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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.11.2006
Aktenzeichen: 23 U 37/06
Rechtsgebiete: BGB, VerbrKrG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 425
VerbrKrG § 12
ZPO § 531
1. Gemäß § 425 Abs. 2 BGB muss die Fälligkeitskündigung in wirksamer Weise gegenüber jedem Gesamtschuldner einzeln erklärt werden. Da mehrere gesamtschuldnerisch haftende Darlehensnehmer nicht in einem Gemeinschaftsverhältnis zueinander stehen, kann nach dem Grundsatz des § 425 BGB die Darlehensforderung nur gegenüber jedem gesondert fällig gestellt werden.

2. Zur Berücksichtigung neuen Parteivortrags in der Berufungsinstanz


Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung bedürfen, wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Ergänzend ist festzustellen, dass die Klägerin mit Mahnschreiben vom 13.2.2006 (Bl. 108 d.A.) die Beklagte zur Zahlung des rückständigen Betrages unter Fristsetzung und Kündigungsandrohung aufgefordert hat. Nach ausgebliebener Zahlung hat die Klägerin sodann mit Schreiben vom 6.3.2006 (Bl. 107 d.A.) den streitgegenständlichen Darlehensvertrag gegenüber der Beklagten gekündigt. Beide Schreiben wurden per Einschreiben an die Beklagte versandt, die den Zugang nicht bestreitet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und einen fälligen Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte mangels Fristsetzung nach dem VerbrKrG und wirksamer Kündigung ihr gegenüber verneint.

Gegen das ihr am 16.1.2006 zugestellte Urteil des Landgerichts hat die Klägerin am 15.2.2006 fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 16.3.2006 innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung der Zahlungsklage durch das Landgericht und meint, dass im Gegensatz zu dessen Auffassung die gegenüber dem Ehemann der Beklagten erfolgte Fristsetzung zur Zahlung der rückständigen Beträge Wirkung auch gegenüber der Beklagten entfaltet habe. Außerdem müsse die an die Beklagte gerichtete Fristsetzung dieser angesichts identischer Adresse ebenfalls zugegangen sein. Schließlich habe die Klägerin mit Datum vom 13.2.2006 ein qualifiziertes Mahnschreiben gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 VerbrKrG an die Beklagte übermittelt, woraufhin sie mit Kündigungsschreiben vom 6.3.2006 das Darlehen vom 2.2.1996 wirksam gekündigt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 16.3.2006 (Bl. 104-106 d.A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5.1.2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12.636,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz

aus 22.680,59 € vom 1.5.2001 bis zum 14.5.2003,

aus 22.522,11 € vom 15.5.2003 bis zum 12.6.2003,

aus 22.499,62 € vom 13.6.2003 bis zum 14.8.2003,

aus 22.321,31 € vom 15.8.2003 bis zum 17.10.2003,

aus 21.985,31 € vom 18.10.2003 bis zum 13.11.2003,

aus 21.509,31 € vom 14.11.2003 bis zum 3.12.2003,

aus 20.389,31 € vom 4.12.2003 bis zum 14.1.2004,

aus 19.997,31 € vom 15.1.2005 bis zum 11.2.2004,

aus 19.619,31 € vom 12.2.2005 bis zum 12.3.2004,

aus 19.094,31 € vom 13.3.3004 bis zum 14.4.2004,

aus 18.478,31 € vom 15.4.2004 bis zum 12.5.2004,

aus 18.058,31 € vom 13.5.2004 bis zum 10.6.2004

und aus 17.631,31 € vom 11.6.2004 bis zum 13.7.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Landgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Nach ihrer Ansicht habe die gegenüber ihrem Ehemann erfolgte Fristsetzung keine Wirkung ihr gegenüber entfaltet. Zwar habe die Klägerin nunmehr mit Schreiben vom 6.3.2006 auch ihr gegenüber die Kündigung ausgesprochen, dies sei jedoch erst nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens erfolgt, so dass auch diese Kündigung für diesen Rechtsstreit keine Wirkung habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 24.5.2006 (Bl. 113-116 d.A.) verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Es liegt ein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, denn nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung.

Das Landgericht hat daher auf der Grundlage neuen, zu berücksichtigenden Vorbringens der Klägerin im Ergebnis zu Unrecht einen Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückführung des Restsaldos des Darlehens vom 2.2.1996 in Höhe von 12.636,67 € verneint, der ihr vielmehr nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB iVm Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB zusteht.

Die Fälligkeit der Rückerstattung des gewährten Darlehens ist zwar inzwischen eingetreten, allerdings noch nicht aufgrund der von der Klägerin gegenüber dem Ehemann der Beklagten erfolgten Fristsetzung zur Zahlung der rückständigen Beträge mit anschließender Kündigung.

Wie auch das Landgericht bereits zutreffend festgestellt hat, muss gemäß § 425 Abs. 2 BGB die Fälligkeitskündigung in wirksamer Weise gegenüber jedem Gesamtschuldner einzeln erklärt werden (Palandt-Heinrichs, BGB, § 415 Rn 2). Da mehrere gesamtschuldnerisch haftende Darlehensnehmer nicht in einem Gemeinschaftsverhältnis zueinander stehen, kann nach dem Grundsatz des § 425 BGB die Darlehensforderung nur gegenüber jedem gesondert fällig gestellt werden (so BGH NJW 1989, 2383).

Deshalb reicht im Hinblick auf deren Einzelwirkung die Fälligkeitskündigung nach Fristsetzung gegenüber dem Ehemann der Beklagten im hier maßgeblichen Rechtsverhältnis zur Beklagten nicht aus.

Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist auch nicht schon deshalb von einer gegenüber der Beklagten nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 VerbrKrG wirksamen Fristsetzung mit anschließender Kündigung auszugehen, weil die ebenfalls an die Beklagte gerichtete Fristsetzung dieser angesichts identischer Adresse (mit ihrem Ehemann) genauso zugegangen sein müsse. Die Klägerin trägt die Darlegungs- und Beweislast für den Zugang von Fristsetzungs- und Kündigungsschreiben, hat jedoch deren Zugang weder substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt, was aber aufgrund des erheblichen Bestreitens durch die Beklagte erforderlich gewesen wäre. Bloße Mutmaßungen der Klägerin über einen zu erwartenden oder wahrscheinlichen Zugang reichen demgegenüber nicht aus.

Indessen steht nach dem im Berufungsverfahren entgegen der Ansicht der Beklagten zu berücksichtigenden, neuen und von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin nunmehr fest, dass die Klägerin mit Mahnschreiben vom 13.2.2006 (Bl. 108 d.A.) die Beklagte zur Zahlung des rückständigen Betrages unter Fristsetzung und Kündigungsandrohung aufgefordert, und nach ausgebliebener Zahlung die Klägerin sodann mit Schreiben vom 6.3.2006 (Bl. 107 d.A.) den streitgegenständlichen Darlehensvertrag gegenüber der Beklagten gekündigt hat. Die Beklagte bestreitet den Zugang dieser Schreiben nicht, sondern gesteht ihn sogar zu. Damit liegt nun eine nach dem VerbrKrG wirksame Kündigung des Darlehens auch gegenüber der Beklagten vor, die die Wirksamkeit nicht in Abrede stellt.

Die Beklagte hat diesen Vortrag der Klägerin lediglich für nach § 531 Abs.2 ZPO präkludiert gehalten, indem sie die Ansicht vertreten hat, diese wirksame Kündigung sei erst nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens erfolgt und könne deshalb für den vorliegenden Rechtsstreit keine Wirkung haben. Sie hat den neuen Vortrag jedoch nicht bestritten, weshalb er im Berufungsverfahren zugrunde zu legen ist. Wie der BGH mit Urteil vom 18.11.2004 (BGHZ 161, 138 mit ausführlicher Begründung) entschieden hat, sind unstreitige Tatsachen, die erstmals im Berufungsrechtszug vorgetragen werden, stets zu berücksichtigen; § 531 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen, auch wenn keiner der in dieser Vorschrift genannten Zulassungsgründe gegeben ist. Dies gilt selbst dann, wenn dadurch eine Beweisaufnahme erforderlich werden sollte, was vorliegend nicht der Fall ist. Nach dem BGH (aaO) ist nämlich der Begriff der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach dem bisherigen Recht auszulegen (vgl. BGH NJW 2004, 2825) und erfasst folglich unstreitiges Vorbringen nicht. Das ist auch unter den weiteren Gesichtspunkten des rechtlichen Gehörs und der Prozessökonomie gerechtfertigt.

Es kommt hinzu, dass die Entscheidungsgrundlage für das Gericht das gesamte, nicht präkludierte Vorbringen der Parteien ist (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl. 2006, § 128 Rn 8), wobei zeitlich für den Prozessstoff als Urteilsgrundlage der Schluss der mündlichen Verhandlung in der jeweiligen Instanz maßgeblich ist (Zöller-Greger § 300 Rn 3). Auch hiernach war die unstreitige neue Tatsache der wirksamen Fristsetzung und Kündigung des streitgegenständlichen Darlehens zu berücksichtigen mit der Folge der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs.

Die Beklagte ist dem geltend gemachten Zinsanspruch nicht entgegen getreten, der als Nebenforderung seine Grundlage in §§ 286, 288 Abs. 2, 247 BGB hat.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der ersten Instanz aufgrund der nach dem damaligen Sach- und Streitstand zu Recht erfolgten Klageabweisung durch das Landgericht auf § 91 Abs. 1 ZPO, im übrigen auf § 97 Abs. 2 ZPO.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren nach § 97 Abs. 2 ZPO der allein wegen eines neuen Vorbringens obsiegenden Klägerin aufzuerlegen (vgl. KG KGR 1998, 193 u. Zöller-Herget § 97 Rn 13 zum ähnlich gelagerten Fall einer Kündigung in zweiter Instanz), zumal eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht nicht vorliegt angesichts der von der Klägerin zugestandenen Äußerung von Bedenken des Landgerichts in der mündlichen Verhandlung gegen die Wirksamkeit der Kündigung sowie der diesbezüglichen ausführlichen Angriffe der Beklagten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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