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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 01.11.2006
Aktenzeichen: 21 U 9/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 278
BGB § 280
Zum Ersatz eines Schadens, der durch den unsachgemäßen Transport (hier: mangelnde Kühlung) eines Medikamentengrundstoffs entstanden ist.
Gründe:

I

Die Parteien streiten um einen bei der Versendung eines Medikamentengrundstoffs von O1 nach O2 eingetretenen Transportschaden. Gegenstand des Rechtsstreits ist die von der Klägerin im Rahmen ihrer Haftpflichtversicherung zu tragende Selbstbeteiligung.

Die Klägerin, die mit der Beklagten für die Zeit vom 1.10.00 bis zum 31.12.02 einen Vertrag über die Annahme, Zwischenlagerung und den Transport von Fracht in ihrem Lager in O3 bzw. von dort zum O1er Flughafen hatte (Bl. 9-13 d.A.), erhielt an demselben Tag (...6.01) sowohl von der Z GmbH als auch von der Y GmbH je einen Speditionsauftrag über zwei Frachten ähnlichen Umfangs, bestehend einmal aus einem Pulver ("A...") zur Herstellung eines hochwirksamen Antibiotikums, verpackt in fünf Stahltrommeln mit je zwei Beuteln zu 15 kg, Gesamtgewicht 150/181 kg (netto/brutto), und einem "B..." in fünf Papiersäcken mit einem Gesamtgewicht von 100/108 kg (netto/brutto), wobei der Speditionsauftrag für das A-Pulver den Temperaturhinweis "Tran/Lag +2 bis + 8 ° C" enthielt. Die Frachten wurden durch dasselbe Transportunternehmen am Lager der Klägerin angeliefert und von der Beklagten durch jeweils denselben Mitarbeiter angenommen. Empfänger beider Sendungen sollte die X in O2 sein. Der Lagermeister, der seit ...8.1999 bei der Beklagten beschäftigt ist und neben seinen eigenen Aufgaben 5 Mitarbeiter zu beaufsichtigen hat, verwechselte bei der Etikettierung ("Belabelung") die beiden im Kühlhaus der Klägerin eingelagerten Frachten. Dadurch wurde das A Pulver (Verkaufswert 457.792,50 US-Dollar) am 28.6.01 ungekühlt zur Annahmestelle der W AG am O1er Flughafen und von dort per Sammeltransport ungekühlt nach O2 transportiert und auf dem O2er Flughafen bis Ende Februar 2002 ungekühlt gelagert. Die Empfängerin nahm die Sendung wegen Unbrauchbarkeit nicht an. Die Haftpflichtversicherung der Klägerin einigte sich mit der Transportversicherung der V AG, die der V den Schaden in Höhe des Verkaufswertes ersetzt hatte, im Juni 2004 auf eine Entschädigungszahlung von 320.000 US-Dollar und macht gegenüber der Klägerin die Selbstbeteiligung von 25.000 US-Dollar aus dem Versicherungsvertrag geltend. Mit Vereinbarung vom 30.12.2004 trat die Klägerin sämtliche ihr gegen die Beklagte aus dem streitgegenständlichen Schadensereignis mit Ausnahme eines erstrangigen Teilbetrages in Höhe der Selbstbeteiligung an die Haftpflichtversicherung ab. Die Erstattung des Selbstbeteiligungsbetrages verlangt sie vorliegend von der Beklagten.

