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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.12.2002
Aktenzeichen: 23 U 185/01
Rechtsgebiete: AGBG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 2
BGB § 558
ZPO § 29
ZPO § 92 I
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 207
ZPO § 270 Abs. 3
ZPO § 708 Nr.10
ZPO § 713
1. Zur internationalen Zuständigkeit auf Grund Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach dem EuGVÜ bei der deutschen Sprache nicht mächtigen Kunden.

2. Hat ein nicht Deutsch sprechender Kunde im Ausland bei einem Reisebüro, das mit einer deutschen Autovermietung zusammenarbeitet, in seiner Landessprache mittels Voucher ein Mietfahrzeug reserviert, werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht wirksam dadurch vereinbart, dass ihm später in Deutschland Vertragsunterlagen übergeben werden, die in Deutsch und/oder Englisch abgefasst sind.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

23 U 185/01

Verkündet am 11.12.02

In dem Rechtsstreit

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes in Frankfurt am Main durch die Richter ....auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6.11.2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung und die Anschlussberufung gegen das am 9.8.2001 verkündete Urteil der 12.Zivilkammerdes Landgerichtes in Frankfurt am Main werden zurückgewiesen.

Von den Kosten der Berufung haben die Klägerin 98 %, der Beklagte 2 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 17.435,96 EUR, die des Beklagten 332,34 EUR.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt eine gewerbliche Autovermietung. Mit ihrer Klage macht sie Schadensersatz wegen der Beschädigung eines vom Beklagten bei ihr angemieteten Fahrzeuges geltend.

Der Beklagte ließ bei der Klägerin über ein italienisches Reisebüro einen Mietwagen reservieren, wobei ein in italienischer und englischer Sprache vorgedruckter Voucher ( Muster BI.112) ausgefüllt wurde. Am 03.06.2000 suchte er die Vermietstation der Klägerin im Frankfurter Flughafen auf, legte den vom Reisebüro ausgestellten Voucher vor und unterzeichnete den Mietvertrag betreffend das Fahrzeug Mercedes Benz C 180 mit dem amtlichen Kennzeichen MZ- LC 8385 (Kopie Bl. 7 f. d. A.). Die Konversation anlässlich der Anmietung des Fahrzeugs fand- soweit aufgrund der vorliegenden Reservierung eine verbale Kommunikation überhaupt noch nötig war- in Englisch statt, das der Beklagte in geringem Umfang beherrscht. Deutsch spricht der Beklagte nicht.

Dem Vertrag nach wurde eine Haftungsreduzierung auf einen Selbstbehalt von 650,00 DM für alle während der Mietzeit eintretende Schäden vereinbart. Das auf dem Mietvertragsformular hierfür vorgesehene Kästchen wurde vom Beklagten mit seinen Initialen versehen. In dem verwendeten Vertragsformular befindet sich über der Unterschriftenzeile, auf der der Beklagte unterschrieb, ein Hinweis in deutscher Sprache darauf, dass Grundlage des Mietvertrages die Bedingungen auf den beiden Seiten des Vertragsformulars sowie im Beiblatt sind. In den Mietvertragsbedingungen, die auf der Rückseite des Vertragsformulars abgedruckt sind, heißt es unter 4. Nutzung des Fahrzeugs

"Das Fahrzeug darf nur im öffentlichen Straßenverkehr benützt werden, nicht jedoch zu Geländefahrten, Fahrschulübungen, im Zusammenhang mit Motorsport oder zum Befahren von Rennstrecken, auch wenn diese für das allgemeine Publikum zu Test- und Übungsfahrten freigegeben sind."

Unter Ziffer 8 (Pflichten des Mieters/Fahrers bei Schadensfall oder Panne) heißt es u.a.:

"Der Mieter/Fahrer ist verpflichtet, den Schadensfall unverzüglich und persönlich in der nächst erreichbaren Avis-Station auf dem Avis-Schadensformular vollständig und wahrheitsgemäß zu melden."

"Auch bei der weiteren Bearbeitung des Schadensfalles ist der Mieter/Fahrerverpflichtet, AVIS und deren Versicherer zu unterstützen".

Unter Ziffer 11 (Wegfall der Haftungsreduzierung) ist festgehalten, dass die Haftungsreduzierung für Schäden während der Mietzeiten nicht eintrete, wenn der Mieter eine in Ziffern 2 bis 8 genannten Bestimmungen verletze.

