geschäftsjahres zu erfolgen. Mit Rücksicht auf die Wahlverzeichnisse könnten beide Wahlen nicht zeitgleich stattfinden.

In der im Anschluss an die Richterversammlung durchgeführten Präsidiumssitzung fand der Antrag eines Präsidiumsmitglieds, eine weitere Wahlkommission für eine Nachwahl einzurichten, keine Mehrheit. Es wurde lediglich ein Wahlvorstand für die turnusmäßige Wahl Ende 2006 bestellt.

Die unmittelbar nach der Teilneuwahl am 19.12.2006 und später vom Antragsteller aufgestellte Aufforderung, für eine Nachwahl Sorge zu tragen, hat der Präsident des Landgerichts abgelehnt.

Der Antragsteller bringt vor, er habe erst unmittelbar vor der Präsidiumswahl vom 19.12.2006 in einem Gespräch mit dem Präsidenten des Landgerichts insbesondere von dem Unterbleiben der Wahl erfahren.

Der Antragsteller beantragt, festzustellen,

1.

dass das Präsidium des Landgerichts O1 insoweit gesetzeswidrig besetzt ist, als diesem die Vorsitzende Richterin am Landgericht F, die Vorsitzende Richterin am Landgericht G und der Richter am Landgericht E angehören und dass eine Wahl von drei Präsidiumsmitgliedern, deren Wahlzeit bis zum Ende des Jahres 2008 dauert, stattfinden muss.

2.

dass die Wahl zum Präsidium des Landgerichts O1 vom 19.12.2006 unwirksam ist und wiederholt werden muss.

Das Präsidium des Landgerichts O1 beantragt,

1.

festzustellen, dass das Präsidium in Ansehung seiner Mitglieder Frau F, Frau G und Herr E rechtsfehlerhaft besetzt ist und das Präsidium gehalten ist, insoweit unverzüglich nach diesem Ausspruch eine Teilneuwahl für die Wahlperiode 2004 bis 2008 durchzuführen.

2.

den Antrag zu 2) zurückzuweisen.

Das Präsidium des Landgerichts hält die Anträge für zulässig. Es sieht jedenfalls einen Vorrang der Anfechtung mit gerichtlicher Überprüfung gegenüber einer Selbstkorrektur. Es hält den Antrag zu 1) auch für begründet.

Den Antrag zu 2) hält das Präsidium für unbegründet. Es führt dazu aus, dass die rechtliche "Infizierung" dieser Wahl hätte vermieden werden können, wenn der Antragsteller seinen Antrag zu Ziff. 1) bereits vor der Durchführung der turnusmäßigen Teilneuwahl beim Senat eingereicht oder dem Präsidium zumindest vorher angekündigt hätte. Schließlich habe er aus den Wahlaushängen und aus dem allen Richtern des Landgericht übermittelten Beschluss vom 08.11.2006 über die Einsetzung des Wahlvorstands nur bezüglich der ausscheidenden Vorsitzenden Richter C, K und H davon Kenntnis haben müssen, dass eine Nachholung der Wahl nicht erfolgt sei. Er habe außerdem - was unbestritten ist - durch Handzeichen bestätigt, dass er von dem Umlauf des Wahlvorstands, der zwischen dem 13.11.2006 und dem 17.11.2006 umgelaufen und dem die Wahlbekanntmachung nebst den Listen der wahlberechtigten und wählbaren Richter/innen beigefügt gewesen sei, Kenntnis genommen habe.

Sollte der Senat der Auffassung sein, dass sein Ausspruch hinsichtlich der Ende 2004 unterlassenen Teilwahl zugleich die Wahl vom 19.12.2006 hinfällig werden ließe, werde um Hinweise gebeten, wie die "nachzuholenden" Wahlen zeitlich und sachlich koordiniert werden sollten, damit nicht erneut die Gefahr einer ständigen weiteren "Infizierung" mit Rechtsfehlern bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Senat ist nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts für Wahlanfechtungen gem. § 21 b VI GVG zuständig.

