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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 04.06.2003
Aktenzeichen: 23 U 57/02
Rechtsgebiete: ZK, ZK-DVO
Vorschriften:
ZK Art. 202 Ia | |
ZK Art. 203 | |
ZK-DVO Art. 454 II |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 04.06.2003
In dem Rechtsstreit
hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzenden Richter am OLG ..., Richter am OLG ...und Richter am LG ... aufgrund der mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2003
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 2-07 O 291/01 - vom 7.2.2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 130 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 60.225,94 ? festgesetzt.
Gründe:
Die Berufung ist zulässig.
Insbesondere hat die Klägerin ihre Berufung fristgemäß (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils begründet. Denn auf das Berufungsverfahren findet gem. § 26 Nr. 5 Satz 2 EGZPO neues Recht Anwendung.
Zwar ist für die Bestimmung des anzuwendenden Berufungsrechts nach § 26 Nr. 5 Satz 1 ZPO auch dann auf den Tag der mündlichen Verhandlung abzustellen, wenn eine Schriftsatznachlassfrist nach § 283 ZPO eingeräumt wurde (BGH NJW 2003, 434). Vorliegend hat aber das erstinstanzliche Gericht in der mündlichen Verhandlung am 13.12.2001 nicht nur dem Beklagten eine Frist zum Schriftsatznachlass eingeräumt, sondern auch der Klägerin eine Frist zur Darlegung ihrer Vertretung gesetzt und gleichzeitig Termin zur Entscheidung anberaumt (Bl. 234 d.A.). Damit ist das Landgericht faktisch -wenn auch verfahrensfehlerhaft- ins schriftliche Verfahren (§ 128 Abs. 2 ZPO) übergegangen, weil es nicht auf der einen Seite dem Beklagten eine Schriftsatznachlassfrist und auf der anderen Seite der Klägerin eine Beibringungsfrist setzen durfte, ohne nochmals mündlich zu verhandeln oder ins schriftliche Verfahren überzugehen. Im schriftlichen Verfahren tritt nach § 26 Nr. 5 Satz 2 ZPO an die Stelle der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Diese Frist endete am 15.1.2002, weshalb das neue Berufungsrecht Anwendung findet.
Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Die Berufung der Klägerin, mit der sie die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 60.225,94 ? nebst 5 % Zinsen seit 30.9.2000 erstrebt, ist unbegründet.
Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 1. Altern. ZPO). Vielmehr steht der Klägerin aufgrund des vom Landgericht festgestellten Sachverhalts (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), den die Klägerin nicht angreift, kein Anspruch aus § 765 BGB gegen den Beklagten aufgrund der vom Beklagten übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft gegenüber der Klägerin (Bl. 81 -85 d.A.) zu.
In dieser Bürgschaft hat der Beklagte die Haftung für Zahlungsverpflichtungen von Carnet-Inhabern, die durch deutsche Zollstellen Zollgut auf ein von der IRU angeschlossenen Verbänden ausgegebenen Carnet-TIR abfertigen lassen, gegenüber der Klägerin übernommen.
Vorliegend war die Firma l. K. aus S. Carnet-Inhaberin, die 30 Paletten Polyethy-lenbeutel im externen Versandverfahren gem. Art. 91 Abs. 2 b Zollkodex (ZK) von Bg. nach Na. gem. dem Carnet-TIR transportieren sollte. Dieses von der Firma K. in Bg. eröffnete Carnet-Verfahren hätte in F. durch Gestellung des auf dem LKW befindlichen Ladeguts ordnungsgemäß beendet werden sollen (Art. 92 Abs. 1 ZK u. Art. 361 Abs. 1 ZK-DVO).
