Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 15.01.2004
Aktenzeichen: 23 U 281/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, WPHG


Vorschriften:

ZPO § 286
ZPO § 288
ZPO § 513
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 546
BGB § 249
BGB § 254
BGB § 278
WPHG § 31 Abs. 2
Zu den Beratungspflichten einer Bank bei einer "Argentinien-Anleihe"
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

23 U 281/03

Verkündet am 15.1.2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31.10.2003 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.883,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 2.7.2002 Zug um Zug gegen Rückgabe von Wertpapieren mit der Bezeichnung ... (WKN ...) im Nennwert von 26.600.- € zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat 70 % und der Kläger hat 30 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Gegen das ihr am 5.11.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.11.2003 fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 5.2.2004 innerhalb der bis zu diesem Tag verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Die Beklagte greift das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens an. Sie verneint das Vorliegen eines Beratungsfehlers bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Anlageberatungsvertrag und hält die im Zusammenhang mit der Zeichnung der X-Anleihe durch den Kläger erfolgte Beratung der Beklagten für anleger- und objektgerecht. Eine Verharmlosung des Ausfallrisikos sei durch den Mitarbeiter der Beklagten, den Zeugen Z1, nicht erfolgt, der lediglich eine persönliche Einschätzung zur Rückzahlung der Anleihe durch X abgegeben habe, die der Beklagten nicht nach § 278 BGB zugerechnet werden könne. Darüber hinaus sei ein Schaden des Klägers nicht schlüssig dargelegt, der nur einen Teilausfall behauptet habe; außerdem könne dieser Klage gegen X auf Rückzahlung der Anleihe erheben. Ferner fehle der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen einem angeblichen Beratungsfehler und dem angeblichen Schaden, zumal der Grundsatz aufklärungsrichtigen Verhaltens vorliegend nicht greife. Darüber hinaus sei die Tatsachenfeststellung durch das Landgericht fehlerhaft, denn es liege zum einen im Hinblick auf die Angabe des Zeugen Z1, dass X die Anleihe bei Fälligkeit zahlen werde, kein Geständnis der Beklagten nach § 288 ZPO vor. Zum anderen sei die Beweiswürdigung durch das Landgericht rechtsfehlerhaft, denn die Aussagen der Zeugin Z2 seien nicht verwertbar, weil diese als Lauschzeugin zu qualifizieren sei. Auch gebe es Glaubwürdigkeitsbedenken, so dass ein Verstoß des Landgerichts gegen § 286 ZPO vorliege.

Schließlich sei eine Überraschungsentscheidung des Landgerichts im Hinblick auf die Annahme eines Geständnisses gegeben angesichts der zu diesem Beweisthema anschließend erfolgten Beweisaufnahme. Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 5.2.2004 (Bl. 291-320 d.A.), vom 20.10.2004 (Bl. 402-415 d.A.) und vom 24.11.2004 (Bl. 422-427 d.A.) verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31.10.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er hält die erfolgte Anlageberatung durch die Beklagte für nicht anlegergerecht, da sie die bekundete und erkennbare Risikobereitschaft des Klägers eindeutig überstiegen habe. Die Anlageberatung sei darüber hinaus auch nicht objektgerecht, denn der Mitarbeiter Z1 der Beklagten habe die X-Anleihe als sicher bezeichnet und daher objektiv die bestehenden Risiken verharmlost. Ein Mitverschulden des Klägers komme nicht in Betracht, da diesen keine eigene Informationspflicht betroffen habe. Der Schaden sei schließlich hinreichend dargelegt im Sinne des § 249 BGB, und es wäre ohne den Beratungsfehler der Beklagten nicht zum Kauf der von diesem empfohlenen Anleihe gekommen. Die Beanstandungen des Klägers hinsichtlich der Tatsachenfeststellung durch das Landgericht seien unzutreffend. Insbesondere sei die Zeugin Z2 keine Lauschzeugin, da aus ihrer Aussage hervorgehe, dass der Zeuge Z1 über ihr Mithören informiert gewesen sei und dagegen keine Einwendung erhoben habe. Demgegenüber sei die Aussage des Zeugen Z1 insoweit unergiebig und im übrigen auch widersprüchlich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Klägers wird auf die Schriftsätze vom 13.5.2004 (Bl. 378-397 d.A.), vom 24.11.2004 (Bl. 429-431 d.A.) und vom 8.12.2004 verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet und auch im übrigen zulässig. Sie hat in der Sache teilweise, wenn auch zu einem geringerem Teil, Erfolg.

Es liegt insoweit ein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht in dieser Hinsicht auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht allerdings grundsätzlich dem Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzung des zwischen den Parteien im Zusammenhang mit dem im Juli 2001 getätigten Kauf einer X-Anleihe im Nominalwert von 38.000,00 € abgeschlossenen Anlageberatungsvertrages zuerkannt.