Die Anträge des Antragstellers sind statthaft. Soweit der Antragsteller im Ergebnis beanstandet, dass für die Wahlperiode 2005 bis Ende 2008 keine Neuwahlen durchgeführt wurden und deshalb das Präsidium nicht rechtmäßig besetzt sei, unterfällt dies der Wahlanfechtung gem. § 21 b VI GVG. Die Wahlanfechtungsvorschrift des § 21 b VI GVG bezieht sich ihrem Wortlaut nach zwar nur auf den Fall, dass eine durchgeführte Wahl als gesetzwidrig angefochten wird. Indessen ist die Wahlanfechtung in § 21 b VI GVG nur lückenhaft und nicht vollständig befriedigend geregelt (Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 21 b Rn 17). Insgesamt sind die Voraussetzungen für eine Wahlanfechtung recht weit gefasst (vgl. Schorn-Stanicki, Die Präsidialverfassung der Gerichte aller Rechtswege, 2. Aufl. 1975, S. 61 ff). Nach einhelliger Rechtsmeinung ist § 21 b VI GVG entsprechend auf den Fall anzuwenden, dass aus sonstigen Gründen Streit über die rechtmäßige Zusammensetzung des Präsidiums besteht, insbesondere wenn - nach Ansicht des Anfechtenden - eine gesetzlich erforderliche Wahl unterlassen wird und deshalb das Präsidium ebenfalls rechtswidrig zusammengesetzt ist (OLG Koblenz, DRiZ 1996, 329; OLG Frankfurt am Main DRiZ 1984, 196; Hessischer VGH, ESVGH 30, 15 ff). Entsprechendes gilt für die Frage, welcher Richter in das Präsidium nachrückt (OLG Frankfurt am Main, DRiZ 1984, 196 ff). Bei der Frage des Nachrückens geht es zwar nicht um die Ordnungsmäßigkeit oder das Ergebnis eines Wahlgangs. Die Entscheidung ist aber noch der Wahl i.S.v. § 21 b VI GVG zuzuordnen, so dass sich auch die Anrufung des Oberlandesgerichts gegen eine derartige Entscheidung als eine Wahlanfechtung nach § 21 b VI Satz 2 GVG darstellt (vgl. BGHZ 112, 330 ff = NJW 1991, 1183 ff = DRiZ 1991, 252 ff).

Die Anträge sind auch im Übrigen zulässig. Der Antragsteller ist schon länger Vorsitzender Richter bei dem Landgericht in O1 und gehört demnach zum anfechtungsberechtigten Personenkreis (§ 21 b I GVG). Eine Frist für Wahlanfechtungsanträge oder besondere Formvorschriften sieht das Gesetz nicht vor. Die unbefristete Anfechtungsmöglichkeit wird im Interesse der Rechtssicherheit dadurch ausgeglichen, dass nach § 21 b VI S. 3 GVG die Entscheidungen auch des fehlerhaft zusammengesetzten Präsidiums grundsätzlich als gültig behandelt werden (Kissel/ Mayer, GVG, 4. Aufl., § 21 b Rn 19, 22; vgl. auch Baumbach/ Lauterbach/ Albers/ Hartmann, Zivilprozessordnung, 65. Aufl., § 21 b GVG Rn 13; MüKoZPO-Wolf (2001), § 21 b Rn 27; Zöller-Gummer, ZPO, 26.Aufl., § 21 b GVG Rn 23). Es bedarf auch keiner Verletzung eigener Rechte des Anfechtenden. Es genügt die Darlegung der objektiven Gesetzesverletzung (vgl. BVerwGE 48, 251 ff = DRiZ 1975, 375 ff; OLG Rostock, Entscheidung vom 22.03.2004, 1 Ws 70/04, Jurisdok.; MüKoZPO-Wolf (2001), § 21 b GVG Rn 23). Ob bei einem Verstoß gegen die Wahlvorschriften zum Präsidium die Möglichkeit einer Selbstkorrektur des Präsidiums besteht, kann dahinstehen, denn das Präsidium hat den Weg der Selbstkorrektur nicht gewählt, weswegen ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers hier in vollem Umfang zu bejahen ist.

