Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 19.11.2009
Aktenzeichen: 20 W 70/09
Rechtsgebiete: BGB, GBO, ERVGBG, KostO


Vorschriften:

BGB § 899a
GBO § 19
GBO § 47 Abs. 2
GBO § 78
ERVGBG § 1 Nr. 10
ERVGBG § 4 Abs. 1 Nr. 9
ERVGBG § 4 Abs. 10 Nr. 2
ERVGBG § 4 Abs. 10 Nr. 5
KostO § 14 Abs. 5
KostO § 60 Abs. 1
1. Das Gericht der weiteren Beschwerde hat neues sachliches Recht, das nach der Entscheidung des Landgerichts in Kraft getreten ist, anzuwenden, wenn es nach seinem zeitlichen Geltungswillen den Verfahrensgegenstand erfasst.

2. Nach der Übergangsvorschrift zum ERVGBG gelten die Neuregelungen in § 899a BGB und § 47 Abs. 2 Satz 2 GBO n. F. auch dann, wenn die Eintragung der GbR-Gesellschafter vor dem Inkrafttreten erfolgt ist.

3. Die nach § 47 Abs. 2 Satz 2 GBO n. F. angeordnete entsprechende Anwendung der für den Berechtigten geltenden Vorschriften erweitert die Anwendung des § 60 Abs. 1 KostO auch auf die Eintragung von Gesellschafterwechseln.


Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Beschwerde der Kostenschuldnerin gegen die Kostenrechnung vom 17.10.2008 zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Als Eigentümer des betroffenen Grundbesitzes waren seit Mai 1999 Herr A zusammen mit Frau B und Frau C als Gesellschafter bürgerlichen Rechts eingetragen.

Zu UR-Nr. .../2006 des Notars D, O1, vom 21.12.2006 (Bl. 21/1 ff d. A.) wurde ein Einbringungsvertrag mit der E-GmbH & Co KG geschlossen, durch den Herr A seinen 94 % -Anteil an der GbR, die u. a. auch Eigentümerin des betroffenen Grundbesitzes ist, in die Gesellschaft einbrachte. Die Beteiligten bewilligten und beantragten die Grundbuchberichtigung in den jeweiligen Grundbüchern dahingehend, dass Herr A aus der GbR ausgeschieden und an seiner Stelle die E-GmbH & Co KG in die Gesellschaft eingetreten und Miteigentümerin in Gesellschaft bürgerlichen Rechts geworden ist.

Unter dem 17.06.2008 beantragte der Urkundsnotar die Wahrung der Eigentumsänderung im Grundbuch und bezifferte den aktuellen Verkehrswert mit 1.525.000.00 €.

Die Grundbuchberichtigung hinsichtlich der Anteilsübertragung vom 18.12.2006 erfolgte am 17.10.2008. Anstelle von Herrn A wurde die E-GmbH & Co KG als Gesellschafterin einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Abt. I des betroffenen Grundbuchs eingetragen. Mit Kostenrechnung vom 17.10.2008 wurden eine volle Gebühr gemäß § 60 Abs. 1 KostO aus einem Wert von 1.433.500,00 € mit 2.217,00 € sowie eine Katasterfortschreibungsgebühr in Höhe von 221,70 €, insgesamt 2.438,70 € angesetzt.

Gegen diese Kostenrechnung hat die Kostenschuldnerin Erinnerung eingelegt und diese damit begründet, dass nur die Viertelgebühr nach § 67 KostO angefallen und unter Berücksichtigung der Wertvorschrift des § 30 KostO nur von 18,8 % des Verkehrswertes (1/5 von 94 %) als Geschäftswert auszugehen sei. Nach der Rechtsprechung des BGH, der sich auch zahlreiche Obergerichte angeschlossen hätten, sei Eigentümerin des Grundbesitzes die GbR, sodass ein Wechsel im Gesellschafterbestand eine bloße Änderung der Bezeichnung der Eigentümerin bei Wahrung ihrer Identität darstelle. Mit Beschluss vom 07.01.2009 (Bl. 22/15 d. A.) hat die Grundbuchrechtspflegerin die Erinnerung zurückgewiesen unter Verweis auf die Rechtsprechung des Senats und die Angaben des Urkundsnotars zum Verkehrswert.

Dagegen hat die Kostenschuldnerin Beschwerde eingelegt unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags. Nach Nichtabhilfe durch das Amtsgericht hat das Landgericht mit Beschluss vom 04.02.2009 (Bl. 22/20 d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, die Kostenrechnung vom 17.10.2008 antragsgemäß abgeändert und eine Viertelgebühr nach § 67 KostO in Höhe von 119,25 € festgesetzt.

Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Kostengläubigerin, die darauf gestützt wird, dass die Grundbuchfähigkeit der GbR wegen Publizitätsdefizite von der herrschenden Meinung abgelehnt werde. Bei der Eintragung eines Gesellschafterwechsels sei von einer echten Grundbuchunrichtigkeit im Sinn des § 894 BGB auszugehen, nicht nur von der bloßen Richtigstellung tatsächlicher Angaben. Die Eintragung der Gesellschafter begründe die Richtigkeitsvermutung des § 891 BGB und ermögliche den gutgläubigen Erwerb von eingetragenen Gesellschaftern gemäß §§ 891, 892 BGB. Gegen eine bloße Tatsachenberichtigung spreche das Verfahrensrecht mit der Zuständigkeit des Rechtspflegers, dem Erfordernis des Unrichtigkeitsnachweises und der Unbedenklichkeitsbescheinigung.

Im Falle der Anwendung des § 67 KostO sei ein Geschäftswert von 50 % des Verkehrswertes der Bedeutung der Eintragung angemessen.

Die gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 KostO eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig. Das Landgericht hat die weitere Beschwerde in seiner Entscheidung zugelassen. Auf das vorliegende Verfahren ist gemäß Art. 111 FG-RG die KostO in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit am 01.09.2009 geltenden Form anzuwenden.

Die weitere Beschwerde hat in der Sache auch Erfolg. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der landgerichtliche Beschluss der im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechtslage entsprach, nach der im Zeitpunkt der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde geltenden Rechtslage kann er jedenfalls keinen Bestand haben. Ist nach der Entscheidung des Landgerichts neues sachliches Recht in Kraft getreten, so hat das Gericht der weiteren Beschwerde dieses anzuwenden, wenn es nach seinem zeitlichen Geltungswillen den Verfahrensgegenstand erfasst, ohne dass es auf eine Rückwirkung des neuen Rechts ankäme (BGH NJW 1983, 2443; Thüringer Oberlandesgericht FGPrax 1999, 224; Demharter: GBO, 26. Aufl., § 78, Rdnr. 10; Meyer/Holz in Keidel/Kuntze/Winkler: FGG, 15. Aufl., § 27, Rdnr. 16).

Seit 01.10.2009 bzw. in Teilbereichen bereits seit 18.08.2009 ist das Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte im Grundbuchverfahren sowie zur Änderung weiterer grundbuch-, register- und kostenrechtlicher Vorschriften (ERVGBG) vom 11.08.2009 in Kraft. Nach Art. 1 Nummer 10 dieses Gesetzes ist § 47 GBO dahin geändert worden, dass ein Abs. 2 angefügt wird, der lautet:

"Soll ein Recht für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetragen werden, so sind auch deren Gesellschafter im Grundbuch einzutragen. Die für den Berechtigten geltenden Vorschriften gelten entsprechend für die Gesellschafter."

Nach Art. 4 Abs. 10 Nummer 2 ERVGBG wird nach § 899 BGB ein neuer § 899 a BGB mit der Überschrift "Maßgaben für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts" eingefügt, der lautet:

"Ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Grundbuch eingetragen, so wird in Ansehung des eingetragenen Rechts auch vermutet, dass diejenigen Personen Gesellschafter sind, die nach § 47 Absatz 2 Satz 1 der Grundbuchordnung im Grundbuch eintragen sind, und dass darüber hinaus keine weiteren Gesellschafter vorhanden sind. Die §§ 892 bis 899 gelten bezüglich der Eintragung der Gesellschafter entsprechend."

Der neue § 899a BGB sowie § 47 Abs. 2 Satz 2 GBO n. F. gelten nach der in Art. 4 Abs. 9 Nr. 1 ERVGBG enthaltenen Übergangsvorschrift auch, wenn die Eintragung vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens gemäß Art. 5 Abs. 2 ERVGBG am 18. August 2009 erfolgt ist.

Demnach wird durch § 899 a Satz 1 BGB eine dem § 891 BGB funktional entsprechende (Rechtszustands-)Vermutung im Hinblick auf die Eintragung als Gesellschafter begründet. Es handelt sich um ein gesetzlich vermutetes Vertretungsrecht auf dinglicher Ebene, wobei positiv vermutet wird, dass diejenigen Personen Gesellschafter sind, die als solche im Grundbuch eingetragen sind, und negativ, dass die GbR keine weiteren Gesellschafter hat. In Kombination führen diese beiden Aspekte zu der Vermutung, dass die GbR ordnungsgemäß vertreten ist, wenn diejenigen Personen handeln, die als Gesellschafter im Grundbuch verlautbart sind. Diese Vermutung des § 899 a Satz 1 BGB gilt gegenüber jedermann und damit auch gegenüber dem Grundbuchamt und somit in jedem Grundbuchverfahren. Die Vorlage beurkundeter oder beglaubigter Gesellschaftsverträge oder anderer Nachweise zur Existenz, ordnungsgemäßer Vertretung und Identität der eingetragenen GbR wird dadurch regelmäßig entbehrlich. Nach dem Willen des Gesetzgebers gilt dies auch für Alteintragungen in der hier vorliegenden Form der Eintragung nach der früheren Grundbuchpraxis, bei der die Gesellschafter (in gesamthänderischer Verbundenheit) als Rechtsinhaber angesehen und dementsprechend gebucht worden sind (BT-Drucksache 16/13437 S. 29, 30, 31; Böhringer Rpfleger 2009, 537, 540).