Dabei ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien zumindest konkludent ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen ist, was der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 123, 126 (128); 100, 117 (118 f.)) entspricht und von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird.

Vorliegend ist auch entgegen der Auffassung der Berufung eine haftungsauslösende Verletzung der vertraglichen Anlageberatungspflichten (pVV) seitens der Beklagten gegeben, und zwar - über die Entscheidung des Landgerichts hinaus - bereits durch eine nicht anlegergerechte Beratung durch die Beklagte im Zusammenhang mit dem Erwerb der X-Anleihe durch den Kläger.

Aufgrund des Anlageberatungsvertrages zwischen den Parteien war die Beklagte zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet; dabei hat die Beklagte bereits der erstgenannten Verpflichtung nicht entsprochen. Eine anlegergerechte Beratung muss den Kunden auf der Grundlage seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie seiner Kenntnisse und seiner Erfahrung in die Lage versetzen, die Folgen einer Anlagenentscheidung richtig einschätzen und tragen zu können (Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts- Handbuch, 2001, § 110 Rdn. 14). Nach der grundlegenden Entscheidung des BGH zu Inhalt und Umfang pflichtgemäßer Anlageberatung (BGHZ 123, 126 (128 f.)) hat die Bank ihrer Beratung insbesondere den Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft und Anlageziel zugrunde zu legen. Anlegergerecht im vorgenannten Sinne handelt eine Bank demgemäß, wenn sie das Anlageziel des Kunden - sichere Geldanlage oder spekulativer Charakter mit Bereitschaft zur Übernahme eines Risikos - sowie dessen Fachwissen ggf. durch entsprechende Befragung abklärt und bei der von ihr empfohlenen Anlage entsprechend berücksichtigt (Schimansky/Bunte/Lwowski a.a.O.; BGH a.a.O.). Vorliegend entsprach die Empfehlung der Zeichnung der X-Anleihe durch den Mitarbeiter der Beklagten, den Zeugen Z1, jedoch nicht dem hier zugrunde zu legenden Risikoprofil des Klägers.

Die erforderlichen Angaben für eine anlegergerechte Beratung ergeben sich in erster Linie aus der vom Kläger am 27.10.2000 unterzeichneten "Kundenerklärung zur Anlageklassifizierung nach § 31 Abs. 2 WPHG" (Bl. 28 f. d.A.), die im Zusammenhang mit den vom Kläger bei der Beklagten tatsächlich getätigten Anlagegeschäften zu sehen ist, wie sie ihren Niederschlag etwa im Jahresdepotauszug vom 18.1.2001 der Beklagten (Bl. 100 f. d.A.) gefunden haben. Für die Berücksichtigung der vorgenannten "Kundenerklärung" vom 27.10.2000 spielt entgegen der Auffassung des Klägers der Umstand, dass die betreffenden Kreuze in den Rubriken nicht von ihm selbst, sondern vom Zeugen Z1 vorgenommen worden sind, angesichts der Unterzeichnung dieser Erklärung in unstreitiger Kenntnis der angekreuzten Rubriken durch den Kläger keine entscheidende Rolle; dieser muss sich vielmehr insoweit an der von ihm abgegebenen "Kundenerklärung" festhalten lassen. Aus dieser folgt, dass der Kläger seit mehr als fünf Jahren Wertpapiergeschäfte im Bereich von Renten, Aktien, Investmentanteilen sowie im Bereich von Aktien- und Rentenfonds getätigt hat. Zu der Frage von Erfahrungen mit Wertpapieranlagen in ausländischen Währungen hat der Kläger eine "Y-Anleihe" angegeben. Als besonders wichtige Ziele für die Vermögensanlage wurden die Rubriken "Zinseinkünfte" und "gewinnträchtige Spekulation" angekreuzt, was jedoch im Kontext mit der nachfolgend abgefragten Anlagestrategie zu verstehen ist, bei der die Rubrik "Wachstum" im Mittelfeld der Skala zwischen "Ertrag" auf der einen und "Trading" auf der anderen Seite angekreuzt wurde. Diese vom Kläger erfolgten Angaben rechtfertigen die Annahme einer mittleren Risikobereitschaft des Klägers bei Wertpapiergeschäften, was bestätigt wird durch die Zusammensetzung des Wertpapierdepots des Klägers bei der Beklagten gemäß Auszug vom 18.1.2001 (Bl. 100 f. d.A.), das im wesentlichen namhafte deutsche Aktienwerte sowie einen ...schein der ...bank O1 und einen Rentenfonds ausweist.

