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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.11.2000
Aktenzeichen: 20 W 493/00
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, ZGB, ZBG, BGB, KostO


Vorschriften:

FGG § 29 I
FGG § 29 IV
FGG § 20
FGG § 21
FGG § 27
FGG § 13 a I 2
ZPO § 550
ZGB § 388
ZBG § 372
BGB § 2084
KostO § 131 II
KostO § 30
Zur Auslegung letztwilliger Verfügungen von Bürgern der ehemaligen DDR, die vor Herstellung der deutschen Einheit errichtet wurden.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 493/00

4 T 273/00 LG Wiesbaden

41 VI P 50/85 AG Wiesbaden

Entscheidung vom 30.11.2000

In der Nachlassache

nach ...

beteiligt: 1. Gemeinde ... ­ Der Bürgermeister -, ... Antragstellerin, Beschwerdegegnerin und weitere Beschwerdeführerin 2. R., ..., Antragsgegner, Beschwerdeführer und weiterer Beschwerdegegner,

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 06.10.2000 am 30.11.2000 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat die Beteiligte zu 1) zu tragen.

Wert: 280.000.- DM

Gründe

Die nach dem Akteninhalt geschwister- und kinderlosen 1890 und 1900 geborenen Eheleute haben am 27.07.1977 ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt und weitere Regelungen für den Tod des Längstlebenden getroffen haben. Diese werden eingeleitet mit den Worten Erben des Letztversterbenden sollen sein". Es folgen dann die Namen und Anschriften von bedachten Personen bzw. Organisationen. Auf Seite 2 haben die Erblasser Sparbücher und Konten zusammengestellt und erwähnt, dass der Wert des Eigentumshauses erst amtlich festgestellt werden" müsse. Ab Seite 3 überschrieben mit Benachrichtigung" folgen zunächst unter Punkt 1 nähere Angaben zu den für den Ehemann zu benachrichtigenden Behörden (Landesverwaltungsamt und Rentenverrechnungsstelle) und unter Punkt 2 zu der für die Ehefrau zu benachrichtigenden Behörde (Pensionsregelungsstelle). Punkt 3 hat folgenden Wortlaut: Gemeinde Verwaltung der DDR 1532 K. Unser bewohntes Einfamilien-Haus, Weidenbusch 8 schenken wir der Gemeinde. Sonstige Ansprüche lehnen wir ab." Es folgen dann noch die Anschrift der Sterbegeldvorsorge unter Punkt 4 und unter Punkt 5 die Nennung des Postamts Wiesbaden für dort regist. Zeitungen und Zeitschriften". Die Seite 4 des gemeinschaftlichen Testaments beginnt mit dem Hinweis, dass die Eigentumswohnung in Wiesbaden restlos bezahlt sei und geschätzt werden müsse. Es schließen sich Ausführungen an über die bisherige Bezahlung der Telefon- und Stromrechnungen und die Begleichung der laufenden Kosten gegenüber der Hausverwaltung und alsdann jeweils Ortsangabe mit Datum die Unterschrift der Ehefrau und des Ehemannes.

Am 13.07.1979 ist der Ehemann, am 03.07.1985 die Ehefrau verstorben. Sonstige gesetzlichen Erben sind damals nicht ermittelt worden. Das Amtsgericht hat der Beteiligten zu 2), einer gemeinnützigen Organisation, aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments einen Alleinerbschein mit einem Testamentsvollstreckervermerk ausgestellt.

Am 15.09.1998 hat sich die jetzige Beteiligte zu 1) gegenüber dem Nachlassgericht erkundigt, wer die Erben des oben genannten Grundstücks seien. Daraufhin ist ihr eine Abschrift des Erbscheins und des Testaments übersandt worden. Im folgenden hat die Beteiligte zu 1) beantragt, ihr einen gegenständlich beschränkten Erbschein zu erteilen. Dem ist der Beteiligte zu 2) mit der Begründung entgegengetreten, er sei Erbe des Hausgrundstücks. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 16.03.2000 angekündigt, einen gegenständlich beschränkten Erbschein ausstellen zu wollen, der die Beteiligte zu 1) als Erbin des in deren Gemarkung gelegenen Hausgrundstücks ausweist. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat das Landgericht durch Beschluss vom 06.10.2000 den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig (§§ 27, 29 I, IV, 20, 21 FGG). Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand (§§ 27 FGG, 550 ZPO). Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass bezüglich des Grundstücks Nachlassspaltung eingetreten ist. Für die erbrechtlichen Verhältnisse an Grundstücken in der früheren DDR bleibt nämlich das am 01.01.1976 in Kraft getretene Zivilgesetzbuch auch dann maßgebend, wenn der Erblasser nach dessen Inkrafttreten aber vor der Vereinigung Deutschlands mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt im Westen verstorben ist und daher im übrigen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch beerbt wird (BGH JR 1996, 280 ff). Der landgerichtliche Beschluss lässt zwar alsdann nicht erkennen, ob das Landgericht das gemeinschaftliche Testament der Erblasser hinsichtlich des Grundstücks nach den Vorschriften des Zivilgesetzbuches oder des Bürgerlichen Gesetzbuches ausgelegt hat. Dies ist jedoch unschädlich. Das ZGB kennt ebenfalls ein gemeinschaftliches Testament (§ 388 ZGB). Die Auslegungsgrundsätze (§ 2084 BGB und § 372 ZGB/DDR) weichen sachlich nicht voneinander ab (OLG Köln, FamRZ 1994, 591 ff). Nach § 372 ZBG ist dann, wenn der Inhalt eines Testaments verschiedene Auslegungen zulässt, das Testament so auszulegen, dass dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Erblassers Geltung verschafft wird. § 2084 BGB sieht vor, dass dann, wenn der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Auslegungen zulässt, im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen ist, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann.

Die Grenzen der Überprüfbarkeit der fremdem Recht unterliegenden Testamentsauslegung richten sich nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, das für das Verfahrensrecht grundsätzlich die lex fori gilt (Baumbach/ Lauterbach/ Albers/ Hartmann, Zivilprozeßordnung, 59. Aufl. 2001, Einl. III Rn 74). Die Auslegung des Erblasserwillens obliegt danach den Tatsacheninstanzen. Der Senat ist als Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich an die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des Testaments gebunden. Er kann die getroffene Auslegung nur daraufhin nachprüfen, ob diese nach den Denkgesetzen und der Erfahrung möglich ist, ob sie mit den gesetzlichen Auslegungsregeln im Einklang steht, ob sie dem klaren Sinn und Wortlaut des Testaments nicht widerspricht und ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt sind. Dabei müssen die Schlussfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend sein; es genügt, wenn sie nur möglich sind, mag auch eine andere Schlussfolgerung ebenso nahe oder noch näher liegen (BayObLG, FamRZ 1986, 610 ff, 611; BayObLG, NJW-RR 1988, 387 ff, 388). Solche Auslegungsverstöße liegen nicht vor. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die auf Seite 3 des gemeinschaftlichen Testaments vom 27.07.1977 unter Nr. 3 stehende Formulierung (s. oben) nicht als Erbeinsetzung der politischen Gemeinde verstanden hat. Das Landgericht hat für diese Auslegung den Aufbau des Testamentes und die politischen Verhältnisse im Zeitpunkt der Testamentserrichtung herangezogen. Aus alledem durfte das Landgericht ohne einen Rechtsfehler schließen, dass die Erblasser gegenüber der Beteiligten zu 1) keinen positiven Verfügungswillen hatten, sondern das Hausgrundstück praktisch abgeschrieben hatten und sich nur in die damaligen politischen Gegebenheiten fügten, wobei es nicht darauf ankommt, ob nach DDR-Recht das Haus tatsächlich der politischen Gemeinde oder dem Staat zugefallen wäre. Die Auslegung, dass die Erblasser mit dem Wort Schenkung" keine echte Begünstigung der Beteiligten zu 1) herbeiführen wollten, sondern dass primärer Zweck dieser Klausel nur eine Benachrichtigungsfunktion sein sollte, ist unter Berücksichtigung des Testamentsaufbaus, der gewählten Formulierungen und der Einbeziehung der real exisitierenden politischen Verhältnisse im Zusammenhang mit dem von den Erblassern gewählten Zusatz, dass sie sonstige Ansprüche ablehnen, möglich, was nach den oben genannten Verfahrensgrundsätzen bereits zur Zurückweisung der weiteren Beschwerde führen muss.

Soweit die Beteiligte zu 1) meint, sie sei gleichwohl auf Seite 3 des Testaments wirksam bedacht worden, läuft dies auf den Versuch hinaus, die Testamentsauslegung der Beteiligten zu 1) an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen. Dies muss im Rechtsbeschwerdeverfahren ­ ebenfalls aus den oben genannten Gründen ­ erfolglos bleiben. Die Beteiligte zu 1) rügt weiter, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts eine explizite Schenkungserklärung nicht bereits deshalb ihren Wert verliere, weil sie im Testament unter der Überschrift Benachrichtigungen" abgegeben worden sei. Das Landgericht ist indessen nicht davon ausgegangen, dass es sich vorliegend um keine Schenkung" handeln könne, weil diese im Testament unter Benachrichtigungen aufgeführt ist. Das Landgericht hat lediglich den verwendeten Begriff Schenkung" über den bloßen Wortlaut hinaus im Sinnzusammenhang des Testaments gesehen und ist dann im Ergebnis zu der Überzeugung gelangt, die Erblasser hätten die Beteiligte zu 1) nicht begünstigen wollen. Der Beteiligten zu 1) ist auch nicht darin zuzustimmen, dass die Benachrichtigung hinsichtlich des Grundvermögens nur Sinn mache, wenn bei der Grundstücksschenkung ein echter Verfügungswille vorhanden gewesen sei. Die Vorgehensweise der Erblasser lässt sich vielmehr auch vor dem Hintergrund begreifen, dass sie den Umfang des Nachlasses zusammenstellen und damit der Erbin die Abwicklung des Nachlasses einschließlich der Erfüllung der Vermächtnisse erleichtern wollten.

Die Erblasser haben die Entwicklung der politischen Verhältnisse zwar nicht vorausgesehen und auch nicht voraussehen können (vgl. BGH ZEV 1994, 101 ff, 103 m. Anm. Otte). Ihre Erwartung, der Grundbesitz werde ohnehin in welcher Form auch immer in die Hände der DDR fallen, hat sich als irrig erwiesen. Es kann angenommen werden, dass die Erblasser für das Hausgrundstück eine testamentarische Regelung getroffen hätten, wenn sie die politische Entwicklung vorausgesehen hätten. Dies ändert aber nichts daran, dass die Erblasser nach der aus Rechtsgründen nicht angreifbaren Auslegung des Landgerichts keinen Testierwillen zugunsten der Beteiligten zu 1) gehabt haben. Deshalb bedurfte es hier auch keiner Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments. Da es vorliegend nur um den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) ging, bedurfte es auch keiner abschließenden Bewertung, wem die Erblasser das Hausgrundstück ansonsten zugewendet hätten, wenn sie die Entwicklung vorausschauend gesehen hätten.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 13 a I 2 FGG, 131 II, 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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