Nach Ziffer 16 der Mietvertragsbedingungen soll für alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Mietvertrag das für den Sitz der Klägerin zuständige Gericht zuständig sein, falls der Mieter Vollkaufmann ist oder keinen allgemeinen Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland hat.

Das von der Klägerin verwendete Mietvertragsformular besteht aus einem Formularsatz mit drei Durchschlägen. Der letzte der Durchschläge enthält den Vertragstext und auf der Rückseite die Vertragsbedingungen in englischer Sprache. Auf der ersten Seite des Mietvertragsformulars beginnt unterhalb der Unterschriftenzeile ein roter Pfeil, an dessen Ende sich die rot gedruckten Worte "ENGLISH TRANSLATION SEE PAGE 4 (YELLOW)" befinden.

Der Beklagte nahm am 04.06.2000 mit dem Fahrzeug der Klägerin an einer sogenannten Touristenfahrt auf dem alten, an diesem Tag für die Öffentlichkeit geöffneten Abschnitt des Nürburgringes teil. Er kam von der Fahrbahn ab und touchierte die Leitplanke und drei Pfosten, wobei das Fahrzeug der Klägerin beschädigt wurde (Schadensmitteilung des Beklagten und der Nürburgring GmbH vom 04.06.2000, in Kopie Bl. 9 d. A.).

Am 08.06.2000 ließ die Klägerin das beschädigte Fahrzeug von einem Abschleppunternehmer abholen. Am 03.07.2000 schaffte sie für das beschädigte Fahrzeug ein Ersatzfahrzeug an.

Die Klägerin gab zur Feststellung der entstandenen Schäden und der erforderlichen Reparaturkosten beim Ingenieurbüro Schaller ein Gutachten in Auftrag. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass die voraussichtlichen Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer 37.934,88 DM, die Wertminderung 3.000,00 DM, der Wiederbeschaffungswert 38.900,00 DM und der Restwert des Fahrzeuges 8.500,00 DM betrage (Bl. 10 ff. d.A.). Für die Erstellung des Gutachtens entstanden der Klägerin Kosten in Höhe von 2.057,80 DM netto (Bl. 33 d.A.).

Die Klägerin macht mit ihrer Klage neben dem Ersatz des Fahrzeugschadens in Höhe von 30.400,00 DM die Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens, einen Mietausfallschaden für 2 Wochen in Höhe von täglich 149,57 DM, insgesamt 2.093,98 DM, pauschale Kosten für die Abmeldung des Unfallfahrzeuges sowie die Anmeldung des Ersatzfahrzeuges in Höhe von 150,00 DM sowie eine Kostenpauschale in Höhe von 50,00 DM geltend. Mit Schreiben vom 04.09.2000 hat sie den Beklagten aufgefordert, Schadensersatz zu leisten.

Der Beklagte hat sich demgegenüber auf Verjährung berufen und die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts in Frankfurt am Main gerügt.

Die Klägerin hat behauptet, das beschädigte Fahrzeug sei zwischen dem Zeitpunkt der Erstzulassung am 25.01.2000 und dem Unfalldatum an 99 von insgesamt 132 Tagen vermietet, also zu 75 % ausgelastet gewesen. Sie bezieht sich hierzu auf eine von ihr erstellte Übersicht (Blatt 35 d.A.). Der Mietpreis für das Fahrzeug habe zum Zeitpunkt der Beschädigung nach der Preisliste der Klägerin (Bl. 36 d.A.) 211,21 DM pro Tag betragen. Bis zum Unfall habe das Fahrzeug durchschnittlich 139 km pro Tag zurückgelegt. Unter Berücksichtigung von ersparten Eigenkosten in Höhe von 6,36 DM netto auf 100 km ergebe sich deshalb ein durchschnittlicher kalendertäglicher Gewinn von 149,57 DM.

Die Klägerin hat weiterhin behauptet, der Beklagte habe nach der Unterzeichnung des Vertrages die beiden letzten Durchschläge des Vertragsformulars erhalten, also einen Durchschlag in deutscher und einen in englischer Sprache (Beweis: Zeugnis des Olaf Schmitt).

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 17.768,30 € nebst 8,68 % Zinsen per annum seit dem 04.10.2000 zu zahlen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das Landgericht in Koblenz zu verweisen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, in seinem Auftrag habe unverzüglich nach dem Schadensereignis ein auch Italienisch sprechender Bekannterden Unfall telefonisch gemeldet (Beweis: Zeugnis des H.R.). Das Mahnschreiben der Klägerin vom 04.09.2000 habe er nicht erhalten.

