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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 17.09.2008
Aktenzeichen: 23 U 165/07
Rechtsgebiete: EuGVVO
Vorschriften:
EuGVVO § 6 |
Gründe:
Wegen des Sachverhaltes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung der pauschalen Feststellungskosten gemäß §§ 170 Abs. 2, 171 Abs. 1 Insolvenzordnung gegen die Beklagten 1 - 4 als unbegründet und gegen die Beklagte zu 5 als unzulässig abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es bezüglich der Beklagten zu 5 bereits an der internationalen Zuständigkeit fehle. Diese lasse sich weder aus Artikel 6 EUGVVO noch aus § 23 ZPO herleiten. Die Klage gegen die Beklagten zu 1 - 4 sei unbegründet, da die Insolvenzschuldnerin selbst keine Forderungen zur Sicherung eines Anspruches abgetreten habe und dem Kläger daher kein Verwertungsrecht an den nach Insolvenzeröffnung eingezogenen Leasingansprüchen gemäß § 166 Abs. 2 InsO zustehe. Der Insolvenzschuldnerin könnten die Abtretungen der Leasingansprüche durch die A (A) an die B (B) nicht zugerechnet werden. Insbesondere sei die Insolvenzschuldnerin auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht als wahre Forderungsinhaberin zu qualifizieren.
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch lasse sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung herleiten. Denn die Leasingraten seien den Beklagten nicht rechtsgrundlos zu Lasten der Insolvenzschuldnerin zugeflossen.
Das angefochtene Urteil wurde dem Kläger am 22.08.2007 zugestellt.
Mit der am 21.09.2007 eingelegten und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 22.11.2007 am 19.11.2007 begründeten Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageanträge weiter. Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassungen, dass die internationale Zuständigkeit bzgl. der Beklagten zu 5 sowohl nach Artikel 6 Nr. 1 EUGVVO als auch nach § 23 ZPO gegeben sei. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft einen Anspruch auf Zahlung der pauschalen Feststellungskosten verneint.
Die Sicherungsabtretungen der Leasingforderungen durch die A an die B seien der Insolvenzschuldnerin wie eigenes Handeln zurechenbar. Es habe zwischen der A und der Insolvenzschuldnerin auch bzgl. in der Leasingforderungen ein echtes uneigennütziges Treuhandverhältnis bestanden, mit der Folge, dass die Leasingforderungen als zur Insolvenzmasse zugehörig anzusehen seien. Die Insolvenzschuldnerin sei als wahre Forderungsinhaberin zu qualifizieren. Dem gegenüber sei die B lediglich als Werkzeug der Beklagten einzustufen, sodass die Forderungseinziehungen durch die B den Beklagten unmittelbar zuzurechnen seien. Im Übrigen lasse sich ein Anspruch auf die Feststellungspauschale auch aus § 816 Abs. 2 BGB herleiten.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 20.08.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt, Aktenzeichen 2-21 O 374/06,
a) die Beklagten zu 1 und zu 2 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 527.923,20 US-Dollar nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
b) Die Beklagte zu 3 zu verurteilen, an den Kläger 323.445,45 US-Dollar nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
c) Die Beklagte zu 4 zu verurteilen, an den Kläger 211.169,28 US-Dollar nebst Zinsen in von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
d) Die Beklagte zu 5 zu verurteilen, an den Kläger 310.627,83 US-Dollar nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Die Klage gegen die Beklagte zu 5 ist mangels internationaler Zuständigkeit unzulässig. Zu Recht hat das Landgericht die internationale Zuständigkeit nach Artikel 6 Nr. 1 EUGVVO verneint. Die EUGVVO findet gemäß Artikel 1 Abs. 1 EUGVVO Anwendung. Wie das Landgericht richtig ausgeführt hat umfasst der Ausnahmetatbestand des Artikel 1 Abs. 2 b nur die "Insolvenzstammverfahren".
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass zwischen den erhobenen Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten ist um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen können. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine enge Beziehung der Klagen gegeben ist, muss beachtet werden, dass nach Artikel 2 EUGVVO die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedsstaates, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Sitz hat, den Grundsatz darstellt.
Die besonderen Zuständigkeitsregeln sind vor diesem Hintergrund strickt auszulegen (EUGH Urteil vom 13.07.2008 in NJW RR 2006, Seite 1568). Die besonderen Zuständigkeitsvorschriften sind so auszulegen, dass ein informierter, verständiger Beklagter vorhersehen kann, vor welchem Gericht er außerhalb seines Wohnsitzstaates verklagt werden könnte (EUGH NJW RR 2006, Seite 1569). Bei der Entscheidung der Klage gegen die Beklagte zu 5 geht es zwar um die identischen Rechtsfragen wie in den Klagen gegen die Beklagten zu 1 - 4. Die Klagen basieren allerdings nicht auf denselben Rechtsbeziehungen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Darlehensgewährung der Beklagten zu 5 und die Kreditvergaben der übrigen Beklagten auf einem einheitlichen Vertragsverhältnis beruhen bzw. in einem engeren inneren Zusammenhang stehen. Dass Vertragspartner und Treuhänderin jeweils die B gewesen sein mag und es jeweils um die Finanzierung von (unterschiedlichen) Flugzeugen ging, vermag die erforderliche Konexität nicht zu begründen. Für die Beklagte zu 5 war auch nicht vorhersehbar, dass sie im Zusammenhang mit der Darlehensvergabe an B in Deutschland verklagt werden könnte.