Die Anträge haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Soweit die Anträge des Präsidiums mit denen des Antragstellers übereinstimmen, legt der Senat sie dahingehend aus, dass das Präsidium den Anträgen des Antragstellers nicht entgegentritt. Denn nach der gesetzlichen Regelung des § 21 b VI GVG hat nur der einzelne Richter, sofern er die Kriterien des § 21 b I S. 1 GVG erfüllt und bei der Wahl ein Gesetz verletzt worden ist, ein Anfechtungsrecht. Ein solches Recht steht dem Präsidium nicht zu. Obwohl danach zum Antrag des Antragstellers hinsichtlich der gerügten Besetzung des Präsidiums mit den im Jahr 2006 Nachgerückten und dem Umfang der vom Antragsteller erstrebten Nachwahl keine Gegenanträge vorliegen, kann hier gleichwohl keine Anerkenntnisentscheidung erfolgen, vielmehr gilt, da für das Wahlanfechtungsverfahren die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sinngemäß anzuwenden sind (§ 21 b VI Satz 4 GVG), der Grundsatz der Amtsermittlung (§ 12 FGG) unter Ausschluss der bindenden Wirkung eines Anerkenntnisses (Keidel/ Kuntze/ Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003, § 12 Rn 230; vgl. auch MüKoZPO-Wolf (2001), § 21b GVG Rn 25).

Auf den Antrag des Antragstellers ist festzustellen, dass das Präsidium mit den im Jahr 2006 nachgerückten Richterinnen und dem nachgerückten Richter rechtswidrig besetzt ist.

Bei dem Präsidium des Landgerichts O1 handelt es sich um ein Präsidium, das nach dem Repräsentativprinzip zu besetzen ist. Es ist neben dem Präsidenten als geborenem Mitglied aus sechs gewählten Mitgliedern zu bilden (§ 21 a I, II Nr. 3 GVG). Gewählt ist, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt (§ 21 b III s. 2 GVG). Die Rechtswidrigkeit der Zusammensetzung des Präsidiums ergibt sich hinsichtlich der im Jahr 2006 als Nachrücker angesehenen drei Mitglieder schon daraus, dass die die Berufung in das Präsidium vermittelnde Wahl im Jahr 2000 stattgefunden und nur für eine vierjährige Wahlperiode also nur bis zum Ende 2004 gegolten hat (§ 21 b IV GVG). Die Amtszeit des nach § 21 c II GVG Nächstberufenen wird durch die restliche Amtszeit des Ausgeschiedenen bestimmt (MüKoZPO-Wolf (2001), § 21b GVG Rn 19). Mithin fehlte es für die Zeit nach dem 31.12.2004 sowohl für die im Laufe des Jahres 2006 ausgeschiedenen drei Präsidiumsmitglieder als auch hinsichtlich der drei jeweils als Nachrücker Festgestellten an einer durch eine Wahl vermittelten Legitimation.

Des Weiteren ist der Nachrückvorgang selbst zu beanstanden. Scheidet in den Fällen des § 21 c Abs. 2 GVG ein gewähltes Mitglied des Präsidiums aus diesem aus, so stellt das Präsidium fest, wer an die Stelle des Ausgeschiedenen tritt. Grundlage der Entscheidung ist das vom Wahlvorstand festgestellte Ergebnis der letzten Wahl. Der Nächstberufene wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann durch das Ergebnis der letzten Wahl bestimmt, wenn das ausgeschiedene Mitglied aufgrund der vorangegangenen Wahl in das Präsidium gekommen war (BGH Z 112, 330 ff = NJW 1991, 1183 ff = DRiZ 1991, 252 ff). Zutreffend ist auch die Rüge des Antragstellers, dass bei Stimmengleichheit zwischen zwei oder mehreren wählbaren Mitgliedern des Gerichts der Wahlvorstand der jeweiligen Wahl und nicht das Präsidium durch Auslosung festzustellen hat, wer als gewählt gilt und wer in den Fällen des § 21 c II GVG als gewählt gilt (§§ 8 IV, 9 I Ziff. 7 WO; Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 21 b Rn 15).

Hinsichtlich der drei Präsidiumsmitglieder, für die Nachrücker ins Präsidium gekommen sind, wäre das amtierende Präsidium gehalten gewesen, dafür zu sorgen, dass rechtzeitig zum Ablauf der Wahlperiode im Jahr 2004 Neuwahlen abgehalten werden konnten. Dazu hätte ein Wahlvorstand bestimmt werden müssen (§ 1 II WahlO), der dann seinerseits die erforderlichen Schritte einzuleiten gehabt hätte. Zur Nachholung dieser (Teil-)Neuwahl war im laufenden Vierjahresrhythmus allenfalls Zeit bis zur (Teil-) Neuwahl der restlichen drei Präsidiumsmitglieder aus der Teilwahl 2002, deren Wahlzeit mit dem Jahr 2006 endete. Die erforderliche (Teil-) Neuwahl ließ sich auch nicht durch ein Nachrückverfahren aufgrund einer Wahlliste aus einer abgelaufenen Wahlperiode ersetzen oder reparieren, da es jenseits der Wahlperiode dafür keine gesetzliche Grundlage und auch keine sonstige Legitimation gibt, weil die Mitgliedschaft im Präsidium mit Ausnahme des Präsidenten als geborenem Präsidiumsmitglied stets nur durch Wahl vermittelt werden kann.

Nach Ablauf dieses Zeitraums bzw. nach der Teilneuwahl am 19.12.2006 ist dem Gesetz keine eindeutige Regelung zu entnehmen, wie die Unterlassung der Teilwahl gesetzeskonform nachzuholen ist. Die nichtdurchgeführte (Teil-)Neuwahl in Verbindung mit dem praktizierten Nachrückverfahren führte nunmehr auch bei der am 19.12.2006 durchgeführten Teilwahl zu Gesetzesverletzungen i.S.v. § 21 b VI GVG, wie nachstehend im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Wahlanfechtung vom 19.12.2006 noch auszuführen sein wird.

Eine Wahlanfechtung setzt voraus, dass bei der Wahl ein Gesetz verletzt worden ist (§ 21 b VI S. 1 GVG), wobei unter dem Begriff jede Rechtsnorm zu verstehen ist, die die Präsidiumswahl zum Gegenstand hat (§ 21 b I bis V GVG). Rechtsnorm in diesem Sinn ist auch die nach § 21 b V GVG erlassene Wahlordnung (Schorn/ Stanicki, Die Präsidialverfassung der Gerichte aller Rechtswege, 2. Aufl. 1975, S. 62). Die Gesetzesverletzung allein ist jedoch nicht ausreichend, hinzukommen muss auch, dass der Verstoß das Wahlergebnis beeinflusst hat. Die Wahlanfechtung hat also nur Erfolg, wenn die Rechtsverletzung erwiesen ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie das Wahlergebnis beeinflussen konnte (MüKoZPO-Wolf (2001), § 21 b GVG Rn 23; Zöller-Gummer, ZPO, 26.Aufl., § 21 b GVG Rn 21; vgl. BVerfGE 89, 234 ff für die Bundestagswahl 1990 in Hamburg). Dabei genügt grundsätzlich die nur abstrakte Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen der Rechtsgutverletzung und dem Ergebnis der angefochtenen Wahl nicht. Es ist vielmehr auf die konkrete Rechtsverletzung unter Berücksichtigung des konkreten Ergebnisses der angefochtenen Wahl abzustellen. Allerdings ist bei schweren Rechtsverletzungen stets von der Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Wahlergebnisses auszugehen (OLG Rostock, Entscheidung vom 22.03.2004, 1 Ws 70/04, Jurisdok.).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, da die drei nachgerückten Präsidiumsmitglieder aufgrund der Listenzusammensetzung als nicht wählbar angesehen wurden, obwohl sie das passive Wahlrecht hatten, denn sie waren unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt im Zeitpunkt der Wahl gewählte Mitglieder des Präsidiums.

Die drei im Jahr 2006 nachgerückten Präsidiumsmitglieder waren nur durch einen Organisationsakt des Präsidiums als Nachrücker in das amtierende Präsidium erkannt worden. Nach dem offenbar gewordenen Mehrheitswillen im Präsidium sollte ihre Amtszeit zwar bis Ende 2008 gehen. Im Zeitpunkt der anstehenden Teilwahlen am 19.12.2006 wurden sie deshalb - von diesem Standpunkt aus auch zutreffend - vom Wahlvorstand als nicht wählbar angesehen und nicht in die Liste der wählbaren Richterinnen und Richter aufgenommen. Der Organisationsakt des Präsidiums war zwar weder im Zeitpunkt der Listenerstellung noch bis zur Teilwahl am 19.12.2006 angefochten worden. Darauf kann es hier aber nicht ankommen, da seine Mängel so schwerwiegend sind, dass der Organisationsakt die gesetzlich geregelte Wählbarkeit schon wegen der damit verbundenen Legitimationswirkung der Wahl nicht außer Kraft setzen kann. Dabei kann dahinstehen, ob der Organisationsakt des Präsidiums nichtig ist, weil ein den Organisationsakt tragender Wahlakt für diesen Zeitraum nicht vorgelegen hat. Ebenso ist es unerheblich, dass der Antragsteller die Listenzusammensetzung nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 4 III WO beanstandet hat. Die Versäumung der Einspruchsfrist gegen das fehlerhafte Wahlverzeichnis schließt die nachträgliche Wahlanfechtung nämlich nicht aus (Schorn/ Stanicki, Die Präsidialverfassung der Gerichte aller Rechtswege, 2. Aufl. 1975, S. 64). Eine solch weitgehende Einschränkung des gesetzlichen Anfechtungsrechts ist der Wahlordnung nicht zu entnehmen. Dagegen spricht bereits die sehr kurze Anfechtungsfrist sowie der Umstand, dass insbesondere an größeren Gerichten mit teilweise erheblicher Fluktuation nicht bei allen Richterinnen und Richtern ein solch genauer Überblick über den jeweils aktuellen Personalbestand im richterlichen Bereich vorausgesetzt werden kann. Deswegen kann dahinstehen, ob die Wahlordnung das gesetzliche Anfechtungsrecht in der Weise überhaupt einschränken könnte.

§ 21 b IV GVG sieht vor, dass sich die Zusammensetzung des (einheitlichen) Präsidiums nach dem Ergebnis zweier verschiedener (Teil-) Wahlen richtet, wobei für jeweils die Hälfte der Mitglieder unterschiedliche, zeitlich versetzte Wahlperioden gelten. Die Mitglieder des Präsidiums sind zwar auf vier Jahre gewählt, aber jeweils die Hälfte der Mitglieder scheidet nach zwei Jahren aus. Die Legitimation der Mitglieder des Präsidiums erneuert sich sonach im Zweijahresrhythmus fortlaufend. Ziel der Regelung ist eine möglichst hohe Gewährleistung von Kontinuität, Stabilität und Autorität (Kissel/ Mayer, GVG, 4. Aufl., § 21 b Rn 13).