Die Klageschrift ging am 30.11.2000 bei Gericht ein. Am 01.12.2000 wurde die Klägerin zur Zahlung des Kostenvorschusses aufgefordert. Dieser ging am 14.12.2000 bei Gericht ein. Am 19.12.2000 wurde im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Auslandszustellung ein weiterer Vorschuss angefordert, der am 2.1.2001 einging. Die Klage wurde dem Beklagten im Wege der Auslandszustellung am 22.02.2001 zugestellt.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 332,34 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung führt das Landgericht aus, dass die Zuständigkeit sich gemäß Artikel 28 EGBGB nach deutschem Recht richte und das Landgericht Frankfurt am Main nach § 29 ZPO als Gericht des Erfüllungsortes örtlich zuständig sei. Der Beklagte hafte nur in Höhe der vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung von 650,00 DM, da er in fahrlässiger Weise in die Leitplanke gefahren sei und den Unfall verschuldet habe. Dieser Anspruch sei nicht verjährt, da die Zustellung der Klageschrift demnächst erfolgt sei. Die Klägerin habe dabei die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses abwarten dürfen. Die lange Dauer der Zustellung sei im Wesentlichen durch die erforderliche Auslandszustellung verursacht worden. Den Ersatz weiterer entstandener Schäden könne die Klägerin nicht entsprechend ihren AGB verlangen, da sie dem Beklagten nicht die Möglichkeit verschafft habe, in zumutbarer Weise von dem Inhalt ihrer AGB Kenntnis zu nehmen. Es fehle an einem ausdrücklichen Hinweis auf die AGB der Klägerin. Ein solcher ausdrücklicher Hinweis liege nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der das Landgericht folge, nur dann vor, wenn der Hinweis vom Verwender unmissverständlich und für den Kunden klar erkennbar geäußert wurde. Bei einem Vertragsschluss mit einem nicht der deutschen Sprache mächtigen ausländischen Kunden müsse der Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Verhandlungssprache erfolgen. Verhandlungssprache sei dabei die Sprache, derer sich die Vertragsparteien bei den Verhandlungen übereinstimmend tatsächlich bedienen. Dies sei im vorliegenden Fall Englisch gewesen. Der auf der Vorderseite befindliche Hinweis auf die Übersetzung in die englische Sprache lasse nicht klar erkennen, dass auch die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Klägerin Bestandteil des Vertrages werden sollten. Es sei erforderlich, dass bereits auf der ersten Seite des Vertragsformulars ein Hinweis in der Vertragssprache vorhanden sei, dem sich entnehmen lasse, dass weitere, auf Seite 1 nicht abgedruckte Vertragsbedingungen existieren und in die englische Sprache übersetzt sind. Diese hohen Anforderungen seien in Hinblick auf die Regelung des § 2 AGBG und den Umstand, dass die Klägerin bei Vertragsschlüssen am Frankfurter Flughafen mit einer Vielzahl von Kunden rechnen müsse, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung hat das Landgericht auf § 92 Abs. 2 ZPO gestützt.

Dieses am 09.08.2001 verkündete Urteil wurde den Klägervertretern am 23.08.2001 zugestellt. Die Klägerin hat gegen dieses Urteil am 11.09.2001 Berufung eingelegt und diese am 05.10.2001 begründet. Der Beklagte hat am 27.12.2001 Anschlussberufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung weiterhin den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch. Sie ist der Auffassung, dass die Gestaltung der Mietvertragsformulare in Anbetracht des Umstands, dass Vertragssprache der Parteien Englisch gewesen sei, ausreichend sei. Durch den Übersetzungshinweis erfolge auch ein unmissverständlicher Hinweis auf die Vertragsbedingungen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 09.08.2001 (2/12 0 428/00) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,

über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag hinaus an die Klägerin weitere

17.435,96 € nebst 6 % Zinsen p.a.

