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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.02.2006
Aktenzeichen: 23 U 150/05
Rechtsgebiete: GenG


Vorschriften:

GenG § 34
1. Bei einer Genossenschaft trägt jedes Vorstandsmitglied außer der fachlichen Einzelverantwortung für den ihm nach der Geschäftsordnung des Vorstandes zugewiesenen eigenen Geschäftsbereich grundsätzlich auch die persönliche Gesamtverantwortung für die ganze Breite der Geschäftsleitung. Sofern für ein Vorstandsmitglied ein greifbarer Anlass besteht, nicht mehr darauf zu vertrauen, dass der Mitvorstand die satzungsgemäß ihm allein obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen werde, tritt seine fachliche Verantwortung nicht mehr hinter derjenigen dieses Mitvorstandes zurück.

2. Die Pflichtprüfung des genossenschaftsrechtlichen Prüfungsverbandes ersetzt oder vermindert die Überwachungs- und Überprüfungsaufgaben des Vorstandes nicht.


Gründe:

I. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO:

Die Klägerin macht gegen den Beklagten als ehemaligen Vorstand ihrer Rechtsvorgängerin einen Anspruch auf Schadenersatz wegen der angeblichen Verletzung von Vorstandspflichten geltend. Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 31.5.2005, der Klägerin zugestellt am 1.6.2005,die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, gegen eine weitere Kreditvergabe durch den ehemaligen weiteren Vorstand, seinen Bruder XY, an den Kreditnehmer A einzuschreiten. Eine etwaige Pflicht zur Überwachung der ressorteigenen Tätigkeit des XY auf ein Gespräch mit den Prüfern des Prüfungsverbandes am 14.1.2000 hin sei durch die Entscheidung des Prüfungsleiters B, dessen Vorstandskompetenz nicht zu reduzieren, hinfällig gewesen. Er habe darauf vertrauen dürfen, XY werde seine Tätigkeiten künftig ordnungsgemäß ausführen. Neue Anhaltspunkte für Pflichtwidrigkeiten hätten sich nicht ergeben, zumal der hinzugezogene Mitarbeiters C keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gegeben habe.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und ebenso begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Klageantrag weiterverfolgt. Sie ist der Ansicht, die Gesamtverantwortung des Vorstandes, welche der Schadensprävention diene, gebiete es, die Tätigkeiten der übrigen Vorstandsmitglieder auch ohne Anhaltspunkte für etwaige Pflichtverletzungen ständig im Blick zu behalten. Spätestens aufgrund der Besprechungen vom 14. und 25.1.2000 sei dem Beklagten bekannt gewesen, daß XY das Kreditgeschäft nicht ordnungsgemäß bearbeite, insbesondere nicht immer für eine ausreichende Besicherung der Kredite sorge. Die sich daraus ergebende Überwachungspflicht habe sich auf sämtliche Kreditvergaben des XY bezogen. Dies gelte insbesondere, da sich die Rechtsvorgängerin der Klägerin bereits im Januar 2000 in einer Krise befunden habe. Die Einbindung des Mitarbeiters C habe nicht ausgereicht. Der genannten Überwachungspflicht sei der Beklagte mit seiner Untätigkeit nicht gerecht geworden. Der Vorstand habe neben dem Aufsichtsrat und dem Prüfungsverband eine eigenständige Verantwortung. Im übrigen verweist sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 31.5.2005 (Az.: 2-14 O 15/05) zu verurteilen, an sie 355.846,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klageschrift (25.2.2005) zu zahlen

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er beruft sich auf das Urteil des Landgerichts und auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist der Ansicht, eine lückenlose Überprüfung jeder einzelnen Kreditentscheidung des XY sei gar nicht möglich gewesen und würde den Zweck der Geschäftsverteilungen unterlaufen. Eine solche umfassende Überwachungspflicht würde entgegen der gesetzlichen Regelung zu einer wechselseitigen Verschuldenszurechnung unter den Vorstandsmitgliedern führen. Eine gesteigerte Überwachungspflicht hätte jedenfalls nicht das Kreditengagement A betroffen, das zuvor nicht Gegenstand der Gespräche gewesen sei. Die bestehenden Überwachungspflichten habe der Beklagte durch die ihm obliegende Innenrevision erfüllt. Die Einbindung des Herrn C habe selbst der Prüfungsverband für ausreichend gehalten, um etwaigen weiteren Pflichtverletzungen des XY begegnen zu können. Insoweit hat er in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt, er habe Herrn C bereits ca. im Sommer 1999 aufgrund eines konkreten Vorfalles angewiesen, die Tätigkeiten seines Bruders zu überprüfen, ihm Kreditengagements von einer bestimmten Größenordnung an vorzulegen und Entscheidungen seines Bruders mitzuteilen. Er habe von ihm Informationen und Stellungnahmen erwartet. Herr C habe ihm auch einige Fälle vorgelegt, nicht aber das konkrete Kreditengagement. Den Beweis für einen Anlaß zu weiterem Handeln müsse die Klägerin erbringen.

