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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 21.05.2002
Aktenzeichen: 21 AR 113/01
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 3 Abs. 1
Maßgeblicher Zeitpunkt für die örtliche Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 InsO ist der Eingang des Insolvenzantrags bei Gericht. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses entfällt, wenn die Verweisung an ein unzuständiges Gericht auf der Versagung rechtlichen Gehörs beruht.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

21 AR 113/01

Verkündet am 21.5.2002

In dem Insolvenzeröffnungsverfahren

hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 21. Mai 2002 beschlossen:

Tenor:

Das Amtsgericht Offenbach am Main ist das örtlich zuständige Insolvenzgericht.

Gründe:

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht Offenbach am Main Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Antragsgegner wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge gestellt. Der Antrag wurde dem Antragsgegner am 30. Juli 2001 übersandt. Am 7.8.2001 sprach der Antragsgegner bei der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Offenbach vor, übergab Geschäftsunterlagen und teilte mit, dass er nach Düsseldorf umziehen werde. Der Beschluss des Amtsgerichts Offenbach über die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners wurde diesem unter seiner Anschrift am 28. 8.2001 durch Niederlegung zugestellt. Laut Auskunft des Ordnungsamtes der Stadt vom 12.10.2001 war dies die Betriebsanschrift des Antragsgegners und hatte der Antragsgegner den gesamten Betrieb vollständig am 7. August 2001 aufgegeben. Nachdem das Einwohnermeldeamt dem Amtsgericht Offenbach die neue Anschrift des Antraggegners in mitgeteilt und die Antragstellerin auf Aufforderung durch das Amtsgericht Offenbach am Main Verweisungsantrag gestellt hatte, hat sich das Amtsgericht Offenbach am Main durch Beschluss vom 15. November 2001 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren ohne Anhörung des Antragsgegners an das Amtsgericht Düsseldorf verwiesen. Das Amtsgericht Düsseldorf hat sich mit Beschluss vom 23. November 2001 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Gemäß § 4 Insolvenzordnung (InsO) i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist das Amtsgericht Offenbach am Main als das örtlich zuständige Insolvenzgericht zu bestimmen. Die Vorschriften der §§ 36 und 37 ZPO über die Gerichtsstandsbestimmung sind auch im Insolvenzverfahren anzuwenden (Ganter in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Rdn 39 zu § 4).

Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung liegen vor. Sowohl das Amtsgericht Offenbach, am Main als auch das Amtsgericht Düsseldorf hat sich für örtlich unzuständig erklärt. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Offenbach am Main. Nach § 3 Abs. 1 InsO ist für die örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts ausschlaggebend, wo der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners gelegen ist oder wo der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei derjenige des Eingangs des Insolvenzantrags bei Gericht (Ganter/MüKo, Rdn. 5 zu § 3 InsO). Zu diesem Zeitpunkt - nämlich am 20. Juli 2001 - hatte der Schuldner seinen Wohnsitz in im Bezirk des Amtsgerichts Offenbach am Main und übte dort noch seine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Dies gilt auch, wenn man mit dem Oberlandesgericht Naumburg, als maßgeblich den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Insolvenzantrages annimmt (ZIP 2001, 753). Wenngleich ein Nachweis über die Zustellung des Insolvenzantrages an den Schuldner in den Akten nicht enthalten ist, muss der Insolvenzantrag diesem vor dem oder am 7.8.2001 zugegangen sein, da der Schuldner an diesem Tag auf der Geschäftsstelle vorsprach, einen Ordner mit Unterlagen "für den Sachverständigen" übergab und seinen bevorstehenden Umzug nach mitteilte. Der Beschluss über die Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde dem Schuldner sodann noch unter seiner Anschrift in wirksam zugestellt. Der Umzug des Schuldners nach hatte keinen Einfluss auf die einmal begründete örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Offenbach am Main, zumal der Schuldner entsprechend der Auskunft des Ordnungsamts der Stadt seine geschäftliche Tätigkeit in am 7.8.2001 vollständig eingestellt hat, in demnach nicht mehr "werblich" tätig war (vgl. MüKo/Ganter, Rdn. 5 zu § 3 und 53 zu § 4 InsO; OLG Naumburg a.a.O). Durch den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 15.11.2001 ist nicht dessen Zuständigkeit weggefallen und das Amtsgericht Düsseldorf zuständig geworden. Zwar entfalten Verweisungsbeschlüsse gemäß § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO grundsätzlich für das aufnehmende Gericht bindende Wirkung. Dies gilt gemäß § 4 InsO auch im Insolvenzverfahren (MüKo/Ganter, Rdn. 28 zu § 3 InsO) und wirkt im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO fort (Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., Rdn. 28 zu § 36 m.w.N.; OLG Hamm NZI 2000, 220). Die Bindungswirkung entfällt jedoch, wenn die Verweisung an ein unzuständiges Gericht auf der Versagung rechtlichen Gehörs beruht oder jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt und sich daher als willkürlich erweist (Zöller-Greger a.a.O. Rdn. 17 und 17 a zu § 281 ZPO; MüKo/Ganter, Rdn. 28 zu § 3 InsO je m.w.N.). Vorliegend hat das Amtsgericht Offenbach am Main bewusst von einer Anhörung des Antragsgegners abgesehen. Die dafür im Verweisungsbeschluss gegebene Begründung, dass die erstmalige Unterrichtung des Antragsgegners vom Insolvenzantrag vermieden werden soll, trifft jedoch nicht zu. Vielmehr hatte der Antragsgegner spätestens seit dem 7.8.2001 Kenntnis von dem laufenden Verfahren und hatte sogar aktiv daran mitgewirkt. Vom Gesichtspunkt der erstmaligen Unterrichtung des Schuldner abgesehen gilt jedoch auch im Verfahren der Zuständigkeitsprüfung das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (MüKo/Ganter a.a.O., Kammergericht NJW-RR 2000, 500 = NZ11999,499). Darüber hinaus lässt der Verweisungsbeschluss nicht erkennen, dass das Amtsgericht Offenbach am Main sich mit der auf der Hand liegenden Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit auseinandersetzt hätte, und ist das Amtsgericht Offenbach über den aus den Akten ersichtlichen Umstand hinweggegangen, dass der Antragsgegner seine "werbende" Tätigkeit noch an seinem Betriebssitz in vollständig aufgegeben, in also vermutlich keine gewerbliche Tätigkeit mehr, jedenfalls nicht im Rahmen seines in betriebenen Gewerbes, entfaltet hat.

Insofern muss der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Offenbach am Main als objektiv willkürlich angesehen werden.

Ende der Entscheidung

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