über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 23.12.2001 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, und weiterhin,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 09.08.2001 die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass keine wirksame Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vorliege. Um dies zu erreichen, hätte die Klägerin die Mietvertragsbedingungen dem Beklagten in italienischer Übersetzung aushändigen und einen entsprechenden Hinweis in italienischer Sprache auf der ersten Seite des Mietvertragsformulars anbringen müssen. Zu berücksichtigen sei insoweit, dass der Beklagte die Anmietung des Fahrzeugs bereits in Italien mittels Reservierung über ein italienisches Reisebüro vorbereitet habe, und dass in dem Reservierungsvoucherder Klägerin bereits alle vom Beklagten gewünschten Leistungen aufgeführt worden seien. Vertragsverhandlungen oder eine Konversation in englischer Sprache hätten dann am Frankfurter Flughafen nicht mehr stattgefunden. Im Übrigen habe der Beklagte keine Rennstrecke befahren und den Schaden weder grob fahrlässig noch vorsätzlich verursacht.

Die Anschlussberufung sei begründet, weil der vom Landgericht zuerkannte Anspruch verjährt sei. Eine Unterbrechung gemäß § 270 Abs. 3 ZPO liege nicht vor. Das Verhalten der Klägerin sei nachlässig gewesen, wie sich u.a. dem Umstand entnehmen lasse, dass der am 01.12. 2000 angeforderte Kostenvorschuss erst am 14.12.2000 eingezahlt wurde.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

In Anbetracht des Umstands, dass die Kostenanforderung des Gerichts vom 01.12.2000 beim Klägervertreter am 05.12.2000 eingegangen und der entsprechende Betrag bereits am 11.12.2000 abgebucht worden sei, könne von einer Verzögerung bei Einzahlung des Koste n Vorschusses nicht die Rede sein.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S. in mündlicher Verhandlung am 06.11.2002.

Entscheidungsgründe:

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig, aber nicht begründet.

1. Zur Zuständigkeit:

In erster Instanz wurden sowohl die örtliche wie auch die internationale Zuständigkeit gerügt. Die vom Landgericht bejahte örtliche Zuständigkeit ist im Berufungsverfahren nicht erneut zu prüfen (§ 512 a ZPO alte Fassung). Die internationale Zuständigkeit aber ist in jedem Rechtszug zu prüfen (Zöller-Geimer, ZPO, 22. Aufl., § 529, Rn. 11, OLG Koblenz RIW 87,144 f.), sie ist im vorliegenden Fall gegeben.

Der Beklagte ist italienischer Staatsangehöriger. Da Deutschland und Italien Vertragsstaaten des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidung in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) sind, richtet sich die Zuständigkeitsbestimmung nach diesem Abkommen. Das EuGVÜ ist zwar zum 1.3.2002 durch die VO ( EG ) Nr.44/2001 vom 22.12.2000 ersetzt worden. Gemäß Art. 66 dieser VO ist das EuGVÜ jedoch noch auf den vorliegenden Altfall anwendbar, da die Klage vor dem Inkrafttreten der VO erhoben wurde.

Gemäß Artikel 2 dieses Übereinkommens besteht grundsätzlich die Wohnsitzzuständigkeit.

Wird, wie im vorliegenden Fall, die gerichtliche Zuständigkeit aus AGB abgeleitet, ist eine strikte Prüfungsreihenfolge bei genauer Festlegung der Prüfungskriterien erforderlich. Die Prüfung, die im angefochtenen Urteil nicht enthalten ist, ist - ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH - wie folgt vorzunehmen.

- Liegt eine wirksame Vereinbarung des Gerichtsstands nach Artikel 17 f. EuGVÜ vor?

- Falls nein, liegt eine besondere Zuständigkeit, z.B. nach Artikel 5 EuGVÜ, vor?

Die Bestimmungen des EuGVÜ sind dabei "autonom" und eng anhand des Geistes des Übereinkommens nur bezüglich des Gerichtsstandes zu prüfen. Nationale Normen und Auslegungsüblichkeiten dürfen in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen. Sind die Voraussetzungen des Artikel 17 EuGVÜ erfüllt, stellt sich die Frage, ob es sich lediglich um Mindesterfordernisse handelt und an Hand nationalen Rechtes ggfls. weitere Prüfungen durchgeführt werden können. Diese Frage dürfte nicht sehr häufig praktisch werden, sie bezieht sich z.B. auf die Anwendung des allgemeinen Teils (etwa Geschäftsfähigkeit) und ist umstritten (Reithmann/Martiny-Hausmann, Internationales Vertragsrecht, 5. Aufl., 1996, Rn. 2126). Die übrigen Klauseln der AGB (mit Ausnahme der Gerichtsstandsvereinbarung) sind sodann ggfls. ausschließlich nach nationalem Recht - also andere Kriterien - zu prüfen.

Im vorliegenden Fall haben die Parteien eine schriftliche Vereinbarung im Sinne des Artikel 17 Abs. 1 Satz 2 a EuGVÜ getroffen. Der Rechtsprechung des EuGH nach (NJW 77, 494) ist jedoch ein Verweis auf auf der Rückseite der Vertragsurkunde abgedruckte AGB nur dann genügend, wenn der von beiden Parteien unterzeichnete Vertragstext ausdrücklich auf diese AGB Bezug nimmt. Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob das Vertragsziel, es zu vermeiden, dass unbemerkt Gerichtsstandsklauseln in das Vertragsverhältnis eingeführt werden (vgl. dazu Kohler IPrax 91, 299), es gebietet, dass der Hinweis auf die AGB auch einen Hinweis darauf beinhaltet, dass die AGB eine Gerichtsstandsvereinbarungsklausel enthalten (bejahend: LG Heidelberg RIW 76, 334 f., Kohler a.a.O., 301; verneinend: OLG Koblenz RIW 87,146, OLG Hamm IPrax 91,324 f., Reithmann/Martiny-Hausmann a.a.O. Rn. 2137). Dem Umstand, dass in der zitierten Entscheidung des EuGH nicht die Forderung erhoben wird, dass im Rahmen der Bezugnahme die Existenz einer Gerichtsstandsvereinbarungsklausel erwähnt wird, wird überwiegend entnommen, dass der EuGH einen solchen speziellen Hinweis nicht für erforderlich hält (OLG Koblenz RIW 87,146).

Ein solcher allgemeiner Hinweis auf die Existenz von AGB liegt im vorliegenden Fall jedoch nur in deutscher Sprache vor. Die von der Klägerin verwendeten Vertragsurkunden enthalten auf der Vorderseite, die allein von den Parteien unterschrieben wird und damit allein maßgeblich im Sinne der genannten EuGH -Entscheidung ist, in englischer Sprache lediglich den herausgehobenen Vermerk "English Translation See Page 4 (Yellow)". Wie das Landgericht zutreffend in dem Urteil (an anderer Stelle) ausführt, fehlt selbst für den englischsprachigen Leser der unmissverständliche Hinweis darauf, dass es ergänzende Bedingungen zum Vertrage gibt, die auf der Vorderseite nicht abgedruckt sind und dennoch Bestandteil des Mietvertrages werden sollen. Der Hinweis auf die Übersetzung wirkt vielmehr so, als ob nur die Übersetzung eines nur aus einer Seite bestehenden Vertragstextes vorhanden und maßgeblich sei (Seite 10 des Urteils, Bl. 136). Da der englischsprachige Hinweis also nicht ausreichend war, kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf die tatsächliche Frage an, ob nicht vielleicht Italienisch die Verhandlungs- und Vertragssprache war, in der nach einhelliger Auffassung (vgl. Reithmann/Martiny-Hausmann, a.a.O., Rn. 2139, Kohler IPrax 91, 301) der Hinweis auf die Geltung der AGB erfolgen muss.

Die Berufung argumentiert damit, dass die Vertragsunterlagen auch eine englischsprachige Durchschrift des Vertragstextes enthalten, die auf die umseitig abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen in englischer Sprache verweisen. Dies ist jedoch nicht ausreichend. Aus dem zitierten Urteil des EuGH geht klar hervor, dass der Verweis auf die AGB ein Bestandteil des von beiden Parteien unterzeichneten Vertragstextes sein muss. Die Durchschrift ist aber von dem Beklagten unstreitig nicht unterzeichnet worden. Etwas anderes mag im internationalen kaufmännischen Verkehr gelten - für den Bereich von Verbraucherverträgen ist an der strengen Auslegung des Art. 17 EuG-VÜ festzuhalten.

Da in erster Instanz - wie von Artikel 18 Satz 2 EuGVÜ gefordert - auch die internationale Zuständigkeit sofort und ausdrücklich gerügt worden ist, ist eine internationale zu akzeptierende Vereinbarung für die Gerichtszuständigkeit nicht getroffen worden.