Die Klägerin rügt den neuen Tatsachenvortrag als verspätet.

II. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO:

Die zulässige Berufung hat in der Hauptsache Erfolg. Die Klage ist - mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung - begründet.

Der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der ...bank O1 eG steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 355.846,04 € wegen der Verletzung der ihm als seinerzeitigem Vorstand der Genossenschaft hinsichtlich der Erweiterung des Kreditengagements A obliegenden Pflichten zu (§ 34 Abs. 2 S. 1 GenG).

Die sachliche Klagevoraussetzung eines Beschlusses der Generalversammlung, den Beklagten gerichtlich auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen, liegt mit dem Beschluß der Vertreterversammlung (§§ 43, 43 a GenG) vom 17.6.2002 unter TOP 6a (Anlage K 25, Seite 5) vor.

Der Beklagte hat seine Pflichten als Vorstand der Rechtsvorgängerin der Klägerin verletzt, da er gegen die Erweiterung des Kreditengagements des Kreditnehmers A durch Kreditbeschluß des damaligen Mitvorstandes XY vom 7.2.2000 von 650.000,- DM auf 1.470.000,- DM nicht eingeschritten ist und da er selbst die Erweiterung auf 1.492.000,- DM durch seinen eigenen Kreditbeschluß vom 30.10.2000 vorgenommen hat. Er hat entgegen § 34 Abs. 1 S. 1 GenG nicht die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft angewandt. Er hat pflichtwidrig nicht verhindert, daß der damalige Mitvorstand XY entgegen § 34 Abs. 3 Nr. 5 GenG entgegen dem Gesetz und dem Statut Kredit gewährt hat.

Die Erweiterung des Kreditrahmens durch XY widersprach der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft. Dies steht infolge der Interventionswirkung der Streitverkündung gegenüber dem jetzigen Beklagten in dem Vorprozeß des Landgerichts Frankfurt a.M. (Az. 2-05 O 481/02) bindend fest (§§ 74 Abs. 1, 68 ZPO). Die Bindungswirkung umfaßt nicht nur den Bestand der im Tenor des Urteils vom 16.10.2003, bestätigt durch Urteil des Senats vom 1.9.2004 (Az. 23 U 276/03), ausgesprochenen Rechtsfolge, sondern erstreckt sich auch auf den beurteilten Tatsachenkomplex und die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung und damit auch auf deren tatsächliche und rechtliche Grundlagen, sie umfaßt mithin auch die tragenden Feststellungen des Ersturteils, die sogenannten Entscheidungselemente (BGH, MDR 2004, 464; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 68, Rdnr. 9 m.w.N.). Zu den tragenden Feststellungen gehört auch die Pflichtwidrigkeit der Genehmigung der Gewährung des Kredits an A sowie der Verlängerung und der Erweiterung dieses Kredits durch die nachfolgenden Vorstandsbeschlüsse.

Auch dem Beklagten fällt hinsichtlich der Verlängerung und der Erweiterung dieses Kredits ein eigenständiger Pflichtverstoß zur Last, da er nicht gegen diese Entscheidungen des Mitvorstandes XY einschritt. Der Beklagte war zum damaligen Zeitpunkt zu einer erhöhten Sorgfalt bei der Überwachung des Mitvorstandes XY verpflichtet. Der Beklagte hatte als Vorstand die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft anzuwenden (§ 34 Abs. 1 S. 1 GenG). Von ihm war ebenso wie von XY die besondere Sorgfalt zu fordern, zur Erreichung und langfristigen Sicherung des gesetzlichen Förderzwecks der Genossenschaft und unter Berücksichtigung der Interessen der Mitglieder auch in ihrer Kundenbeziehung zur Genossenschaft Erträge zu erwirtschaften, um Gewinne an die Genossen auszuschütten und den Bestand der Genossenschaft zu sichern (vgl. Lang/Weidmüller/Schaffland, GenG, 34. Aufl. 2005, § 34, Rdnrn. 16 ff. m.w.N.). Der Vorstand hat die Pflicht zur eigenverantwortlichen Leitung der Genossenschaft (§ 27 Abs. 1 S. 1 GenG). Jedes Vorstandsmitglied trägt hierbei außer der fachlichen Einzelverantwortung für den eigenen Geschäftsbereich grundsätzlich auch die persönliche Gesamtverantwortung für die gesamte Breite der Geschäftsleitung. Im Rahmen dieser kollektiven Leitungsverantwortung war der Beklagte bei der Erweiterung des Kreditrahmens des Kreditnehmers A zum Einschreiten verpflichtet, da für ihn ein greifbarer Anlaß bestand, nicht mehr darauf zu vertrauen, daß der Mitvorstand XY die ihm satzungsgemäß obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen werde. Seine fachliche Verantwortung trat mithin nicht mehr hinter derjenigen des nach § 4 der Geschäftsordnung des Vorstandes allein für das Kreditgeschäft und die Kreditsachbearbeitung zuständigen Mitvorstandes XY zurück (vgl. Beuthien, GenG, 14. Aufl. 2004, § 34, Rdnr. 14; Lang/Weidmüller/Schaffland, a.a.O., § 34, Rdnrn. 39 f. m.w.N.).

