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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 23 U 35/07
Rechtsgebiete: BGB, DepotG, StGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 823
BGB § 989
DepotG § 6
DepotG § 34
StGB § 266
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, der eine weitgehend zutreffende Darstellung enthält, wird Bezug genommen, § 540 I ZPO.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zwar zulässig. Insbesondere stünden die Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts in Wiesbaden vom 25.5.2004 der Klage nicht entgegen. Das Landgericht habe nicht über die Frage der Berechtigung an den Wertpapieren in dem für den Kläger geführten Depot entschieden.

Die Klage sei jedoch unbegründet. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger Miteigentümer der sammelverwahrten Wertpapiere geworden sei. Die Berufung auf die formale Eigentümerstellung sei jedoch eine unzulässige Rechtsausübung, da der Kläger anstrebe, aus dem letztlich von der Beklagten finanzierten Erwerb von Wertpapieren Vorteile zu ziehen, obwohl er nach dem Urteil des Landgerichts in Wiesbaden die Kosten für die Anschaffung der Wertpapiere nicht zu tragen und Gewinne ausbezahlt bekommen habe. Von Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, dass das Landgericht in Wiesbaden festgestellt habe, dass dem Kläger kein Schaden entstanden sei. Angesichts dieser Feststellung könne der Kläger nicht pauschal einwenden, er habe ca. 1,2 Mio. € für den Erwerb der Wertpapiere aufgewendet.

Der Kläger hat gegen das ihm am 2.2.2007 zugestellte Urteil am 28.2.2007 Berufung eingelegt und diese am 30.3.2007 wie folgt begründet:

Das Landgericht habe zu Unrecht seiner Schadensersatzklage nicht stattgegeben. Das Urteil beruhe auf Fehlern bei den tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Würdigung.

Das Landgericht gehe zunächst in zutreffender Weise davon aus, dass dem Kläger als Eigentümer ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 989 f. BGB zustehe. Es schränke jedoch in unzulässiger Weise das Alleineigentum des Klägers durch eine ergebnisorientierte Anwendung des § 242 BGB ein, die überdies auf einer Nichtberücksichtigung des Tatsachenvortrages des Klägers und der Beweislastregeln beruhe. Das Landgericht berücksichtige nicht, dass die Frage, wer den Erwerb der streitgegenständlichen Wertpapiere finanziert habe, höchst streitig und im Nachhinein gar nicht mehr feststellbar sei, und dass der Kläger in erster Instanz den Umfang seiner Investitionen vorgetragen und unter Beweis gestellt habe, während die Beklagte ihrer Darlegungs- und Beweislast bezüglich ihrer Behauptung, der Kläger sei ungerechtfertigt bereichert, weil die von ihr verwerteten Wertpapiere mit von ihr zur Verfügung gestelltem Kredit angeschafft worden seien, nicht nachgekommen sei (Bl. 395ff.). Auch sei der Vortrag der Beklagten, sie habe von dem Daytrading ihrer Mitarbeiterin A nicht gewusst, nicht glaubhaft. Die Beklagte vermenge bei der rechtlichen Würdigung auch zu Unrecht dingliche und rechtsgeschäftliche Gesichtspunkte.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 30.1.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, 2-19 O 96/05, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.462.361,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4.4.2006 zu zahlen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.113.967,65 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.6.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, wobei sie nach wie vor der Auffassung ist, der Klage stehe der Einwand der Rechtskraft entgegen. Auch das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden stehe der Klage entgegen.

Bezüglich der Frage des Eigentumserwerbs an den Wertpapieren, die das Landgericht habe dahingestellt sein lassen, sei sie nach wie vor der Auffassung, dass der Kläger mangels wirksamer Vollmacht kein Eigentum erworben habe. Das DepotG sei insoweit nicht anwendbar. Sie habe völlig zu Recht das ihr gemäß ihren AGB zustehende Pfandrecht ausgeübt.

Im Übrigen habe das Landgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger eigenes Kapital nur in untergeordneter Größe eingesetzt und durch Auszahlungen und Barabhebungen bereits mehr erhalten habe als an Kapital eingesetzt. Das Eigentum an den fraglichen Wertpapieren habe der Kläger tatsächlich nur auf Grund des eingesetzten Kapitals der Beklagten erworben. Es sei unglaublich, dass der vorsätzlich mit unlauteren Mitteln zu Gewinn gekommene Kläger (Bl. 417) trotzdem meine, Ansprüche geltend machen zu können, wobei hinzukomme, dass sich der Eindruck aufdränge, der Kläger habe mit Frau A zusammengearbeitet, wenn auch das Landgericht in Wiesbaden gemeint habe, das sei nicht zweifelsfrei belegt. Sie, die Beklagte habe von den Daytradinggeschäften nicht gewusst. Es gebe auch andere Möglichkeiten, hohe Courtagen und Provisionen zu verdienen. Die Dolo-Agit-Einrede sei deshalb gerechtfertigt. Es sei höchstgerichtlich anerkannt, dass Eigentum verpflichte und durch den Grundsatz von "Treu und Glauben" eingeschränkt werde. Es sei ein zufälliges Zusammentreffen, dass die Wertpapiere kurz nach Erlass des Urteils des Landgerichts in Wiesbaden im Vorprozess am 25.5.2004 und nach Erhalt der schriftlichen Aufforderung zur Herausgabe der Aktien vom 5.7.2004 veräußert worden seien; sie, die Beklagte, habe dies schon seit längerer Zeit geplant. In rechtlicher Hinsicht sei davon auszugehen, dass der Kläger durch die Klageerhebung die Wertpapierkäufe konkludent genehmigt habe, weswegen sie ihm Aufwendungsersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag entgegenhalten könne, über die eine Entscheidung im Vorprozess nicht ergangen sei.

Die Beklagte hat sich überdies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die in erster Instanz erklärte Aufrechnung bezogen und diese auch in zweiter Instanz geltend gemacht.

Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beklagte hat sich mittlerweile im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit Frau A über Regressansprüche vergleichsweise geeinigt.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

1. Das Prozesshindernis der Rechtskraft greift nicht ein. Zwar hat Herr B im Vorverfahren auch (in Form eines Widerklageantrages) einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, wird durch den im Vorprozess geltend gemachten Schadensersatzanspruch aber nicht bindend über die Frage der Berechtigung an den zuletzt noch in dem Depot befindlichen Wertpapieren entschieden. Der Schadensersatzanspruch im Vorverfahren ist insbesondere damit begründet worden, dass die Bank einen Glattstellungsauftrag des Herrn B zum 30.8.2002 nicht ausgeführt habe (vgl. S. 19 ff. des Urteils des Landgerichts in Wiesbaden). Der im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Schadensersatzanspruch beruht dagegen auf dem Umstand, dass die Beklagte am 28.6.2004 ohne Zustimmung des Klägers das auf seinen Namen geführte Depot aufgelöst und sämtliche damals noch vorhandene Aktien verkauft hat. Es geht also um einen anderen Antrag, der auch auf einem anderen Sachverhalt beruht. Da der gestellte Antrag den Streitgegenstand eines Verfahrens wesentlich bestimmt, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Einwand der rechtskräftigen Entscheidung nicht berechtigt ist. Dies liegt auch deswegen auf der Hand, weil ein am 25.5.2004 ergehendes Urteil nicht eine in der Zukunft (28.6.2004) liegende und erst Schadensersatzansprüche auslösende Handlung betreffen kann.

2. Das Landgericht geht - entgegen der rechtlichen Würdigung der Beklagten - in dem angefochtenen Urteil davon aus, der Kläger sei Eigentümer der streitgegenständlichen Wertpapiere gewesen. Das Landgericht begründet diese bereits in erster Instanz stark umstrittene Auffassung allerdings nicht.

Der Vortrag der Beklagten in diesem Zusammenhang ist - wie in erster Instanz - widersprüchlich. Einerseits vertritt sie die Auffassung, der Kläger habe kein Eigentum an den Wertpapieren erworben. Andererseits argumentiert sie, der Kläger habe das Eigentum an den fraglichen Wertpapieren nur unter Ausnutzung des von ihr zur Verfügung gestellten Kapitals erwerben können.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger Eigentümer der Wertpapiere geworden ist, § 6 DepotG.

Dass das DepotG als Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren anwendbar ist, bedarf keiner weiteren Begründung.

Der Erwerb der Wertpapiere ist in der heute üblichen Form ohne körperliche Bewegung von Wertpapierurkunden geschehen (vgl. BGHZ 161, 189 ff.). Die Wertpapiere wurden bei der C AG sammelverwahrt. Eine gesonderte Aufbewahrung im Sinne des § 5 I DepotG hat der Kläger offenbar nicht verlangt. Der Erwerbsvorgang wurde durch die Begründung des anteilmäßigen Bruchteilseigentums abgeschlossen. Es erfolgt dabei eine Umbuchung im Verwahrungsbuch, die den Willen der Depotbank dokumentiert, die übertragenen Wertpapiere nunmehr für den Erwerber zu verwahren (BGH WM 2004, 1747 ff.). Ins Einzelne gehend kann man sagen, dass mit diesem Umbuchungsvorgang das Eigentum an den Girosammeldepotanteilen nach § 929 Satz 1 BGB übergeht, wobei der Miteigentumsanteil an einem Sammeldepot an die Stelle des Volleigentums tritt, von dem die §§ 929 ff. BGB ausgehen (Claussen, Bank- und Börsenrecht, 3. Aufl. 2003, § 9 Rdn. 258).

Dass so im vorliegenden Fall vorgegangen wurde (und überdies der Kläger beim Kauf der vinkulierten Namensaktien der D AG in das Aktienbuch dieser Gesellschaft eingetragen worden ist, Bl. 234), bestreitet die Beklagte auch nicht.

Die Beklagte hat jedoch bereits in erster Instanz geltend gemacht, dem Eigentumserwerb stehe entgegen, dass der Kläger (unstreitig) keine Vollmacht zum Kauf auf Kredit erteilt habe, dies aber bei den streitgegenständlichen Wertpapieren geschehen sei. Mangels Vollmacht habe die Beklagte als Vertreterin des Klägers nicht die erforderlichen wirksamen Übereignungserklärungen abgeben können (Bl. 143).

Diese rechtliche Wertung ist nicht zutreffend. Der Kläger hat unstreitig der Beklagten den Auftrag gegeben, im Wege des Daytradings eine Vielzahl von Wertpapieren für ihn zu erwerben und auch wieder zu veräußern. Der Sammelverwahrung hat er nicht widersprochen. Damit war nach der heutigen Geschäftspraxis die Vollmacht zur Annahme und Abgabe von Erklärungen gegenüber der Sammelverwahrungsstelle mit dem Ziel des Erwerbs und der Veräußerung von Wertpapieren verbunden. Soweit der Kläger (unstreitig) mit der Mitarbeiterin der Beklagten A vereinbart hatte, dass diese für die Daytrading-Geschäfte nur das von ihm zur Verfügung gestellte Kapital einsetzen und kein Kredit bei der Beklagten in Anspruch genommen werden solle, handelt es sich dabei lediglich um eine Beschränkung im Innenverhältnis, die die Wirksamkeit der Vertretung im Außenverhältnis nicht berührt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., 2007, § 164 Rn. 13).

Überdies hat die Beklagte selbst den Kläger als Anteilseigner im Sinne der §§ 20, 23 und 24c EStG eingeordnet (vgl. Bl. 134ff) mit der Folge, dass ihn etwaige Steuerlasten treffen.

3. Das angefochtene Urteil prüft nicht näher, welche Ansprüche des Klägers sich daraus ergeben könnten, sondern verneint etwaige Ansprüche des Klägers unter dem Gesichtspunkt eines widersprüchlichen, gegen Treu und Glauben verstoßenden Verhaltens. Diese Argumentation kann den Senat nicht überzeugen.

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass der von der Beklagten ohne nähere Anhaltspunkte geäußerte Eindruck, Herr B habe mit Frau A kollusiv zusammengearbeitet, den Senat ebenso wenig überzeugt wie das Landgericht in Wiesbaden in dem Vorprozess. Die Beklagte trägt insoweit keine Tatsachen vor, sondern äußert nur eine vage, substanzlose Vermutung.

Bereits der prinzipielle Ansatz der Überlegungen des Landgerichts ist in Zweifel zu ziehen. Zwar ist die Anwendung des § 242 BGB in keinem Rechtsbereich ausgeschlossen. Andererseits darf § 242 BGB nicht als bloße Billigkeitsnorm verstanden und angewendet werden. Diese Vorschrift gibt nicht die Befugnis, sich aus dem Gesetz ergebende Rechtsfolgen im Einzelfall durch solche zu ersetzen, die als billiger oder angemessener erscheinen. Nur in Ausnahmefällen, in denen die Anwendung des Gesetzes dem Einzelfall nicht gerecht würde und zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht vereinbaren Ergebnis führen würde, ist eine Korrektur mit Hilfe des § 242 BGB geboten (vgl. BGHZ 68, 299ff, Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 242 Rn. 1f.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der vorliegende Fall ist auch für die von der Beklagten bemühten sozialethischen Schranken des Eigentums denkbar ungeeignet.

In diesem Zusammenhang ist zunächst zu berücksichtigen, dass unstreitig der Kläger von der erfolgten teilweisen faktischen Finanzierung durch die Beklagte nichts wusste. Im Rahmen der gemäß § 242 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung sind aber auch subjektive Elemente zu berücksichtigen (wenn auch kein Verschulden vorausgesetzt wird, Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 242 Rdn. 5). Die Unkenntnis des Klägers ist ein Argument gegen eine Anwendung des § 242 BGB. Hinzu kommt, dass demgegenüber die Mitarbeiterin der Beklagten A bewusst gegen die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung verstieß, die Daytradinggeschäfte ohne Kreditaufnahme abzuwickeln. Dies ist von der Beklagten und nicht vom Kläger zu verantworten. Insoweit hat sich (wie das Landgericht in Wiesbaden in dem Urteil vom 25.5.2004 treffend ausgedrückt hat) das Personalrisiko der Bank realisiert.

Überdies hat eine Argumentation, die die Richtigkeit der Behauptung voraussetzt, dass gerade diese Wertpapiere auf Kredit gekauft worden seien, in Anbetracht des Kaufs und Verkaufs vieler Papiere ein zufälliges Element.

Aber auch das Hauptargument der Beklagten überzeugt nicht. Die Berufung weist zu Recht darauf hin, dass das angefochtene Urteil bei seinen Erwägungen zu Treu und Glauben unstreitige Tatsachen nicht berücksichtigt, aber auch Tatsachen als zutreffend unterstellt, die bereits in erster Instanz streitig waren (und es auch weiterhin sind). Die Behauptung der Beklagten, die streitgegenständlichen Wertpapiere seien auf Kredit gekauft worden, ist worauf der Senat auch in der mündlichen Verhandlung mit ins Einzelne gehenden Darlegungen hingewiesen hat - eine unzureichend dargelegte und nicht unter Beweis gestellte These. Zwar mag eine Kreditierung aus der Sicht der Beklagten erfolgt sein. Für die rechtliche Beurteilung sind demgegenüber folgende Umstände maßgeblich:

a. Der Kläger hat nicht nur Kapital in untergeordneter Größe, wie die Beklagte glauben machen will, eingesetzt und auch nicht, wie es in dem angefochtenen Urteil heißt, seinen Aufwand zum Erwerb der Wertpapiere nur pauschal vorgetragen, sondern mit Schriftsatz vom 10.10.2006 dargelegt, dass er außer seinen ursprünglichen Einlagen noch 10 Einzahlungen vorgenommen habe. Diese Einzahlungen sind vom Datum und dem Betrag her genau bezeichnet (Bl. 231 f.). Sie sind nicht bestritten. Der höchste Einzahlungsbetrag liegt bei 300.000 €. Es handelt sich insgesamt um mehr als 1 Million €.

b. Der Kläger hat unstreitig in der Anfangsphase mit einem Teil der Daytradinggeschäfte erhebliche Gewinne erzielt, ohne dass Fremdkapital eingesetzt wurde.

c. Der Umstand, dass das Wertpapierverrechnungskonto des Klägers bei der Beklagten einen hohen Sollsaldo aufwies, scheint - wenn auch in sehr allgemeiner Form - dafür zu sprechen, dass in erheblichem Umfang Wertpapiere (wenn auch nicht unbedingt die streitgegenständlichen) auf Kredit gekauft wurden. Dem ist jedoch unter Berücksichtigung des Inhalts der Vorentscheidung des Landgerichts in Wiesbaden entgegenzuhalten, dass der Kläger ausdrücklich ein Daytrading auf Kredit untersagt hatte. Wenn die Beklagte dieses trotzdem durchführt, stehen ihr keine Zinsansprüche und auch keine Ansprüche auf Zahlung von Provisionen und Auslagen zu. Die Beklagte hat dem Kläger insbesondere zu Unrecht ca. 600.000 € Sollzinsen berechnet. Diese Zahl ist unstreitig. Es kommt hinzu, dass die Frage, ob die Geschäfte auf Kredit durchgeführt wurden, dadurch kompliziert wird, dass die Abrechnungen der Geschäfte teils taggenau, teils aber auch mit mehreren Tagen Differenz erfolgten, und dadurch, dass Frau A (möglicherweise um einen positiven Eindruck zu erzielen) Abbuchungen für den Ankauf von Wertpapieren teilweise nicht oder auf CPD-Konten vorgenommen hat.

Hinzu kommen eine Vielzahl streitiger Umstände, wie insbesondere die bereits in erster Instanz aufgestellten Behauptungen des Klägers, Verluste durch die Daytrading-Geschäfte seien erst nach dem 17.9.2002 eingetreten, könnten ihm aber nicht zugerechnet werden, weil er im Hinblick auf den Urlaub der sein Vertrauen genießenden Mitarbeiterin A weitere Transaktionen untersagt habe; überdies habe die Mitarbeiterin der Beklagten A für mehrere Kunden Daytradinggeschäfte durchgeführt und teilweise zunächst auf CPD-Konten verbucht, die Beklagte aber dann (vermutlich wegen seiner Bonität) ihm auch Daytradinggeschäfte zugerechnet, die Frau A für andere Kunden der Beklagten durchgeführt habe.

Die Beklagte hat aber trotz Vorhalt des Klägers bereits in erster Instanz nicht dargelegt, dass auch - nur bei Berücksichtigung der vorstehend geschilderten unstreitigen Umstände - sich ergeben würde, dass die von ihr auf eigene Rechnung veräußerten Wertpapiere faktisch mit von ihr zu Verfügung gestellten Mitteln gekauft wurden. Stattdessen hat sie sich auf den jeweilige Kontosaldo bezogen, der jedoch aus den dargelegten Gründen nicht auf einer Berechnung beruht, die der Senat zu Grunde legen könnte.

Der Kläger ist durch die Handlungsweise der Mitarbeiterin der Beklagten in eine äußerst schwierige wirtschaftliche Situation gebracht worden. Der Senat sieht unter diesen Umständen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zubilligung eines Schadensersatzanspruches zu einem offensichtlich mit Recht und Gerechtigkeitnicht vereinbarem Ergebnis führen würde. Diese Beurteilung beruht auf den unstreitigen Umständen und läßt die streitigen Behauptungen des Klägers zu Durchführung von Geschäften vom 17.9.2002 ab gegen seinen Willen sowie zu inkorrekten Verbuchungen der Geschäfte anderer Kunden zu seinen Lasten außer Betracht.

4. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu.

Er ergibt sich zumindest aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 34 Nr. 1 DepotG. Der handelnde Mitarbeiter der Beklagten hat in Anspruchnahme eines den AGB nach in allgemeiner Form am Depot gewährten, im vorliegenden Fall aber mangels Anspruchs nicht bestehenden Pfandrechts zum Vorteil der Beklagten in rechtswidriger Weise über einen Sammelbestand an Wertpapieren ohne Zustimmung des Berechtigten verfügt. Der objektive Verstoss gegen die konkrete Verbotsnorm des § 34 Nr. 1 DepotG hat zur Folge, dass die Beklagte Umstände darlegen müßte, die geeignet sind, die daraus folgende Annahme des Verschuldens zu widerlegen (Palandt/Sprau, a.a.O., § 823 Rdn. 81). Dies ist nicht geschehen. Der Senat hat demnach keine Zweifel an der Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes.