Die Zollladung -auch nicht die auf dem LKW geschmuggelten Zigaretten- wurde jedoch nicht von deutschen Zollstellen abgefertigt. Unter Abfertigung durch deutsche Zollstellen i.S. des Bürgschaftsvertrages ist die Gestellung von Waren gegenüber einer deutschen Zollstelle zu verstehen (Art. 4 Nr. 19 ZK). Bei der Gestellung handelt es sich um die Vorführung des LKW's, auf dem die Waren transportiert werden, verbunden mit der Wissenserklärung, dass Waren im Zollgebiet eingetroffen seien (Schwarz/Wockenfoth, Kommentar, 3. Aufl., Art. 4 ZK R. 75 u. Art. 40 ZK R. 4 u. 5). Eine solche Gestellung vor deutschen Zollbehörden erfolgt seit dem 1.1.1992 in der Regel nicht mehr, wenn Waren im externen Versandverfahren mit Carnet-TIR in die EU eingeführt werden. Denn ab dem 1 .1.1992 gilt die Europäische Union im Carnet-Verfahren gem. Art. 451 Abs. 1 ZK-DVO als einheitliches Zollgebiet mit der Folge, dass Zollgut nur noch an den Außengrenzen der EU gestellt wird und nicht mehr an den Grenzen der einzelnen Binnenländer. Dies geschah vorliegend erstmals mit dem Grenzübertritt von Bg. nach GL Deshalb geschieht eine Gestellung vor deutschen Zollbehörden im Carnet-Verfahren nur noch, wenn ein Verfahren in Deutschland eröffnet wurde oder Ware/Zollgut direkt aus einem nicht der EU angehörenden Land nach Deutschland verbracht wird. Um Letzteres geht es jedoch nicht bei dem Transport durch den Carnet-Inhaber K. von Bg. nach F. über GL Danach haftet der Beklagte dem Wortlaut der Bürgschaftsurkunde nach nicht für etwaige Zahlungsverpflichtungen des Carnet-Inhabers K. gegenüber der Klägerin, weil deutsche Zollstellen die von K. transportierten Waren nicht abgefertigt haben.
Dies gilt aber auch dann, wenn die vom Beklagten übernommene Verpflichtung zu bürgen, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin gehend verstanden werden sollte, dass der Beklagte auch für die Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen ausländischer Carnet-Inhaber haftet, wenn deren Zollgut nicht durch deutsche Zollstellen abgefertigt wurde. Insoweit ist bereits unklar, wie die Klägerin die Bürgschaftserklärung der Beklagten ausgelegt haben will, damit es zu einer Haftung des Beklagten kommt, wenn Zollgut durch deutsche Zollstellen im Carnet-Verfahren nicht abgefertigt wurde. Dies kann jedoch offen bleiben, weil eine Haftung des Beklagten vorliegend jedenfalls deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Klägerin gegenüber dem Carnet-Inhaber K. wegen der Einfuhr der Zigaretten und der Polyethylenbeutel in die EU keine Einfuhrabgaben zustehen, da es der Klägerin insoweit an der Abgabehoheit - d.h., die materielle Berechtigung, wegen der Einfuhr von Waren in die EU Abgaben zu erheben- fehlt. Mangels Anspruch auf Einfuhrabgaben kann auch wegen der Akzessorietät der Bürgschaft kein Anspruch aus § 765 BGB entstehen.
Die Berechtigung zur Erhebung von Einfuhrabgaben im Carnet-Verfahren ergibt sich nämlich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht aus Artikel 8 des TIR-Übereinkommens. Artikel 8 Satz 1 TIR-Übereinkommen lautet:
"Der bürgende Verband hat sich zu verpflichten, die fälligen Eingangs- oder Ausgangsabgaben zuzüglich etwaiger Verzugszinsen zu entrichten, die nach den Zollgesetzen und anderen Zollvorschriften des Landes zu entrichten sind, in dem eine Unregelmäßigkeit im Zusammenhang mit einem TIR-Transport festgestellt worden ist."
Zwar wurde die Unregelmäßigkeit -.d.h. der Schmuggel der Zigaretten und die Entziehung der Polyethylenbeuteln aus der zollamtlichen Überwachung - des Transports durch den Carnet-Inhaber im externen Versandverfahren in Deutschland festgestellt. Aber daraus ergibt sich noch nicht die Abgabehoheit der Klägerin.