Die Klägerin sieht in dem Vertrag der Parteien seinem Schwerpunkt nach einen Vertrag über Lagergeschäfte, nämlich disponierte Zwischenlagerungen, und hat daher die Klageforderung in erster Linie auf § 475 HGB sowie auf VI Ziffer 1 des Vertrages (Blatt 11 d.A.) gestützt. Spediteurin sei die Beklagte nicht, da sie nicht die Versendung des Gutes besorge. Die Haftungsbegrenzungen der ADSp griffen nicht ein, da die ADSp nach VI Ziffer 4 des Vertrages nur ergänzend Anwendung fänden. Im Übrigen läge bei der Beklagten grobes Organisationsverschulden vor, da sie dem Lagermeister, der neben der Etikettierung weitere anspruchsvolle Tätigkeiten auszuüben habe, keinen zweiten Mitarbeiter zur Prüfung und Kontrolle zur Seite gestellt habe; bei der "Belabelung" sei die Einhaltung des Vieraugenprinzips zwingend. Die fragliche Sendung sei allein wegen des Verdachts, infolge Unterbrechung der Kühlkette verdorben zu sein, unbrauchbar gewesen. Wegen der Inanspruchnahme der Selbstbeteiligung habe sie einen eigenen Schaden erlitten. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation vor. In der E-Mail vom 1.7.04 sei die Ermächtigung zum Einzug dieses Betrages zu sehen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, sie habe als Spediteur, nämlich "Obhutsspediteur", gehandelt, weswegen die ADSp Anwendung fänden. Nach deren Ziffer 23.1.1 stehe der Klägerin allenfalls ein Schadensersatz von 5 € pro Kilogramm Sendungsgewicht zu. Es habe sich nicht um eine "verfügte" Lagerung (Ziffer 23.1 ADSp), das heißt eine Einlagerung auf unbestimmte Zeit, sondern eine verkehrsbedingte Zwischenlagerung, ein Lagerumschlagsgeschäft, gehandelt. Das vorliegende Versehen sei das bisher einzige des Lagermeisters. Aus dem Schreiben der V AG vom 26.2.02 (Blatt 19 d.A.) leitet sie her, dass die Sendung bei der Ankunft in O2 noch nicht verdorben gewesen, der Schaden vielmehr erst durch die Lagerung in O2 entstanden sei. Die Klägerin habe die verlangten 25.000 US-Dollar selbst nicht gezahlt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Klägerin ihre Aktivlegitimation nicht dargetan habe. Solange sie den Selbstbeteiligungsbetrag von 25.000 US-Dollar nicht selbst gezahlt habe, könne sie von der Beklagten nur verlangen, von dieser Forderung freigestellt zu werden. Ansprüche der V AG könne sie nicht im eigenen Namen geltend machen, denn § 421 Absatz 1 HGB sei nicht anwendbar und Ansprüche der V AG seien gemäß § 67 VVG auf deren Transportversicherung übergegangen. Der Vortrag über die Einzugsermächtigung durch ihre Haftpflichtversicherung sei wegen § 296 a ZPO nicht zu beachten.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin die Klageforderung, hilfsweise als Freistellungsanspruch, weiter. In dem angefochtenen Urteil sei eine unzulässige Überraschungsentscheidung zu sehen. Im Übrigen stelle die Inanspruchnahme der Selbstbeteiligung durch die Haftpflichtversicherung einen eigenen Schaden der Klägerin dar, der auch in Geld zu ersetzen sei. Ihre Ansprüche gegen die Beklagte seien nicht durch die Versicherungsleistung von 320.000,00 US-Dollar auf die Haftpflichtversicherung übergegangen (§ 67 VVG), da der fragliche Versicherungsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Versicherung nach englischem Recht, welches statt der cessio legis des § 67 VVG nur eine "subrogation" kenne, abgeschlossen worden sei, wie die Abtretungsvereinbarung vom 30.12.2004 belege. Im Übrigen wiederholt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichtes Frankfurt vom 13. Januar 2005 (Az.: 3 10 O 101/04, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den Eurogegenwert zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung von USD 25.000,00 nebst 8% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 2004 zu zahlen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von dem Anspruch der U AG auf Zahlung einer Selbstbeteiligung in Höhe von USD 25.000,00 aus dem regulierten Schadensfall über den Speditionsauftrag der Firma V über 150 kg A... vom ... Juni 2001 zu einem Transport von O1 nach O2 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Klägerin hafte selbst nicht in Höhe des Wertes der Sendung, sondern gemäß Ziffer 23.1.1 ADSp nur in Höhe von 5 € pro kg Sendungsgewicht. Leichtfertiges Verhalten ihres Mitarbeiters, welches gemäß § 435 HGB eine Haftungsbegrenzung ausschließen könne, liege nicht vor. Sie bestreitet die "Schadensursächlichkeit der Vertauschung". Die Klägerin habe, obwohl die fehlende Kühlung bereits am ...6.01 festgestellt worden war, nichts unternommen, um in O2 für die Kühlung der Sendung zu sorgen.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 23.11.2005 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z1, Z2 und Z3. Hinsichtlich des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird Bezug genommen auf die Vernehmungsniederschriften vom 28.2.2006, Blatt 301 ff d. A., und 1.6.2006, Blatt 325 ff d.A..

II

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils.

