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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 06.05.2009
Aktenzeichen: 20 W 472/08
Rechtsgebiete: AdWirkG, FGG


Vorschriften:

AdWirkG § 1
AdWirkG § 2
AdWirkG § 5
FGG § 16
Eine nach Durchführung einer hinduistischen Zeremonie durch ein Gericht auf Bali/Indonesien ausgesprochene Adoption, bei welcher der Auslandsbezug nicht berücksichtigt und das Kindeswohl keiner eigenen gerichtlichen Überprüfung unterzogen wurde, kann in Deutschland nicht anerkannt werden.
Gründe:

I.

Die seit 2003 miteinander verheirateten Antragsteller sind beide deutsche Staatsangehörige und haben ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland. Die Antragstellerin ist gebürtige Indonesierin. Das eingangs genannte Kind ist Tochter des Bruders der Antragstellerin und deren Nichte.

Nach Vollzug einer hinduistischen Zeremonie vor einem Religionsführer im Heimatdorf des Kindes auf Bali/Indonesien am 30. August 2006 schlossen die Antragsteller mit notarieller Urkunde vom 02. September 2006 mit den leiblichen Eltern des Kindes einen Adoptionsvertrag. Sodann sprach auf ihren Antrag die Richterin des Amtsgerichts Negara/Indonesien mit Beschluss vom 04. September 2006 nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen und Schriftstücke sowie Vernehmung von drei Zeugen aus, dass das eingangs genannte Kind das Adoptivkind der beiden Antragsteller ist. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Adoptionsvertrages vom 02. September 2006 und des Gerichtsbeschlusses vom 04. September 2006 nebst deutschen Übersetzungen (Bl. 14 - 48 d. A.) Bezug genommen.

Das Kind reiste im September 2006 mit einem Touristenvisum gemeinsam mit den Antragstellern nach Deutschland aus und lebt seitdem in deren Haushalt.

An dem Verfahren war eine Adoptionsvermittlungsstelle nicht beteiligt; ein Elterneignungsbericht über die Antragsteller wurde nicht erstellt.

Das Amtsgericht wies mit Beschluss vom 29. April 2008 den Antrag der Antragsteller auf Anerkennungs- und Wirkungsfeststellung des ausländischen Adoptionsbeschlusses zurück.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsteller wurde durch das Landgericht mit Beschluss vom 31. Oktober 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine gerichtliche Prüfung, ob die Adoption dem Kindeswohl diene, einschließlich der hierzu erforderlichen fachlichen Begutachtung der Adoptionsbewerber unter Berücksichtigung der beabsichtigten Verbringung des Kindes in das Ausland sei nicht erfolgt. Hierin liege ein Verstoß gegen den ordre public im Sinne des § 16 a Nr. 4 FGG, welcher der Anerkennung entgegenstehe.

Mit der hiergegen gerichteten sofortigen weiteren Beschwerde rügen die Antragsteller, dass das Kind und sie selbst persönlich nicht angehört wurden und machen erneut geltend, eine Prüfung des Kindeswohles sei insoweit erfolgt, als die Gerichtsentscheidung auf vorangegangenen Überlegungen und Prüfungen der Dorfgemeinschaft sowie der beiden Familien beruhe, die an der Zeremonie teilgenommen und ihr nicht widersprochen hätten. Allen Beteiligten auf Bali sei bekannt gewesen, dass die Antragsteller in Deutschland leben und das Kind dorthin mitnehmen wollen. Angesichts der familiären Verbundenheit sowie der durch die Betreuung des Kindes nach der Trennung der leiblichen Eltern entstandenen Probleme sowie die zwischenzeitlich gelungene Integration des Kindes in Deutschland diene die Adoption dem Kindeswohl, was auch eine diesbezügliche Überprüfung des Gerichts durch Einschaltung der Behörden im Rahmen des vorliegenden Verfahrens hätte bestätigen können. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass im Falle einer Ablehnung der Anerkennung im Hinblick auf die Wirksamkeit der Adoption in Indonesien und die zwischenzeitlich erfolgte diesbezügliche Änderung des Passes des Kindes Probleme entstünden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der anwaltlichen Schriftsätze des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller Bezug genommen.

Die Beteiligte zu 3) verteidigt den angefochtenen Beschluss.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 5 Abs. 4 Satz 2 AdWirkG, 29 Abs. 2 FGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache führt das Rechtsmittel nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

Nach § 2 Abs. 1 AdWirkG stellt das Vormundschaftsgericht auf Antrag fest, ob eine im Ausland erfolgte Annahme als Kind im Sinne des § 1 AdWirkG anzuerkennen oder wirksam ist.

Da Indonesien kein Vertragsstaat des Haager Adoptionsübereinkommens vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem

Gebiet der Internationalen Adoption (HAÜ) ist, richtet sich die Anerkennung des indonesischen Adoptionsbeschlusses in materieller Hinsicht allein nach § 16 a FGG. Hiernach ist eine ausländische Entscheidung anzuerkennen, wenn nicht Versagungsgründe nach dieser Vorschrift vorliegen. Nach § 16 a Nr. 4 FGG ist die Anerkennung ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist.

Allerdings setzt eine dem deutschen ordre public genügende Kindeswohlprüfung im Rahmen einer Adoption nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks 14/6011, S. 29; Steiger, Das neue Recht der internationalen Adoption und Adoptionsvermittlung, Rn. 334) voraus, dass eine umfassende fachliche Begutachtung der gesamten Lebensverhältnisse der Bewerber, die in der Regel nur durch eine Fachbehörde am Lebensmittelpunkt der Bewerber sachgerecht erfolgen kann, vorausgegangen ist. Fehlt es - wie im vorliegenden Fall - an einer solchen Begutachtung, so stellt dies für sich genommen noch keinen zwingenden Versagungsgrund dar, begründet jedoch Zweifel an der Vereinbarkeit der ausländischen Adoptionsentscheidung mit dem deutschen ordre public (vgl. Schlauss FamRZ 2007, 1699/1700 m.w.N.).

Wurde im Rahmen des ausländischen Adoptionsverfahrens eine Überprüfung des Kindeswohles vorgenommen, die jedoch gemessen an den deutschen Wertvorstellungen Defizite aufweist, so wird zwar die Auffassung vertreten, dass eine solche unzureichende Kindeswohlprüfung im Rahmen des Anerkennungsverfahrens nachgeholt werden kann, wobei dann nicht auf den Zeitpunkt der ausländischen Adoptionsentscheidung, sondern auf denjenigen der Anerkennungsentscheidung abzustellen sein soll (vgl. BayObLG StAZ 2000, 300; Keidel/Kuntze/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 16 a Rn. 8; Schlauss, a.a.O., S. 1701 m.w.N.). Ist jedoch im ausländischen Adoptionsverfahren eine Kindeswohlprüfung überhaupt nicht erfolgt - etwa weil sie nach der dortigen Rechtsordnung nicht vorgesehen ist - oder wurde die an sich auch nach ausländischem Recht gebotene Prüfung des Kindeswohles umgangen, so stellt dies einen so schwerwiegenden Widerspruch zu den Grundsätzen des deutschen Rechts dar, dass eine Anerkennung nicht in Betracht kommt (vgl. KG FamRZ 2006, 1405; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. August 2008 - I - 25 Wx 114/07 - unveröffentlicht; BT-Drucks 14/6011, S. 29). Denn es ist nicht die Aufgabe des Anerkennungsverfahrens, erstmals eine vollständige und umfassende Prüfung der Adoptionseignung der Adoptiveltern und des Kindeswohles durchzuführen.

Das indonesische Recht sieht allerdings durch das Gesetz Nr. 23 vom 22. Oktober 2002 über den Kinderschutz in Art. 39 vor, dass eine Adoption nur im Interesse des Kindes und auf Basis des örtlichen Gewohnheitsrechts und der gültigen Gesetzesregelungen durchgeführt werden kann; des Weiteren ist dort ausdrücklich vorgeschrieben, dass eine Adoption durch Ausländer nur als letzter Schritt möglich ist. Gleichwohl lässt der zur Anerkennung vorgelegte Gerichtsbeschluss vom 4. September 2006 nach seinem Inhalt erkennen, dass eine eigenständige richterliche Überprüfung des Kindeswohles nicht erfolgt ist.

