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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 13.12.2002
Aktenzeichen: 20 W 490/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 48
Zur Festsetzung des Geschäftswerts bei Anfechtung von Jahresabrechnung, Wirtschaftsplan, Verwalterentlastung, Entlastung des Beirats.
20 W 490/00

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

In der Wohnungseigentumssache

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 16.8.2000 (hier Geschäftswertfestsetzung) am 13.12.2002 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 1.2.2000 werden teilweise abgeändert:

Der Geschäftswert des Wohnungseigentumsverfahrens vor dem Amtsgericht wird auf 38.752,78 DM (= 19.813,98 EUR) festgesetzt. Im übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Antragsteller haben mit ihrem erstinstanzlichen Antrag die Ungültigerklärung der zu TOP 1 und 2 der Eigentümerversammlung vom 7.10.1999 gefassten Beschlüsse über die Genehmigung der Jahresabrechnung 1998,die Entlastung der Verwalterin und des Beirats für diesen Zeitraum, sowie der Genehmigung des Wirtschaftplans für das Jahr 2000 begehrt. Das Amtsgericht hat dem Antrag der Antragsteller mit Beschluss vom 1.2.2000 stattgegeben und den Geschäftswert auf insgesamt 6.000,- DM festgesetzt. Hiergegen hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller Beschwerde eingelegt, mit der er die Heraufsetzung des Geschäftswerts auf mindestens 46.000,- DM begehrt hat. Die Antragsgegner sind der Beschwerde entgegen getreten. Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Mit seiner weiteren Beschwerde wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller nunmehr gegen den Beschluss des Landgerichts. Die weiteren Beteiligten haben sich im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht geäußert.

Die gemäß §§ 48 Abs. 3 WEG, 31 Abs. 3 Satz 1, 14 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4, 161 KostO a.F., 9 Abs. 2 BRAGO kraft Zulassung durch das Landgericht statthafte und auch ansonsten zulässige weitere Beschwerde gegen die Geschäftswertfestsetzung durch das Amtsgericht ist auch überwiegend begründet.

Der Geschäftswert gemäß § 48 Abs. 3 WEG richtet sich - anders als der Beschwerdewert - grundsätzlich nach dem Interesse aller Beteiligten an der Entscheidung. Dies dient unter anderem dem Zweck, die Wohnungseigentümer dazu anzuhalten, die über ihre subjektiven Interessen hinausgehende Wirkung des Verfahrens auf die anderen Beteiligten zu bedenken und von der leichtfertigen Stellung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung abzusehen (Staudinger/Wenzel, BGB, Stand Juni 1997, § 48 WEG Rdnr. 15). Der Geschäftswert bei der Anfechtung von Beschlüssen über die Jahresabrechnung bestimmt sich deshalb nach allgemeiner Auffassung nach einem Bruchteil von 20-25 % des Gesamtvolumens, wodurch im Regelfall auch dem verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz des gleichen Zugangs zu den Gerichten Rechnung getragen wird. Wenn im Einzelfall das Eigeninteresse des anfechtenden Wohnungseigentümers deutlich unter 25 % des Gesamtvolumens liegt, so kann eine weitere Herabsetzung geboten sein ( BayObLG WuM 1992, 714; WE 1999, 197, 198; OLG Hamm NZM 2001, 549; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 48 Rdnr 22 mit weiteren Nachweisen; Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., § 48 Rdnr. 40; Staudinger/Wenzel, a.a.O., § 48 Rdnr. 20; vgl. dazu unten). Werden dagegen einzelne Positionen der Jahresabrechnung beanstandet, so richtet sich der Geschäftswert nach diesen Beträgen und 25 % des Restvolumens (vgl. Bärmann/Pick/Merle, a.a.O.; § 48 Rdnr. 23, Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 48 WEG Rdnr. 13; Weitnauer/Hauger, WEG, 8. Aufl., § 48 Rdnr. 4; Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 48 Rdnr. 40, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Daraus errechnet sich, wie die Beschwerde zu Recht ausführt, ein voll in Ansatz zu bringender Betrag von 2.380,- DM (= 1.500,- DM + 880,- DM) und hinsichtlich des verbliebenen Restes von 56.803,94 DM (59.183,94 DM - 2.380,- DM) ein solcher von 14.200,98 DM, insgesamt also 16.580,98 DM. Von einer ähnlichen Berechnung geht offensichtlich auch das Landgericht ausweislich Seite 3 der Beschlussgründe, 2. Abs., im Grundsatz aus.

Diese Ausführungen gelten entsprechend für die Anfechtung der Genehmigung des Wirtschaftsplans. Hier nimmt der Senat aus den genannten - in diesem Zusammenhang sinngemäß geltenden - Gründen ebenfalls 25 % des Gesamtvolumens als Geschäftswert an (so auch vgl. OLG Hamm NZM 2001, 549, 551; BayObLG NZM 2001, 713, 714; Palandt/Bassenge, a.a.O., § 48 WEG Rdnr. 13), mithin für den vorliegenden Fall 14.671,80 DM (= 25 % von 58.687,20 DM). Eine wertmäßige Differenzierung zur Berechnung des Geschäftswerts für die Jahresabrechnung - etwa, wie von der Beschwerde vorgeschlagen, auf ein Drittel des Volumens des Wirtschaftsplans - erscheint dem Senat dagegen nicht angebracht.

Nach der überwiegenden Auffassung, der sich auch der Senat angeschlossen hat (vgl. Beschluss vom 9.12.2002, 20 W 189/2002), richtet sich der Geschäftswert für die Anfechtung von Beschlüssen über die Entlastung des Verwalters in erster Linie danach, ob und in welchem Umfang Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter in Betracht kommen (BayObLG WE 1999, 197; Niedenführ/Schulze, a.a.O., Rdnr. 38; Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., Rdnr. 21). Dies entspricht am ehesten der Bedeutung des Entlastungsbeschlusses als negativem Schuldanerkenntnis gemäß § 397 Abs. 2 BGB dahingehend, dass den Wohnungseigentümern keine Ansprüche gegen den Verwalter wegen solcher Vorgänge zustehen, die bekannt oder bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar waren (Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 28, Rdnr. 159; zu den Entlastungswirkungen im einzelnen: Köhler ZMR 1999, 293, 294). Da das Verfahren nicht hinreichend konkret ergeben hat, dass und ggf. in welcher Höhe derartige Ansprüche in Betracht kämen, muss der Geschäftswert insoweit geschätzt werden, wobei der Senat in entsprechender Anwendung von § 30 Abs. 2 KostO a. F. den Regelwert von 5.000,00 DM angesetzt hat. Der vom Beschwerdeführer grundsätzlich angenommene Wert in Höhe von 10 % des Abrechungsvolumens (so auch Staudinger/Wenzel, a.a.O., Rdnr. 22 unter Berufung auf AG Hildesheim ZMR 1986, 23, 24), erscheint dagegen zu pauschal und bei großen Gemeinschaften wie vorliegend überhöht; vorliegend geht aber auch der Beschwerdeführer insoweit von einem Wert von 5.000,- DM aus. Andererseits werden Beträge von 1.000,00 DM bzw. 500,00 EUR (so BayObLG WE 1999, 197; Niedenführ/Schulze, aaO., § 48, Rdnr. 38) der Bedeutung der Entlastung für die Beteiligten und den Verwalter, wie oben ausgeführt, nicht gerecht.

Für die Entlastung des Beirats muss allerdings deren wirtschaftlich erheblich geringere Bedeutung im Verhältnis zur Entlastung der Verwaltung berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm NZM 2001, 549, 551). Der Senat hält hierfür den Hälftebetrag der Verwalterentlastung für angemessen (so auch vgl. OLG Hamm NZM 2001, 549, 551; Palandt/Bassenge, a.a.O., § 48 WEG Rdnr. 13), mithin 2.500,- DM.

Daraus errechnet sich folgender Geschäftswert: 1.)Jahresabrechnung: 16.580,98 DM, 2.)Wirtschaftplan: 14.671,80 DM, 3.)Entlastung der Verwaltung: 5.000,- DM, 4.)Entlastung des Beirats: 2.500,- DM

Daraus errechnet sich dann der angenommene Gesamtgeschäftswert in Höhe von 38.752,78 DM (= 19.813,98 EUR).

Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts - an der dieses ausweislich des vorgelegten Beschlusses vom 19.11.2001 im Verfahren 4 T 50/01 diese Gemeinschaft betreffend eventuell auch nicht mehr festhalten will - vermag der Senat auch nicht davon auszugehen, dass die nach dem vom Senat festgesetzten Wert zu berechnenden Kosten des Verfahrens zu dem Interesse der Antragsteller an der Ungültigkeitserklärung der Genehmigungen der Jahresabrechung und des Wirtschaftplans sowie der Verwalter- und Beiratsentlastung nicht in einem angemessenen Verhältnis stünden, § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG. Zwar ist es danach mit dem Rechtsstaatsprinzip als nicht vereinbar anzusehen, den Geschäftswert bei der Beschlussanfechtung in großen Wohnungseigentumsanlagen abweichend von dem erheblich niedrigeren persönlichen Interesse des einzelnen Antragstellers ausschließlich nach dem Gesamtinteresse aller Miteigentümer zu bemessen. In diesem Zusammenhang ist eine Abwägung der besonderen Umstände im konkreten Einzelfall erforderlich (vgl. Senat, Beschluss vom 9.12.2002, 20 W 189/2002, OLG Karlsruhe WuM 1996, 180; BayObLG NZM 2001, 713). Angesichts dieser erforderlichen Gesamtabwägung kann zur Überzeugung des Senats der ermittelte Geschäftswert nicht durch einen schematischen Berechnungsmodus herabgesetzt werden, etwa durch Begrenzung auf das Fünffache des persönlichen wirtschaftlichen Interesses der Antragsteller (so ausdrücklich BayObLG NZM 2001, 713; vgl. auch OLG Karlsruhe WuM 1996, 180; Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 48 Rdnr. 28; Staudinger/Wenzel, a.a.O., § 48 Rdnr. 16, je mit weiteren Nachweisen; anders jedoch OLG Hamm NZM 2001, 549, 551). Vorliegend würde der oben angesetzte Geschäftswert im Hinblick auf die beiden Antragsteller für die Jahresabrechnung 1998 und den Wirtschaftsplan 2000 bei dieser Berechnung - isoliert betrachtet - zwar eine deutliche Überschreitung darstellen. Dennoch erscheint hier eine Herabsetzung aus diesem Grund nicht gerechtfertigt. Das Eigeninteresse der Antragsteller hinsichtlich Jahresabrechnung und Wirtschaftsplan steht hier unter hinreichender Berücksichtigung der Interessen sämtlicher übrigen Teileigentümer, die von einer erfolgreichen Beschlussfassung betroffen wären, sowie der Interessen des Fiskus und der beteiligten Rechtsanwälte (vgl. hierzu BayObLG WE 1997, 393, 394; Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 48 Rdnr. 28; Staudinger/Wenzel, a.a.O., § 48 Rdnr. 17, je mit weiteren Nachweisen) durchaus noch in einem angemessenen Verhältnis zu den oben errechneten Geschäftswerten, zumal die konkreten Einzelbeanstandungen jedenfalls in voller Höhe der geltend gemachten Differenz - wie oben geschehen - anzusetzen wären (vgl. Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 48 Rdnr. 40 mit weiteren Nachweisen). Die Werte sind absolut betrachtet auch nicht derart hoch, dass zu befürchten wäre, dadurch könne der Zugang zu den Gerichten erschwert werden. Hinsichtlich Entlastung von Verwaltung und Beirat vermag der Senat hier ebenfalls kein Ungleichgewicht zwischen den Eigeninteressen der Antragsteller und den oben errechneten Werten festzustellen.

Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt hat, dass es sich vorliegend um eine Teileigentums- und nicht eine Wohnungseigentumsgemeinschaft handelt, vermag der Senat einen im vorliegenden Sachzusammenhang relevanten Unterschied nicht zu erkennen; ein solcher wird vom Landgericht auch gar nicht konkret herausgearbeitet. Zutreffend führt selbst das Landgericht aus, dass sich die Jahresabrechnung hier ebenso in Geld ausdrückt, wie bei einer Wohnungseigentumsanlage; gleiches muss für den Wirtschaftsplan gelten. Tatsächlich handelt es sich bei allen hier vorliegenden Beschlussanfechtungen um Sachverhalte, die weitgehend wirtschaftliche Gesichtspunkte und Interessen der Beteiligten betreffen; diese stellen sich bei einer Teileigentumsgemeinschaft nicht wesentlich anders dar, als bei einer Wohnungseigentumsgemeinschaft.

Die Verfahrenskosten auf der Grundlage dieses Geschäftswertes erfordern bei Abwägung der Interessen der Antragsteller gegenüber den Interessen der übrigen Beteiligten an einer wirksamen Jahresabrechung/Wirtschaftsplan bzw. Verwalter- und Beiratsentlastung keine weitere Ermäßigung wegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Justizgewährungspflicht. Die vom Landgericht (ausgehend von einem Wert von 48.000,- DM) geschätzten Kosten in Höhe von etwa 3.000,- DM für den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller steht zur Überzeugung des Senats angesichts der Mehrzahl der angefochtenen Regelungen und deren wirtschaftlicher Bedeutung durchaus noch in einem angemessenen Verhältnis zum Interesse der Antragsteller.

Die Nebenentscheidungen hinsichtlich der Gebührenfreiheit und der Kostenerstattung beruhen auf § 31 Abs. 3 Satz 2 und 3 KostO a. F..

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