Die Beklagte haftet aufgrund von Ziffer VI.1 des am 1.10.2000 abgeschlossenen Rahmenvertrages (Blatt 9 bis 12 d.A.) für den mit der Klage geltend gemachten Schaden.

Durch schlüssiges Verhalten ist zwischen den Parteien jeweils ein Vertrag über die Behandlung der beiden fraglichen Sendungen nach inhaltlicher Maßgabe des Rahmenvertrages zu Stande gekommen. Zu den Aufgaben der Beklagten gehörte gemäß Ziffer 7 des "Leistungsprofils AF" (Bl. 13 d.A.) die "Belabelung". Bei deren Durchführung kam es zur Verwechslung der Klebeetiketten und zum fehlerhaften Aufkleben auf die beiden für V O2 bestimmten Sendungen, was zur falschen Platzierung der Sendungen im Zwischenlager und zum ungekühlten Weitertransport der kühlungsbedürftigen Sendung führte. Darin ist die fahrlässige Verletzung der vertraglich geschuldeten Sorgfalt (positive Vertragsverletzung) zu sehen. Für die Handlungen ihres Lagermeisters haftet die Beklagte gemäß § 278 BGB.

Infolge dieser Sorgfaltspflichtverletzung ist der Schaden, der zunächst im Verderb des Transportgutes und damit in dessen vollständigem Verlust zu sehen ist, eingetreten.

A ist ein Ausgangsstoff für Breitbandantibiotika der Gruppe der Cephalosporine, die den Penicillinen nahe verwandt sind (Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, Stichworte ...). Das A-Pulver war zur Herstellung von Medikamenten zur Behandlung von Lungenerkrankungen bestimmt. Antibiotische Medikamente müssen häufig gekühlt aufbewahrt werden und verderben bei mangelnder Kühlung schnell. Der Versender V hatte Transport und Lagerung bei Temperaturen zwischen + 2 und + 8 °C, also eine ununterbrochene Kühlkette, vorgeschrieben. Kein Medikamentenhersteller kann es riskieren, für hochwirksame temperaturempfindliche Medikamente, die der Behandlung schwerer, vielleicht lebensbedrohlicher Erkrankungen dienen, Ausgangsstoffe zu verwenden, deren einwandfreie Eignung inolge falscher Behandlung beim Transport in Frage steht, jedenfalls wenn es sich wie hier nicht nur um eine ganz kurzfristige und erkennbar harmlose Falschbehandlung handelt. Wenn auch nur der begründete Verdacht besteht, dass der fragliche Grundstoff für die Medikamentenherstellung wegen einer Falschbehandlung beim Transport nicht mehr zur weiteren Verwendung geeignet sein könnte, ist er als für die Medikamentenherstellung unbrauchbar und somit wertlos anzusehen. Der Schaden ist bereits mit diesem Verdacht eingetreten. Unter diesen Umständen genügt die Beklagte ihrer Substantiierungspflicht nicht, wenn sie trotz unstreitig fehlender Kühlung während des Transports zum Ausgangsflughafen, während des mehrstündigen Fluges sowie während der Ausladung und des Transports zum Lagerort am Zielflughafen schlicht behauptet, dass das Frachtgut noch nicht verdorben, sondern für den vorgesehenen Zweck der Medikamentenherstellung noch brauchbar gewesen sei. Im Übrigen hat die Beklagte die Darstellung, dass das Frachtgut bei der Ankunft in O2 noch nicht verdorben gewesen, sondern erst durch die anschließende ungekühlte Lagerung bis Februar 2002 verdorben sei, als uneingeschränkt eigene Tatsachenbehauptung erst in zweiter Instanz vorgetragen und sich damit zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen in Widerspruch gesetzt. Denn der entsprechende erstinstanzliche Vortrag (Seite 5 der Klageerwiderung, Blatt 38 d.A.) zeigt, dass es sich dabei lediglich um eine Interpretation des Faxschreibens des Versenders V vom 26.2.02 (Blatt 19 d.A.) handelte. Diese Interpretation ist aber nicht zutreffend. In dem Schreiben heißt es: "Die Transport- und Lagerungshinweise (Kühlkette +2 bis +8 Grad °C) wurden nicht berücksichtigt. Nach Rücksprache mit unserer Qualitätskontrolle kann bereits aufgrund dieser Aussage eine weitere Verwendung des Materials ausgeschlossen werden." Aus dem Faxschreiben geht somit die Unbrauchbarkeit des Materials infolge der Unterbrechung der Kühlkette (und nicht erst infolge der zusätzlich erwähnten ungekühlten Lagerung am Flughafen in O2) hervor.

