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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.06.2005
Aktenzeichen: 20 W 63/05
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 339
WEG § 10 I
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 15 III

Entscheidung wurde am 27.10.2005 korrigiert: die Metaangabe Schlagworte wurde durch Stichworte ersetzt
1. Das Recht auf Vermietung des Sondereigentums kann durch die Gemeinschaftsordnung eingeschränkt werden.

2. Ist in der Gemeinschaftsordnung eine Regelung enthalten, die eine Verwalterzustimmung zur Vermietung vorsieht, kann eine Ergänzung, wonach dieVerletzung von Informationspflichten im Vorfeld der Vermietung zu einer Gemeinschaftsstrafe führt, mangels Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung nicht wirksam mehrheitlich beschlossen werden.


Gründe:

Die Beteiligten bilden die Eigentümergemeinschaft X in O1.

Die zur Teilungserklärung gehörende Gemeinschaftsordnung sieht unter § 3 Abs. 2 vor, dass ein Wohnungseigentümer zur Ausübung eines Gewerbebetriebes oder Berufes in der Wohnung nur mit Zustimmung des Verwalters berechtigt ist. Die Zustimmung kann unter Auflagen erteilt werden; sie ist stets widerruflich, kann jedoch vom Verwalter nur aus wichtigem Grund verweigert werden. Als wichtiger Grund soll insbesondere gelten, wenn die Ausübung eines Gewerbes oder Berufes eine unzumutbare Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer oder Hausbewohner befürchten lässt oder wenn sie den Charakter des Hauses beeinträchtigt. Nach § 3 Abs. 3 gelten die Bestimmungen des vorhergehenden Absatzes sinngemäß auch für die erforderliche Zustimmung zur Vermietung, Verpachtung oder sonstige Gebrauchsüberlassung einer Wohnung. Weiter wird festgelegt, dass dies jedoch nicht für den Fall gilt, dass eine Überlassung an den Ehegatten des Eigentümers, Verwandte in gerader Linie oder Verwandte zweiten Grades in der Seitenlinie erfolgt oder wenn ein Kreditgeber zur Rettung seiner Forderung ein Wohnungseigentum angesteigert hat und es einem Dritten überlässt. Zur endgültigen Entscheidung kann nach § 3 Abs. 5 die Eigentümerversammlung angerufen werden (Bl. 87, 88 d. A.). Bestimmungen über die Abänderung der Teilungserklärung durch die Wohnungseigentümerversammlung (Öffnungsklauseln) sind nicht vorhanden.

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 22.10.2001 fassten die Wohnungseigentümer unter TOP 9 mehrheitlich folgenden, unangefochten gebliebenen Beschluss.

"Vermietende Eigentümer werden verpflichtet, dem Verwalter vor Abschluss eines Mietvertrages eine Mieterselbstauskunft vorzulegen.

Bei Missachtung dieses Beschlusses zahlt der vermietende Eigentümer 1.000,00 DM/510 Euro auf das Konto der Eigentümergemeinschaft ....

Vor jeder Neuvermietung muss der vermietende Eigentümer Rücksprache mit einem Mitglied des Verwaltungsbeirats oder mit dem Verwalter (jeweils persönlich) nehmen.

Bei Missachtung dieses Beschlusses zahlt der vermietende Eigentümer 1.000,00 DM/510 Euro auf das Konto der Eigentümergemeinschaft ..."

Der Antragsgegner ist Eigentümer der Wohnung Nr. ... der vorerwähnten Liegenschaft. Diese Wohnung vermietete er zum 01.06.2003 ohne vorher dem Verwalter eine Mieterselbstauskunft vorzulegen und mit einem Mitglied des Verwaltungsbeirats oder mit dem Verwalter Rücksprache zu nehmen.

Der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft forderte den Antragsgegner mit Schreiben vom 12.07.2003 auf, wegen dieser Verstöße gegen den Beschluss vom 22.10.2001 1.020,00 € auf das Konto der Eigentümergemeinschaft zu zahlen und setzte ihm mit weiteren Schreiben vom 03.11.2003 eine Zahlungsfrist bis zum 17.11. 2003 (Bl. 25 d. A.).

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 11.03. 2004 (Bl. 51-68 d. A.) dem Antragsgegner antragsgemäß aufgegeben, an die Antragsteller zu Händen des Verwalters 1.020,00 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus diesem Betrag seit 06.02.2004 zu zahlen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, es bestünden keine Bedenken gegen die Gültigkeit des zu TOP 9 der Versammlung vom 22.10.2001 getroffenen Beschlusses, insbesondere sei kein Zustimmungserfordernis des Verwalters zum Mietvertrag geregelt worden, sondern nur eine Informationspflicht des Eigentümers. Auch werde nicht in den Kernbereich des Eigentums eingegriffen, weil das Recht zur Vermietung unberührt bleibe. Um Wirkung zu erzielen, müsse die Strafgebühr auch relativ hoch sein. Eine Orientierung am Einkommen eines Miteigentümers erfordere einen unverhältnismäßig hohen Aufwand.

