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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 15.09.2006
Aktenzeichen: 23 U 250/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO:

Die Klägerin schloß mit der Beklagten unter dem 8.5.2001 einen Darlehensvertrag zum Zwecke der Finanzierung einer von ihrem damaligen Lebensgefährten A erworbenen Eigentumswohnung in O1, .... Sie begehrt von der Beklagten die Feststellung der Unwirksamkeit des Darlehensvertrages nebst der erfolgten Abtretung von Lohnansprüchen und eines notariellen Schuldanerkenntnisses. Hinsichtlich des Sachverhalts im einzelnen wird zunächst auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 2.9.2005, der Klägerin zugestellt am 12.9.2005, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, weder habe die Klägerin den Darlehensvertrag wirksam widerrufen noch sei er sittenwidrig. Eine etwaige Haustürsituation sei nicht ursächlich für die von der Klägerin übernommenen Verpflichtungen. Ihr Lebensgefährte habe weder den Kauf- noch den Darlehensvertrag widerrufen. Zudem sei ein etwaiges Widerrufsrecht durch das erklärte notarielle Schuldanerkenntnis untergegangen. Etwaige Unkorrektheiten des Vermittlers des Kaufvertrages seien der Beklagten nicht zurechenbar. Der Darlehensvertrag sei auch nicht sittenwidrig. Zwar sei die Klägerin nur als Mithaftende anzusehen. Sie sei aber durch ihre Mithaftung nicht finanziell krass überfordert. Eine im Hinblick auf ihr Einkommen, wie es sich aus der Selbstauskunft ergibt, bestehende finanzielle Überforderung liege wegen der Absicherung des Darlehens durch eine Grundschuld, die auch werthaltig sei und im Falle der Leistung auf sie übergehe, tatsächlich nicht vor. Ferner fehle es bei der Beklagten jedenfalls an der subjektiven Komponente.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 29.9.2005 eingelegten und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 27.12.2005 am 22.12.2005 begründeten Berufung, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Sie hält den Darlehensvertrag und die Folgeverträge für sittenwidrig. Sie behauptet, die Berechnungen des Vermittlers C, welche dem Abschluß des Kaufvertrages zugrundelägen, seien in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Bei richtiger Berechnung wäre es zum Vertragsabschluß nicht gekommen. Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei als finanzierendes Kreditinstitut verpflichtet gewesen, sich bei dem Vermittler über die Umstände der Vertragsverhandlungen zu erkundigen, da sie sich dessen Tätigkeit zu Nutze gemacht habe. Ihr hätte sich die Unrichtigkeit von dessen Eigenaufwandsberechnung aufdrängen müssen. Sie sei durch den Vertrag unter Berücksichtigung ihres Einkommens und ihrer Belastungen wirtschaftlich krass überfordert. Hierbei habe die Beklagte über die ihr vorliegende Selbstauskunft hinaus eigene Ermittlungen anstellen müssen. Die Absicherung des Darlehens durch die Grundschuld sei nicht zu berücksichtigen, da die Grundschuld auch weitere Ansprüche der Beklagten gegen Herrn A sichere, zumal die Eigentumswohnung nicht entsprechend werthaltig sei. Ergänzend bezieht sich die Klägerin auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Wiesbaden (Az.: 3 O 23/05) vom 2.9.2005 abzuändern und festzustellen,

daß der am 8.5.2001 zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag zu Konto Nr. ... nichtig ist,

daß die Abtretung von Ansprüchen auf Arbeitseinkommen und Sozialleistungen vom 9.5.2001 nichtig ist,

daß das vollstreckbare Schuldanerkenntnis des Notars B, O2, UR.Nr. ... R vom 26.6.2001 nichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise beantragt sie,

die Revision zuzulassen.

Sie beruft sich auf die Begründung des Landgerichts und auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie hält die Klägerin für eine Mitdarlehensnehmerin, nicht lediglich für eine Mithaftende. Sie habe selbst zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten die gemeinsame Finanzierung initiiert. Beide hätten eine Ausbildung und einen beruflichen Werdegang vorweisen können, sie hätten über ein in etwa gleich hohes Monatseinkommen verfügt und seien etwa gleich alt. Eine Korrektur des Vertrages über § 138 BGB sei mangels Verhandlungsungleichgewichts nicht geboten. Eine krasse finanzielle Überforderung der Klägerin liege schon deshalb nicht vor, weil die Sicherung durch die Grundschuld mitzuberücksichtigen sei, da sie das Haftungsrisiko der Klägerin in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränke. Sie diene nach Nr. 13.1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich zur Sicherung aller gegenwärtiger und künftiger Geschäftsbeziehungen, welche die Klägerin und Herr A gemeinsam begründeten. Im übrigen stehe einer Annahme der Sittenwidrigkeit entgegen, daß seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1.1.1999 die Möglichkeit der Restschuldbefreiung bestehe.

II. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO:

Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO).

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die Feststellung der Nichtigkeit des Darlehensvertrages sowie der Abtretung und des notariellen Schuldanerkenntnisses verlangen. Die Vereinbarungen sind vielmehr wirksam.

Hierbei kann letztlich dahinstehen, ob die Klägerin als Mitdarlehensnehmerin und damit als Schuldnerin, oder lediglich als Mithaftende anzusehen ist. Allerdings sprechen für die Annahme lediglich einer Mithaftung die objektiven Umstände. Die Parteien haben nach der Auslegung der beiderseitigen Willenserklärungen entgegen dem Wortlaut des Darlehensvertrages nicht eine echte Mitvertragspartnerschaft der Klägerin gewollt (§§ 133, 157 BGB). Denn die Klägerin hatte kein für die Beklagte erkennbares eigenes sachliches und persönliches Interesse an der Kreditaufnahme und durfte nicht als im wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden (vgl. hierzu BGH, NJW 2005, 973, 974 f. m.w.N.). Das Darlehen sollte dem bereits zuvor erfolgten Kauf der Eigentumswohnung durch den damaligen Lebensgefährten der Klägerin dienen. Es ist davon auszugehen, daß der Beklagten der Kaufvertrag vorlag und ihr daher bekannt war, daß Herr A allein Eigentümer der Wohnung werden sollte. Auch hat allein Herr A in der Vergangenheit das aufgenommene Darlehen vertragsgemäß bedient (vgl. hierzu BGH, NJW 2005, 973, 975). Sonstige Anhaltspunkte für die Annahme eines eigenen sachlichen Interesses der Klägerin an der Kreditaufnahme bestanden für die Beklagte nicht, so daß es bei der Annahme einer Mithaftung bleibt. Das persönliche Interesse, ihren Lebensgefährten zu unterstützen, reicht allein nicht aus.

Die Mithaftungsübernahme durch die Klägerin ist jedoch nicht unwirksam; sie verstößt nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Zwar besteht zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit der dem Hauptschuldner persönlich sehr nahestehenden Klägerin ein Mißverhältnis im Sinne einer krassen finanziellen Überforderung (vgl. hierzu BGH, NJW 2005, 973, 975 f. m.w.N.). Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war davon auszugehen, daß die Klägerin die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast von monatlich 1.623,25 DM (= 829,95 €) bei Eintritt des Sicherungsfalls voraussichtlich nicht aus dem pfändbaren Teil ihres laufenden Einkommens und/oder Vermögens dauerhaft hätte allein tragen können. Nach ihren Angaben gegenüber der Klägerin vor Vertragsschluß in ihrer Selbstauskunft (Blatt 105 f. der Akte) erzielte sie ein monatliches Nettoeinkommen von 3.022,- DM sowie ein 13. Monatsgehalt. Hiernach ergab sich für den damaligen Zeitpunkt ein pfändbarer Betrag von monatlich 1.267,70 DM (§ 850 c Abs. 1 S. 1 ZPO) sowie ein pfändbarer Anteil des 13. Monatsgehalts, das abzüglich eines Betrages von 540,- DM, also in Höhe von 2.482,- DM pfändbar war, in Höhe von 206,83 DM, also von insgesamt 1.474,53 DM. Ein entsprechendes Ergebnis folgt bei einem Abzug der in der Selbstauskunft als Verbindlichkeiten angegebenen Kreditraten in Höhe von 450,- DM sowie der Miete inklusive Nebenkosten, welche, da sie mit ihrem Lebensgefährten zusammenwohnte, nur hälftig und somit in Höhe von 550,- DM anzusetzen ist. Nach diesen Abzügen verblieb von dem monatlichen Gesamtbetrag von 3.273,83 DM (3.022,- DM + 251,83 DM) ein Einkommen von 2.273,83 DM. Bei Zahlung der vereinbarten Zinsen ergäbe sich ein Restbetrag von 650,58 DM. Irgendeine Begrenzung der Haftung der Klägerin haben die Parteien nicht vereinbart.

In einem Fall einer krassen finanziellen Überforderung ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daß sie die ruinöse Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und die Beklagte als Kreditgeberin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (vgl. BGH, NJW 2005, 973, 975 m.w.N.). Diese Vermutung hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht widerlegt oder entkräftet.

Etwas anderes ergibt sich aber aus der Sicherung der vertraglichen Ansprüche der Klägerin durch die von dem Darlehensnehmer A bestellte Grundschuld. Diese Sicherheitsleistung beschränkt das Mithaftungsrisiko der Klägerin in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß (vgl. BGH, NJW 2002, 2705 ff.; BGHZ 136, 347, 352 f.; 146, 37, 44 m.w.N.). Die Grundschuld haftet entsprechend den Bedingungen in Ziffer 2.1 des Darlehensvertrages (Blatt 12 ff., 14 der Akte), wonach die Grundschuld nach den Vordrucken der Beklagten zu bestellen war, in Verbindung mit Ziffer 13.1 der Darlehensbedingungen (Blatt 124 ff., 126 der Akte) auch für alle gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der Beklagten aus anderen Geschäftsverbindungen. Diese Vertragsklausel ist so auszulegen, daß hiermit Geschäftsverbindungen der Beklagten nur mit Herrn A und der Klägerin gemeinsam gemeint sind. Eine eindeutige Aussage enthält die Klausel nicht, insbesondere ist nicht im einzelnen aufgeführt, daß künftige Verbindlichkeiten auch des Herrn A allein gemeint wären. Die Sicherung auch künftiger Verbindlichkeiten allein der Klägerin wären für Herrn A als Eigentümer der Immobilie jedenfalls überraschend, da es sich für ihn um Verbindlichkeiten eines Dritten handelt, und wäre aus diesem Grunde nicht Vertragsbestandteil geworden (§ 3 AGBG a.F.; vgl. BGH, NJW 2002, 2710 f.; 1997. 2677 f.). Zweifel bei der Auslegung dieser Vertragsklausel als Allgemeiner Geschäftsbedingung im Sinne des § 1 AGBG a.F. gehen zu Lasten der Beklagten als Verwenderin (§ 5 AGBG a.F.). Daß sich diese Auslegung im Ergebnis gerade zum Nachteil der Klägerin auswirken kann, ist hierbei nicht maßgeblich. Danach verbleibt es bei der den Anwendungsbereich einschränkenden Auslegung der Klausel, daß sie Geschäftsverbindungen der Beklagten nur mit Herrn A und der Klägerin gemeinsam betrifft. In dieser Auslegung ist die Klausel wirksam. Sie benachteiligt den Darlehensnehmer nicht entgegen Treu und Glauben unangemessen (§ 9 AGBG a.F.). Auch Herr A ist in seiner Entscheidung frei, ob er gemeinsam mit der Klägerin weitere Verbindlichkeiten der Beklagten gegenüber eingehen will. Die Regelung ist auch nicht so ungewöhnlich, daß der Vertragspartner mit ihr nicht zu rechnen brauchte. Inhalt und Umfang der schuldrechtlichen Zweckbindung einer Grundschuld sind gesetzlich nicht festgelegt, sondern unterliegen der freien Vereinbarung; mangels gesetzlichen Leitbildes der Grundschuldbestellung, an dem davon abweichende oder ergänzende Regelungen zu messen wären, sind sie daher einer Überprüfung nach den §§ 9 ff. AGBG a.F. entzogen (§ 8 AGBG a.F.; vgl. BGH, NJW 2002, 2710 f.; 2001, 1416 f.; 2000, 2675 f.; 1997,2677; 1991, 3141, 3142 f. m.w.N.).

Die erforderliche Beschränkung des Mithaftungsrisikos der Klägerin setzt nicht voraus, daß die Verbindlichkeit insgesamt oder auch nur ganz überwiegend durch die Grundschuld abgesichert ist. Demzufolge kommt es nicht darauf an, in welchem Umfange die Grundschuld bzw. die Eigentumswohnung selbst noch werthaltig ist, zumal auf die Situation bei Abschluß des Vertrages abzustellen ist.

Auch die Voraussetzungen eines Widerrufsrechts nach dem HTWG liegen nicht vor. Insoweit wird auf die Begründung des Landgerichts verwiesen. Die Klägerin hat ihren entsprechenden Vortrag in der Berufungsinstanz nicht ausdrücklich wiederholt oder ergänzt.

Etwaige Täuschungshandlungen des Vermittlers C, den die Beklagte nach ihrem Vortrag nicht kennt, sind ihr jedenfalls nicht zuzurechnen. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines verbundenen Geschäfts bestehen nicht. Die Regelungen über verbundene Geschäfte sind auf Realkredite im Sinne des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG a.F. nicht anwendbar (BGH, NJW 2005, 664 ff. m.w.N.). Ein verbundenes Geschäft kann auch nicht aus Treu und Glauben angenommen werden (§ 242 BGB). Realkreditvertrag und finanziertes Grundstücksgeschäft sind grundsätzlich nicht als zu einer Einheit verbundene Geschäfte anzusehen. Ist die Annahme eines verbundenen Geschäfts nach § 9 VerbrKrG a.F. gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG a.F. ausgeschlossen, kommt jedenfalls im Anwendungsbereich des § 1 VerbrKrG a.F. ein Rückgriff auf die von der Rechtsprechung zum AbzG aus § 242 BGB hergeleiteten Grundsätze über das verbundene Geschäft grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BGH, MDR 2004, 641 ff.).

Die Beklagte traf der Klägerin gegenüber auch keine eigene Aufklärungspflicht. Vielmehr durfte sie davon ausgehen, daß sie ebenso wie der Darlehensnehmer A entweder selbst über die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügte oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bediente (vgl. BGH, WM 2004, 172 f.; NJW 2004, 2736, 2741; 2378, 2380). Die Voraussetzungen eines etwaigen Ausnahmefalls, bei dem der Beklagten aus den besonderen Umständen des Einzelfalls Aufklärungs- und Hinweispflichten hätten ergeben können, etwa ein relevanter Wissensvorsprung der Beklagten in bezug auf spezielle Risiken des Geschäfts, sind nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nrn. 1, 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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