Abgesehen davon, dass dieser gerichtliche Beschluss lediglich fünf Tage nach Vollzug der religiösen Zeremonie und zwei Tage nach Protokollierung des notariellen Vertrages erfolgte, beruht die Adoption ausweislich des Beschlussinhaltes lediglich darauf, dass das Gericht anhand der Schriftstücke und Beweisunterlagen sowie der drei angehörten Zeugen überprüft hat, dass die Antragsteller miteinander verheiratet sind, Kinderlosigkeit und ein Kinderwunsch gegeben ist, eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen den leiblichen Eltern und der Antragstellerin besteht und die religiöse Zeremonie bereits vollzogen worden ist. Hieran anknüpfend wird die Adoption ausgesprochen, wobei angegeben wird, dass dies zur Rechtssicherheit im Interesse der Zukunft des Kindes basierend auf den vorgenannten Fakten benötigt wird. Als Rechtsgrundlage gibt der Beschluss lediglich das balinesische Sittenrecht sowie das Rundschreiben des Appellationsgerichtes der Republik Indonesien Nr. 6 des Jahres 1983 sowie andere sich auf diesen Antrag beziehende Verordnungen der Gesetze an, nicht jedoch das vorgenannte Gesetz Nr. 23 aus dem Jahre 2002 über den Kinderschutz, in welchem zusätzlich das Erfordernis der Adoption nur im Interesse des Kindes begründet wurde. Damit fehlt es an einer eigenen gerichtlichen Feststellung und Überprüfung der zentralen Adoptionsvoraussetzung des Kindeswohles.

Dem können die Antragsteller auch nicht mit dem Hinweis entgegen treten, dass die Gerichtsentscheidung auf den vorangegangenen Überlegungen und Prüfungen der Dorfgemeinschaft sowie der Familien und deren Mitwirkung an der religiösen Zeremonie aufbaue. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach den traditionellen Vorstellungen des indonesischen Sittengesetzes die Adoption primär dem Familieninteresse dient, insbesondere der Vermeidung von Kinderlosigkeit und hierdurch bedingter Gefahr des Erlöschens der Familie (vgl. Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Indonesien (Stand 1976) S. 71). Somit kommt es nach den Sittengesetzen für eine Adoption entscheidend nicht auf das Kindeswohl, sondern das Interesse der Familie an. Zwar mögen im vorliegenden Falle der religiöse Führer sowie der Dorfbürgermeister die konkreten Lebensumstände des Kindes gekannt und dessen Adoption durch die Tante sowie deren Ehemann als für das Kind dienlich angesehen haben. Dies vermag jedoch eine eigenverantwortliche gerichtliche Überprüfung und Entscheidung hinsichtlich des Kindeswohles, die im vorliegenden Falle nicht ersichtlich ist, nicht zu ersetzen.

Des Weiteren hat das Landgericht in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass das balinesische Gericht keinerlei Feststellungen zu der auch nach dem vorgenannten balinesischen Gesetz erforderlichen Adoptionsvoraussetzung getroffen hat, dass eine Adoption durch Ausländer nur als letzter Schritt möglich sein soll, was nähere diesbezügliche Überprüfungen erfordert hätte. Stattdessen wird in der Gerichtsentscheidung für beide Antragsteller die Staatsangehörigkeit nicht angegeben und nicht deren deutscher Wohnsitz, sondern als Wohnanschrift "O1" also der vorübergehende Aufenthaltsort während des Verwandtenbesuches genannt. Zusätzlich wird in dem Beschluss ausdrücklich angegeben, dass die Antragsteller das Kind nach der vollzogenen Zeremonie zu sich genommen hätten, damit es mit ihnen in ihrem Haus unter der dortigen Anschrift auf Bali lebe. Zwar kann insoweit nicht von einer Täuschung des balinesischen Gerichts seitens der Antragsteller ausgegangen werden, zumal in der in dem Gerichtsbeschluss in Bezug genommenen notariellen Urkunde deren zutreffender gemeinsamer Wohnsitz in Deutschland angegeben wird. Jedoch deutet die Abfassung des Adoptionsbeschlusses darauf hin, dass durch das Gericht der Auslandsbezug der Adoption und die hieraus folgenden besonderen formellen und materiellen Voraussetzungen in Bezug auf das Kindeswohl bewusst ausgeblendet wurden. Das Landgericht ist somit ohne Rechtsfehler zu der Einschätzung gelangt, dass die in Bali durch Gerichtsbeschluss vollzogene Adoption mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist und deshalb ein Versagungsgrund im Sinne des § 16 a Nr. 4 FGG gegeben ist.

Da der Versagungsgrund auf gravierenden Verfahrensmängeln des indonesischen gerichtlichen Adoptionsverfahrens beruht, die auch durch die Gewinnung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind und den beiden Antragstellern nicht hätten ausgeräumt werden können, war nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AdWirkG i. V. m. § 50 a Abs. 1 Satz 2 FGG und § 50 b Abs. 1 FGG eine persönliche Anhörung des Kindes und der beiden Antragsteller durch das Landgericht nicht zwingend geboten.

Die sofortige weitere Beschwerde war deshalb zurückzuweisen

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 30 Abs. 3 FGG.

Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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