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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.09.2007
Aktenzeichen: 20 W 9/08
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21
Es kann auch dann dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechen, das Bestehen von Ansprüchen gerichtlich klären zu lassen, wenn hinsichtlich der Erfolgsaussicht einer Klage durchaus Zweifel bestehen sollten. Ein darauf gerichteter Wohnungseigentümerbeschluss kann dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Etwas kann dann gelten, wenn der Anspruch offenkundig nicht in Betracht kommt oder die von der Mehrheit der Wohnungseigentümer vertretene Rechtsposition offensichtlich unhaltbar ist.
Gründe:

Die Beteiligten sind die Mitglieder der sich aus dem Rubrum ergebenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Antragsteller ist alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der A-AG. Diese Gesellschaft war Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks B-Straße ... in O1. Nachdem Wohnungseigentum gebildet worden war, schloss die Gesellschaft (neben dem Antragsteller) mit der C-GmbH in O1 am 31.09.1999 einen Bauvertrag über die Sanierung des Gemeinschaftseigentums. Vor Abschluss dieser Arbeiten veräußerte die A-AG die Wohnungen an die Antragsgegner, wobei der Antragsteller das Eigentum an einer Wohnung erlangte. Im Rahmen der mit den jeweiligen Erwerbern geschlossenen notariellen Kaufverträge wurde unter § 7 ein Gewährleistungsausschluss vereinbart, wobei der jeweilige Erwerber dem zwischen dem Veräußerer und der C-GmbH geschlossenen Bauvertrag beitrat. Auf die Kopien der Verträge Blatt 67 ff. d. A. wird verwiesen.

Die Antragsgegner beabsichtigten, vor Eintritt der Verjährung zum Jahresende 2005 ihnen vermeintlich zustehende Gewährleistungsansprüche gegen die A-AG im Wege des selbständigen Beweisverfahrens zu sichern. Der Antragsteller stimmte einer entsprechenden Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren nicht zu. Gleichwohl wurde der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner mit der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens betraut. Mit Beschluss des Landgerichts Kassel vom 17.11.2005, Az. 5 OH 92/05, wurde die Beweissicherung angeordnet und ein Sachverständiger mit der Gutachtenerstellung beauftragt. Nachdem das Gutachten vorlag, fand am 10.01.2007 eine Eigentümerversammlung statt. Diese beschloss unter TOP 3 auf der Grundlage des vorliegenden Gutachtens mehrheitlich mit Ausnahme der unter Ziffer 1 weiter aufgeführten Punkte die von dem Gutachter festgestellten Mängel gegen die A-AG im Wege der Vorschussklage zu verfolgen (Ziffer 3) und bezüglich weiterer klärungsbedürftiger Sachverhalte zusätzliche Gutachten in Auftrag zu geben (Ziffer 2).

Diesen Eigentümerbeschluss hat der Antragsteller vor dem Amtsgericht angefochten. Nachdem der Antragsteller unter anderem geltend gemacht hatte, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner vollmachtlos gehandelt habe und infolge dessen eine Verjährungsunterbrechung nicht habe eintreten können, genehmigte die daraufhin einberufene Eigentümerversammlung vom 25.04.2007 zu TOP 2 die bisherige Verfahrensführung ihres Verfahrensbevollmächtigten mehrheitlich und beauftragte diesen zu TOP 3 mit der Klageerhebung bei dem Landgericht in Kassel bezüglich der festgestellten Mängel.

Gegen die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 10.01.2007 zu TOP 3 und der Eigentümerversammlung vom 25.04.2007 zu TOP 2 und 3 hat sich der Antragsteller gewendet und vor dem Amtsgericht beantragt, die vorgenannten Beschlüsse für ungültig zu erklären. Er hat die Auffassung vertreten, dass die angefochtenen Beschlüsse nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprächen, weil die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens die Verjährung nicht habe unterbrechen können und deshalb auch das geplante gerichtliche Vorgehen gegen die A-AG nicht erfolgversprechend sei. Die Inanspruchnahme Letzterer scheitere auch an deren fehlender Passivlegitimation. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Ausführungen im hier angefochtenen landgerichtlichen Beschluss vom 28.11.2007, Seite 5, Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 26.07.2007 (Bl. 125 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat das Amtsgericht die Beschlussanfechtungsanträge zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er sein ursprüngliches Begehren weiter verfolgt hat. Die Antragsgegner sind der Beschwerde entgegen getreten.

Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 165 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird, hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Entscheidung der Eigentümerversammlung, das Vorgehen ihres Verfahrensbevollmächtigten zu genehmigen, im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung bewege. Die durch Beschluss der Eigentümerversammlung vom 25.04.2007 zu TOP 2 erfolgte Genehmigung der Prozessführung wirke auf den Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zurück. Damit entsprächen auch die weiteren Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 10.01.2007 unter TOP 3 und vom 25.04.2007 zu TOP 3 dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer auch dann, wenn hinsichtlich der Erfolgsaussicht einer Klage durchaus Zweifel bestehen sollten. Es sei jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen, dass Ansprüche gegen die Verkäuferin bestünden.

Gegen diesen am 07.12.2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit am 20.12.2007 eingegangenem Schriftsatz (Bl. 187 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit der er die Rechtsanwendung durch das Landgericht rügt. Die Antragsgegner treten der sofortigen weiteren Beschwerde ausweislich ihres Schriftsatzes vom 14.02.2008 (Bl. 206 ff. d. A.) entgegen und beantragen,

die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG a. F. statthaft und auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, auf die hin er durch den Senat als Rechtsbeschwerdegericht lediglich zu überprüfen ist, §§ 43 Abs. 1 WEG a. F., 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die gegen die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 10.01.2007 unter TOP 3 und vom 25.04.2007 unter TOP 3 erhobenen Einwendungen in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht insgesamt für unbegründet erachtet.

Die Feststellungen des Landgerichts, dass die beschlossene Klageerhebung vor dem Landgericht Kassel ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Beschluss, Seite 8, kann Bezug genommen werden. Es ist zutreffend, dass es auch dann dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechen kann, das Bestehen von Ansprüchen gerichtlich klären zu lassen, wenn hinsichtlich der Erfolgsaussicht einer Klage durchaus Zweifel bestehen sollten. Etwas anderes würde allenfalls dann gelten, wenn der von dem Beschluss in Bezug genommene Anspruch offenkundig nicht in Betracht käme oder die von der Mehrheit vertretene Rechtsposition offensichtlich unhaltbar wäre (vgl. Senat OLGR Frankfurt 2006, 475 m. w. N.; BayObLG NZM 1999, 862). Davon kann aus den Gründen des landgerichtlichen und des amtsgerichtlichen Beschlusses hier nicht ausgegangen werden, denn es ist - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen, dass Ansprüche gegen die Verkäuferin bestehen. Dies ist hinreichend. Es ist im vorliegenden Wohnungseigentumsverfahren nicht angezeigt und auch nicht möglich, die Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche gegen die A-AG, welche zwischen den hiesigen Beteiligten umstritten sind und von einer Vielzahl tatsächlicher und rechtlicher Fragen abhängen, zu überprüfen. Dies gilt im Übrigen auch für die zwischen den hiesigen Beteiligten unterschiedlich bewertete und von den Vorinstanzen aus unterschiedlichen Gründen verneinte Frage, ob derartige Ansprüche verjährt wären. Dies muss vielmehr dem Prozessverfahren vorbehalten bleiben.

Mit den Vorinstanzen ist auch davon auszugehen, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 25.04.2007 zu TOP 2 zur Genehmigung der Verfahrensführung im selbständigen Beweisverfahren ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Zu Recht haben die Vorinstanzen nämlich darauf abgestellt, dass es grundsätzlich ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, zur Sicherung möglicher Ansprüche im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens zu beschließen, es sei denn - wie bereits oben in anderem Zusammenhang ausgeführt - die von den Antragsgegnern vertretene Rechtsposition sei offenkundig unhaltbar (vgl. auch insoweit BayObLGR 2005, 267, zitiert nach juris, m. w. N.). Dies gilt auch für die Bestätigung eines früheren diesbezüglichen Beschlusses, wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat. Von einer offenkundigen Unhaltbarkeit kann auch in diesem Zusammenhang nicht ausgegangen werden. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden, die hier entsprechend gelten.

Die weitere Beschwerde weist darauf hin, dass hier von einer Anspruchsverjährung ausgegangen werden müsse, weil der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner bei Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens als Nichtberechtigter gehandelt habe, so dass eine nachfolgende Genehmigung allenfalls "ex-nunc" wirken könnte. Daran mag zutreffend sein, dass die Klage eines Nichtberechtigten nicht durch Genehmigung des Berechtigten mit rückwirkender Kraft ("ex-tunc") hemmende Wirkung entfalten kann, da § 185 Abs. 2 BGB auf die Prozessführung keine entsprechende Anwendung finden soll (vgl. BGHZ 46, 221). Die Entscheidung des Landgerichts beruht offensichtlich auf der Prämisse, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner im Beweissicherungsverfahren nicht im eigenen Namen aufgetreten ist, sondern den Antrag handelnd für die Wohnungseigentümergemeinschaft gestellt hat und damit - würde man der Rechtsauffassung des Antragstellers zur Nichtigkeit des Umlaufbeschlusses folgen - allenfalls als vollmachtloser Vertreter für diese tätig geworden ist, als der er auch im vorliegenden Verfahren in der Antragsschrift vom Antragsteller selbst zunächst bezeichnet worden ist. Mit der Klageerhebung durch einen Nichtberechtigten ist aber die Prozessführung durch einen vollmachtlosen Vertreter nicht zu verwechseln. Die Genehmigung der Prozessführung des Vertreters wirkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Klageerhebung oder der ihr gleichstehenden Prozesshandlung zurück, so dass von diesem Zeitpunkt an Hemmung eintritt (vgl. BGH NJW 1961, 725; Münchner Kommentar/Grothe, BGB, 5. Aufl., § 204 Rz. 20; Staudinger/Peters, BGB, Stand Oktober 2003, § 204 Rz. 11). Ob diese Grundsätze hier vor dem Hintergrund allein maßgeblich wären, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft zumindest nach herrschender Auffassung erst nach einem (wirksamen) Mehrheitsbeschluss überhaupt befugt ist, die Verfolgung von das Gemeinschaftseigentum betreffenden Ansprüchen an sich zu ziehen, und - unabhängig von der Vertretung im Verfahren - selbst ggf. erst damit als "Berechtigte" anzusehen wäre, deren Rechtshandlung die Verjährung unterbrechen könnte (vgl. dazu BGH NZM 2007, 403), kann hier aus mehreren Gründen offen bleiben. Zum Einen sind - wie bereits ausgeführt - die Vorinstanzen aus unterschiedlichen Gründen davon ausgegangen, dass eine Verjährung der im Prozessverfahren geltend gemachten bzw. geltend zu machenden Ansprüche nicht vorliegt, woraus sich ergibt, dass diese Rechtsfrage - damit ggf. auch vor dem Prozessgericht - durchaus in unterschiedlicher Weise beantwortet werden kann. Dass die Gemeinschaft in diesem Zusammenhang eine für sie günstige Rechtsposition eingenommen hat, ist deshalb nicht im oben beschriebenen Sinn "unhaltbar", zumal der Eintritt der Verjährung noch von weiteren - hier nicht zu klärenden - rechtlichen und tatsächlichen Umständen abhängen kann, nicht zuletzt kommt es auch auf die Erhebung der Verjährungseinrede (§ 214 BGB) an. Zum Anderen wird die weitere Rechtsfrage, ob im Rahmen eines Umlaufbeschlusses nach § 23 Abs. 3 WEG der von seinem Stimmrecht Ausgeschlossene auch in der Sache zustimmen muss, wovon der Antragsteller ausgeht, ebenfalls unterschiedlich beantwortet (vgl. zum Streitstand Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl., § 23 Rz. 54; Staudinger/Bub, BGB, Stand Juli 2005, § 23 WEG Rz. 216, je m. w. N.). Wäre der Umlaufbeschluss jedoch wirksam, wäre die Wohnungseigentümergemeinschaft im Zeitpunkt der Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens Berechtigte gewesen mit den entsprechenden Folgen für die vom Prozessgericht ggf. zu prüfende Verjährung der Ansprüche. Dann kann aber auch die Genehmigung der Verfahrensführung als Bestätigung jedenfalls nicht ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen. Letztendlich hat das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass einzelne Wohnungseigentümer auch ohne vorherigen Mehrheitsbeschluss berechtigt gewesen wären, Ansprüche wegen der Mangelhaftigkeit des Gemeinschaftseigentums eigenständig geltend zu machen. Unabhängig von der hier vorliegenden Verfahrenskonstellation kann sich auch daraus ein Interesse der Gemeinschaft ergeben, die Verfahrensführung zur Ermittlung von Baumängeln und deren Verantwortlichkeit zu genehmigen.

Es entspricht billigem Ermessen, dass der Antragsteller die Gerichtskosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen hat, § 47 Satz 1 WEG a. F..

Gründe, ausnahmsweise die Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten anzuordnen, hat der Senat nicht gesehen, § 47 Satz 2 WEG a. F..

Die Wertfestsetzung hat der Senat an derjenigen des Landgerichts orientiert, gegen die durchgreifende Einwendungen nicht erhoben worden sind, § 48 Abs. 3 WEG a. F.

Ende der Entscheidung

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