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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 19.03.2008
Aktenzeichen: 21 U 45/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 648 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Sachverhalt ( § 540 Abs.1 Nr. 1 ZPO)

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Urkundenprozess aus drei Bauhandwerkersicherungsbürgschaften in Anspruch, die diese zur Sicherung von Werklohnansprüchen der Klägerin gegen die zwischenzeitlich insolvente A AG, O1, gestellt hat.

Die Gemeinschuldnerin und die Klägerin schlossen am 02.11.2004 einen Werkvertrag, in dem sich die Klägerin zu einem Pauschalpreis von 685.852,00 EUR zu Bauleistungen im Bereich Haustechnik verpflichtete. Als Fertigstellungstermin war der 31.03.2005 vereinbart. Zur Sicherung der Werklohnforderung übersandte die Gemeinschuldnerin der Klägerin drei Bauhandwerkersicherungsbürgschaften gemäß § 648 a BGB über jeweils 100.000 EUR, wegen deren Inhalt auf die Anlagen K 5 - K7 (Bl. 44 - 46) Bezug genommen wird.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fa. A AG hat die Klägerin den Vertrag mit Schreiben vom 28.02.2005 gekündigt und ihre bis 04.02.2005 ausgeführten Leistungen mit 87.182,83 EUR und die gekündigten Leistungen mit 122.555,80 EUR berechnet.

Nachdem die gesamte Forderung in Höhe von 209.738,62 EUR durch Urteil des Landgerichts Augsburg vom 08.03.2006 zur Insolvenztabelle festgestellt worden war, verlangte die Klägerin mit der Klage zunächst den gesamten Betrag von der Beklagten aus der Bürgschaft. Am 18.05.2006 hat die Beklagte den auf die ausgeführten Leistungen entfallenden Teil - 87.182,83 EUR - bezahlt und die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Zahlung der restlichen 122.555,80 EUR verlangt und verfolgt diesen Anspruch, nachdem die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen worden war, mit der Berufung weiter.

Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei auch hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungsteile in Höhe von 122.555,80 EUR zur Zahlung verpflichtet. Die ihr nach wirksamer Kündigung des Werkvertrags wegen des Insolvenzantragsverfahrens gemäß § 643 BGB zustehenden Ansprüche seien Vergütungs- und Entschädigungsansprüche, die Vergütungsansprüchen gleichzusetzen und daher von den Bürgschaften gedeckt seien. Die Sicherheit nach § 648 a BGB solle den Auftragnehmer in seinen gesamten vertraglich ihm zustehenden Werklohnforderungen besichern und beziehe sich nicht lediglich auf Teile der Vergütungsansprüche.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 10.11.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 3-11 O 97/06, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 122.555,80 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.04.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, die Bürgschaftsverpflichtung umfasse nur solche Vergütungsansprüche der Klägerin, denen eine Vorleistungspflicht gegenüberstehe; dies sei nur die Vergütung für die bis zur Kündigung des Werkvertrages erbrachten Leistungen gewesen. Für die nach der Kündigung des Werkvertrages nicht mehr zu erbringenden weitergehenden Leistungen der Klägerin habe sich die Beklagte nicht verbürgt.

II. Begründung (§ 540 Abs.1 Nr. 2 ZPO)

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die durch die Beklagte gestellten Bürgschaften erfassen entgegen der Auffassung der Klägerin nur Vergütungsansprüche für bereits durch die Klägerin erbrachte Leistungen. Dies ergibt sich unabhängig von dem in dem angefochtenen Urteil dargestellten Streitstand und der dazu von dem erstinstanzlichen Gericht vertretenen Auffassung, dass die Sicherheit nach § 648 a BGB nur solche Vergütungs- und vergütungsgleiche Ansprüche erfasse, die eine Vorleistung des Unternehmers voraussetzten.

Dabei geht es nämlich um die Frage, welche Ansprüche nach § 648 a BGB gesichert werden können. Dies betrifft aber das Verhältnis des Unternehmers zum Besteller, d.h. die Frage, für welche seiner Ansprüche der Unternehmer Sicherheit vom Besteller verlangen kann. Darum geht es vorliegend aber nicht, da die Klägerin keine Sicherheit nach § 648 a BGB fordert, sondern aus einer nach dieser Vorschrift gegebenen Sicherheit, nämlich den Bürgschaften vorgeht ( s.a. Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 648a Rz. 13: Was der Unternehmer verlangen kann, ergibt sich aus I 2, 3. Davon zu unterscheiden ist der tatsächliche Inhalt der Sicherung, z.B. der Umfang einer Bürgschaft).

Für den Umfang der Bürgschaften kommt es aber nicht darauf an, für welche Ansprüche die Klägerin eine Sicherung von der Gemeinschuldnerin hätte verlangen können, sondern auf die Bürgschaftserklärungen selbst, aus denen sich ergibt, welche Ansprüche in welchem Umfang gesichert sind.