Der greifbare Anlaß, nicht mehr auf das ordnungsmäßige Handeln des Mitvorstandes XY zu vertrauen, lag in dem Inhalt des Gesprächs beider mit dem Prüfungsleiter B und dem Verbandsoberprüfer G des Genossenschaftsverbandes O2 e.V. am 14.1.2000. Neben weiteren Beanstandungen insbesondere betreffend die Grundstücksverwaltungsgesellschaft F GmbH wurde die Kreditgewährung an die Herren D und E im Hinblick auf die Untauglichkeit der Sicherheit in Gestalt der Verpfändung von Geldern auf einem Notaranderkonto gerügt. In der Gesamtbeurteilung stellten die Prüfer fest, daß dieses und andere Engagements nicht im Einklang mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Geschäftsführung stehen. Vor diesem Hintergrund erwog der Prüfer B eine Reduzierung der Vorstandskompetenz des XY. Hiervon ist auf der Grundlage des Vortrages der Parteien auszugehen. Der Beklagte hat nicht substantiiert bestritten, daß dieses Gespräch mit den genannten Teilnehmern und dem oben dargelegten Inhalt stattfand und daß es am 14.1.2000, jedenfalls vor dem 25.1.2000 erfolgte. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist nicht zulässig, da der Beklagte an dem Gespräch teilgenommen hat (§ 138 Abs. 4 ZPO). Einen konkreten anderen Sachverhalt hat er nicht vorgetragen. Zudem fand am 25.1.2000 die Prüfungsschlußsitzung statt. Der von dem Beklagte selbst als Anlage B 1 - unvollständig - vorgelegte Prüfungsbericht über die Prüfung gemäß § 53 GenG und die Prüfung des Jahresabschlusses 1999 gemäß § 340 k HGB ist auf den 25.1.2000 datiert. In dem Bericht wurde die Kreditvergabe durch XY an die D/E-Gruppe beanstandet, da Gelder ohne wirksame Sicherheitenstellung bei gleichzeitig fehlendem Einblick in die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Herren D und E kreditiert worden seien. XY wurde ausdrücklich auf seine Sorgfaltspflichten gemäß § 34 GenG hingewiesen. Der Beklagte hatte vor diesem Hintergrund ausreichende Veranlassung, von diesem Zeitpunkt an die Tätigkeiten des Mitvorstandes XY zu überwachen und zu überprüfen.