Mit diesem Risikoprofil, das der Beklagten bekannt und bei der Anlageempfehlung zugrunde zu legen war, ist die durch den Zeugen Z1 erfolgte Empfehlung der Zeichnung einer X-Anleihe jedenfalls im Zeitpunkt Juli 2001 nicht (mehr) zu vereinbaren. Denn die X-Anleihe war zu diesem Zeitpunkt unstreitig von einem permanent fallenden Kurs gekennzeichnet, und das auch noch angesichts der Fälligkeit der auf drei Jahre angelegten Anleihe binnen einen Jahres, die bei entsprechend stabiler Bonität normalerweise eher zu einem Kurs von über 100 % führen müsste; tatsächlich lag der Kurs im Zeichnungszeitpunkt aber lediglich bei 88,57 %. Erschwerend kommt hinzu, dass die streitgegenständliche X-Anleihe bereits über einen längeren Zeitraum eine wesentliche, weiter fortschreitende Verschlechterung des maßgeblichen Ratings aufwies, und zwar alleine im Zeitraum zwischen dem ...3.2001 und dem ...7. 2001 fünf nacheinander erfolgende Herabstufungen des Ratings von "BB" bis "B -". Nach den von der Beklagten vorgelegten Ratingdefinitionen (Bl. 114/115 d.A.) weisen aber die mit "B" bewerteten Wertpapiere "erhebliche spekulative Merkmale auf, wobei sie zwar über "gewisse Qualitäts- und Schutzmerkmale" verfügen, "jedoch überwiegen erhebliche Unsicherheitsfaktoren und Risiken aufgrund nachteiliger Bedingungen".

Angesichts dieser Qualität als Wertpapier mit erheblich gesteigertem Risiko war die von dem Zeugen Z1 vorgenommene Empfehlung der Zeichnung der X- Anleihe, verbunden mit der von ihm geäußerten Erwartung, dass bei Endfälligkeit der Anleihe am 20.6.2002 X zahlen werde (Schriftsatz des Beklagten vom 18.11.2002 (Bl. 92 d.A.), eindeutig nicht mit dem allenfalls mittleren Risikoprofil des Klägers vereinbar und somit auch nicht mehr anlegergerecht nach den oben genannten Grundsätzen.

An der schlüssigen Darlegung eines Schadens durch den Kläger bestehen ebenfalls keine durchgreifenden Zweifel. Aufgrund des Vorliegens einer Beratungspflichtverletzung durch die Beklagte kann sich der Kläger auf die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens berufen, wie der BGH mehrfach entschieden hat (BGHZ 124, 159; 72, 106; 61, 118; Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, § 280 Rdn. 50 a und 39). Gemäß dieser Vermutung trägt die Beklagte die Beweislast für das Gegenteil, nämlich dass der Kläger auch bei anlegergerechter Beratung die X-Anleihe gezeichnet hätte, wofür jedoch in Anbetracht der vom Kläger im Zusammenhang mit der Zeichnung geäußerten Bedenken und der Überwindung dieser durch die Empfehlung des Mitarbeiters der Beklagten nichts spricht. Das Vorbringen der Berufung hierzu ist unsubstantiiert und ohne Beweisantritt geblieben.

Auch die Einwendungen der Beklagten gegen das Vorliegen eines Schadens greifen nicht durch, da der Kläger aufgrund der Beratungspflichtverletzung den Ersatz des negativen Interesses verlangen kann (Palandt-Heinrichs, § 280 Rdn. 50 a), so dass der Kläger als Geschädigter so zu stellen ist, wie er gestanden hätte, wenn eine anlegergerechte Beratung erfolgt wäre (Palandt-Heinrichs vor § 249 Rdn. 17 f.). Damit ist aber unter Berücksichtigung des Grundsatzes aufklärungsrichtigen Verhaltens der Anspruch des Klägers auf Rückgewähr des Kaufpreises von 33.990,55 € Zug um Zug gegen Übertragung der X-Anleihe begründet, und darüber hinaus auch auf den geltend gemachten entgangenen Gewinn in Höhe eines Betrages von 1.557,90 € entsprechend einer Verzinsung des eingesetzten Kapitals in Höhe von 5 % p.a. vom 20.7.2001 bis zum 20.6.2002; auch insoweit ist die Entscheidung des Landgerichts aus Rechtsgründen nicht zu bestanden.

Der Einwand der Beklagten unter Hinweis auf die Erhebung einer Zahlungsklage durch den Kläger gegen X ist für die Feststellung des maßgeblichen negativen Interesses unerheblich.

