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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 23.04.2003
Aktenzeichen: 20 W 8/03
Rechtsgebiete: GBO, BGB


Vorschriften:

GBO § 22
GBO § 35
GBO § 52
BGB § 2109 Abs. 1
BGB § 2106
1) Im Berichtigungsverfahren nach § 22 GBO sind das Grundbuchamt ebenso wie die Rechtsmittelinstanzen hinsichtlich der Eintragung des Erben als Eigentümer und die damit verbundene Eintragung eines Nacherben an den die Eintragungsgrundlage für eine Grundbuchberichtigung auf Grund eines Erbfalls bildenden Erbschein gebunden.

2) Dies gilt auch insoweit, als in dem Erbschein nach der Ergänzungsvorschrift des § 2106 BGB als Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge der Tod der Vorerbin enthalten ist, obwohl darüber in dem maßgeblichen notariellen Testament keine Bestimmung enthalten ist.

Der Senat folgt der allgemeinen Auffassung, das § 2109 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB auch dann zur Anwendung kommt, wenn der Eintritt des Nacherbfalls nicht ausdrücklich kraft testamentarischer Anordnung, sondern kraft der Ergänzungsvorschrift des § 2106 BGB an den Tod des Vorerben geknüpft ist.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 8/03

In der Grundbuchsache

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29.10.2002 am 23.04.2003 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 47.000,00 DM=24.337,49 EUR festgesetzt.

Gründe:

In Abteilung I lfd. Nr. 3 des Grundbuchs von Frankfurt am Main Bezirk 18 Band 8 Blatt 299, an dessen Stelle bei Umschreibung auf das Loseblatt-Grundbuch die im Rubrum aufgeführte Grundbuchstelle getreten ist, war als Grundstückeigentümerin des eingangs aufgeführten Grundbesitzes eingetragen X. Y. geb. Z. (im weiteren: die Erblasserin). Diese verstarb am 24.09.1960. Sie hatte am 10.02.1960 zu UR-Nr. 16/1960 des Notars Dr. F., Frankfurt am Main, ihre Schwiegertochter, die Antragstellerin, als alleinige Vorerbin und ihre beiden Enkelinnen als Nacherbinnen je zur Hälfte eingesetzt, ohne dass der Zeitpunkt oder das Ereignis für den Eintritt der Nacherbfolge bestimmt wurde. Das Amtsgericht Frankfurt am Main erteilte am 07.11.1960 in dem Verfahren 51 VI 1824/60 einen Erbschein, wonach die Erblasserin beerbt wurde von der Antragstellerin als alleiniger Vorerbin. Nacherben sind die Enkeltöchter der Erblasserin, außerdem enthält der Erbschein die im notariellen Testament fehlende Bestimmung, dass die angeordnete Nacherbschaft mit dem Tod der Vorerbin eintrete (Bl. 21 d. A.). Die Antragstellerin wurde am 23.01.1961 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen, gleichzeitig wurde ein Nacherbenvermerk eingetragen, wonach die zugunsten der Enkelinnen angeordnete Nacherbschaft mit dem Tod der Vorerbin eintritt.

Die Antragstellerin hat die Berichtigung des Grundbuchs durch Löschung des Nacherbenvermerks beantragt, da die Einsetzung der Nacherben nach § 2109 Abs. 1 Satz 1 BGB infolge des Ablaufs von dreißig Jahren nach dem Erbfall ohne vorherigen Eintritt der Nacherbfolge unwirksam geworden sei.

Das Grundbuchamt hat den Antrag mit Beschluss vom 09.07.2002 (Bl. 19, 20 d. A.) zurückgewiesen mit der Begründung, maßgeblich für die Grundbuchberichtigung sei der Erbschein vom 07.11.1960 gewesen. Daraus ergebe sich, dass ein Fall des § 2109 Abs. 1 Satz 2 BGB vorliege, weshalb auch nach Ablauf der Frist von dreißig Jahren die Nacherbeneinsetzung wirksam bleibe.

Die dagegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 29.10.2002 (Bl. 32-35 d. A.) zurückgewiesen und auf die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins nach § 2365 BGB sowie die Möglichkeit der Berichtigung auf Grund eines neuen Erbscheins verwiesen.

Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Auffassung vertritt, der Zusatz über den Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge sei falsch, da er nicht mit dem Inhalt des notariellen Testamentes übereinstimme. Das Landgericht hätte nicht die Unterstellung des Nachlassrichters übernehmen, sondern das Testament selbst auslegen müssen. Nach rechtlichem Hinweis des Senats vom 01.04.2003, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, beantragt die Antragstellerin die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens nach § 148 ZPO, da sie im Erbscheinsverfahren eine Berichtigung des Erbscheins vom 07.11.1960 beantragt hat, wonach der Passus über den Eintritt der Nacherbfolge mit dem Tod der Vorerbin entfallen solle. Weiter hält sie unter Kritik an der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Kammergerichts, auf die hingewiesen worden war, ihre Auffassung aufrecht, im vorliegenden Fall sei § 2109 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB nicht anwendbar und die Einsetzung der Nacherben durch Zeitablauf unwirksam geworden, weshalb das Grundbuch unrichtig sei.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 80 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 GBO). Sie ist aber nicht begründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht ( §§ 78 GBO, 546 ZPO). Zu Recht hat das Landgericht die Zurückweisung des Berichtigungsantrags der Antragstellerin bestätigt, denn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 GBO liegen nicht vor.

Dabei ist die Kammer zutreffend von der Zulässigkeit einer unbeschränkten Erstbeschwerde ausgegangen. Zwar richtet sich die Beschwerde auch im Fall der Ablehnung einer Berichtigung in der Sache gegen eine Eintragung, nämlich hier den Nacherbenvermerk. Da dieser aber nicht unter dem Schutz des öffentlichen Glaubens steht, konnte die unbeschränkte Beschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO eingelegt werden (Demharter: GBO, 24. Aufl., § 71, Rdnr. 27, 37-39).

Zu Recht hat die Kammer die Erstbeschwerde aber als unbegründet erachtet und die Zurückweisung des Berichtigungsantrags nach § 22 GBO durch das Grundbuchamt bestätigt. Da eine Bewilligung der betroffenen Nacherbinnen nach § 19 GBO als Eintragungsgrundlage nicht vorgelegt wurde, war der Nachweis der Unrichtigkeit durch die Antragstellerin in der Form des § 29 GBO zu führen, wobei strenge Anforderungen zu stellen sind (Demharter: GBO, 24. Aufl., § 22, Rdnr. 36, 37, 42).

Das Grundbuch wäre bezüglich des Nacherbenvermerks unrichtig, wenn feststünde, dass der Nacherbfall nicht oder nicht mehr eintreten kann oder wenn das vom Nacherbenvermerk erfasste Grundstück oder Grundstücksrecht endgültig aus der der Nacherbfolge unterliegenden Erbschaft ausgeschieden wäre (BayObLG in st. Rspr., z. B. Rpfleger 1997, 156). Vorliegend steht allein der Zeitablauf nach § 2109 Abs. 1 Satz 1 BGB als Unwirksamkeitsgrund in Frage.

Wie dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bereits mitgeteilt worden ist, folgt der Senat der allgemeinen Auffassung (vgl. BayObLGZ 1975, 63, 66: KG Rpfleger 1976, 249, 250; Grunsky in Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl., § 2106 Rdnr. 1 und § 2109 Rdnr. 4; Staudinger/Behrends/Avenarius: BGB, 1996, § 2106 Rdnr. 1 und § 2109 Rdnr. 8 m. w. H.), dass § 2109 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB auch dann gilt, wenn der Eintritt des Nacherbfalls nicht ausdrücklich kraft testamentarischer Anordnung, sondern kraft der Ergänzungsvorschrift des § 2106 BGB an den Tod des Vorerben geknüpft ist. Dies braucht jedoch hier nicht eingehend erörtert und auf die Kritik der weiteren Beschwerde an dieser Auffassung eingegangen zu werden, denn der Senat wie auch das Grundbuchamt sind an den Inhalt des Erbscheins vom 07.11.1960 gebunden (BayObLG Rpfleger 1997, 156, 157; Demharter: GBO, 24. Aufl., § 35, Rdnr. 27 und 29; Bauer/von Oefele: GBO, AT I Rdnr. 160), der entsprechend der Ergänzungsregel des § 2106 Abs. 1 BGB den Tod der Vorerbin als maßgeblich für den Eintritt der Nacherbfolge bezeichnet.