Diese Pflicht entfiel nicht deshalb wieder, weil der Prüfungsleiter B trotz der Beanstandungen nach dem Inhalt des Aktenvermerks vom 14.1.2000 ausdrücklich davon absah, die Vorstandskompetenz des XY zu reduzieren. Die genossenschaftsrechtliche Pflichtprüfung dient sowohl dem Schutz der Genossenschaftsmitglieder vor Einlageverlust, Nachschüssen und eigenwirtschaftlichen Rückschlägen als auch dem Schutz der Genossenschaftsgläubiger vor Forderungsausfall. Sie hat die wirtschaftlichen Verhältnisse der Genossenschaft und die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung festzustellen, um daraus Erkenntnisse für die weitere Entwicklung des Unternehmens zu gewinnen und damit ein Gegengewicht zur oft unzureichenden GeschäftsführungskonDe durch die Genossenschaftsmitglieder zu setzen. In diesem Zusammenhang soll der Prüfer der Genossenschaft auch eigene Verbesserungsvorschläge unterbreiten, diese mit den Genossenschaftsgremien beraten (§§ 57 Abs. 4, 58 Abs. 4 GenG) und im Rahmen der Prüfungsverfolgung auf deren baldige Umsetzung hinwirken (§§ 59 Abs. 3, 60, 62 Abs. 3 GenG). Demzufolge hat die Pflichtprüfung nicht nur vergangenheitsbezogene KonD- sondern zugleich eine zukunftsgerichtete Beratungsfunktion. Hierbei steht dem Prüfer allerdings kraft Gesetzes kein personal-, finanz- oder geschäftspolitisches Weisungsrecht gegenüber den Genossenschaftsorganen zu (vgl. Beuthien, a.a.O., § 53, Rdnr. 4 m.w.N.). Schon daraus ergibt sich, daß die Aufgaben und Befugnisse des Prüfers diejenigen des Vorstandes nicht ersetzen oder sonst vermindern. In bezug auf die Überwachungspflicht des Aufsichtsrates ergibt sich dies daraus, daß eine Ersatzpflicht des Vorstandes nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß der Aufsichtsrat eine Handlung gebilligt hat (§ 34 Abs. 4 S. 2 GenG). Der Vorstand muß demzufolge weiterhin aus eigener Verpflichtung aus dem gegebenen Anlaß in dem oben dargelegten Umfange Überwachungs- und Überprüfungstätigkeiten vornehmen. Hierauf durfte sich in dieser Situation auch der Prüfverband verlassen. Den Zweck der internen Geschäftsverteilung hätte dies nicht unterlaufen, sondern vielmehr die grundsätzlich bestehende Gesamtverantwortung verwirklicht.

Der Beklagte konnte sich nicht darauf verlassen, die Ankündigung des XY, sich aus dem operativen Kundengeschäft zurückzuziehen und den neuen Mitarbeiter C künftig in die Engagementbetreuung einzubinden, werde bereits die Ordnungsmäßigkeit der Vorstandstätigkeit des XY ausreichend sicherstellen. Dies mußte er vielmehr erst mittels zumindest stichprobenartigen KonDen seiner Tätigkeit und des Geschäftbereichs überprüfen. XY hatte sich gerade noch nicht aus dem operativen Kundengeschäft zurückgezogen. Allein auf eine Überwachung durch den Mitarbeiter C durfte sich der Beklagte nicht verlassen, da die Leitungsverantwortung des Vorstandes insoweit nicht delegierbar ist. Seine unmittelbare Verantwortung blieb bestehen (vgl. Lang/Weidmüller/Schaffland, a.a.O., § 34, Rdnr. 31). Aus dem Vortrag des Beklagten ergibt sich auch nicht, daß er seinerseits den Mitarbeiter C in einem Maße überwacht hätte, daß er hierdurch seiner eigenen Überwachungspflicht als Vorstand nachgekommen wäre. Vielmehr hat er sich anscheinend darauf verlassen, daß die Tätigkeiten des Herrn C insofern ausreichten. Er hat auch nicht vorgetragen, seine angeblich bereits im Sommer 1999 anläßlich eines bestimmten Kreditengagements an Herrn C gegebenen Anweisungen betreffend eine Überwachung der Tätigkeiten seines Bruders intensiviert oder sonst neu geregelt zu haben. Die Besprechung vom 14.1.2000 hätte hierfür Anlaß geben müssen, da nunmehr nicht mehr nur ein problematischer Kreditfall, sondern mehrere Fehlentscheidungen des Herrn XY beanstandet wurden. Die Überwachungspflicht des Beklagten bezog sich auch nicht nur auf das Kreditengagement D/E, sondern auf die Tätigkeiten des XY in bezug auf Kreditvergaben insgesamt, da keine Anhaltspunkte dafür bestanden, daß sich die mangelnde Beachtung der Kreditrisiken und die nicht ausreichende Absicherung gerade auf diese Kreditnehmer beschränkte. Vielmehr hatten die Prüfer auch andere Kreditgeschäfte beanstandet. Zudem konnte XY ausweislich des Aktenvermerks der Prüfer vom 14.1.2000 keine Angaben dazu machen, wie es zu der Kreditgewährung an die Gruppe D/E gekommen ist.