Es ergibt sich jedoch eine internationale Zuständigkeit aus Artikel 5 Ziff. 1 EuGVÜ. Nach dieser Vorschrift besteht eine besondere Zuständigkeit bei Ansprüchen aus einem Vertrag vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung zu erfüllen gewesen wäre. Im vorliegenden Fall ist der Beklagte seiner ausdrücklich dem Mietvertrag nach bestehenden Verpflichtung, das Fahrzeug (unbeschädigt) am Frankfurter Flughafen zurückzugeben, nicht nachgekommen. Eine solche nicht ordnungsgemäße Erfüllung der Vertragspflichten begründet die Zuständigkeit im Sinne des Artikel 5 Ziff. 1 EuGVÜ (Baumbach/Lauterbach-Albers, ZPO, SO. Aufl. 2002, Schlussanhang V c 1 Art. 5, Rn. 7). Diese Vorschrift begründet keine Annexzuständigkeit, es können also deliktische Ansprüche nicht neben vertraglichen aufgrund dieser Zuständigkeitsvorschrift geltend gemacht werden (Baumbach/Lauterbach-Albers, a.a.O., Schlussanhang V c 1 Art. 5, Rn. 2).

Die internationale Zuständigkeit ist daher, beschränkt auf vertragliche Ansprüche, gegeben.

2. Begründetheit der Klage

Die Ansprüche, die die Klägerin geltend macht, beruhen gleichfalls auf ihren AGB. Die Klägerin macht geltend, dass die Benutzung des Fahrzeugs auf dem Nürburgring Ziff. 4 der AGB widersprochen habe; außerdem habe der Beklagte seine sich aus Ziff. 8 der AGB ergebende Pflicht, den Schadensfall der Klägerin unverzüglich und persönlich zu melden, verletzt.

Im Hinblick auf den Umstand, dass der Beklagte der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist erneut zu prüfen, ob die AGB wirksam vereinbart worden sind. Dies ist, wie im Folgenden ausgeführt wird, nicht der Fall.

Insoweit ist gemäß Artikel 28 EGBGB deutsches Recht anzuwenden. Die enge Verbindung zum deutschen Recht ist in Anbetracht des Umstandes, dass in Deutschland ein Pkw angemietet und zurückzugeben war, unzweifelhaft.

Es hat also eine Prüfung der AGB anhand des AGB-Gesetzes zu erfolgen.

Werden AGB in Vertragsbeziehungen mit nicht Deutsch sprechenden Kunden verwandt, so wird auch in dem Bereich des AGB-Gesetzes gefordert, dass ein Hinweis auf die AGB in der Verhandlungs- und Vertragssprache erfolgen muss (BGHZ 87,112,114; weitergehend Sörgel-Stein, BGB, Band 3, § 2 AGB-Gesetz Rn. 7: Es sei auch bei nicht Deutsch Sprechenden sicher zu stellen, dass sie den Hinweis auf die Geltung von AGB verstehen). Anders als beim parallelen Problem des Artikel 17 EuGVÜ wird auch teilweise die Auffassung vertreten, dass nach deutschem Recht ein Hinweis auf die AGB und deren Abdruck in einer "Weltsprache" genüge, auch wenn der Kunde diese nicht verstehe (vgl. Ulmer/Brander/Hensen - H. Schmidt, AGB-Gesetz, 9. Aufl., 2001, Rn. 15). Unabhängig von diesen Fragestellungen ist für das deutsche AGB-Recht festzustellen, dass ein Hinweis in deutscher Sprache gegenüber einem nicht Deutsch sprechenden Kunden nicht ausreichend ist (BGHZ 87,112,114, Ulmer-Brander-Hensen - H. Schmitt a.a.O. Anhang § 2 AGB-Gesetz Rn. 15), und dass der Hinweis in deutlicher Form auf der Vorderseite der Vertragsurkunde enthalten sein muss (Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., 2002, § 2 AGB-Gesetz, Rn. 5).

In welcher Sprache die Vertragsverhandlungen am Schalter der Klägerin auf dem Frankfurter Flughafen geführt wurden, hat sich nicht mehr feststellen lassen. Der als Zeuge gehörte Mitarbeiter der Klägerin S. hat angegeben, dass er sich an das Gespräch nicht mehr erinnern könne. Meist würden die Gespräche auf Englisch geführt. Italienisch spreche er nicht, er kenne nur ein paar Worte, die er gelegentlich in solchen Gesprächen benutze. Denkbar ist unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Beklagte einen Voucher vorlegte, dass die Kommunikation weitgehend nonverbal stattfand.