Abweichend vom Landgericht ist jedoch anzunehmen, dass bei der Entstehung des Schadens ein nicht unbeachtliches Mitverschulden auf Seiten des Klägers im Sinne des § 254 BGB mitgewirkt hat, wenn dieses auch vom Gewicht her geringer zu veranschlagen ist als die Pflichtverletzung der Beklagten.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch im Falle einer fehlerhaften Anlageberatung ein nach § 254 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden des Kunden möglich ist, allerdings nur bei Vorliegen besonderer Umstände (BGH NJW-RR 1993, 114 (115 m.w.N.); OLG Braunschweig, ZIP 1996, 1242; OLG Stuttgart, OLGR 1999, 210; OLG Stuttgart OLGR 1999, 73; OLG Celle, Urteil vom 14.9.2000, Az.: 11 U 206/98 bei Juris). Nach dieser Rechtsprechung kann unter besonderen Umständen der Einwand des Mitverschuldens nach § 254 BGB begründet sein, etwa wenn Warnungen von dritter Seite oder differenzierende Hinweise des anderen Teils nicht genügend beachtet wurden (BGH a.a.O.), was zur Durchbrechung des grundsätzlich bei Beratungsverhältnissen geltenden Vertrauensprinzips führt. Vorliegend ist ein dem vergleichbarer Fall gegeben.

Zum einen ist die Beklagte als Anlageberaterin bei der streitgegenständlichen Konstellation keine unabhängige Beraterin und Sachwalterin ausschließlich fremder Interessen wie etwa die Angehörigen rechts- oder steuerberatender Berufe, sondern sie verfolgte mit der Vornahme des von ihr empfohlenen Geschäfts ein erhebliches, für den Kunden auch erkennbares Eigeninteresse in Form der Erzielung einer Provision (zu diesem Gesichtspunkt OLG Stuttgart OLGR 1999, 210), was bei der Bewertung der Anlageempfehlung zu beachten ist. Darüber hinaus ist nach dem eigenen Vorbringen des Klägers sowohl die Initiative zur Kapitalanlage des frei gewordenen Betrages als auch die Empfehlung der konkreten Form einer X-Anleihe von der Beklagten ausgegangen, was bereits für sich genommen eine gewisse Vorsicht des Klägers nahegelegt hätte (ebenso OLG Stuttgart a.a.O.), und das erst recht im Zusammenspiel mit dem vorangegangenen Aspekt.

Als hier entscheidender Gesichtspunkt kommt hinzu, dass dem Kläger von der Beklagten eine, am Zinsniveau Mitte 2001 gemessen, außergewöhnlich hohe Rendite von 15 % in Aussicht gestellt worden ist, die aber zwangsläufig mit einem entsprechend hohen Risiko verbunden sein musste angesichts der Reziprozität von erzielbarer Rendite und Verlustrisiko hinsichtlich des investierten Kapitals. In Anbetracht einer solchen außergewöhnlichen Renditehöhe mussten sich dem in Wertpapiergeschäften erfahrenen Kläger Zweifel an der Sicherheit und somit der ausgesprochene Risikocharakter der X-Anleihe geradezu aufdrängen (ebenso OLG Stuttgart a.a.O. für eine versprochene Rendite von 12 % zur Jahresmitte von 1995). Flankiert wurde dies durch den weiteren, dem Kläger bekannten Umstand eines fallenden Kurses der Anleihe, was dem Kläger als erfahrenen Geschäftsmann und Anleger ebenfalls zu denken geben musste. Schließlich hat der Kläger in seinem eigenen Vorbringen erhebliche Bedenken hinsichtlich der Zeichnung der X-Anleihe eingeräumt, so dass ihm das erhöhte Risiko jedenfalls in den Grundzügen auch bekannt war.

Andererseits fällt zugunsten des Klägers ins Gewicht, dass es der Mitarbeiter Z1 der Beklagten war, der diese Bedenken unter Verletzung der Pflichten einer anlegergerechten Beratung und durch die Prognose der erwarteten Rückzahlung bei Fälligkeit zerstreute und den Kläger durch seine Empfehlung sowie Einschätzung zur Bedienung der Anleihe zu der streitgegenständlichen Anlage veranlasste. Bei Gesamtabwägung dieser be- und entlastenden Umstände war das Mitverschulden des Klägers in der Größenordnung von 30 % zu veranschlagen, weshalb die Berufung in Höhe von 10.664,53 € Erfolg hat und im übrigen zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO); im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten liegt insoweit auch kein Widerspruch zur Entscheidung des OLG Hamm vom 8.10.2003 (Az. 31 U 117/03) vor, bei der die Beratung über die X-Anleihe bereits am 8.2.2001 stattgefunden hatte, die Anleihe andere Konditionen hatte und ein abweichendes Risikoprofil des Anlegers gegeben war. Im übrigen hat auch das OLG Hamm die Revision nicht zugelassen mit der vorliegend ebenfalls zutreffenden Begründung, es handele sich um eine Einzelfall-Konstellation.

Ende der Entscheidung

Zurück