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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.10.2003
Aktenzeichen: 20 W 487/02
Rechtsgebiete: AktG, FGG, InsO
Vorschriften:
AktG § 147 Abs. 1 | |
AktG § 147 Abs. 2 S. 2 | |
AktG § 147 Abs. 2 S. 3 | |
AktG § 147 Abs. 2 S. 4 | |
AktG § 147 Abs. 2 S. 5 | |
FGG § 29 Abs. 2 | |
FGG § 145 Abs. 1 S. 1 | |
FGG § 146 Abs. 2 | |
InsO § 21 Abs. 1 | |
InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2 | |
InsO § 80 Abs. 1 |
2. Wird auf Grund eines ordnungsgemäßen Minderheitsverlangen die gerichtliche Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 147 Abs. 2 S. 2 AktG beantragt, so hat das Gericht die Ansprüche selbst oder die Aussichten für ihre Rechtsverfolgung nicht zu prüfen. Vielmehr kommt es nur darauf an, ob ein Grund für die Bestellung eines besonderen Vertreters vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass durch die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft eine sachgerechte Geltendmachung der Ansprüche nicht zu erwarten ist.
3. Die Auswahl und Bestellung des besonderen Vertreters muss durch das Gericht selbst erfolgen und kann nicht einem Dritten überlassen werden.
4. Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, an dessen Zustimmung die weitere Verfügungsbefugnis der Vertretungsorgane der Gesellschaft gebunden ist, lässt die Notwendigkeit zur gerichtlichen Bestellung eines besonderen Vertreters nicht entfallen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
Entscheidung vom 09.10.2003
In der Handelsregistersache
...
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. November 2002 am 09. Okt. 2003 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Verfahren zur Nachholung der namentlichen Bestellung des besonderen Vertreters an das Landgericht zurückverwiesen wird. Beschwerdewert: 50.000,-- EUR.
Gründe:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der diese die Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts Frankfurt am Main über die Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Aktiengesellschaft gegen die Mitglieder des Vorstandes A und Dr. B sowie gegen die Mitglieder des Aufsichtsrates C, D und Dr. E erstrebt, ist gemäß §§ 147 Abs. 2 Satz 4 AktG, 145 Abs. 1, Satz 1, 146 Abs. 2, 29 Abs. 2 FGG statthaft und wurde auch form- und fristgerecht eingelegt. Der Senat geht des weiteren von einer wirksamen Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin aus, da zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung am 30. Januar 2003 die die Vollmacht unterzeichnenden Abwickler A und Dr. B vertretungsbefugt waren, weil damals die einstweilige Verfügung vom 18. Dezember 2002 nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten noch nicht zugestellt worden war und ein Widerruf der Vollmacht durch den Antragssteller alleine nicht erfolgen kann.
Das zulässige Rechtsmittel führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts über die Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Allerdings ist das Verfahren zum Zwecke der Nachholung der namentlichen Bestellung des besonderen Vertreters an das Landgericht zurückzuverweisen.
Hat in einer Hauptversammlung eine Minderheit der Aktionäre die Geltendmachung eines Ersatzanspruches gegen Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates verlangt, so hat das Amtsgericht auf Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen 10% des Grundkapitals erreichen, als Vertreter der Gesellschaft zur Geltendmachung der Ersatzansprüche einen besonderen Vertreter zu bestellen, wenn ihm dies für eine gehörige Geltendmachung zweckmäßig erscheint (§ 147 Abs. 2 Satz 2 AktG). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landgericht ohne Rechtsfehler angenommen. Zunächst konnte das Landgericht ohne Rechtsfehler von einer Glaubhaftmachung der Aktionärsstellung und Antragsberechtigung des Antragstellers im Hinblick auf die vom Amtsgericht angeforderte Hinterlegungsbescheinigung ausgehen.
Des weiteren ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass ein ordnungsgemäßes Minderheitsverlangen des Antragsstellers in der Hauptversammlung vom 09. Oktober 2001 vorlag und insbesondere die geltend zu machenden Ersatzansprüche sowie die Personen aus Vorstand und Aufsichtsrat, gegen die sich die Ansprüche richten sollen, ausreichend konkretisiert wurden. Dafür muss das Minderheitsverlangen die Ansprüche so genau bezeichnen, dass der Streitgegenstand ohne weiteres bestimmbar ist und später die Übereinstimmung mit den geltend gemachten Ansprüchen festgestellt werden kann (vgl. Hüffer, a.a.O., § 147 Rn. 4; Geßler/Hefermehl, a.a.O., §147 Rn. 7).
Dies ist durch den Hinweis auf das beanstandete Verhalten des Vorstandes und des Aufsichtsrates durch Unterlassen des Betreibens des operativen Geschäftes und Abwicklung der Aktiengesellschaft nach Rücknahme des Insolvenzantrages in Februar 2000 sowie die Schilderung der im Beschluss des Landgerichts näher wiedergegebenen Begleitumstände gegeben.
Des weiteren wurde in dem angefochtenen Beschluss des Landgerichts auch die von dem besonderen Vertreter zu betreibende Rechtsverfolgung jedenfalls in den Gründen der Entscheidung hinreichend präzise benannt.