Der Beklagte ist seiner Überwachungspflicht nicht nachgekommen. Nach seinem eigenen Vorbringen hat er insoweit nach dem 14.1.2000 keinerlei zusätzliche Tätigkeiten entfaltet. Dies ist jedenfalls ist unzureichend. Danach kann es insoweit dahinstehen, welchen Umfang die erforderlichen stichprobenartigen KonDen hätten haben müssen. Daß dem Beklagten eine lückenlose Überprüfung jeder einzelnen Kreditentscheidung des XY nicht möglich gewesen wäre, trifft zu, hätte seine Überprüfungspflicht aber nicht gänzlich entfallen lassen. Vielmehr mußte er die ihm möglichen und zumutbaren Überwachungsmaßnahmen ergreifen und gegebenenfalls durch geeignete organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, daß ihm eine zeitnahe Überprüfung in ausreichender Weise möglich ist. Auch die Durchführung der in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Innenrevision reichte nicht aus, da sie keine hinreichend zeitnahe Überprüfung gewährleisten konnte. Darlegungs- und beweispflichtig für die Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft und damit für eine ausreichende Überprüfung ist der Beklagte (§ 34 Abs. 2 S. 2 GenG). Bei einem Fehlverhalten des ressortzuständigen Vorstandskollegen wird auch das KonDverschulden vermutet (vgl. Lang/Weidmüller/Schaffland, a.a.O., § 34, Rdnr. 40).

Durch die Verletzung dieser Pflichten durch den Beklagten ist der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein Schaden entstanden, den die Klägerin in Höhe des geltend gemachten Betrages von 355.846,04 € substantiiert dargelegt hat. Da der Beklagte seine Pflichten durch Untätigkeit verletzt hat, kann davon ausgegangen werden, daß er bei stichprobenartiger Überwachung die Erhöhung der Kreditlinie des Kunden A auf 1.470.000,- DM durch Kreditbeschluß vom 7.2.2000 zeitnah bemerkt und beanstandet hätte. Hierbei kann dahinstehen, ob er diese Überprüfung anhand der vorgelegten Kreditliste (Anlage K 22) in tauglicher Weise hätte vornehmen können, da er anderenfalls durch geeignete Maßnahmen hätte sicherstellen müssen, daß ihm die erforderliche Überprüfung sehr kurzfristig möglich ist. Da die nicht ausreichende Besicherung sehr deutlich war, kann weiterhin davon ausgegangen werden, daß auch XY von einer weiteren Durchführung dieses Geschäfts abgesehen und den Darlehensvertrag nicht unterzeichnet hätte. Die Unterzeichnung seitens der Rechtsvorgängerin der Klägerin bzw. seitens Herrn XY ist erst am 8.3.2000 erfolgt (Blatt 157 f. der Akte). Selbst bei Vorliegen einer vorherigen bindenden Zusage wäre nach den gegebenen Umständen infolge des Fehlens auch nur annähernd werthaltiger Sicherheiten im Gegensatz zu den Angaben im Darlehensvertrag eine Anfechtung dieser Erklärung möglich gewesen (§§ 119, 123 BGB). Der Kreditnehmer A hatte seit dem 10.2.2000 über die erweiterte Kreditlinie verfügt und durch Auszahlungen die Differenz des bisherigen Darlehensbetrages von 650.000,- DM zu nunmehr 1.470.000,- DM erhalten. Die Kreditlinie wurde durch weiteren Kreditbeschluß des Beklagten selbst vom 30.10.2000 um die zwischenzeitlich angefallenen Zinsen auf 1.492.000,- DM erhöht. Die Prolongation erfolget ausweislich der Kreditvorlage "analog zu den Krediten der Herren D und E ... bis zum voraussichtlichen Abschluß des Revisionsverfahrens..." betreffend den von diesen abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag vom Oktober 1997. Zwar waren diese Zinsen ohnehin angefallen und beruhten demzufolge nicht gerade auf dem Beschluß des Beklagten. Durch zusätzliche Erhöhung des Darlehens hinsichtlich dieser Zinsen und entsprechende Prolongation mit der gegebenen Begründung ist aber auch dieser weitere Schaden dem Beklagten zuzurechnen. Insgesamt ist der Rechtsvorgängerin der Klägerin mithin ein Schaden in Höhe von 355.846,04 € entstanden. Diesen Schadensbetrag selbst hat der Beklagten nicht in Abrede gestellt.

Der Beklagte haftet gesamtschuldnerisch mit dem bereits durch Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 16.10.2003 (Az. 2-05 O 481/02) verurteilten XY (§ 426 BGB; vgl. Lang/Weidmüller/Schaffland, a.a.O., § 34, Rdnr. 112)

Der Zinsanspruch steht der Klägerin seit Zustellung der Klageschrift aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zu, jedoch nur in Höhe des bis zum 1.5.2000 geltenden gesetzlichen Zinssatzes von 4 %, da die Forderung zu diesem Zeitpunkt bereits fällig war (Art. 229 § 1 S. 3 EGBGB; §§ 286 Abs. 1, 284 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB a.F.).

Der Beklagte hat als im wesentlichen unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 92 Abs. 2 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nrn. 1, 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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