Die internationale Zuständigkeit lässt sich auch nicht aus § 23 ZPO herleiten. Dies ergibt sich unmittelbar aus Artikel 3 Abs. 2 EUGVVO in Verbindung mit Anhang I zur EUGVVO (abgedruckt bei Zöller 24.Aufl., Anhang I Seite 2707). Denn Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben, können insbesondere aufgrund der im Anhang I aufgeführten innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften nicht vor den Gerichten eines anderen Mitgliedsstaates verklagt werden. In Anhang I ist § 23 ZPO ausdrücklich aufgeführt.
Die Klagen gegen die Beklagten zu 1 - 4 sind unbegründet.
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Zahlungsansprüche aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Die Ansprüche lassen sich nicht aus §§ 170 Abs. 2, 171 Abs. 1 InsO herleiten. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien findet gemäß § 335 InsO deutsches Insolvenzrecht Anwendung, da das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin in Deutschland eröffnet worden ist. Etwas anderes ergibt sich für den vorliegenden Fall nicht aus § 336 InsO. Denn es geht gerade nicht um die Auswirkungen/Rechtswirkungen der Insolvenz auf ein Vertragsverhältnis. Der Kläger macht vielmehr gesetzliche Verwertungsansprüche nach §§ 166 ff. InsO geltend. Dem Kläger steht allerdings nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der C kein Verwertungsrecht an den Leasingforderungen gemäß § 166 Abs. 2 InsO zu. Die Leasingforderungen wurden von der Insolvenzschuldnerin weder begründet noch selbst an die B abgetreten. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Leasingforderungen gegen D (D) zur Insolvenzmasse gehörten (§ 35 InsO) und die Abtretungen der Leasingansprüche von der A an die B rechtlich als Sicherungsabtretungen der Insolvenzschuldnerin an die Beklagten zu qualifizieren sind. Bei einem echten uneigennützigen Treuhandverhältnis ist das Treugut zwar als der Insolvenzmasse zu gehörig anzusehen (vgl. Uhlenbruck 12. Aufl. § 35 Rz. 76, Palandt § 903 Rz. 41). Ein echtes Treuhandverhältnis ist jedoch zumindest bezüglich der Leasingforderungen im Verhältnis der Insolvenzschuldnerin als Treugeberin und der A als Treuhänderin nicht mit der Wirkung begründet worden, dass die Leasingforderungen als zur Insolvenzmasse zugehörig anzusehen sind. Ein echtes Treuhandverhältnis liegt vor, wenn jemand als Treugeber einem anderen als Treuhänder etwas aus seinem Vermögen unmittelbar überträgt und zwar mit der Abrede, dass der Übertragungsempfänger das übertragene Recht zwar im eigenen Namen aber nicht zum eigenen Vorteil auszuüben hat (Uhlenbruck, § 35 Rz. 73). Grundlage für das echte Treuhandverhältnis ist, dass der übereignete Vermögensgegenstand dem Treuhänder nur formell zusteht, der Treugeber dem gegenüber materiell und wirtschaftlich der wahre Inhaber ist (Uhlenbruck § 35 Rz. 73 mit weiteren Nachweisen). Vorliegend fehlt es bereits an der von der herrschenden Meinung geforderten unmittelbaren Übertragung des Treugutes vom Treugeber auf den Treuhänder (vgl. z. Erfordernis der Unmittelbarkeit Palandt § 903 Rz. 41, BGH DNotZ 1991, Seite 377 ff.).
Die Insolvenzschuldnerin war zu keinem Zeitpunkt Inhaberin von Ansprüchen aus den Leasingverträgen mit der D. Die Leasingverträge wurden vielmehr allein zwischen der A und der D abgeschlossen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die A die Verträge unter Hinweis auf ihre Stellung als Treuhänderin abgeschlossen hat (Bl. 223 d. A.).
Im Übrigen kann die Insolvenzschuldnerin auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht als wahre Inhaberin der Leasingforderungen angesehen werden. Der Abschluss der Leasingverträge diente auch nach dem Vortrag der Klägerseite der Finanzierung der Kaufpreisforderung für die Flugzeuge durch die D.
Zweck der von der A in ihrer Eigenschaft als Treuhänderin abgeschlossen Darlehensverträge war es der Insolvenzschuldnerin ein Betrag in Höhe von 80 % des Kaufpreises für die Flugzeuge zu verschaffen. Mittels der Leasingzahlungen der D wurden diese Darlehensverbindlichkeiten bedient. Vor diesem Hintergrund kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung die Insolvenzschuldnerin wahre Inhaberin der Leasingforderungen war. Denn die Insolvenzschuldnerin hatte den durch die Leasingraten zurückzuführenden Darlehensbetrag bereits ausbezahlt bekommen. Die Leasingraten standen bei wirtschaftlicher Betrachtung den jeweiligen Kreditgebern als Leistungen der Leasingnehmerin (D) zu. Dem gemäß wurden die Forderungen aus den Leasingverträgen auch von der A an die B abgetreten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach Tilgung der Darlehensforderungen die Leasingraten zur Erfüllung des Restkaufpreises (20%) von der A an die Insolvenzschuldnerin weitergeleitet werden sollten. Denn die durch die gewählte Finanzierungskonstruktion geschaffenen rechtlichen Strukturen und Beziehungen der Beteiligten können nicht durch bloße wirtschaftliche Überlegungen in ihrem Inhalt verändert werden.
Da dem Kläger gemäß § 166 Abs. 2 InsO kein Verwertungsrecht an den Leasingforderungen zustand, hat die B die Forderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nicht anteilig unberechtigt eingezogen und an die Beklagten ausgekehrt. Ein Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB scheidet somit aus. Dahin stehen kann daher, ob im Hinblick auf Artikel 38 EGBGB überhaupt deutsches Recht Anwendung findet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).
Ende der Entscheidung
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