Der durch die positive Vertragsverletzung der Beklagten verursachte Schaden der Klägerin bestand darin, dass sie ihrerseits für die verdorbene Sendung ihrer Auftraggeberin V zum Schadensersatz verpflichtet war. Soweit die Beklagte die Ansicht geäußert hat, dass die Klägerin der Absenderin gegenüber nur im Umfange der ADSp hafte, ist dies als unsubstantiierte Behauptung "ins Blaue" anzusehen angesichts der Tatsache, dass die Haftpflichtversicherung der Klägerin an die Versenderin eine Schadensersatzleistung von 320.000 US-Dollar erbracht hat. Die Beklagte teilt nicht mit, auf welcher Tatsachenkenntnis diese Behauptung beruht. Der Behauptung steht der Erfahrungssatz entgegen, dass eine auf dem Gebiet des Transportrechts tätige Versicherung keine Leistung in dieser Höhe erbringt, wenn sie die einfache Möglichkeit hat, sich auf die Begrenzung des Schadens auf $ 750 zu berufen. Nach der Aussage des Zeugen Z3 haftete die Klägerin als Luftfrachtführer gegenüber ihren Auftraggebern in der Regel nach dem Warschauer Abkommen, welches wesentlich höhere Haftungsgrenzen vorsah als die ADSp.

Ob - wie die Klägerin vorträgt - das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrer Versicherung englischem Recht unterliegt mit der Folge, dass wegen der dort geltenden "subrogation" die Klägerin Inhaberin des Schadensersatzanspruchs geblieben ist, kann dahinstehen. Allerdings ist dieser Vortrag nach den Ausführungen der klagenden Versicherung in dem Parallelrechtsstreit 3 -10 O 193/04 LG Frankfurt am Main (Blatt 131 f d.A.) unzutreffend. Der Versicherungsvertrag wurde danach mit der deutschen T AG geschlossen, deren Rechtsnachfolgerin die Deutsche U AG ist. Die jeweilige englische Versicherung ähnlichen Namens war bzw. ist Rückversicherin.

Im Falle der Geltung englischen Rechts würde die Abtretungsvereinbarung zwischen der Klägerin und Ihrer Versicherung vom 30.12.2004 (Blatt 101=114 d.A.) zum Zuge kommen, welche den Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte mit Ausnahme eines erstrangigen Teilbetrages in Höhe der Selbstbeteiligung der Klägerin (25.000 US-Dollar) erfasst. Nach deutschem Recht ist durch die Leistung der Haftpflichtversicherung der Schadensersatzanspruch gemäß § 67 VVG zwar auf diese übergegangen. Die Abtretungsvereinbarung vom 30.12.2004 wiederholt insoweit nur die gesetzliche Lage. Damit ist die Klägerin jedoch nicht von jeglichem eigenen Schaden frei.

In erster Instanz war unstreitig, dass in dem Vertragsverhältnis der Klägerin zu ihrer Haftpflichtversicherung eine Selbstbeteiligung von $ 25.000,- gilt. Hiervon ist weiterhin auszugehen. Unklar ist, ob die Beklagte mit den Ausführungen auf Seiten 2 und 4 ihres Schriftsatzes vom 9. September 2005 (Blatt 124, 126 d.A.) nunmehr die Selbstbeteiligung bestreiten will. Ein solches Bestreiten kann jedenfalls nicht zugelassen werden, da keiner der Ausnahmefälle des § 531 Absatz 2 ZPO vorliegt. Außerdem wäre es wegen des nicht aufgeklärten Widerspruchs zum erstinstanzlichen Vortrag, der dieses Bestreiten nicht enthält, als unsubstantiiert zu betrachten.

Unmittelbare Folge der (vollen) Schadensersatzleistung der Haftpflichtversicherung an die (Transportversicherung der) Geschädigte(n) ist die Verpflichtung der Klägerin zu einer Selbstbeteiligung von 25.000 US-Dollar. Die Klägerin sieht sich dementsprechend als Folge des schadenstiftenden Verhaltens der Beklagten einer Forderung ihrer Haftpflichtversicherung in Höhe der Klageforderung ausgesetzt.

Besteht der zu ersetzende Schaden in der Belastung mit einer Verbindlichkeit, ist zwar der Schadensersatzanspruch auf Freistellung von dieser Verbindlichkeit gerichtet (Palandt-Heinrichs, 64. Auflage, Rdnr. 46 vor § 249 BGB). Wird aber der Schadensersatzpflichtige erfolglos zur Leistung aufgefordert, geht gemäß § 250 Satz 2 BGB der Anspruch in eine Geldforderung über. Die in § 250 BGB vorausgesetzte Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist nicht erforderlich, wenn der Schuldner überhaupt jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert. Diese Verweigerung kann auch in dem Prozessverhalten liegen (BGH NJW 1992, 2021 = MDR 1993, 46 = WM 1992, 1074 unter Ziffer 3 der Urteilsgründe und BGH NJW-RR 1990, 970 = MDR 1991, 37 = WM 1990, 1210 unter II.1 der Urteilsgründe m.w.N.). Somit sind die Voraussetzungen für einen Zahlungsanspruch gegeben.

Haftungsbegrenzungen greifen zugunsten der Beklagten nicht ein.

Die Haftungsbegrenzung nach Ziffer 23.1.1 der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) in der seit 1999 geltenden Fassung kommt nicht zur Anwendung, da die Haftungsregelungen der ADSp nicht Vertragsinhalt geworden sind.

In Ziffer VI.1 des Rahmenvertrages haben die Parteien vereinbart, dass die Beklagte für alle Schäden aufzukommen hat, die durch ihre Leute, Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen, Besucher, Lieferanten, Handwerker oder sonstige Dritte entstehen. Darin ist ein weitgehender Verweis auf die gesetzlichen Haftungsregeln zu sehen. Die ADSp sollten gemäß VI.4 nur "im Übrigen" Anwendung finden. Nach dem objektiven Inhalt dieser Individualvereinbarungen sollten die ADSp nur außerhalb des Anwendungsbereichs gesetzlicher Schadensersatzbestimmungen zum Zuge kommen, wie es auch der Regelung des § 305 b BGB (früher § 4 AGBG) entspricht. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass die genannten Vertragsklauseln in einem anderen Sinne zu verstehen seien. Der Zeuge Z3, der bei der Klägerin den Vertragstext bearbeitet hat, hat ausgesagt, dass er in den Text des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Vertragsmusters die erwähnte Ziffer VI.1 handschriftlich eingefügt habe (Anlage K 21, Blatt 226 und 227 d.A.), weil das Vertragsmuster hinsichtlich der Haftung Regelungen enthielt, die entweder nicht weit genug gingen oder durch gesetzliche Regelungen obsolet geworden waren. Mit der eingefügten Vertragsklausel wollte der Zeuge "die BGB-Haftung ohne Einschränkung, insbesondere auch in Bezug auf Vermögensschäden" erreichen. Mit "Nummer 4." (Ziffer VI.4 des Rahmenvertrages) habe ausgedrückt werden sollen, dass der Rest, der nicht geregelt war, sich nach den ADSp richten solle, "also zum Beispiel Fristen, Leistungserbringung etc.". Die ADSp-Haftungsregelungen hätten gar nicht gelten sollen. Von seinem handschriftlich vorformulierten Text der Ziffer VI.1 sei lediglich der Satz, der eine Freistellungsverpflichtung der Beklagten vorgesehen habe, nicht in den endgültigen Vertragstext aufgenommen worden. Die Zeugen Z2 und Z1 haben eine mit der Darstellung des Zeugen Z3 übereinstimmende Schilderung des inhaltlichen Zustandekommens des Rahmenvertrages gegeben. Der Zeuge Z2 hat die aus der Überarbeitung des Vertragsentwurfs (Anlage K 21, Blatt 223 ff d.A.) erkennbare Handschrift des Zeugen Z3 identifiziert. Die Zeugen haben bestätigt, dass es für die Endfassung des Vertrages keine wesentlichen Änderungen an den vom Zeugen Z3 vorgeschlagenen Haftungsregelungen gegeben hat. Im Einzelnen sei hierüber mit dem Geschäftsführer der Beklagten nicht gesprochen worden. Gegenstand der Gespräche mit den Geschäftsführer der Beklagten seien eher die "Preise für den Handlingvertrag" gewesen.

Dafür, dass die gesetzlichen Haftungsregelungen und nicht diejenigen der ADSp gelten sollten, spricht auch der Umstand, dass schon nach dem Text des von der Beklagten eingebrachten Vertragsmusters die Geltung der ADSp nur die Funktion eines Auffangtatbestandes hatte (s. Blatt 226 d.A.).

