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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 24.02.2003
Aktenzeichen: 20 W 447/02
Rechtsgebiete: BGB, GmbHG


Vorschriften:

BGB § 180 S. 2
BGB § 177 Abs. 1
BGB § 184 Abs. 1
GmbHG § 47
GmbHG § 53
Die durch einen vollmachtslosen Vertreter erfolgte Stimmabgabe über eine Satzungsänderung kann auch bei der Ein-Personen-GmbH durch Genehmigung rückwirkende Wirksamkeit erlangen.
20 W 447/02

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

In der Handelsregistersache

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 02. September 2002 am 24. Februar 2003 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Bad Homburg v. d. Höhe vom 24. Juli 2002 werden aufgehoben. Das Amtsgericht Bad Homburg v. d. Höhe wird angewiesen, die Eintragung der Satzungsänderung nicht aus den bisherigen Gründen abzulehnen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Beschwerdewert: 3.000,-- EUR.

Gründe:

I. Die zur Eintragung im Handelsregister angemeldete Satzungsänderung (Änderung der Firma) wurde am 10. Dezember 2001 durch notariell beurkundeten Beschluss in der Gesellschafterversammlung von Frau Sch. als Unterbevollmächtigte der Alleingesellschafterin beschlossen. Der Anmeldung beigefügt war neben der Untervollmacht eine schriftliche Vollmacht der Alleingesellschafterin vom 21. August 2001, die durch deren als alleinvertretungsberechtigt bezeichnetes Vorstandsmitglied M. unterzeichnet wurde. Nachdem das Registergericht um Nachweis der Alleinvertretungsberechtigung des M. gebeten hatte, wurde eine notariell beglaubigte "Vollmacht bzw. Genehmigungserklärung" vom 25. Juni 2002 mit Nachweis der Vertretungsbefugnis eingereicht, die von den Vorstandsmitgliedern M. und J. unterzeichnet wurde.

Das Amtsgericht wies den Eintragungsantrag mit Beschluss vom 02. September 2002 zurück und führte zur Begründung aus, bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages einer sog. Ein-Mann-GmbH handele es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei dem eine Vertretung ohne Vertretungsmacht nach § 180 Satz 1 BGB unzulässig sei.

Die Beschwerde der Betroffenen wies das Landgericht mit Beschluss vom 02. September 2002 zurück.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig und führt auch in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 Abs. 1 ZPO). Die angemeldete Satzungsänderung ist nach Vorlage der Genehmigungserklärung der beiden vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder der Alleingesellschafterin eintragungsfähig.

Nach § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG erfolgt die Abänderung des Gesellschaftsvertrages durch Beschluss der Gesellschafter, der notariell beurkundet werden muss. Eine Vertretung bei der Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung ist zulässig, wobei die Vollmacht zu ihrer Gültigkeit der Schriftform bedarf (§§ 47 Abs. 1 und 3 GmbHG). Die Beschlussfassung erfolgt durch Stimmabgabe. Die Stimmabgabe des einzelnen Gesellschafters ist eine einseitige Willenserklärung, mit der eine Willensbildung durch Beschluss in den Angelegenheiten der Gesellschaft herbeigeführt werden soll. Bei der Stimmabgabe handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Erklärungsempfänger ist die Gesellschaft, deren Angelegenheiten durch den im Wege der Stimmabgabe herbeigeführten Gesellschafterbeschluss geregelt werden (vgl. BGHZ 52, 316; BayObLG DB 1989, 374; Lutter-Hommelhoff, GmbGH, 15. Aufl., § 47 Rn. 1 Michalowski/Römermann, GmbHG, § 47 Rn. 439; Münch.Handb. GesR/Wolff, GmbH, 2. Aufl., § 39 Rn. 5; Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 47 Rn. 4; Bartl/Fichtelmann/Schlarb/ Schulze, GmbH-Recht, 5. Aufl., § 47 Rn. 4).

An der Empfangsbedürftigkeit der Stimmabgabe als Willenserklärung ändert sich auch dann nichts, wenn es nur einen Gesellschafter gibt oder in der Gesellschafterversammlung nur ein Gesellschafter erschienen ist. Auch in diesem Falle stellt die Stimmabgabe keine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung im Sinne des § 130 und § 180 S. 2 BGB dar. Sie ist vielmehr gleichfalls gegenüber der Gesellschaft, deren Rechtsangelegenheiten hierdurch geregelt werden sollen, abzugeben und kann von dem anwesenden (Allein-)Gesellschafter zugleich für die Gesellschaft entgegengenommen werden, ohne dass § 181 BGB dem entgegen steht (vgl. Lutter-Hommelhoff; Baumbach/Hueck; Wolff; BayObLG jeweils a.a.0.; a. A.: Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, 4. Aufl., § 47 Rn. 23).