Die Legitimation ist ein maßgebliches Strukturprinzip des Präsidiums. Den Legitimationsgedanken hat der Bundesgerichtshof besonders hervorgehoben, indem er für das Nachrückverfahren entschieden hat, dass der Nächstberufene im Sinne des § 21 c II GVG auch dann durch das Ergebnis der letzten Wahl bestimmt werde, wenn das ausgeschiedene Mitglied aufgrund der vorangegangenen Wahl in das Präsidium gekommen sei (BGH, NJW 1991, 1183 ff). Der Bundesgerichtshof hat hierzu ausgeführt, dass anders als die von den Wahlberechtigten tatsächlich in das Präsidium gewählten Richter, die durch die Wahl für die Dauer einer Wahlperiode legitimiert seien und grundsätzlich erst nach einer Amtszeit von vier Jahren wiedergewählt werden könnten, die durch die Wahl (nur) nächstberufenen Richter gerade nicht gewählt worden und deshalb schon bei der folgenden Wahl nach zwei Jahren wieder wählbar seien. Sie seien nicht Vertreter der Gewählten oder mögliche Ersatzmitglieder des Präsidiums. Sie könnten vielmehr bei der folgenden Wahl sowohl (erstmals) ins Präsidium gewählt als auch (erneut) Nächstberufener im Sinne des § 21 c II GVG werden. Im Hinblick auf das in der Verteilung der Stimmen zum Ausdruck gekommene Vertrauen und den erkennbaren Willen der Wahlberechtigten komme hiernach im Ergebnis der jeweils letzten Wahl eine ungleich höhere Aktualität und Legitimation für die Reihenfolge der Nächstberufenen im Sinne des § 21 c II GVG zu, als es der Ausgang der vorigen Wahl erkennen lasse. Dem Gesichtspunkt der Wahlnähe sei der Vorrang einzuräumen.

Vor diesem Hintergrund ist eine bloße Teilwahl für den Rest der Teilwahlperiode 2005 bis Ende 2008 nicht ausreichend, um dem Legitimationsgedanken hinreichend Rechnung zu tragen, weshalb dem Antrag des Antragstellers insoweit nicht gefolgt werden konnte. Die Wählbarkeit ist auf eine vierjährige Wahlperiode ausgerichtet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die nachgerückten Präsidiumsmitglieder bei der Wahl am 19.12.2006 gewählt worden wären, wenn sie auf der Wahlliste als wählbar aufgeführt worden wären. In diesem Fall hätten sie jeweils eine vierjährige Amtsperiode im Präsidium vor sich gehabt, während die jetzt Gewählten allenfalls auf eine Nachrückposition gekommen wären. Hier sind verschiedene mögliche Konstellationen denkbar, die sich auch über den Zeitraum ab 2009 fortsetzen könnten, sofern z. B. die nachgerückten Präsidiumsmitglieder dann nicht wiedergewählt würden oder sich sonst eine andere Reihenfolge nach der Anzahl der erzielten Stimmen ergäbe. Mit den oben erwähnten gesetzlichen Zielen, nämlich sowohl Autorität, Stabilität und Kontinuität für das Präsidium als richterlichem Selbstverwaltungsgremium durch Legitimation sicherzustellen, ist ein solcher Verstoß gegen demokratische Grundregeln nicht vereinbar. Der Wahlfehler ist so erheblich, dass auch der Gesichtspunkt des Bestandsschutzes der aus der Wahl vom 19.12.2006 hervorgegangenen Präsidiumsmitglieder, die die Hälfte der gesetzlich vorgesehenen gewählten Präsidiumsmitglieder repräsentieren, zu keinem anderen Ergebnis führen kann.

Damit ist die Anfechtung begründet mit der Folge, dass die Wahl des Präsidiums vom 19.12.2006 unwirksam ist und wiederholt werden muss. Die Nachwahl muss alsbald für die Vierjahresperiode erfolgen, für die die für unwirksam erklärte Wahl bestimmt war. Da durch das Unterbleiben der Teilwahl im Jahr 2004 für die Wahlperiode 2005 bis Ende 2008 und nach der hier getroffenen Feststellung auch die zweite Hälfte der zu wählenden Präsidiumsmitglieder fehlt, dürften die Mängel nur durch eine Neuwahl aller Präsidiumsmitglieder mit einem Rückgriff auf die Erstwahlregelung des § 21 b IV S. 2 und 3 GVG zu beheben sein (Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 21 b Rn 22 am Ende), so dass insoweit zum Ende 2008 die Hälfte der gewählten Präsidiumsmitglieder durch Losentscheid ausscheidet und entsprechende Teil-(Neu)wahlen (für die Geschäftsjahre 2009 bis Ende 2012) anzusetzen sind.

Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

Zurück