Der Senat ist der Auffassung, dass bei der besonderen Konstellation des vorliegenden Falles ein Hinweis auf die AGB in italienischer Sprache hätte erfolgen müssen. Die Besonderheit des vorliegenden Falles ist dadurch gekennzeichnet, dass der Beklagte wegen seiner sprachlichen Unsicherheiten das Mietfahrzeug bereits bei einem italienischen, mit der Klägerin kooperierenden Reisebüro reservieren ließ und dabei einen in Italienisch und Englisch abgefassten Voucher erhielt, in dem bereits eine Reihe von wichtigen Daten aufgenommen wurden, die später nur transskribiert werden mussten.

Wenn die Klägerin ihre Geschäftsanbahnungen aber in dieser Form auch auf Italien ausdehnt und sich bei der Formulierung der Vouchers auch der italienischen Sprache bedient, ist es nicht einzusehen, warum sie nicht auch Übersetzungen ihrer AGB in die italienische Sprache vorrätig hält. Italienisch ist in einem solchen Fall die Vertragssprache.

Der Auffassung, dass ein Hinweis in einer Weltsprache genüge, kann sich der Senat zumindest für die vorliegende Fallgestaltung nicht anschließen. Ein solcher Hinweis mag ausreichend sein, falls der Kunde eine in Deutschland wenig gebräuchliche Sprache spricht und die Klägerin auch keine Geschäftsanbahnungen unter Benutzung dieser Sprache vornimmt. Ist aber eine andere Sprache als Deutsch die Vertragssprache, müssen die AGB in dieser Sprache vorliegen und ein Hinweis auf sie auch in dieser Sprache erfolgen.

Die AGB begründen also keinen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten.

Es verbleibt die Frage, ob nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen eine Haftung des Beklagten besteht. Insoweit kommt eine fahrlässige (§ 276 BGB) positive Vertragsverletzung des Mietvertrages in Form der Verletzung der Schutzpflicht für das vermietete Objekt (vgl. Palandt/Heinrichs a.a.O., § 276, Rn. 117 f.) in Betracht. Über den Unfall ist wenig bekannt. Eine Unfallschilderung liegt nicht vor. Fakt ist lediglich, dass der Beklagte das Auto (kräftig), 24 Meter Leitplanken und 3 Pfosten beschädigt hat. Mehr ist der Schadensmitteilung des Nürburgrings (Bl. 9) nicht zu entnehmen. Man könnte insoweit an einen prima facie Beweis denken. Das Touchieren der Leitplanke rechtfertigt jedoch noch nicht die Annahme eines Anscheinsbeweises für die grobe Fahrlässigkeit des Fahrers (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., Anhang zu § 286, Rn. 108). Die Vermutung, dass der Beklagte mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist, mag nahe liegen. Wenn aber keinerlei Angaben über in etwa eingehaltene Geschwindigkeit, das Verkehrsaufkommen und den Bodenzustand gemacht werden, lässt sich nicht feststellen, ob ein grober Fahrfehler des Beklagten oder von ihm nicht zu beeinflussende Umstände zu dem Unfallereignis führten. Kann dem Beklagten aber keine grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden, muss davon ausgegangen werden, dass die von dem Beklagten bei Vertragsschluss mit der Klägerin abgeschlossene Kaskoversicherung die Regulierung übernimmt (vgl. § 61 VVG ).

3. Zur Anschlussberufung

Die Anschlussberufung ist zurückzuweisen. Der Senat stimmt insoweit den Darlegungen in dem angefochtenen Urteil (Seite 8, Bl. 134) zu. Verjährung gemäß § 558 BGB ist nicht eingetreten, da eine Zustellung "demnächst" im Sinne von §§ 207, 270 Abs. 3 ZPO bewirkt wurde. Eine Zustellung in diesem Sinne kann auch nach längerer Frist ausreichend sein (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 270, Rn. 19). Die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses darf abgewartet werden, nach Anforderung muss in der Regel binnen 2 Wochen eingezahlt werden (Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 270 Rn. 8). Daran hat sich die Klägerin gehalten. Die Verzögerung durch die Notwendigkeit der Übersetzung und Zustellung in Italien gehen nicht zu Lasten der Klägerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Das vorliegende Urteil stellt keine Abweichung von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes dar - es stimmt vielmehr in der zentralen Frage mit dem Urteil des VII. Zivilsenates vom 10.3.1983 (Z 87,112ff.) überein.

Ende der Entscheidung

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