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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 31.07.2006
Aktenzeichen: 21 AR 65/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 36 Abs. 1 |
Gründe:
Der Kläger zeichnete im Dezember 2004 aufgrund einer Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten zu 2) eine Kommanditbeteiligung an der A GmbH & Co KG (künftig: A) mit einem Beteiligungsbetrag von 25.000,- € zuzüglich Agio. Der Beteiligung lag ein Prospekt des A zugrunde, wegen dessen inhaltlicher Einzelheiten auf Blatt 59-118 d.A. verwiesen wird. Der Kläger zahlte ein Eigenkapital von 14.875, - €, das restliche Kapital wurde über einen Kredit in Höhe von 11.375,- € von der Beklagten zu 3) finanziert. Komplementärin und Geschäftsführerin der A ist die B-GmbH, als deren Geschäftsführer der Beklagte zu 1) seit dem 5.9.2002 im Handelsregister eingetragen ist. Fondsinitiator und Prospektherausgeber ist die C GmbH, die ihren Sitz in der ...straße ... in O1 hat. Geschäftsführer ist der Beklagte zu 1). Unternehmensgegenstand des A sollte die weltweite Entwicklung, Produktion, Koproduktion, Verwertung, Vermarktung und der Vertrieb von Kino-, Fernseh-, Musikproduktionen u.ä. sein. Zwingender Bestandteil des A war es, dass jeder Anleger eine 45,5 %-Anteilsfinanzierung bei der Beklagten zu 3) abschließen musste. Mit seiner im März 2006 beim Landgericht Gießen erhobenen Klage begehrt der Kläger, die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 14.875,- € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung seiner Beteiligung an der A GmbH & Co. KG sowie zur Freistellung von allen zukünftigen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen, die mittelbar oder unmittelbar aus seiner Beteiligung resultieren, zu verurteilen. Gegenüber der Beklagten zu 3) beantragt der Kläger darüber hinaus die Feststellung, dass der Beklagten zu 3) gegen ihn, den Kläger, keinerlei Forderungen, die unmittelbar oder mittelbar aus der Finanzierung der am 6.12.2004 gezeichneten Beteiligung resultieren, zustehen.
Der Kläger wirft der Beklagten zu 2) vor, dass sie ihn weder anleger- noch anlagegerecht über die Fondsbeteiligung beraten habe. So sei ein er nicht darüber aufgeklärt worden, dass ein Großteil der eingezahlten Gelder nicht in Filmprojekte eingezahlt sondern an die Beklagten zu 3) weitergeleitet wurden. Darüber hinaus sei er nicht über den Unterschied zwischen einer Bankgarantie und einer Schuldübernahme aufgeklärt worden. Gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) macht der Kläger Prospekthaftungsansprüche geltend. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass neben dem Beklagten zu 1) auch die Beklagte zu 3) als Fondsinitiatorin und Prospektverantwortliche anzusehen sei. Die Beklagte habe maßgeblich an der Gestaltung des Prospekts mitgewirkt und sei deshalb neben dem Beklagten zu 1) für dessen Inhalt verantwortlich. Der Prospekt sei fehlerhaft, da 4/5 des Kapitals nicht in die Produktion von Filmen investiert, sondern an die Beklagte zu 3) als schuldübernehmende Bank weitergeleitet worden seien. Über die hiermit verbundenen steuerlichen Risiken hätten die Beklagten ihn, den Kläger, aufklären müssen.
Die Beklagten zu 1) und 3) haben ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts München I. Die Beklagte zu 2) hat ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Koblenz.
Nachdem die Beklagten zu 3) die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Gießen gerügt hat, hat der Kläger gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen. Das Landgericht Gießen hat daraufhin die Akte dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist für die Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zuständig, da das Landgericht Gießen, das zuerst mit der Sache befaßt wurde, zum Bezirk dieses Oberlandesgerichts gehört.
Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO war das Landgericht München I als das zuständige Gericht zu bestimmen. Nach dieser Vorschrift erfolgt auf Antrag eine Gerichtsstandsbestimmung, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Eine Gerichtsstandsbestimmung kann über den Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinaus noch nach Klageerhebung vorgenommen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - das Verfahren noch nicht so weit fortgeschritten ist, dass eine Gerichtsstandsbestimmung unter Berücksichtigung der der Vorschrift zu Grunde liegenden Zweckmäßigkeitserwägungen ausscheiden muss, weil beispielsweise schon eine Beweisaufnahme durchgeführt oder der Rechtsstreit gegen eine Partei bereits entschieden ist (BGH, NJW 1978, 321; BayObLG, NJW-RR 1994, 890; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rdnr. 36 m. w. Nachw.).