Des weiteren hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Ansprüche selbst oder die Aussichten für ihre Rechtsverfolgung vom Gericht bei der Entscheidung über die Bestellung eines besonderen Vertreters gerade nicht zu prüfen sind. Vielmehr begründet bereits das in der Hauptversammlung ordnungsgemäß gestellte Verlangen der qualifizierten Minderheit von 10 % des Grundkapitals als solches die Pflicht zur Geltendmachung (vgl. Geßler/Hefermehl, § 147 Rn. 8 u. 15; Henn, Handbuch des Aktienrechts, 7. Aufl., Rn. 1197).
Das Landgericht ist des weiteren rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, dass ein Grund für die Bestellung eines besonderen Vertreters gegeben ist. Ein solcher Grund ist insbesondere dann gegeben, wenn Anlass für die Annahme besteht, dass durch die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft keine sachgerechte Geltendmachung der Ersatzansprüche zu erwarten ist (vgl. Geßler/Hefermehl, a.a.O., § 147 Rn. 15 und Semler/Vollhard/Karehnke, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Aufl., § 20 Rn. 92 und 94). Hiervon ist das Landgericht im Hinblick auf die teilweise Identität zwischen den Personen, gegen die sich die Ansprüche richten sollen, und den derzeitigen Vorstandsmitgliedern bzw. Abwicklern und dem Aufsichtsrat und die vielfältigen Konflikte zwischen diesen Personen und dem Beschwerdegegner zutreffend ausgegangen. Aus dem selben Grund hat das Landgericht es ebenfalls sachgerecht als untunlich angesehen, den Antragsteller als Minderheitsaktionär selbst zum besonderen Vertreter zu bestellen.
Der Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters ist auch nicht rechtsmissbräuchlich und deshalb unbeachtlich. Es mag zwar zutreffen, dass der Antragsteller als Minderheitsaktionär aufgrund des tiefgreifenden Zerwürfnisses mit den übrigen Abwicklern und den Mitgliedern des Aufsichtsrates eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren gegen die Gesellschaft anhängig gemacht hat und von ihm eine Kostenerstattung nach § 147 Abs. 4 AktG wegen seiner eingeschränkten finanziellen Vermögenslage vermutlich nicht zu erlangen sein wird. Hieraus kann jedoch auf einen Rechtsmissbrauch nicht geschlossen werden, zumal diese Verfahren in der Vergangenheit teilweise durchaus zum Erfolg im Sinne des Antragstellers geführt haben.
Auch die mit Beschluss des Senats vom 06. August 2001 - 20 W 135/01 - bestätigte Bestellung eines Sonderprüfers kann den hiervon zu unterscheidenden Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters gemäß § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG nicht überflüssig machen.
Letztlich lässt auch die mit Beschluss vom 21. Mai 2003 (810 IN 44/03 AG Frankfurt am Main) erfolgte Bestellung des Rechtsanwalts R1 zum vorläufigen Insolvenzverwalter die Notwendigkeit zur Bestellung eines besonderen Vertreters nicht entfallen. Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, so geht gemäss § 80 Abs. 1 InsO das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. In diesem Falle sind die bisherigen Gesellschaftsorgane von der Geltendmachung der Ersatzansprüche der Gesellschaft ohnehin ausgeschlossen (vgl. Geßler/Hefermehl, a.a.O., § 147 Rn. 4), so dass die Notwendigkeit entfällt, wegen Personenidentität oder Interessenskonflikten einen besonderen Vertreter zu bestellen. Des weiteren ruht die Vertretungsmacht eines bereits bestellten besonderen Vertreters ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung und solange ein Insolvenzverwalter bestellt ist (vgl. hierzu BGH NJW 1981, 1097). Im vorliegenden Fall wurde aber bisher über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht abschließend entschieden, sondern nur ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Dabei wurde den Vertretungsorganen der Gesellschaft die Verfügungsmacht nicht vollständig entzogen, sondern nur von der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters abhängig gemacht. Dies lässt die Notwendigkeit zur Bestellung eines besonderen Vertreters noch nicht entfallen.
Allerdings kann die Bestellung des besonderen Vertreters nicht einem Dritten und damit auch nicht der vom Landgericht vorgesehenen Rechtsanwaltskammer in Frankfurt am Main überlassen werden. Vielmehr ist der besondere Vertreter - ebenso wie ein gemäß § 142 AktG zu bestellender Sonderprüfer - vom Gericht namentlich zu benennen (vgl. Hüffer, AktG, 5. Aufl., § 147 Rn. 8 und § 142 Rn. 25). Dabei kann das Gericht, das an diesbezügliche Vorschläge der Beteiligten nicht gebunden ist, sich zwar von der Rechtsanwaltskammer Vorschläge unterbreiten lassen. Es muss jedoch die Auswahl und Ernennung des besonderen Vertreters, der zuvor zur Bereitschaft zur Übernahme der Tätigkeit anzuhören ist (vgl. dazu Stöber, Registerrecht, Rn. 646), selbst vornehmen. In diesem Sinne wird das Landgericht deshalb noch tätig werden müssen. Die bisher fehlende Ernennung des besonderen Vertreters macht die Entscheidung des Landgerichts jedoch nicht unwirksam, sondern lediglich unvollständig.
Die sofortige weitere Beschwerde war deshalb mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das Verfahren das Landgericht zurückzuverweisen war, damit dieses die Auswahl und Ernennung bezüglich der Person des besonderen Vertreters in eigener Verantwortung nachholen kann.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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