Diese Gesetzesänderungen müssen nach Auffassung des Senats auch im Kostenrecht Berücksichtigung finden. Das Hauptargument für die Befürworter der Anwendung des § 67 Abs. 1 Satz 1 KostO, nämlich dass der Eintragung eines Gesellschafterwechsels lediglich Bedeutung für die Identifizierung der GbR zukomme, lässt sich jetzt nicht mehr aufrechterhalten. Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 16/13437 S. 27, 28 ) soll die Neuregelung dazu führen, dass die Eintragung der Gesellschafter eindeutig wieder Grundbuchinhalt im Sinn eines Anknüpfungspunktes für eine materiellrechtliche Vermutung bezogen auf die Gesellschafterstellung und die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 892 ff BGB ist. Die Eintragung einer GbR allein unter ihrem Namen, also ohne Eintragung der Gesellschafter, ist künftig unzulässig. Eine GbR kann nur unter Angabe ihrer Gesellschafter am Grundbuchverfahren teilnehmen.

Ferner soll nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 16/13437 S. 28) die in § 47 Abs. 2 Satz 2 GBO enthaltene Bestimmung, dass im Eintragungsverfahren diejenigen Vorschriften, die sich auf die Eintragung des Berechtigten beziehen, entsprechend für die Eintragung als Gesellschafter gelten, dazu führen, dass die GbR grundbuchverfahrensrechtlich im Wesentlichen weiterhin so behandelt werden kann wie vor der Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit durch die Rechtsprechung, insbesondere soll auch für die verfahrensrechtliche Behandlung von Änderungen im Gesellschafterbestand die bisherige Grundbuchpraxis im Wesentlichen unverändert beibehalten werden können. Ausdrücklich erwähnt werden in diesem Zusammenhang die erforderlichen Eintragungsgrundlagen wie auch die Anwendbarkeit des Voreintragungsgrundsatzes bei Verfügungen über das Recht der GbR.

Nach Auffassung des Senats berechtigt dieser Grundsatz dazu, die in der kostenrechtlichen Behandlung entstandene Gesetzeslücke dadurch, dass die Anwendung des § 67 Abs. 1 Satz 1 KostO zu einer der materiellrechtlichen Bedeutung der Eintragung eines Gesellschafterwechsels nach der der neuen Gesetzeslage nicht angemessenen Gebühr führt, während andererseits die direkte Anwendung des § 60 Abs. 1 KostO die Eintragung eines Eigentümers oder von Miteigentümern voraussetzt, durch eine erweiternde Anwendung des § 60 Abs. 1 KostO dahingehend zu schließen, dass er auch für Gesellschafterwechsel gilt, obwohl die Gesellschafter nicht die Eigentümer sind. Es wäre zu wünschen, dass der Gesetzgeber bei der Reform der KostO den durch das ERVGBG im Hinblick auf die GbR erfolgten Änderungen noch durch eine klarstellende Regelung Rechnung trägt.

Da sich der Wert für die Gebühr des § 60 KostO nach den §§ 18 ff., hier also § 19 Abs. 2 Satz 1 KostO bestimmt (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann: KostO, 17. Aufl., § 60, Rdnr. 19), ist das Grundbuchamt zu Recht von der Wertangabe des Urkundsnotars, der einen Verkehrswert von 1.525.000,00 € angegeben hat, ausgegangen und hat entsprechend dem übertragenen Anteil hiervon 94 %=1.433.500.00 € als Geschäftswert angenommen.

Bei der Anwendung von § 60 KostO entstehen auch die Katasterfortschreibungsgebühren in Höhe von 1/10 der vollen Gebühr nach § 32 KostO (Art. 4 des Hessischen Gesetzes zur Neuausrichtung des öffentlichen Vermessungs- und Geoinformationswesens vom 06.09.2007, GVBl Teil I, S. 558), wie sie in der Kostenrechnung vom 17.10.2008 enthalten sind.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 14 Abs. 9 KostO.

Ende der Entscheidung

Zurück