Streitgenossenschaft auf Beklagtenseite ist gegeben. Für die Streitgenossenschaft ist nicht erforderlich, dass die Inanspruchnahme auf derselben Grundlage erfolgt. Über diesen in § 59 ZPO geregelten Fall hinaus können nach § 60 ZPO mehrere Personen auch dann gemeinschaftlich verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhende Ansprüche verfolgt werden. Diese Vorschrift ist aus Zweckmäßigkeitsgründen weit auslegbar und erfordert lediglich einen inneren Zusammenhang der Ansprüche. Davon ist hier nach dem insoweit maßgeblichen Vorbringen des Klägers auszugehen, wonach die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz desselben Schadens in Anspruch genommen werden sollen.
Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand ist nicht begründet. Er ergibt sich nicht aus § 22 ZPO. Zwar können nach dieser Vorschrift Mitglieder von Anlagegesellschaften Ansprüche aus irreführender Prospektgestaltung gegen den der sogenannten Prospekthaftung unterliegenden Personenkreis auch dann im Gerichtsstand des § 22 ZPO geltend machen, wenn die als Beklagte in Anspruch genommenen Personen nicht Mitglieder der Gesellschaft sind, ihr jedoch als Gründer, Initiatoren oder Gestalter nahe stehen (BGHZ 76, 231 = NJW 1980, 1470). Nicht von § 22 ZPO erfaßt werden allerdings selbständige Vermittler und deren Erfüllungsgehilfen (BGHZ 76, 231; BayObLG, NJW-RR 2003, 134). Da die Beklagte zu 2) als Vermittlerin in Anspruch genommen wird, läßt sich ein gegenüber allen Beklagten bestehender besonderer Gerichtsstand nicht aus § 22 ZPO herleiten.
Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand ergibt sich auch nicht aus § 32 ZPO. Die Vorschrift des § 32 ZPO wird im Hinblick auf die Beklagten zu 1) und 3) durch die Vorschrift des § 32 b ZPO verdrängt.
Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand ergibt sich auch nicht aus § 29 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Im Streitfall ist ein liegt ein Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) nicht vor, so dass ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nach § 29 ZPO nicht vorliegt.
Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand läßt sich auch nicht aus § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO herleiten. Nach dieser Bestimmung ist für Klagen, mit denen der Ersatz eines auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarkinformationen verursachten Schadens geltend gemacht wird, das Gericht ausschließlich am Sitz des betroffenen Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen zuständig. Der ausschließliche Gerichtsstand nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gilt für außervertragliche Schadensersatzklagen auf Grund falscher Kapitalmarkinformationen (BTDrs. 15/5091). Der Kläger macht gegenüber dem Beklagten zu 1) als Fondsinitiator und gegenüber der Beklagten zu 3), die er ebenfalls als Fondsinitiatorin und Prospektverantwortliche ansieht, Prospekthaftungsansprüche und deliktische Schadensersatzansprüche geltend, damit wäre im Hinblick auf die Beklagten zu 1) und 3) ein besonderer Gerichtsstand nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gegeben. Die Vorschrift ist allerdings nicht auf die Beklagte zu 2) anzuwenden, denn ihr gegenüber macht der Kläger keine außervertraglichen Ansprüche, sondern vertragliche Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend. Klagen, die auf vertragliche Schadensersatzansprüche gestützt werden, können nicht in dem ausschließlichen Gerichtsstand des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO erhoben werden. Dieser Gerichtsstand gilt nur für außervertragliche Schadensersatzklagen, die auf falsche öffentliche Kapitalmarktinformationen gestützt werden (BTDrs. 15/5091). Die Beklagte zu 2) wird nach dem Vortrag der Klägerin ausschließlich als Vermittlerin der Kapitalanlage in Anspruch genommen und nicht aufgrund einer falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarkinformation im Sinne des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Beklagte zu 2) ist keine Anbieterin einer sonstigen Vermögensanlage, denn Anbieter ist nur derjenige, der für das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen verantwortlich ist und nach außen als solcher den Anlegern gegenüber auch auftritt (vgl. BTDrs. 15/3174). Die Beklagte zu 2) ist weder als Anbieterin öffentlich aufgetreten, noch ist sie in dem Emissionsprospekt des A erwähnt.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen daher vor. Unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt die Auswahl nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Die Zweckmäßigkeit spricht dafür, das Landgericht München I als zuständig zu bestimmen, da die Beklagten zu 1) und 3) dort ihren allgemeinen Gerichtsstand haben. Auch die Anbieterin der streitgegenständlichen Kommanditbeteiligung, die C GmbH hat ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts München I. Der räumliche Schwerpunkt des Rechtsstreits liegt ebenfalls im Bezirk dieses Landgerichts. Die Beklagte zu 2) hat keine Einwände gegen eine Verhandlung des Rechtsstreits vor dem Landgericht München I geäußert, sie vertritt ohnehin die Auffassung, dass dieses Landgericht nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Hinblick auf alle Beklagte ausschließlich zuständig sei.
Ende der Entscheidung
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