Die gesetzlichen Haftungsbegrenzungen, die für das Frachtgeschäft oder das Speditionsgeschäft gelten (§§ 433, 461 Abs. 1 HGB), kommen nicht zur Anwendung, da das Vertragsverhältnis der Parteien insgesamt, im Besonderen aber die vorliegend betroffene Aufgabe der "Belabelung", keinem der genannten Vertragstypen zuzuordnen ist. Entsprechend dem Leistungsprofil des Rahmenvertrages (Blatt 13 d.A.) handelte es sich um ein gemischtes Vertragsverhältnis, in dem Elemente des Frachtgeschäfts (§§ 407 ff HGB) und des Lagergeschäfts (§§ 467 ff HGB) mit werkvertraglichen Aufgaben kombiniert waren ("Kombinationsvertrag", vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Auflage, Überblick vor § 311, Randnummer 21). Die Beklagte hatte für Sendungen, die zum Weitertransport über den O1er Flughafen bestimmt waren, in den Räumlichkeiten der Klägerin ein Zwischenlager für die Zeit bis zur Anlieferung bei den Annahmestellen der Fluggesellschaften am Flughafen zu betreiben, die Sendungen an diesem Zwischenlager entgegenzunehmen, sie zu lagern, absendefertig zu machen und im gegebenen Zeitpunkt zu den Annahmestellen der Fluggesellschaften zu transportieren. Elemente eines Speditionsvertrages enthielt das Vertragsverhältnis der Parteien dagegen nicht. Denn Spedition (§ 453 HGB) bedeutet im Wesentlichen Geschäftsbesorgung. Der Spediteur ist der Organisator der Beförderung und schließt die dazu notwendigen Verträge ab (§ 454 HGB). Diese Aufgabe hatte die Beklagte nicht. Vielmehr war die Organisation der Beförderung durch die Klägerin vorgegeben. Allenfalls Nebenaufgaben der Beklagten überschnitten sich mit Nebenaufgaben, die auch einen Spediteur treffen können, wie beispielsweise die Behandlung der Sendungsdokumente, der Dokumententransfer und die Dokumentation aller Tätigkeiten. Diese Tätigkeiten gaben dem Rechtsverhältnis der Parteien jedoch keinen prägenden Charakter im Sinne eines bestimmten Vertragstypus'.

§ 475 HGB ist nicht anwendbar, da diese Vorschrift den Fall des Verlustes oder der Beschädigung des Lagergutes während der Obhut des Lagerhalters regelt. Vorliegend ist jedoch die Beschädigung erst anschließend eingetreten. Im Übrigen ist die "Belabelung" nicht zu den lagergeschäftlichen Elementen des Vertragsverhältnisses zu zählen.

Die "Belabelung" ist keine Tätigkeit, die für einen der Vertragstypen des Transportrechts charakteristisch wäre. Sie könnte vom Versender selbst ebenso gut wie vom Spediteur, Frachtführer oder Lagerhalter ausgeführt werden. Es handelt sich um eine ihrer Art nach im Transportrecht neutrale Tätigkeit werkvertraglicher Natur, da als Ergebnis die Anbringung des richtigen Labels an der richtigen Sendung geschuldet wird. Für Fehler bei der Ausführung solcher Tätigkeiten gilt das Leistungsstörungsrecht des allgemeinen Zivilrechts (Koller, Kommentar zum Transportrecht, 5. Auflage, Randnummer 20 zu § 461 HGB). Dieses sieht Haftungsgrenzen nicht vor. Auf den Grad des Verschuldens, somit die Frage ob - was eher zu verneinen sein dürfte - grobe Fahrlässigkeit (gegebenenfalls in der Form des groben Organisationsverschuldens) oder Leichtfertigkeit vorliegt, kommt es nicht an.

Da die Klägerin den jedenfalls der Höhe nach unstreitigen Selbstbeteiligungsbetrag in US-Dollar angibt, steht ihr der Gegenwert in Euro entsprechend dem amtlichen Mittelkurs (Geld) in dem Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, zu. Dieser betrug am 4.10.2006: 1 US Dollar = 0,78490 Euro.

Zinsen stehen der Klägerin als Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe (§§ 291, 288 Absatz 2 BGB) zu.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nm. 1, 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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