Das Landgericht hat auf die Beschwerde des Antragsgegners den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und den Antrag der Antragsteller zurückgewiesen.

Die Kammer hat in ihrem Beschluss vom 12.01. 2005 (Bl. 109-113 d. A.) zur Begründung ausgeführt, der zu TOP 9 der Versammlung vom 22.10.2001 gefasste Beschluss greife in den Kernbereich des Sondereigentums ein.

Zwar sei die Regelung nicht geeignet, eine Vermietung an einen durch den Miteigentümer in Aussicht genommenen Mietinteressenten zu verhindern. Ihr Sinn könne nur darin liegen, einen Wohnungseigentümer bei der Vermietung zu beraten und ihn gegebenenfalls im Hinblick auf einen potentiellen Mieter umzustimmen. Aber auch abstrakte erzieherische Maßnahmen gegen den Willen eines Miteigentümers lägen nicht in der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft. Auch sei nicht konkret dargelegt, dass dies bei der Zusammensetzung der Gemeinschaft oder bei dem Antragsgegner besonders notwendig sei. Eine Beratung durch den Verwalter bzw. ein Mitglied des Verwaltungsbeirats stelle eine unerlaubte Rechtsberatung im Sinn von § 1 RBerG dar, die auch bezüglich des Verwalters nicht durch § 5 Nr. 3 RBerG gedeckt sei.

Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Antragsteller, mit der sie ihren ursprünglichen Zahlungsantrag weiter verfolgen und den amtsgerichtlichen Beschluss verteidigen.

Durch die beschlossene Informationspflicht werde in den Kernbereich des Sondereigentums nicht eingegriffen, da der Wohnungseigentümer in seiner Entscheidung über die Vermietung frei bleibe. Als Gebrauchsregelung habe die Verpflichtung zur Information auch mehrheitlich beschlossen werden können. Die getroffene Regelung sei auch höchst zweckmäßig, da der Verwalter mitunter die in Aussicht genommenen Mieter aus anderen Liegenschaften kenne und auf dort aufgetretene Probleme hinweisen könne. Auch sei es bei großen Anlagen wie vorliegend, wichtig, vermietende Wohnungseigentümer dazu anzuhalten, die Hausordnung zum Bestandteil des Mietvertrages zu machen. Bei der in der Teilungserklärung vorgesehenen Zustimmung des Verwalters zur Vermietung sei erst Recht unbedenklich, wenn die Gemeinschaft beschließt, dass mit der Verwaltung oder dem Beirat Rücksprache vor einer Vermietung gehalten wird.

Der Antragsgegner ist der weiteren Beschwerde entgegengetreten.

Er verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und verweist darauf, dass die in § 3 Abs. 3 und 5 der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Regelungen ausreichen, um die zur Begründung der in Streit stehenden Beschlüsse angeführten Ziele der Antragsteller zu erfüllen. Bei den weiteren, am 22.10.2001 zu TOP 9 beschlossenen Maßnahmen handele es sich um eine Änderung der Teilungserklärung, zu der der Wohnungseigentümerversammlung die Regelungskompetenz fehle, weshalb die Beschlüsse nichtig seien.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Beschluss beruht im Ergebnis nicht auf einer Verletzung des Rechts, auf die hin er alleine zu überprüfen ist, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

Ein Anspruch der Antragsteller auf Zahlung der beschlossenen Gemeinschaftsstrafe besteht nicht, weil es sich bei der am 22.10.2001 beschlossenen Regelung über die Verpflichtung zur Zahlung einer Gemeinschaftsstrafe um eine Änderung der Teilungserklärung handelt, die nicht durch Mehrheitsbeschluss wirksam vorgenommen werden konnte, weil die Wohnungseigentümerversammlung dafür keine Beschlusskompetenz hatte.

Für die Feststellung des Inhalts der Teilungserklärung ist zunächst davon auszugehen, dass nach Eintragung der Teilungserklärung im Grundbuch die Gemeinschaftsordnung zum Inhalt des Sondereigentums geworden ist und nunmehr den allgemeinen Grundsätzen für Eintragungsbewilligungen und Grundbucheintragungen unterliegt. Es ist nur auf den Wortlaut und Sinn des im Grundbuch Eingetragenen abzustellen, und zwar so, wie es sich für einen unbefangenen Beobachter als nächstliegende Bedeutung der Gemeinschaftsordnung ergibt. Damit kommt es für die Auslegung also nicht auf den Willen des Erklärenden an, sondern auf das, was jeder gegenwärtige und zukünftige Betrachter als objektiven Sinn der Erklärung ansehen muss. Umstände außerhalb der Erklärung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (Bärmann/Pick/Merle: WEG, 9. Aufl., § 10 Rdnr. 53; Palandt/Bassenge: BGB, 64. Aufl., § 10 WEG, Rdnr. 8; Niedenführ/Schulze: WEG, 7. Aufl. § 10, Rdnr. 15, jeweils mit weiteren Hinweisen; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 07.03.2003 - 20 W 431/2000 -).

