Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.10.2004
Aktenzeichen: 21 U 75/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 321 a
Für Berufungsurteile gilt die Gehörsrüge nach § 321 a ZPO gilt entsprechend, soweit kein weiteres Rechtsmittel gegeben ist.
Gründe:

Das Landgericht verurteilte die Beklagte gemäß Urteil vom 6.8.2003 (Az. 2-22 O 365/02) unter Abweisung der Klage im übrigen, an die Klägerin 296.549,29 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 18.1.2003 zu zahlen. Auf die Berufung der Klägerin hat der Senat durch Urteil vom 12.5.2004, der Beklagten zugestellt am 14.5.2004, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin und der Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 77.549,67 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 18.1.2003 zu zahlen. Die Kosten der ersten Instanz hat das Gericht der Klägerin zu 22 % und der Beklagten zu 78 %, die Kosten der Berufungsinstanz der Klägerin zu 33,6 % und der Beklagten zu 66,4 % auferlegt. Wegen der Begründungen wird auf die beiden Urteile Bezug genommen. Durch Beschluss vom 12.5.2004 hat der Senat den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 563.443,65 € und für die erste Instanz unter Hinweis auf die seitens der Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung auf 859.992,94 € festgesetzt.

Mit am 28.5.2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 27.5.2004 hat die Beklagte beantragt, den Prozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. fortzuführen und den Streitwertbeschluss dahingehend abzuändern, dass der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 563.443,65 € festgesetzt wird. Zur Begründung hat sie angeführt, ihr Anspruch auf die Gewährung rechtlichen Gehörs sei im Hinblick auf die getroffene Kostenentscheidung für die erste Instanz verletzt. Die Einbeziehung der erstinstanzlich erklärten Hilfsaufrechnung in die Kostenentscheidung sei fehlerhaft. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung sei nicht bestritten, über sie sei auch keine rechtskraftfähige Entscheidung ergangen. Die Aufrechnung sei nur für den Fall erklärt worden, dass der von der Klägerin erklärte Rücktritt vom Vertrag "..." nicht wirksam sei; diese innerprozessuale Bedingung sei aber nicht eingetreten, beide Instanzen hätten vielmehr den Rücktritt für wirksam erachtet. Demzufolge sei auch das Landgericht nicht auf die Hilfsaufrechnung eingegangen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 27.5.2004 (Blatt 651 ff. der Akte) verwiesen. Die Klägerin ist dem Antrag entgegengetreten. Insoweit wird auf den Schriftsatz vom 30.8.2004 (Blatt 683 ff. der Akte) Bezug genommen.

Der Antrag auf Fortführung des Prozesses wegen einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör ist zulässig (entsprechend § 321 a ZPO).

Der Rechtsbehelf ist statthaft. Zwar ist die gesetzliche Regelung nach ihrem Wortlaut ausschließlich auf erstinstanzliche nicht berufungsfähige Urteile anwendbar, während es sich hier um ein Berufungsurteil handelt. Eine entsprechende Anwendung ist aber geboten, da ein anderes Rechtsmittel gegen die hier ausschließlich angegriffene Kostenentscheidung nicht gegeben ist und die Interessenlage vergleichbar ist. Die Anfechtung der Kostenentscheidung ist nicht zulässig, da gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel nicht eingelegt wird (§ 99 Abs. 1 ZPO). Eine entsprechende Anwendung des § 321 a ZPO ist geboten (vgl. OLG Celle, NJW 2003, 906; weitere Nachweise aus der Literatur bei Zöller/Vollkommer, ZPO 24. Aufl., 2004, § 321 a, Rdnr. 3a; a.M. OLG Oldenburg, NJW 2003, 149; OLG Rostock, NJW 2003, 2105). Der Plenarbeschluß des BVerfG vom 30.4.2003 (NJW 2003, 1924, 1928), nach dem das Bestehen von Unklarheiten im bisherigen Rechtsschutzsystem trotz der Zulassung außerordentlicher Rechtsbehelfe durch die Rechtsprechung den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht genügt, steht dem nicht entgegen. Gegen eine entsprechende Anwendung spricht auch nicht, daß trotz der Unklarheit bezüglich des Anwendungsbereichs des § 321 a ZPO diese Vorschrift durch das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24.8.2004 (BGBl I, 2198) nur hinsichtlich dessen Absatz 5 Satz 1 neu gefasst wurde. Denn diese Frage soll in dem sogenannten Anhörungsrügengesetz (Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vom 28.4.2004) durch eine Ausdehnung des § 321 a ZPO und die Einführung entsprechender Bestimmungen in den anderen Verfahrensordnungen geregelt werden, um so den Vorgaben in der genannten Entscheidung des BVerfG gerecht zu werden, wonach der Gesetzgeber eine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit für Verstöße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör schaffen muss.