Nach der Formulierung im dritten Absatz in den Bürgschaften hat die Beklagte "für die Sicherstellung der Vergütungsansprüche aus erbrachten Bauleistungen" gebürgt, woraus sich deutlich eine Beschränkung auf die Leistungen ergibt, die die Klägerin erbracht hat und in denen sich insoweit ihr Vorleistungsrisiko verwirklicht hat.

Diese Regelung, nach der die Bürgschaften die nach der Schlussrechnung gekündigten Leistungen nicht erfassen würden, ist allerdings im Zusammenhang mit weiteren Elementen der Bürgschaftserklärung auszulegen. So werden in der Überschrift die Bürgschaften als "Bauhandwerkersicherungsbürgschaften gemäß § 648 a BGB" bezeichnet, was so zu verstehen sein könnte, dass die Ansprüche gesichert werden sollten, die üblicherweise nach § 648 a BGB erfasst werden. Allerdings ist streitig, welche Ansprüche nach § 648 a BGB gesichert werden können, und zwar sowohl für Schadensersatzforderungen (nicht erfasst: Werner/Pastor, Bausprozess, 11. Aufl., Rz 330 mwN; Kniffka, BauR 2007, 246,251; erfasst nur, wenn sie zur Kompensation der ausgefallenen Vergütung dienen: Voit in Bamberger/Roth, BGB Stand 01.09.2006, Rz 10; MünchKomm BGB/Busche, 4. Aufl. 2005, § 648 a, Rz 20; Staudinger/Peters, BGB, 2003, § 648 a, Rz 8; immer erfasst: Soergel/Teichmann BGB, 12 Aufl., 1997, § 648 a, Rz 8) als auch für sogenannte vergütungsgleiche Ansprüche wie §§ 642, 649 BGB (erfasst: Werner/Pastor, Bauprozess, 11. Aufl., Rz 330 mwN; MünchKomm BGB/Busche, 4. Aufl. 2005, § 648 a, Rz 20; Staudinger/Peters, BGB, 2003, § 648 a, Rz 8; Soergel/Teichmann BGB, 12 Aufl., 1997, § 648 a, Rz 8; nicht erfasst: wohl Kniffka, BauR 2007, 246,251; OLG Düsseldorf BauR 2000, 919: nur solche Vergütungs- und vergütungsgleichen Ansprüche, die eine Vorleistung des Unternehmers voraussetzen).

Da aufgrund des dargestellten Meinungsstands die Frage, welche Ansprüche von Sicherheiten nach § 648 a BGB erfasst werden, nicht eindeutig beantwortet werden kann, ist auch nicht klar, welche Ansprüche üblicherweise davon erfasst werden. Die Nennung der Vorschrift des § 648 a BGB in den Überschriften der hier vorliegenden Bürgschaftserklärungen kann daher im Sinne der verschiedenen Auffassungen zu ganz unterschiedlichen Auslegungen führen und daher mangels Eindeutigkeit für die Auslegung des Inhalts der Bürgschaften nicht herangezogen werden.

Auch der weitere Inhalt der Bürgschaftserklärungen lässt keine Deutung dahingehend zu, dass die Beklagte sich auch für nicht erbrachte Leistungen verpflichten wollte. Zwar behält sich die Beklagte in dem sechsten Abschnitt der Bürgschaftserklärungen für den Fall der wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Bestellers das Recht vor, die Bürgschaftsverpflichtungen mit Wirkung für Vergütungsansprüche aus Bauleistungen zu widerrufen, die der Unternehmer bei Zugang der Widerrufserklärung noch nicht erbracht hat. Diese Regelung scheint unnötig, wenn die Bürgschaft die nicht erbrachten Leistungen ohnehin nicht erfassen würde.

Diese Passage steht dennoch nicht im Widerspruch zu der o.g. Formulierung im dritten Absatz, wonach die Bürgschaft nur für erbrachte Leistungen gelten soll.

Die Klausel im sechsten Abschnitt besagt nämlich nichts über den Umfang der Bürgschaft, sondern gibt der Beklagten das Recht, sich im Falle einer Vermögensverschlechterung der Hauptschuldnerin aus ihrer Verpflichtung zu lösen. Diese Klausel entspricht § 648 a Abs. 1 S. 3 BGB, wonach im Falle eines wegen Vermögensverschlechterung des Bestellers vorbehaltenen und später erklärten Widerrufs des Bürgschaftsversprechens die Bürgschaftsschuld auf solche Vergütungsansprüche beschränkt wird, die dem Unternehmer aufgrund bereits erbrachter Leistungen zustehen. Das Widerrufsrecht soll nach der gesetzlichen Regelung - wie auch nach der gleichlautenden Klausel in den Bürgschaftserklärungen - also dem Bürgen die Möglichkeit geben, bei erhöhtem Einrittsrisiko aufgrund einer Vermögensverschlechterung des Hauptschuldners sich aus seiner Verpflichtung lösen zu können. Gleichzeitig ist, dadurch, dass diese Lösungsmöglichkeit auf bei Zugang der Widerrufserklärung noch nicht erbrachte Leistungen beschränkt ist, der Unternehmer hinsichtlich seiner Vorleistungspflicht weiterhin gesichert, da für die bereits erbrachten Leistungen die Bürgschaft unwiderruflich ist. Ab Zugang der Widerrufserklärung weiß der Unternehmer, dass weitere Leistungen nicht mehr gesichert sind; er kann dann nach § 648 a Abs.1 BGB eine neue Sicherheit von seinem Vertragspartner verlangen.

