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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 21.02.2007
Aktenzeichen: 23 U 86/06
Rechtsgebiete: BGB, RBerG, SpruchG, UmwG


Vorschriften:

BGB § 317
BGB § 319
RBerG § 1
SpruchG § 4
SpruchG § 13
UmwG § 15
UmwG § 34
In Anbetracht bestimmter Tendenzen ist es vorstellbar, dass die Rechtsprechung sich dahin entwickelt, das Spruchverfahren als adäquaten Weg zur Feststellung der Ansprüche der Minderheitsaktionäre anzusehen. Eine andere Frage ist es jedoch, ob der Minderheitsaktionär diesen Weg wählen kann oder muss.
Gründe:

I.

Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen, § 540 I ZPO. Auf Seite 4, unterster Absatz, befindet sich ein Schreibfehler (statt 3,41 € muss es richtig heißen: 30,41 €). Die Rechtsauffassung der Beklagten ist nicht vollständig dargestellt. Diese hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin im Spruchstellenverfahren klagen müsse. Weiterhin hat sie die Auffassung vertreten, dass die (bestrittenen) Abtretungen rechtswidrig seien, weil die dadurch angestrebte Inkassotätigkeit der Klägerin gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoße.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist der Auffassung, es sei ein wirksamer Kaufvertrag zustandegekommen. Eine Vertragsanpassung könne nicht erfolgen. Eine Neubewertung dürfe das Gericht nicht vornehmen.

Die Bestimmung der Leistung aus dem öffentlichen Kaufangebot sei nicht einem Dritten überlassen worden. Der Rechtsgrund der Nachbesserung habe nicht ein Schiedsspruch der Gutachter unmittelbar sein sollen, sondern die vertragliche Zusage der Beklagten, entsprechend dem gutachterlichen Ergebnis zu verfahren. Auch ein selbst festgelegter Wert von 31,79 € sei unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten zum jeweiligen Stichtag der Bewertungen nicht ersichtlich.

Selbst wenn man aber von dem Abschluss eines Schiedsgutachtervertrages und einem möglichen, von beiden Prüfungsgesellschaften festgestellten höheren Wert ausgehe, ergebe sich im Ergebnis nichts anderes. Eine offenbare Unbilligkeit der Festsetzung des Wertes des Unternehmens und damit der Aktie sei bei einer Abweichung von unter 20 % nicht ersichtlich. Es sei auch nicht so, dass sich einem sachkundigen und unbefangenem Betrachter - sei es auch erst nach eingehender Prüfung - offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen würden, die das Gesamtergebnis verfälschen. Die Beklagte habe umfangreich vorgetragen, dass die erfolgten Thesaurierungen von Erträgen eine unternehmerische Entscheidung sei, die wegen des gewissen Beurteilungsspielraums nicht zu beanstanden und bankaufsichtsrechtlich geboten gewesen sei. Eine Unrichtigkeit des gemeinsamen Bewertungsgutachtens sei nicht dargetan. Eine Neubewertung durch einen weiteren vom Gericht bestellten Wirtschaftsprüfer dürfe nicht vorgenommen werden. Es sei der Klägerin verwehrt, ihre eigenen, möglicherweise vertretbaren Ansichten über Gewinnverwendung zur Grundlage eines Klagebegehrens zu machen.

Auf die weiteren Einwände der Beklagten gegen die geltend gemachten Ansprüche komme es nicht an.

Die Feststellungsklage sei unzulässig, da es für den Leistungsanspruch in diesem Rechtsstreit auf die Pflichten aus den hier betroffenen Aktienkaufverträgen ankomme und ein Ergebnis des Spruchstellenverfahrens nur eine Indizwirkung haben könne, aber in keiner Weise für die Entscheidung in diesem Rechtsstreit vorgreiflich sei.

Dieses Urteil wurde der Klägerin am 27.03.2006 zugestellt. Sie hat gegen dieses Urteil am 27.04.2006 Berufung eingelegt und sie innerhalb der bis zum 29.06.2006 verlängerten Frist wie folgt begründet:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts handele es sich bei den beiden Bewertungsgutachten um eine Drittbestimmung zu Tatsachen, also dass § 317 ff. BGB zumindest analog zur Anwendung gelangen müßten. Diese Drittbestimmung sei im vorliegenden Fall falsch, da der Unternehmenswert der X zum 31.12.2000 501 Mio. DM und nicht die angesetzten 418 Mio. DM betragen und somit um knapp 20 % höher gelegen habe. Das Ausgangsgericht sei fehlerhaft von einer unternehmerischen Entscheidung ausgegangen, um die es hier nicht gehe. Tatsächlich gehe es darum, dass die Bewertung der X unbillig gewesen sei, weil eine Thesaurierung betriebswirtschaftlich nicht plausibel begründet werden könne und später ja auch nicht vorgenommen worden sei. Das Landgericht habe auch völlig unberücksichtigt gelassen, dass in missbräuchlicher Weise die Risikovorsorge für die X erhöht worden sei, während sie bei der Y trotz waghalsiger Spekulationsgeschäfte gesenkt worden sei. Das Gutachten der beiden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sei so einseitig auf die Interessen der Beklagten abgestellt, dass dessen offensichtliche Unrichtigkeit unabhängig von der Bewertungstoleranz zu Tage trete.