Denn Artikel 8 Abs. 1 Satz 1 TIR-Übereinkommen ist vor dem Hintergrund, dass nach Artikel 451 ZK-DVO die EU im Carnet-Verfahren als einheitliches Zollgebiet gilt, was auch nach Art. 48 TIR zulässig ist, und seit 1.1.1994 mit dem Zollkodex ein einheitliches Zollgesetz für alle Mitgliedsstaaten der EU existiert, auszulegen. Deshalb ist unter Land i.S. von Artikel 8 Abs. 1 Satz 1 TIR-Übereinkommen nicht die Klägerin, sondern das Zollgebiet der EU gemäß Art. 3 ZK zu verstehen und unter dem Zollgesetz und den Zollvorschriften der Zollkodex. Dies bedeutet für die Auslegung des Artikel 8 Abs. 1 Satz 1 TIR-Übereinkommen, dass die Unregelmäßigkeit im Zusammenhang mit dem TIR-Transport in der EU festgestellt worden ist mit der Folge, dass nach dem Zollgesetz der EU die Einfuhrabgaben zu erheben sind. Deshalb kann seit 1.1.1992 aus Art. 8 Abs. 1 Satz 1 TIR-Übereinkommen weder der Mitgliedsstaat der EU, der für die EU die Einfuhrabgaben erheben darf, noch der bürgende Verband, der für die Einfuhrabgaben haftet, entnommen werden. Vielmehr ist die Abgabenhoheit nach EU-Recht zu ermitteln.
Artikel 60 ZK überlässt es den Mitgliedsstaaten der EU die Zuständigkeit für die Erhebung von Zöllen (Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 4 Nr. 10 u. 11 ZK) zu regeln. Allerdings stellt Artikel 60 den Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor den nationalen örtlichen und sachlichen Bestimmungen fest.
Grundsätzlich ist nach EU-Recht der Mitgliedsstaat für die Abgabenerhebung zuständig, indem die Zollschuld entstanden ist, was aus Art. 215 Abs. 1, erster Anstrich folgt (Schwarz/Wockenfoth/Glashoff, Art. 91 -97 ZK R. 260).
Sowohl der Tatbestand der Entstehung der Verpflichtung zur Zahlung der Einfuhrabgaben für die Zigaretten (Zollschuld) als auch der Tatbestand der Entstehung zur Verpflichtung zur Zahlung der Einfuhrabgaben für die Polyethylenbeutel verwirklichten sich nicht in Deutschland mit der Folge, dass es der Klägerin an der Abgabenhoheit fehlt.
Soweit das Hauptzollamt Kr. Steuerbescheide gegen den Carnet-Inhaber K. erlassen hat, die rechtskräftig geworden sind, folgt daraus jedoch im Verhältnis zum Beklagten keine bindend festgestellte Steuerschuld, für die er als Bürge einzustehen hat. Zwar sind Zivilgerichte grundsätzlich an Verwaltungsakte gebunden. Dies gilt jedoch nicht gegenüber einem Bürgen, soweit es um die Entstehung der Hauptschuld geht, für die er einzustehen hat. Denn auch eine rechtskräftige Feststellung der Hauptschuld durch Urteil entfaltet gegenüber dem Bürgen keine Rechtskraft (BGHZ 76, 222, 230 u. 107, 92). Vielmehr bleiben ihm sämtliche Einreden und Einwendungen erhalten.
Die Einfuhrzollschuld bezüglich der geschmuggelten Zigaretten entstand entweder nach Art. 202 Abs. 1 a ZK oder nach Art. 203 Abs. 1 ZK in GL. Nach Art. 202 Abs. 1 a ZK entsteht eine Zollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware -hier: die Zigaretten - vorschriftswidrig in das Zollgebiet der EU verbracht wird. Dies geschieht, indem Ware über die Grenze in das Zollgebiet der EU verbracht wird, ohne sie bei der ersten Möglichkeit zur Gestellung zu gestehen (Schwarz/Wokenfoth Art. 202 ZK R. 11 +17). Mit der erstmaligen Verletzung der Gestellungspflicht entsteht die Verpflichtung zur Zahlung der Einfuhrabgabe. Dies war in Gl. der Fall, als der Carnet-Inhaber die Zigaretten vor der griechischen Zollbehörde nach Überschreiten der Zollgrenze nicht gestellte.
Die Gestellung erfolgt gemäß Art. 4 Nr. 19 ZK-wie bereits ausgeführt- durch Vorführen des LKW (zur Verfügungstellung der Waren) und Mitteilung an die Zollbehörde, dass sich die Waren bei der Zollstelle befinden bzw. eingetroffen sind. Diese Mitteilung kann durch schlüssiges Verhalten geschehen, z.B. durch Vorlage der Zollpapiere bzw. des Carnet-TIR (Schwarz/Wokenfoth Art. 40 ZK R.5), und bedarf nach § 8 Zollverordnung einer ausdrücklichen Form, wenn Waren versteckt oder durch besonders angebrachte Vorrichtungen verheimlicht werden. Deshalb genügt im Falle versteckter oder verheimlichter Waren nicht die allgemeine Mitteilung ü-ber das Vorhandensein von Waren. Vielmehr muß darüber hinaus auf versteckte oder verheimlichte Ware ausdrücklich hingewiesen werden (BGH NJW 2003, 907, 908 und BFH ZfZ 2002, 309).
Danach umfasste das Vorführen des LKW an derb...-g... Grenze nur die Gestellung der im Carnet-TIR aufgeführten Polyethylenbeutel, nicht aber auch die auf der Ladefläche versteckten Zigaretten. Letztere wurden aus den vorstehenden Gründen auch nicht konkludent gestellt, weil auf sie ausdrücklich hätte hingewiesen werden müssen.
Allerdings ist zweifelhaft, ob im Falle versteckter oder verheimlichter Waren die allgemeine Mitteilung, dass Waren eingetroffen seien, nicht ausreicht, sondern darüber hinaus auf die verheimlichten oder versteckten Waren ausdrücklich hingewiesen werden muss. Deshalb hat der Bundesfinanzhof eine Vorabentscheidung des EuGH zu dieser Frage eingeholt ( BFH ZfZ 2002, 309 ).
Aber auch dann, wenn die Gestellung des LKW die Zigaretten mitumfasst haben sollte, wäre die Zollschuld in Gl. nach Art. 203 Abs. 1 ZK entstanden, weil die Zigaretten im Falle einer Gestellung in Gl. noch in Gl. der zollamtlichen Überwachung entzogen worden wären und nicht erst in Deutschland durch Siegelbruch und Abladen des Zollguts ohne Mitwirkung der Zollbehörden. Da die Zigaretten bereits in Gl. der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden, war der Tatbestand, der zur Entstehung der Zollschuld führte, bereits in Gl. erfüllt (Art. 203 Abs. 2 ZK) und konnte deshalb nicht noch einmal in Deutschland erfüllt werden.
Art. 203 Abs. 1 ZK greift ein, wenn Zollgut nach der Gestellung im Zollgebiet der EU der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff des Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne von Art. 203 Abs. 1 ZK so zu verstehen, dass er jede Handlung oder Unterlassung umfasst, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der in Art. 37 Abs. 1 ZK vorgesehenen Prüfungen gehindert wird (ZfZ 2002, 338, 341).
Danach stellte bereits das Wegfahren des LKW vom Amtsplatz der griechischen Zollbehörde eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung dar, weil die nach Art. 37 Abs. 1 S. 2 ZK vorgesehenen Prüfungen unmöglich gemacht wurden. Denn die griechische Zollbehörde hatte von den Zigaretten keine Kenntnis und damit für eine Überprüfung keinen Anlass.
Zwar standen die ebenfalls auf der Ladefläche transportierten Polyethylenbeutel unter zollamtlicher Überwachung, als der LKW vom Amtsplatz wegfuhr. Diese zollamtliche Überwachung erstreckte sich aber nur auf die im Carnet-TIR angegebene Ware. Auch die Tatsache, dass die Ladefläche des LKW von den Zollbehörden versiegelt worden war und die Zigaretten damit während des Transports zumindest räumlich von dem Zollsiegel erfasst wurden, führt nicht dazu, dass die Zigaretten ebenfalls unter zollamtlicher Überwachung stehend angesehen werden konnten.
Denn ein Zollsiegel hätte in keiner Weise verhindern können, dass die Zigaretten während des Transports durch das Gebiet der EU von der Ladefläche des LKW hätten entnommen werden können. Werden die Zigaretten nämlich während des Transports durch das Gebiet der EU mit oder ohne Verletzung des Zollsiegels von der Ladefläche des LKW entfernt, so hat die Zollbehörde keinerlei Möglichkeit, für die in den freien Verkehr gelangten Zigaretten die entsprechenden Einfuhrabgaben zu erheben, weil sie von der Existenz der Zigaretten auf dem LKW keine Kenntnis hatte (BGH NJW 2003, 907, 909).