Im Übrigen gibt es nach Auffassung des Senats erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass ein Fall des § 266 StGB vorliegt. Der Tatbestand der Untreue ist auch ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (Palandt/Sprau, a.a.O., § 823 Rdn. 69). Er dürfte im vorliegenden Fall in Form des Missbrauchstatbestands erfüllt sein. Dabei ist davon auszugehen, dass dieser Tatbestand solche Rechtsbeziehungen schützt, bei denen einem Beteiligten ein rechtliches Können gewährt wird, das über das rechtliche Dürfen hinausgeht (Dierlamm in: Münchner Kommentar zum StGB, Bd. 4, 2006, § 266 Rn. 22). Dies trifft den vorliegenden Fall. Der Beklagten war durch den Depotvertrag und dem Auftrag zum Daytrading die Möglichkeit eingeräumt worden, über die im Depot befindlichen Vermögenswerte zu verfügen. Ein Anspruch gegen den Kläger stand ihr jedoch zum Zeitpunkt der Veräußerung der Wertpapiere nicht zu. Dies ergibt sich aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts in Wiesbaden. Wenn ihr aber kein Anspruch zustand, stand ihr auch kein Pfandrecht und damit keine legale Möglichkeit zur eigenmächtigen Verwertung zu. Dementsprechend ist es auch z.B. anerkannt, dass die Veräußerung eines Aktiendepots durch den Verwalter ohne Zustimmung des Berechtigten den Untreuetatbestand erfüllt (vgl. Dierlamm, a.a.O., § 266 Rn. 178).

Auch die weitere Voraussetzung des § 266 StGB - das Bestehen einer Vermögensbetreuungspflicht - dürfte im vorliegenden Fall erfüllt sein. Zwar kann man nicht generell sagen, dass eine Bank gegenüber all ihren Kunden prinzipiell vermögensbetreuungspflichtig im Sinne dieses Tatbestandes sei. In der Literatur wird aber z.B. die Auffassung vertreten, eine Vermögensbetreuungspflicht einer Bank komme in Betracht, wenn sie die Vermögensverwaltung eines Kunden übernommen habe und im Rahmen eingeräumter Entscheidungsspielräume selbständig und eigenverantwortlich über Einzeldispositionen entscheiden könne (Dierlamm, a.a.O., § 266 Rn. 70). Ganz ähnlich liegt der vorliegende Fall. Der Kläger hatte der Beklagten die Berechtigung eingeräumt, nach ihrem Ermessen im Rahmen des Daytradings Aktien zu kaufen und verkaufen. Wenn die Bank diese formale Position noch ausnützt, nachdem der Auftrag beendet war, und eine Veräußerung ohne Zustimmung des Depotinhabers vornimmt, liegt es nahe, darin eine auch schuldhafte Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht zu sehen.

Der Kläger hat sich noch auf zahlreiche weitere, seiner Meinung nach in Betracht kommender Haftungsnormen berufen. Die Frage, ob deren Voraussetzungen auch erfüllt sind, kann dahingestellt bleiben.

5. Die Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, dass der Kläger ihre unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag genehmigt habe. Zwar kann in einem Verlangen auf Herausgabe des Erlangten eine Genehmigung einer Geschäftsführung ohne Auftrag gesehen werden. Darum geht es jedoch im vorliegenden Fall nicht. Vielmehr wirft der Kläger der Beklagten eine weitere Pflichtverletzung - diesmal in Form der Auflösung des Depots ohne seine Zustimmung unter Einbehalt des Erlöses - vor. Ein solcher Vorwurf enthält keine Genehmigung, zumal der Kläger von Anfang an der Beklagten vorgeworfen hat, dass gegen seinen erklärten Willen ein auf seinen Namen laufender Kredit aufgenommen wurde und die Beklagte dies zugestanden hat.

Im Übrigen würde die Annahme einer Genehmigung die Rechtsposition des Klägers bezüglich der Eigentumsfrage eher stützen als ihr widersprechen.

6. Zur Höhe der Forderung:

Der Verkauf der restlichen im für den Kläger geführten Depot befindlichen Aktien seitens der Beklagten erfolgte am 28.6.2004 (Bl. 235). Die Beklagte erlöste hierfür 1.113.967,65 €. Die Differenz zur Hauptforderung erklärt sich daraus, dass der Kläger die Beklagte mit vorgerichtlichem Schreiben seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 28.3.2006 aufforderte, bis zum 3.4. zu seinen Gunsten des Depotstand vom 28.6.2004 wiederherzustellen. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 31.3.2006 ab. Der Kläger hält sich deshalb für berechtigt, seiner Forderung den Wert der Papiere am 3.4.2006 zu Grunde zu legen.

Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger auch der Höhe nach zu.

Der zu leistende Schadensersatz bemisst sich nach den §§ 249, 250 Satz 2 BGB. Der Schädiger hat die Restitutionskosten zu ersetzen (Dauner/Nieb/Heidel/Ring, BGB, Bd. 2, 2005, § 250 Rn. 9). Wertschwankungen - wie sie Wertpapieren immanent sind - wirken sich unmittelbar auf die Höhe der Ersatzforderung aus.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bemessung der Schadenshöhe ist grundsätzlich der Augenblick der Erfüllung der Schadensersatzpflicht. Er wird ggf. von dem prozessrechtlich maßgeblichen Datum überlagert. Eine Vorverlegung des Zeitpunkts unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Geschädigte Anspruch auf sofortige Ersatzleistung hat, kann dadurch erreicht werden, dass festgestellt wird, dass der Geschädigte das fragliche Objekt (hier: die Wertpapiere) zu einem bestimmten Zeitpunkt veräußert hätte, wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte (vgl. dazu: Oetker in: Münchner Kommentar zum BGB, Bd. 2, 5. Aufl. 2007, § 249 Rn. 299 ff.).

Im vorliegenden Fall kommt eine solche Vorverlagerung nicht in betracht, da der Kläger die Wertpapiere im Falle eines Erhalts im Frühjahr 2004 nicht veräußert, sondern in Anbetracht erwarteter Kurssteigerungen gehalten hätte.

Maßgebend ist deshalb der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (Palandt/Heinrichs, a.a.O., Vorbem. 174 vor § 249). Zu diesem Zeitpunkt hätte der Wert des Depots, wenn kein Verkauf seitens der Beklagten erfolgt wäre, über dem mit dem Hauptantrag verlangten Betrag gelegen. Der Wert des Depots wurde maßgeblich durch die größte Position (11.680 Aktien der D AG, vgl. Bl. 206) bestimmt. Die Beklagte hat diese Aktien zu Kursen von weniger als 90 € verkauft. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung wurden diese Aktien zu Kursen von ca. 130 € und mehr gehandelt und stellten allein einen Wert von mehr als 1,5 Millionen € dar.

7. Die Beklagte hat in erster Instanz eine hilfsweise Aufrechnungserklärung abgegeben (Bl. 227 f.), auf die sie sich auch in zweiter Instanz bezogen hat. Ein entsprechender Anspruch besteht nicht.

Ersatz von Aufwendungen kann gemäß § 670 BGB nur geltend gemacht werden, wenn der Auftrag wirksam erteilt worden ist (Palandt/Sprau, BGB, a.a.O., § 670 Rn. 2). Dies war bezüglich der faktisch kreditfinanzierten Käufe nicht der Fall. Das Landgericht in Wiesbaden hat deshalb in dem bereits erwähnten rechtskräftigen Urteil vom 25.5.2004 auch festgestellt, dass seitens der Klägerin keine weiteren Aufwendungsersatzansprüche für Wertpapiergeschäfte bestehen. Auch eine Genehmigung ist, wie bereits ausgeführt, nicht erteilt worden. Es ist überdies keine kaufmännisch korrekte Abrechnung, wenn lediglich ein bestimmter Ankauf einer bestimmten Aktie zur Grundlage eines Aufwendungsersatzanspruches gemacht wird, obwohl es eine Vielzahl von Transaktionen mit häufigem Umschlag gegeben hat und zahlreiche angeschaffte Wertpapiere bereits im Zuge des Daytradings wieder veräußert wurde

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem Unterliegen der Beklagten, § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 und 709 S. 2 ZPO.

Es gibt keinen Grund, der es rechtfertigen würde, die Revision gemäß § 543 II ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob ein zur Anwendung des § 242 BGB führender Ausnahmefall vorliegt, ist eine im Wesentlichen der Beurteilung der Richter der Tatsacheninstanz unterliegende Frage der Sachlage (BGHZ 68, 299ff.).

Ende der Entscheidung

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