Der Rechtsbehelf ist auch im übrigen zulässig. Er ist fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils vom 12.5.2004 eingelegt worden (entsprechend § 321 a Abs. 2 ZPO). Der Senat hat den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (entsprechend § 321 a Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die der in dem Urteil vom 12.5.2004 getroffenen Kostenentscheidung zugrundeliegende Annahme, der Streitwert erster Instanz betrage infolge der seitens der Beklagten hilfsweise erklärten Aufrechnung 859.992,94 €, war nicht Gegenstand der Verhandlung. Die Hilfsaufrechnung war auch nicht Gegenstand der Begründung des Urteils des Landgerichts. Der Beklagten war hierdurch eine Stellungnahme nicht hinreichend möglich.

Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör war auch entscheidungserheblich. Die Auffassung der Beklagten, die Hilfsaufrechnung habe sich nicht streitwerterhöhend ausgewirkt, weil über sie keine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergangen ist (§ 322 Abs. 2 ZPO), erscheint insoweit als zutreffend. Zwar hat die Beklagte gemäß dem Schriftsatz vom 22.4.2003, Seiten 3, 13 (Blatt 178, 188 der Akte) die Hilfsaufrechnung gegenüber der gesamten Klageforderung, nicht lediglich gegenüber dem Anspruch der Klägerin aus dem Vertrag "..." erklärt. Die Hilfsaufrechnung sollte aber davon abhängen, dass die Kündigung durch die Klägerin gemäß deren Schreiben vom 3.12.2001 unwirksam war. Denn nur bei Unwirksamkeit der Kündigung und demzufolge Fortbestand des Vertragsverhältnisses hätte die Einstellung der weiteren Vertragsdurchführung durch die Klägerin nach der insoweit zutreffenden Ansicht der Beklagten vertragswidrig sein können. Die Aufrechnungserklärung erfolgte bedingt. Zwar handelt es sich bei der Frage der Wirksamkeit der Kündigung nicht um eine Bedingung im Sinne des § 158 BGB, da es an einem zukünftigen ungewissen Ereignis fehlte. Die bestehende subjektive Ungewissheit reicht zur Anwendung der §§ 158 ff. BGB nicht aus. Die Auslegung dieses Vorbringens der Beklagten ergibt aber, daß die Aufrechnungserklärung nur dann wirksam sein sollte, wenn die Erwartungen der Beklagten, die Kündigung sei unwirksam, zutrafen. Die §§ 158 ff. BGB sind daher entsprechend anwendbar. Die Voraussetzungen für die Aufrechnung sind nicht eingetreten, da die Kündigung der Klägerin vom 3.12.2001 wirksam war. Insoweit wird auf die Urteilsgründe verwiesen.

Demzufolge ist der Prozess fortzuführen, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist (§ 321 a Abs. 5 S. 1 ZPO n.F., § 29 EGZPO n.F.).

Da nur noch über die Kosten zu entscheiden ist, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 128 Abs. 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück