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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 17.12.2004
Aktenzeichen: 21 W 42/04
Rechtsgebiete: GVG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 119 I
ZPO § 91a
ZPO § 231 II
ZPO § 926 I
ZPO § 926 II
Erklärt ein Schuldner seinen Antrag auf Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Klage in der Hauptsache für erledigt, nachdem der Gläubiger die Klageerhebung nachgeholt hat, so sind die durch den Aufhebungsantrag entstandenen Kosten dem Gläubiger aufzuerlegen, wenn der Aufhebungsantrag infolge der Fristversäumung durch den Gläubiger zunächst begründet war. Die Zulässigkeit der Nachholung der versäumten Prozesshandlung steht dem nicht entgegen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

21 W 42/04

Entscheidung vom 17.12.2004

In der Beschwerdesache

...

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 21. Zivilsenat - durch ... am 17.12.2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragssteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 15.06.2004 (Az.: 33 C 2803/03 - 29) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragssteller zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 1.400,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Antragssteller erwirkten am 23.07.2003 eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Frankfurt am Main, mit welcher dem Antragsgegner aufgegeben wurde, eine in seinem Besitz befindliche Wohnung herauszugeben, und den Antragstellers die gewaltsame Öffnung der Wohnung durch den Gerichtsvollzieher gestattet wurde. Auf den Antrag des Antragsgegners setzte das Amtsgericht den Antragstellern durch Beschluß vom 1.9.2003 eine Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage bis zum 01.10.2003. Am 22.09.2003 überreichten die Antragssteller dem Amtsgericht Frankfurt am Main den Entwurf einer Klage im Urkundsverfahren mit dem Hinweis, die beigefügte Klage werde eingereicht. Mit Schriftsatz vom 20.11.2003, bei Gericht eingegangen am Folgetage, beantragte der Antragsgegner, die einstweilige Verfügung vom 23.7.2003 aufzuheben, da eine Hauptsacheklage bisher nicht eingereicht sei. Am 8.12.2003 reichten die Antragssteller beim Amtsgericht Frankfurt am Main Klage zur Hauptsache ein, die dem Antragsgegner am 20.02.2004 zugestellt wurde. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit betreffend den Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.

Das Amtsgericht Frankfurt a.M. hat durch Beschluss vom 15.06.2004, den Antragstellern zugestellt am 22.6.2004, nach übereinstimmender Erledigung des Antrages des Antragsgegners aus dem Schriftsatz vom 20.11.2003 die insoweit entstandenen Kosten des Rechtsstreits den Antragsstellern auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag des Antragsgegners sei bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses, der Erhebung der Klage in der Hauptsache, zulässig und begründet gewesen, da diese nicht fristgemäß erhoben worden sei. Unerheblich sei insoweit, daß die Fristversäumung für die noch nicht getroffene Entscheidung über den Aufhebungsantrag als geheilt gelte.

Der hiergegen am 5.7.2004 eingelegten sofortigen Beschwerde der Antragssteller hat das Amtsgericht gemäß Beschluß vom 21.07.2004 nicht abgeholfen. Der Antragsgegner ist der Ansicht, der Aufhebungsantrag des Antragsgegners sei nach Zustellung der Hauptsacheklage am 20.2.2004 zwingend zurückzuweisen gewesen, insbesondere in der auf den 2.3.2004 angesetzten mündlichen Verhandlung, in dem keine der Parteien vertreten gewesen sei. Zudem ergebe sich aus der Vorschrift des § 231 Abs. 2 ZPO, daß unter diese Bestimmung fallende Fristversäumnisse bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung geheilt werden könnten. Demzufolge entspräche es nicht der Billigkeit, die Versäumung der Fristsetzung an den Gläubiger einer einstweiligen Verfügung gemäß § 926 ZPO durch eine Kostenregelung bei der Erledigung zu sanktionieren.

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. ist für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG). Die Antragsteller haben ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes, nämlich in L1.

Die Sonderzuweisung soll dem Umstand Rechnung tragen, daß durch die Internationalisierung des Rechts und den zunehmenden grenzüberschreitenden Rechtsverkehr ein großes Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch eine obergerichtliche Rechtsprechung besteht. Dabei wird mit § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG an den allgemeinen Gerichtsstand einer Partei im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit angeknüpft, weil sich bei einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland regelmäßig Fragen des Internationalen Privatrechts stellen; das Kriterium des Gerichtsstands gewährleistet eine hinreichende Bestimmtheit und damit Rechtssicherheit für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit zwischen LG und OLG (BT-Dr 14/6036, S. 118 f.).

Danach ist die Anknüpfung der Rechtsmittelzuständigkeit des OLG daran, daß eine Partei bei Klageerhebung keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, formal zu verstehen: Sie greift auch dann ein, wenn sich im Einzelfall keine besonderen Fragen des Internationalen Privatrechts stellen (BGH, NJW 2003, 1672, 1673).

Es kann dahinstehen, ob in einer Zwangsvollstreckungssache nicht das Oberlandesgericht, sondern das Landgericht zuständig wäre (so OLG Oldenburg, NJW- RR 2004, 499, 500; vgl. aber auch OLG Frankfurt am Main, DGVZ 2004, 92). Nach der seitens des OLG Oldenburg vertretenen Ansicht sind in Zwangsvollstreckungssachen sofortige Beschwerden nicht den Oberlandesgerichten zur Entscheidung übertragen, auch wenn eine Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat. Denn die Vorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG begründe die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach ihrem Wortlaut nur für den Fall, daß eine Streitigkeit über Ansprüche vorliege, die von einer oder gegen eine Partei erhoben würden. Im Zwangsvollstreckungsverfahren gehe es aber nicht um das Recht einer Partei, von der anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (vgl. § 194 BGB), sondern um die Durchsetzung des erkannten Rechts zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers unter Mithilfe des Staates, also um einen Vollstreckungsanspruch des Gläubigers gegen den Staat, der von dem privatrechtlichen Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner zu unterscheiden sei.

Bei dem Verfahren über den Erlaß einer einstweiligen Verfügung handelt es sich aber nicht um ein Zwangsvollstreckungsverfahren, sondern um ein besonderes Erkenntnisverfahren. Arrest und einstweilige Verfügung sind zwar im fünften Abschnitt des achten Buches der ZPO geregelt, vom Gesetzgeber also als Teil des Vollstreckungsrechts angesehen worden. Es ist aber inzwischen allgemein anerkannt, daß dies systematisch unzutreffend ist. Arrest und einstweilige Verfügung sind nicht Teil des Vollstreckungsrechts, sondern eine besondere, nämlich summarische Art des Erkenntnisverfahrens. Auch nach diesen Vorschriften soll ein Vollstreckungstitel als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung erst geschaffen werden (vgl. Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht, 6. Auflage 2003, Rdnr. 654).

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 91 a Abs. 2 S. 1, 2, 511 Abs. 2 Nr. 1, 567 ff., 569 Abs. 1 S. 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht begründet.

Nachdem die Parteien das Verfahren über den Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 20.11.2003 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über dessen Kosten auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 91 a Abs. 1 ZPO). Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten des Aufhebungsverfahrens den Antragsstellern aufzuerlegen.

Nach § 926 Abs. 2 ZPO kann der Schuldner einer einstweiligen Verfügung die Aufhebung der einstweiligen Verfügung beantragen, wenn der Gläubiger des vorläufig gesicherten Anspruchs nicht binnen einer nach § 926 Abs. 1 ZPO gesetzten Frist Klage zur Hauptsache erhebt. Da die Klageerhebung durch die Zustellung der Klageschrift erfolgt (§ 253 Abs. 1 ZPO), wird die Frist nicht bereits durch die Einreichung der Klageschrift bei Gericht gewahrt, sondern erst durch die Zustellung der Klageschrift an den Schuldner des vorläufig gesicherten Anspruchs. Durch eine Versäumung der Frist zur Klageerhebung wird die einstweilige Verfügung nicht ohne weiteres wirkungslos, vielmehr ist sie erst auf den entsprechenden Antrag des Schuldners nach § 926 Abs. 2 ZPO hin aufzuheben. Der Gläubiger kann demzufolge die Klageerhebung bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung über den Aufhebungsantrag im ersten Rechtszug nachholen (§ 231 Abs. 2 ZPO). Wird die Klagerhebung bis zu diesem Zeitpunkt nachgeholt, hat dies zur Folge, daß der ursprünglich zulässige und begründete Aufhebungsantrag des Schuldners auf Grund der nachgeholten Prozesshandlung unbegründet wird. Erfolgt die Hauptsacheklage zwar nach Fristablauf, jedoch noch während des Aufhebungsverfahrens mit der Folge der Heilung der Versäumung gemäß § 231 Abs. 2 ZPO, kann der Schuldner die Hauptsache für erledigt erklären.

