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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 07.06.2004
Aktenzeichen: 20 W 59/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14
WEG § 15
Die Wohnungseigentümer brauchen es grundsätzlich nicht zu dulden, dass in einer vermieteten Wohnung der Prostitution nachgegangen wird. Daran hat das Prostitutionsgesetz vom 20.12.2001 nichts geändert.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 59/03

In der Wohnungseigentumssache

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 08.01.2003 am 07.06.2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen.

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 35.790,43 EUR für die bis zum 19.05.2004 angefallenen Gebühren festgesetzt, für die danach angefallenen Gebühren auf bis zu 35.000,-- EUR.

Gründe:

Die Beteiligten bildeten im Zeitpunkt der Antragstellung im vorliegenden Verfahren die im Rubrum angegebene Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Antragsteller ist bzw. war Eigentümer der Wohnung Nr. 2. In dieser Wohnung übt der Antragsteller entweder selbst oder durch seinen Mieter einen Prostitutionsbetrieb aus. Unter Ziffer VII der Teilungserklärung wurde bestimmt, dass sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nach den Vorschriften der §§ 10 - 29 WEG bestimmt, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist. Sodann heißt es unter b): "Art und Weise der Ausübung der den Wohnungseigentümern zustehenden Rechte zur Nutzung des Sondereigentums bzw. Teileigentums und zur Mitbenutzung des gemeinschaftlichen Eigentums werden durch einen Beschluss der Gemeinschaft aufgestellten Hausordnung geregelt." Nach Ziffer 1.1 der Hausordnung ist die gewerbliche Nutzung der Wohnungen grundsätzlich nicht gestattet.

Im Oktober 2001 befand sich der Antragsteller mit Wohngeldzahlungen in Höhe von 13.692,87 DM in Verzug. Er hatte etwa seit April 2001 auf die rückständigen Wohngelder monatliche Ratenzahlungen geleistet.

Am 10.11.2001 fand eine Wohnungseigentümerversammlung statt, zu der der Verwalter mit Schreiben vom 20.10.2001 eingeladen hatte. Unter Tagesordnungspunkt 14 fasste die Eigentümerversammlung, bei der 74,3021/100,000 stimmberechtigte Miteigentumsanteile vertreten waren, mit 7 Ja- und einer Neinstimme einen Beschluss, nach dem die Gemeinschaft den Verwalter aufgrund der derzeitigen Säumnis des Antragstellers beauftragte, seine Wohnung ab sofort von der Heiz- und Warmwasser- sowie der Wasserversorgung abzutrennen bzw. entsprechende Absperrvorrichtungen anzubringen. Hinsichtlich des genauen Wortlauts des Beschlusses wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, Seiten 2 f, Bezug genommen.

Der Antragsteller hat diesen Beschluss angefochten und vor dem Amtsgericht beantragt, ihn für ungültig zu erklären. Die Antragsgegner sind dem Antrag entgegen getreten und haben im Wege des Gegenantrags verlangt, den Antragsteller zu verpflichten, den Betrieb der Prostitution oder eines sonstigen sittenwidrigen Gewerbes oder die Vermietung zum Betrieb der Prostitution oder eines sonstigen sittenwidrigen Gewerbes in seiner Eigentumswohnung Nr. 2 in der Wohnungseigentumsanlage ... Straße ... in ... O 1 zu unterlassen, und für jeden Fall der Zuwiderhandlung pro angefangenen Monat der gewerblichen sittenwidrigen Vermietung ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500,-- EUR gegen den Antragsteller zu verhängen.

Mit Beschluss vom 29.05.2002, auf dessen Gründe verwiesen wird, hat das Amtsgericht den Antragsteller verpflichtet, den Betrieb der Prostitution oder eines sonstigen Gewerbes oder die Vermietung zum Betrieb der Prostitution oder sonstigen Gewerbes in der Eigentumswohnung Nr. 2 in der Wohnungseigentumsanlage ... Straße ... in O 1 zu unterlassen. Darüber hinaus hat es die beantragten Ordnungsmittel angedroht. Den Anfechtungsantrag des Antragstellers hat es zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegner sind der Beschwerde entgegen getreten.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den gleichfalls Bezug genommen wird, hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27.01.2003 sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegner sind der sofortigen weiteren Beschwerde entgegen getreten. Nachdem der Antragsteller den im Wohnungseigentümerbeschluss vom 10.11.2001 zu Tagesordnungspunkt 14 in Bezug genommenen Zahlungsrückstand ausgeglichen hatte und die Antragsgegner mit Schriftsatz vom 19.01.2004 erklärt hatten, aus dem Wohnungseigentümerbeschluss keine Rechte mehr herleiten zu wollen, haben die Beteiligten auf Hinweis des Senats in der Verfügung vom 27.04.2004 hinsichtlich des diesbezüglichen Anfechtungsantrages die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthaft und auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist jedoch nicht begründet.

So ist zunächst davon auszugehen, dass der angefochtene Beschluss des Landgerichts, soweit nicht ohnehin bereits Hauptsacheerledigung eingetreten ist, nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, auf die hin er alleine zu überprüfen ist, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

Dabei ist festzuhalten, dass die Veräußerung des Wohnungseigentums während eines laufenden Verfahrens, also nach Eintritt der Rechtshängigkeit, auf die formelle Beteiligtenstellung des Veräußerers grundsätzlich keinen Einfluss hat. Vielmehr ist § 265 ZPO entsprechend anzuwenden mit der Folge, dass der Veräußerer das Verfahren in gesetzlicher Verfahrensstandschaft für den Rechtsträger fortführt. Die Entscheidung des Gerichts wirkt gemäß § 325 Abs. 1 ZPO, 10 Abs. 3 WEG gegen seinen Rechtsnachfolger und kann ggf. gemäß §§ 727 ZPO in Verbindung mit § 890 ZPO gegen ihn vollstreckt werden (vgl. im Einzelnen Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 43 Rz. 117; Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., Vor §§ 43 ff Rz. 104 ff, BGH NJW 2001, 3339). Eine Beteiligung des Sonderrechtsnachfolgers ist deshalb nicht geboten (Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 43 Rz. 117; Niedenführ/Schulze, a.a.O., Vor §§ 43 ff Rz. 105). Damit spielt es hier verfahrensrechtlich keine Rolle, dass der Antragsteller offensichtlich nunmehr nicht mehr Wohnungseigentümer ist, wie er im Verfahren der weiteren Beschwerde unwidersprochen vorgetragen hat. An dieser Rechtslage ändert sich auch nichts dadurch, dass gegenüber dem Antragsteller vorliegend ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht wird (im Einzelnen: Niedenführ/Schulze, a.a.O., Vor §§ 43 ff Rz. 106 ff; vgl. weiter BayObLGZ 1983, 73; BayObLG WuM 1991, 632; WuM 1994, 635). Abgesehen davon hätte denn auch der Antragsteller konkrete gegen seine Passivlegitimation sprechende Einwendungen gar nicht erhoben.

Die übereinstimmenden Entscheidungen der Vorinstanzen, wonach der Antragsteller auf den Gegenantrag der Antragsgegner hin im zugesprochenen Umfang zur Unterlassung verpflichtet ist, weisen Rechtsfehler nicht auf. Auf die diesbezüglichen Ausführungen der amts- und landgerichtlichen Beschlüsse kann insoweit zu Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Antragsgegner einen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Antragsteller haben, den Betrieb der Prostitution oder eines sonstigen Gewerbes bzw. die Vermietung zum Betrieb der Prostitution oder eines sonstigen Gewerbes zu unterlassen. Die tatsächlichen Feststellungen insbesondere des Landgerichts dahingehend, dass in der Eigentumswohnung die Prostitution ausübt werde, werden von der weiteren Beschwerde nicht konkret angegriffen. Dass der Antragsteller behauptet, die Prostitution werde in der Art eines sog. Callgirls betrieben, ist - unabhängig von den entgegenstehenden tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts (vgl. Seiten 6, 7 des angefochtenen Beschlusses), die für den Senat grundsätzlich bindend sind - bereits aus Rechtsgründen unerheblich.

Zutreffend haben die Vorinstanzen nämlich ausgeführt, dass den Antragsgegnern nach den §§ 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 15 Abs. 3 WEG ein Anspruch auf Unterlassung der Prostitution zusteht. Darüber hinaus ist in der Teilungserklärung (vgl. bereits die Bezeichnung als Wohnung unter Ziffer III.) und unter Bezugnahme auf die Hausordnung eine Zweckbestimmung getroffen worden ist, gegen die der Antragsteller verstößt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschluss vom 05.03.2002, 20 W 508/01, ZMR 2002, 616), dass Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht zu dulden brauchen, dass in einer vermieteten Wohnung der Prostitution nachgegangen wird. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die jüngste Gesetzgebung im Prostitutionsgesetz vom 20.12.2001 (Bundesgesetzblatt I, Seite 3983) die juristische Diskriminierung der Prostituierten beendet hat (vgl. im einzelnen Senat ZMR 2002, 616).