Dieser gesetzlich vorgesehene Widerrufsvorbehalt beinhaltet also in erster Linie eine Lösungsmöglichkeit für den Sicherungsgeber und regelt in zweiter Linie die Konsequenzen einer solchen Lösung. Wenn die Beklagte sich diese Möglichkeit in den gleichlautenden Klauseln in den Bürgschaftserklärungen vorbehalten hat, war dies daher keinesfalls unnötig, selbst wenn die Bürgschaften ohnehin nur die erbrachten Leistungen erfassen sollten.

Hätte die Beklagte sich nämlich den Widerruf wegen Vermögensverschlechterung vorbehalten, ohne die gesetzlich vorgesehene Einschränkung auf die noch nicht erbrachten Leistungen darin aufzunehmen, hätte sie sich des Risikos der Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 2 Ziffer 1 ausgesetzt.

Diese Klausel stellt daher keine unklare oder widersprüchliche Regelung dar. Damit verbleibt es bei dem Ergebnis, dass nach dem Wortlaut der Bürgschaftserklärungen diese nur für bereits erbrachte Leistungen gelten.

Auch aus dem Zweck der Bürgschaft ergibt sich nichts anderes. Mit den Bürgschaften sollten die voraussichtlichen Vergütungsansprüche der Klägerin aus dem Vertrag mit der Gemeinschuldnerin "ganz oder teilweise" gesichert werden. Dass sich die Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten vorliegend nur auf einen Teil der Leistung beziehen sollte, ergibt sich daraus, dass nur für insgesamt 300.000 EUR (3 Bürgschaften á 100.000 EUR) gebürgt worden ist, obwohl nach § 648 a Abs. 1 S. 2 BGB die Klägerin von der Gemeinschuldnerin eine Sicherung bis zur Höhe des voraussichtlichen Vergütungsanspruchs, also 685.852,00 EUR, hätte verlangen können.

Auch dies spricht für eine Begrenzung auf die tatsächlich erbrachten Leistungen.

Die von der Klägerin zur Auslegung ferner angeführte Klausel der Bürgschaften, wonach Zahlungen nur erfolgen können, wenn und soweit der Besteller den Vergütungsanspruch des Unternehmers schriftlich anerkennt oder ein vorläufig vollstreckbares Urteil vorgelegt wird, mit dem der Besteller zur Zahlung der Vergütung verurteilt worden ist, besagt nichts über den Umfang der Bürgschaften. An dieser Stelle der Bürgschaften werden lediglich die Auszahlungsvoraussetzungen geregelt, die jedoch eine Zahlungsverpflichtung aufgrund der Bürgschaften voraussetzen, diese aber nicht begründen.

Die Berufung auf den beschränkten Umfang der Bürgschaften ist auch nicht treuwidrig oder arglistig. Mit der Begebung der Bürgschaften hat die Beklagte keine ihr der Klägerin gegenüber obliegende Verpflichtung erfüllt, sondern im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehung zu der Gemeinschuldnerin gehandelt. Mit dieser vereinbarte sie die streitgegenständlichen Bürgschaften und übergab sie ihr zur Weitergabe an die Klägerin, damit die Gemeinschuldnerin dem Sicherungsverlangen der Klägerin nach § 648 a BGB nachkommen konnte. Danach oblag es der Klägerin zu entscheiden, ob die Gemeinschuldnerin mit diesen Bürgschaften ihre Sicherungsobliegenheiten erfüllt hat oder nicht. Bei sorgfältiger Lektüre der Bürgschaften hätte Vertretern der Klägerin, die Kaufmannseigenschaft hat und dauerhaft im Baugeschäft tätig ist, die Beschränkung auf erbrachte Leistungen auffallen können und die Klägerin hätte von der Gemeinschuldnerin die Begebung weitergehender Sicherheiten verlangen können.

Ferner ist auch das Interesse der Beklagten zu berücksichtigen, als Bürgschaftsgeberin die abgesicherten Ansprüche überschauen zu können und nur für Ansprüche zu haften, denen eine erbrachte Leistung und damit eine Wertsteigerung gegenüber steht. Auch dieses rechtmäßige Interesse der Beklagten lässt ihre Berufung auf den begrenzten Umfang der Bürgschaften nicht als treuwidrig oder arglistig erscheinen.

Daher steht der Klägerin kein weiterer Anspruch aus den Bürgschaften zu, weshalb die Berufung unbegründet war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO). Gegenstand der Entscheidung ist die tatrichterliche Auslegung der streitgegenständlichen Bürgschaftserklärungen.

Ende der Entscheidung

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