In diesem Fall sind die Kosten dem Gläubiger, mithin den Antragstellern aufzuerlegen, wenn der Aufhebungsantrag zunächst begründet war, da die Klage zur Hauptsache erst nach Ablauf der dem Gläubiger gesetzten Frist und nach Eingang des Aufhebungsantrags bei Gericht zugestellt worden ist (vgl. OLG München, MDR 1976, 761, 762; OLG Frankfurt am Main, MDR 1982, 328; OLG Frankfurt am Main, GRUR 1987, 650, 651; Heinze, in: Münchener Kommentar, 2. Auflage 2001, § 926 ZPO Rdnr. 22; Grunsky, in: Stein/Jonas, 22. Auflage 2002, § 926 ZPO Rdnr. 12; Schuschke/Walker, Kommentar zum Achten Buch der Zivilprozessordnung, Band II, 2. Auflage 1999, § 926 ZPO Rdnr. 18; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Auflage 2005, § 926 ZPO Rdnr. 26; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 63. Auflage 2005, § 926 ZPO Rdnr. 14).

Diese Grundsätze hat das Amtsgericht Frankfurt am Main zutreffend angewandt. Die Klage zur Hauptsache wurde bereits verspätet erst am 8.12.2003 bei Gericht eingereicht, also bereits nach Ablauf der auf den 1.12.2003 gesetzten Frist, und ist dem Antragsgegner und Schuldner erst am 20.02.2004 zugestellt worden, also nach Eingang des Aufhebungsantrags am 21.11.2003. Eine Frist von einem Monat ist für die Erhebung der Klage zur Hauptsache auch ausreichend (vgl. Heinze, in: Münchener Kommentar, 2. Auflage 2001, § 926 ZPO Rdnr. 12).

Zwar konnte auf den Aufhebungsantrag des Antragsgegners die einstweilige Verfügung nicht mehr aufgehoben werden, weil die Klageerhebung rechtzeitig nachgeholt worden war (§ 231 Abs. 2 ZPO). Innerhalb der Kostenentscheidung im Rahmen des § 91 a ZPO muß aber nach Erledigung des Aufhebungsverfahrens der sich aus § 93 ZPO ergebende Grundgedanke Berücksichtigung finden (OLG München, MDR 1976, 761, 762 m.w.N.). Die Antragsteller haben durch ihr eigenes Verhalten Anlaß zur Erhebung des Aufhebungsantrags nach §§ 936, 926 Abs. 2 ZPO gegeben. Denn sie haben die Hauptsacheklage nicht rechtzeitig erhoben, so daß der Antragsgegner zunächst berechtigterweise die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß § 926 Abs. 2 ZPO verlangen konnte.

Dem steht nicht entgegen, daß der Antragsgegner erst mit Schriftsatz vom 14.5.2004 klargestellt hat, daß er seine bereits mit Schriftsatz vom 22.3.2004 abgegebene Erledigungserklärung nicht auf den Rechtsstreit an sich, sondern richtigerweise auf seinen Aufhebungsantrag vom 20.11.2003 beziehen wollte. Denn dies ergab sich bereits aus einer Auslegung seiner Prozeßerklärung, die sich auf die erfolgte Erhebung der Hauptsacheklage stützte und sich demzufolge sinnvollerweise nur auf das Verfahren betreffend den Aufhebungsantrag beziehen konnte.

Die Antragsteller haben die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Festsetzung des Beschwerdewerts richtet sich nach § 3 ZPO. Maßgebend sind die Kosten erster Instanz, die das Gericht bei einem erstinstanzlich durch Beschluß vom 5.8.2003 festgesetzten und nicht beanstandeten Streitwert von 6.000,00 € unter Berücksichtigung der Tatsache geschätzt hat, daß beide Parteien anwaltlich vertreten waren.

Ende der Entscheidung

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