Zu Recht haben die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Prositutionsausübung ständig mit wechselnden Freiern verbunden ist, was naturgemäß eine größere Belastung der Hausgemeinschaft mit sich bringt. Ausgehend hiervon bedarf es tatsächlich keines Nachweises weiterer konkreter Beeinträchtigungen der anderen Wohnungseigentümer; maßgebend ist eine typisierende Betrachtungsweise, die konkrete Ausübung ist hierbei nicht maßgebend (vgl. im Einzelnen auch BayObLG NJW-RR 2000, 1323). Soweit die weitere Beschwerde also weiterhin vorträgt, die Ausübung der Prostitution bzw. "des Gewerbes in der Art eines sog. Callgirls" in der Wohnung bringe keine unzumutbaren Beeinträchtigungen der anderen Wohnungseigentümer mit sich, kann dies zu keiner abweichenden Beurteilung führen, zumal die weitere Beschwerde den Zutritt von "Stammkunden" zur Wohnung einräumt. Überdies hat sich das Landgericht hiermit bereits im einzelnen auseinander gesetzt; auf die diesbezüglichen Ausführungen kann Bezug genommen werden. Rechtsfehler weisen diese tatsächlichen Feststellungen nicht auf. Die weitere Beschwerde zeigt solche auch gar nicht konkret auf. Soweit sie einwendet, § 14 Nr. 1 WEG diene nicht der Durchsetzung sittlicher Wertvorstellungen, ist dies zwar grundsätzlich richtig. Darum geht es vorliegend jedoch nicht. Zumindest die vom Landgericht festgestellte Wertminderung des Sondereigentums, die regelmäßig mit der Ausübung der Prostitution für die Wohnungen der Anlage einhergeht (vgl. dazu auch Senat ZMR 2002, 616), wäre davon unabhängig.

Soweit die Beteiligten im übrigen hinsichtlich des Anfechtungsantrags des Amtragstellers das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, bedarf es einer Hauptsacheentscheidung nicht mehr. Es ist lediglich noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (vgl. Bärmann/Pick/Merle, a.a.0., § 44 Rz. 95, 106).

Soweit der Antragsteller hinsichtlich des Gegenantrages - wie oben ausgeführt - unterlegen war, entsprach es billigem Ermessen nach § 47 Satz 1 WEG, diesem die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde aufzuerlegen. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt haben, war der diesbezügliche Anteil der Gerichtskosten ebenfalls dem Antragsteller aufzuerlegen. Bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen sind grundsätzlich alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere aber der voraussichtliche Ausgang des Verfahrens bei Fortsetzung ohne die Erledigung zu berücksichtigen, wobei jedoch die Rechtslage nicht in allen Einzelheiten geprüft zu werden braucht und weitere Ermittlungen allein wegen der Kostenentscheidung nicht erfolgen dürfen (vgl. Niedenführ/Schulze, a.a.O., Vor §§ 43 ff Rz. 216; Bärmann/Pick/Merle, a.a.0., § 44 Rz. 106, jeweils m. w. N.). Insoweit weisen die Entscheidungen der Vorinstanzen, nach denen der angefochtene Wohnungseigentümerbeschluss vom 10.11.2001, Tagesordnungspunkt 14, ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach, keine Rechtsfehler auf. Auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses und diejenigen im Beschluss des Amtsgerichts vom 29.05.2002 kann auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Gegen die zugrunde liegenden rechtlichen Erwägungen von Amts- und Landgericht hat die weitere Beschwerde auch konkrete Einwendungen nicht mehr erhoben (vgl. im Einzelnen dazu auch Bärmann/Pick/Merle, a.a.0., § 28 Rz. 150; Kammergericht ZWE 2001, 497; ZWE 2002, 182). Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang lediglich eingewandt hat, dass nunmehr keine rückständigen Wohngelder mehr bestehen, ist dies ein Gesichtspunkt, der im Ergebnis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache geführt hat. Ohne diesen Gesichtspunkt wäre der Antragsteller im Verfahren unterlegen gewesen.

Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten folgt der Senat den übereinstimmenden Einschätzungen der Vorinstanzen, dass der Antragsteller angesichts der Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage ausnahmsweise verpflichtet ist, den Antragsgegnern auch die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu erstatten, § 47 Satz 2 WEG. Bereits die Vorinstanzen hatten die Sach- und Rechtslage im Einzelnen klar und eindeutig beschrieben. Die weitere Beschwerde hat hiergegen teilweise gar keine oder lediglich wiederholende Einwendungen erhoben.

Die Wertfestsetzung beruht zunächst auf der unbeanstandet gebliebenen Festsetzung durch das Landgericht, § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Allerdings hat sich der Geschäftswert im Laufe des Verfahrens durch die übereinstimmende Teilerledigungserklärung verändert. Bei Erledigung der Hauptsache tritt ab Erledigung der Kostenwert an die Stelle der Hauptsache. Solche Veränderungen des Geschäftswerts sind durch Stufengeschäftswerte auszudrücken, da sie Einfluss auf die Rechtsanwaltsgebühren haben können (Senat, Beschluss vom 05.01.2004, 20 W 458/02; Niedenführ/Schulze, a.a.0., § 48 Rz. 29; Bärmann/Pick/Merle, a.a.0., § 48 Rz. 13; BayObLG WE 1989, 180). Das maßgebliche Kosteninteresse hat der Senat wie aus dem Tenor ersichtlich geschätzt.

Ende der Entscheidung

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