Auch soweit es um den Transport der Polyethylenbeutel geht, entstand die Zollschuld nach Art. 203 Abs. 1 ZK nicht in Deutschland.
Zwar sind die Polyethylenbeutel durch Vorlage des Carnet-TIR bei der g... Zollbehörde gestellt worden. Aber sie wurden bereits in F. der zollamtlichen Überwachung entzogen, weil das externe Versandverfahren nicht nach Art. 92 Abs. 1 ZK ordnungsgemäß durch Gestellung bei der Bestimmungszollstelle in F. beendet wurde.
Denn eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung liegt auch dann vor, wenn Ware im Anschluss an ihre Beförderung im externen Versandverfahren, ohne gestellt zu werden, weiter befördert wird, ohne dass deutlich ersichtlich ist, dass diese Vorgehensweise noch in irgendeinem Zusammenhang mit der Beförderung oder der Gestellung des Zollguts steht.
Zur Aufrechterhaltung der Prüfungsmöglichkeit über die transportierte Ware nach Art. 37 Abs. 1 ZK (zollamtliche Überwachung) ist es nämlich grundsätzlich erforderlich, dass diese nur auf der verbindlichen Beförderungsroute transportiert wird ( Art. 355 Abs. 2 ZK-DVO ). Jedes Abweichen von der vorgeschriebenen Route stellt eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung dar.
Da die sich auf der Ladefläche des LKW befindlichen Polyethylenbeutel nicht dem in Na. (Bestimmungsort) nächstgelegenen Zollamt gestellt wurden, sind sie deshalb der zollamtlichen Überwachung entzogen worden, mit der Folge, dass die Zollschuld gemäß Art. 203 Abs. 2 ZK in F. entstanden ist.
Schließlich ergibt sich die Abgabehoheit der Bundesrepublik Deutschland auch nicht aus Art. 454 Abs. 2 ZK-DVO. Diese Vorschrift lautet:
" Wird im Zusammenhang mit einem Transport mit CarnetTIR... in einem bestimmten Mitgliedsstaat eine Zuwiderhandlung festgestellt, so erhebt dieser Mitgliedsstaat die Zölle... gemäß den gemeinschaftlichen oder innerstaatlichen Vorschriften"
Der Wortlaut dieser Vorschrift könnte es zwar nahe legen, dass im Carnet-Verfahren der Mitgliedsstaat in der EU für die Erhebung der Einfuhrabgaben zuständig ist, der eine Zuwiderhandlung festgestellt hat. Dies wäre vorliegend die Klägerin, weil auf ihrem Gebiet der Schmuggel der Zigaretten bzw. die Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung erstmals festgestellt wurde.
Aber aus einer systematischen Auslegung der Vorschrift unter Einbeziehung des Absatzes 3 des Artikels 454 ZK-DVO ergibt sich, dass zunächst der Mitgliedsstaat, in dem die Zuwiderhandlung begangen wurde, für die Erhebung der Zölle zuständig ist. Denn anderenfalls würde die Regelung in Absatz 3 keinen Sinn machen. Diese lautet nämlich:
"Kann nicht festgestellt werden, in welchem Gebiet die Zuwiderhandlung begangen worden ist, so gilt sie als in dem Mitgliedsstaat begangen, in dem sie festgestellt worden ist "
Daraus folgt, dass der Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Zuwiderhandlung festgestellt , aber nicht begangen worden ist, erst zuständig wird, wenn nicht festgestellt werden kann, in welchem Mitgliedsstaat die Zuwiderhandlung begangen wurde. Letzteres steht jedoch nach den vorstehenden Ausführungen fest. Danach kam es bereits in Gl. zu den ersten Zuwiderhandlungen, weil die Zigaretten nach Gl. geschmuggelt und auch dort der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden. Damit ist Gl. für die Erhebung der Zölle für die auf dem LKW im Carnet-Verfahren transportierten Zigaretten zuständig, weil in deren Gebiet die Zuwiderhandlungen begangen wurden.
Soweit es um die Polyethylenbeutel geht, erfolgte die Zuwiderhandlung nach den vorstehenden Ausführungen in F., so dass F. nach Art 454 Zk-DVO für die Erhebung der Zollabgaben zuständig ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Anlass, die Revision zuzulassen besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO sind nicht erfüllt.
Ende der Entscheidung
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