Zwar hat das Grundbuchamt das Recht und die Pflicht zu eigener Prüfung der erbrechtlichen Verhältnisse, wenn bei letztwilliger Erbfolge die Verfügung von Todes wegen in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist. Es steht daher nicht im Belieben des Grundbuchamtes, ob es einen Erbschein verlangen will oder ob ihm die in § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO genannten Beweismittel genügen. Diese reichen jedoch in Verbindung mit der Eröffnungsniederschrift dann nicht aus als Eintragungsgrundlage, wenn sich bei Prüfung der letztwilligen Verfügung bezüglich des Erbrechts wirkliche Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den Willen des Erblassers und die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können (Bauer/v.Oefele: GBO, § 35, Rdnr. 2, 125; Demharter aaO., § 35, Rdnr. 39 m. w. H. ). Da in dem notariellen Testament die Angabe des Eintritts des Nacherbfalls fehlt, hätte das Grundbuchamt bei der Grundbuchberichtigung nach dem Tod der Erblasserin auch nur die Ergänzungsregel des § 2106 BGB anwenden können. Davon abweichende Auslegungen hätten weitere, dem Grundbuchamt verwehrte Ermittlungen erforderlich gemacht, die das Grundbuchamt berechtigt hätten, einen Erbschein zu verlangen. Dies hat es nach dem Inhalt der Grundakten aber nicht getan, da die Grundbuchberichtigung nicht auf der Grundlage des notariellen Testaments samt Eröffnungsprotokoll beantragt worden ist. Vielmehr hat der Urkundsnotar unter dem 25.10.1960 einen Erbscheinsantrag gestellt, worauf der Erbschein vom 07.11.1960 erteilt worden ist, und auf der Grundlage dieses Erbscheins ist am 16.12.1960 die Grundbuchberichtigung beantragt und am 23.01.1961 auch vorgenommen worden, worauf das Amtsgericht schon zu Recht hingewiesen hat.

Bei Eintragung der Erbfolge auf Grund Erbscheins hat das Grundbuchamt lediglich zu überprüfen, ob er von der sachlich zuständigen Stelle ausgestellt ist und das Erbrecht unzweideutig, d. h. klar, verständlich und vollständig bezeugt. Weitere Prüfungen stehen dem Grundbuchamt nicht zu; insbesondere hat es nicht selbst die Richtigkeit des Erbscheins nachzuprüfen, gleichgültig, ob es um die Formgültigkeit der Verfügung von Todes wegen, deren Auslegung oder die Beurteilung sonstiger Tatsachen geht. Die Verantwortung für die Feststellung des Erbrechts und die Richtigkeit des Erbscheins liegt ausschließlich beim Nachlassgericht (BayObLG, aaO.; Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 12. Aufl., Rdnr. 784 mit umfangreichen Zitaten aus der Rechtsprechung). Deshalb ist für die Beurteilung der Richtigkeit des Grundbuchs derzeit allein der Inhalt des Erbscheins vom 07.11.1960 maßgeblich.

Eine Aussetzung des Rechtsbeschwerdeverfahrens, wie von der Antragstellerin im Hinblick auf ihren Antrag auf Berichtigung des Erbscheins vom 07.11.1960 beantragt, kommt nicht in Betracht. Im Antragsverfahren ist eine Aussetzung grundsätzlich unzulässig (Demharter aaO., § 1 Rdnr. 53, § 18 Rdnr. 1, § 77 Rdnr. 8; Bauer/von Oefele, aaO., § 18 Rdnr. 13 und § 77 Rdnr. 3), zumal bei der erforderlichen Beteiligung der in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen Nacherbinnen in dem Erbscheinsverfahren die erforderliche Zeitdauer nicht absehbar ist. Der Antragstellerin ist unbenommen, nach Abschluss des Berichtigungsverfahrens auf der Grundlage eines neuen Erbscheins erneut die Grundbuchberichtigung zu beantragen.

Der Geschäftswertfestsetzung des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht auf §§ 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, § 30 Abs.1 2. Hs. KostO. Zwar hat die Antragstellerin die Wertfestsetzung des Landgerichts beanstandet, weil von dem Einheitswert des Grundstücks aus 1960 ausgegangen worden ist, trotz mehrfacher Aufforderung hierzu jedoch nicht vorgetragen. Da sich auch aus den beigezogenen Nachlassakten keine Anhaltspunkte für die Bewertung des Nacherbenrechts, bei dem es sich um eine Verfügungsbeschränkung im Sinn von § 30 Abs. 1 2. Halbsatz KostO handelt, ergeben, war die Festsetzung des Landgerichts jedenfalls nicht nach § 65 Abs. 4 KostO ermessensfehlerhaft zu hoch.

Ende der Entscheidung

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