Damit handelt es sich bei der Stimmabgabe zwar um ein einseitiges Rechtsgeschäft im Sinne des § 180 S. 1 BGB. Gleichwohl ist jedoch eine Vertretung ohne Vertretungsmacht zulässig, da die Stimmabgabe als empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft vorzunehmen ist und deshalb gemäß § 180 Satz 2 BGB die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung finden. Damit ist die Möglichkeit eröffnet, die Stimmabgabe eines vollmachtlosen Vertreters in der Gesellschafterversammlung nachträglich gemäß § 177 Abs. 1 BGB zu genehmigen und ihr so nach § 184 Abs. 1 BGB mit Rückwirkung Wirksamkeit zu verschaffen. Dies gilt nicht nur für die Stimmabgabe bei Anwesenheit mehrerer Gesellschafter, sondern auch im Falle der Vertretung eines Gesellschafters durch den anderen in einer Zwei-Personen-Gesellschaft (so BayObLG, DB 1989, 374) und im Falle der Ein-Personen-GmbH (ebenso LG Hamburg, GmbHR 1998, 987; Baumbach/Hueck, /Scholz/Schmidt, Wolff/Bartl/Fichtelmann/Schlarbs/Schulze jeweils a.a.0.; im Ergebnis ebenso Rowedder/Schmidt-Leithoff, a.a.0., der § 180 Satz 2 BGB entsprechend anwenden will).

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann die Unzulässigkeit der nachträglichen Genehmigung der Stimmabgabe eines vollmachtlosen Vertreters in der Gesellschafterversammlung einer Ein-Personen-GmbH hier nicht aus einem Vergleich mit der Rechtslage bei deren Gründung abgeleitet werden ( vgl. hierzu LG Berlin GmbHR 1996, 123 ). Denn die Ein-Personen-Gründung als Organisationsakt ist ein einseitiges Rechtsgeschäft im Sinne des § 180 Satz 1 BGB, das ja erst auf die Entstehung der Gesellschaft durch spätere Eintragung im Handelsregister gerichtet ist und deshalb noch keine empfangsbedürftige Willenserklärung darstellen kann. Anders verhält es sich dagegen im Falle der späteren Satzungsänderung, da hier die Gesellschaft als eigene Rechtspersönlichkeit, der gegenüber die Stimmabgabe zur Herbeiführung des Gesellschafterbeschlusses zu erfolgen hat, als Empfänger bereits existiert. Im Übrigen trifft auch das für die Anwendung des § 180 Satz 1 BGB bei der Gründung der Ein-Personen-GmbH vorgebrachte Argument, der Zeitpunkt der Entstehung der Gesellschaft vertrage u. a. wegen der Haftung des handelnden Geschäftsführers nach § 11 GmbHG, der Vorbelastungshaftung des Alleingesellschafters sowie der einschneidenden Auswirkungen auf den Rechtsverkehr keinen Schwebezustand ( vgl. hierzu LG Berlin a.a.O. ), auf die spätere Satzungsänderung nicht zu. Denn die Satzungsänderung einer bereits entstandenen GmbH erlangt ohnehin erst mit ihrer Eintragung im Handelsregister Wirksamkeit (§ 54 Abs. 3 GmbHG).

Letztlich gibt es, worauf das Landgericht Hamburg (a.a.0.) zutreffend hingewiesen hat, keine sachlichen Gründe, die Genehmigungsfähigkeit von Stimmabgaben bei einer Ein-Personen-GmbH anders zu behandeln als bei einer mehrgliedrigen GmbH.

Allerdings wird der Registerrichter bei der Anmeldung einer Satzungsänderung aufgrund des Beschlusses eines Alleingesellschafters oder eines Gesellschafters, der sämtliche anderen Gesellschafter bei der Stimmabgabe vertreten hat, ein besonderes Augenmerk auf den Nachweis der Vollmacht zu richten haben, da hier auf Grund der fehlenden Mitwirkung weiterer Gesellschafter bei der Beschlussfassung eine Zurückweisung der Stimmabgabe wegen eines Mangels der Vollmacht nach § 47 Abs. 3 GmbHG nicht erfolgen kann.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht - Registergericht - zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 Kost0.



Ende der Entscheidung

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