Der Senat kann als Rechtsbeschwerdegericht die Auslegung von § 3 Abs. 3 Gemeinschaftsordnung selbst vornehmen und zwar dahingehend, dass die Zustimmung der Verwaltung abgesehen von den in Absatz 3 ausdrücklich geregelten Ausnahmetatbeständen für jeden Fall der Vermietung erforderlich ist. Dagegen enthält die Teilungserklärung keine Bestimmung über Gemeinschaftsstrafen für den Fall der Verletzung von Informationspflichten im Vorfeld der Vermietung, wie sie am 22.10.2001 zu TOP 9 von der Wohnungseigentümerversammlung beschlossen worden ist. Durch eine Mehrheit können aber keine vereinbarungsändernden Beschlüsse gefasst werden. Diese sind nach der Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 20.09.2000 -ZWE 2000, 518=NJW 2000,3500) nichtig, weil die Wohnungseigentümerversammlung für derartige Beschlüsse keine gesetzliche Ermächtigung besitzt (vgl. Wenzel ZWE 2001, 226, 236). Dieser Auffassung hat sich auch die Kommentar-Literatur angeschlossen (Niedenführ/Schulze, aaO., § 10, Rdnr. 30 a; Palandt/Bassenge: WEG, aaO., § 10, Rdnr. 19; Weitnauer/Lüke: WEG, 9. Aufl., § 10, Rdnr. 49 ). Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom Senat in seinem Beschluss vom 19.09.1978 -20 W 531/78- (Rpfleger 1979, 109) vertretene Auffassung, Vermietungsbeschränkungen und die Verhängung von Gemeinschaftsstrafen im Fall der Zuwiderhandlung könnten mangels entgegenstehender Vereinbarung durch Mehrheitsbeschluss geregelt werden, nach der BGH-Rechtsprechung noch Bestand haben kann. Für die hier vorliegende Fallgestaltung einer nachträglichen Einführung der Gemeinschaftsstrafe als Ergänzung einer in der Teilungserklärung bereits geregelten Vermietungsbeschränkung hat der Senat auch in der Entscheidung aus 1978 einen Mehrheitsbeschluss nicht für ausreichend erachtet.

Der Senat verkennt nicht, dass die am 20.10.2001 beschlossene Regelung durchaus als Ergänzung zu der in der Teilungserklärung vorgesehenen Zustimmungsbedürftigkeit der Vermietung sinnvoll sein kann. Zwar steht bei fehlender Zustimmung des Verwalters zu der Vermietung der Wohnung den übrigen Wohnungseigentümern ein Unterlassungsanspruch nach §§ 1004 Abs. 1 BGB i. V. m. 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG zu (Niedenführ/Schulze, aaO., § 14, Rdnr. 12 ; Palandt/Bassenge, aaO., § 14 Rdnr. 14). Inhalt des den Wohnungseigentümern gegen den vermietenden Wohnungseigentümer zustehenden Anspruchs nach §§ 1004 BGB, 15 Abs. 3 WEG ist die Unterlassung eines unzulässigen Gebrauchs und zwar sowohl die Beseitigung des gegenwärtigen störenden Zustandes als auch die Unterlassung einer künftigen gleichartigen Nutzung. Die Durchsetzung dieses Anspruchs ist aber häufig schwierig, denn nach herrschender Auffassung führt die fehlende Verwalterzustimmung zur Vermietung nicht zur Unwirksamkeit des Mietvertrages. Die Vermietungsbeschränkung nach § 3 der Gemeinschaftsordnung wirkt nur schuldrechtlich zwischen den Wohnungseigentümern und relativ dinglich gemäß § 10 Abs. 2 WEG gegenüber deren Sondernachfolgern, nicht jedoch absolut gegenüber jedermann (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 28.01.2004 -20 W 124, 180/2003). Deshalb wäre es durchaus sinnvoll, nach Möglichkeit schon einen Mietvertragsabschluss, zu dem die Zustimmung nicht erteilt werden könnte, durch frühzeitige Einschaltung des Verwalters bzw. des Verwaltungsbeirats zu verhindern, was wiederum die entsprechende Information durch den die Vermietung beabsichtigenden Wohnungseigentümer voraussetzt. Wegen der fehlenden Beschlusskompetenz lässt sich diese Information, wie bereits ausgeführt, durch einen die Teilungserklärung ergänzenden mehrheitlichen Beschluss aber nicht mittels Gemeinschaftsstrafe erzwingen. Insoweit besteht noch eine über die Statuierung der Informationspflichten hinausgehende besondere Problematik darin, dass höchst streitig ist, ob Leistungsverpflichtungen durch Mehrheitsbeschlüsse als selbständige Anspruchsgrundlagen begründet werden können (ablehnend Wenzel NZM 2004, 542 unter Zitierung des Meinungsstandes in Fußnote 2).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 Satz 1 WEG, 97 Abs. 1 ZPO (analog).

Zur Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten ( § 47 Satz 2 WEG) hat der Senat keine Veranlassung gesehen. Bei differierenden Entscheidungen der Vorinstanzen kann die Einlegung der weiteren Beschwerde nicht als mutwillig wegen offensichtlicher Unbegründetheit angesehen werden.

Die Festsetzung des Geschäftswertes des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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