Der Feststellungsantrag sei zulässig, da er sich auf noch nicht bezifferbare Bereiche beziehe und aus Verjährungsgründen habe rechtshängig gemacht werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

1. das Endurteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 2-27 0 538/04, dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 1.974.887,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,

2. das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über die Zahlung gemäß Ziffer 1. hinaus einen weiteren Wertersatz zu leisten, welcher daraus resultiert, dass der Wert der einzelnen Aktie der X AG mit Sitz in ... ein höherer war, als im öffentlichen Kaufangebot für Aktien der X AG durch die Y AG vom 16.01.2001 angenommen, wobei insoweit für die Bewertung dieser Aktie maßgeblich sind die Wertfeststellungen im Spruchstellenverfahren, derzeit anhängig vor dem Landgericht Köln unter dem Az. 82 0 81/03.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Urteil weise keine Rechtsfehler auf. Eine Leistungsbestimmung durch Dritte im Sinne des § 317 BGB liege nicht vor. Der "richtige" Wert sei bereits nach den Regeln des Übernahmekodexes bestimmt worden. Aufgabe des Gutachtens sei es nur gewesen, zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen zu berücksichtigen. Wenn man aber von der Anwendbarkeit der §§ 317 ff. BGB ausgehe, ergebe sich, dass im Planungszeitraum die Thesaurierung aus ex ante Perspektive zwingend geboten gewesen, auch wenn sie später nicht durchgeführt worden sei, und überdies die Erheblichkeitsschwelle des § 319 BGB, die mindestens bei 20 % liege, nicht überschritten worden sei. Auf die Frage, ob die Risikovorsorge bei der X richtig bewertet worden sei, komme es nicht an.

Der Feststellungsantrag sei unzulässig. Die Klägerin müsse nicht das Ende des Spruchverfahrens abwarten. Es stehe ihr frei, einen Gutachter mit der Prüfung der vermeintlichen weiteren Bewertungsfehler zu beauftragen und dieses Gutachten zur Grundlage ihres Zahlungsantrages zu machen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, insbesondere die gutachtliche Stellungnahme der Firmen A GmbH und B-GmbH vom 19.3.2001.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

1.

Zahlungsklage:

Die Zahlungsklage ist zulässig und beruht auf einer wirksamen Abtretung. Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen der §§ 317 und 319 BGB ergibt sich jedoch, dass die Bestimmung der Leistung noch billigem Ermessen entspricht.

Die Beklagte hat im ersten Rechtszug zwei Einwendungen gegen die Klage erhoben, auf die das Landgericht nicht eingeht, die aber aus systematischen Gründen vor den Fragen zu klären ist, mit denen das Landgericht sich auseinandergesetzt hat.

a.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin habe die Nachzahlung in einem Spruchverfahren gemäß § 34 UmwG geltend machen müssen. Jetzt sei dies allerdings nicht mehr möglich, da die Frist des § 4 SpruchG abgelaufen sei (Bl. 288 ff. d.A.).

Nach eingehender Prüfung kommt der Senat zu der Auffassung, dass es sich zwar nicht ausschließen läßt, dass den Zedenten die Möglichkeit offenstand, das Spruchverfahren in Anspruch zu nehmen, sie aber wegen der damit verbundenen Unklarheiten nicht darauf verwiesen werden können.

Die gesetzlichen Regelungen (z.B. §§ 15 und 34 UmwG) enthalten für den vorliegenden Fall einer potentiellen Benachteiligung von Aktionären auf Grund eines öffentlichen Kaufangebotes vor Durchführung der Verschmelzung keine Bestimmung, die das Verfahren nach dem SpruchG eröffnen würde. Es ist allerdings zutreffend, dass im Zuge der Entscheidung des BGH vom 25.11.2002 (BGHZ 153, 47 ff.) eine eindeutige Tendenz besteht, den Anwendungsbereich des SpruchG zu erweitern. Wie der BGH in dieser Entscheidung ausführt, muss Minderheitsaktionären im Fallen eines regulären Delistings ein Pflichtangebot zum Kauf ihrer Aktien durch die Gesellschaft oder durch den Großaktionär vorgelegt werden, wobei die "Höhe des Angebotsbetrages in einem dafür geschaffenen Verfahren (Spruchverfahren) geklärt wird". Es sei sinnvoll, den zwischen den Parteien aufgetretenen Konflikt auf diesem Wege zu lösen. Das OLG Düsseldorf hat unter Bezugnahme auf diese Entscheidung des BGH in einem Beschluss vom 30.12.2004 (NZG 2005, 317 ff.) die Auffassung vertreten, dass auch im Fall des sogenannten "kalten Delistings" eine Überprüfung des Abfindungsangebotes gemäß §§ 29 und 34 UmwG im Wege des Spruchverfahrens zu erfolgen habe (es ging um einen Fall der Aufspaltung einer börsennotierten AG in zwei nicht börsennotierte Aktiengesellschaften). In Anbetracht dieser Tendenzen ist es durchaus vorstellbar, dass die Rechtsprechung sich dahin entwickeln wird, dass auch in einem Fall wie dem vorliegenden, dessen besonderes Merkmal in dem öffentlichen Kaufangebot liegt, das Spruchverfahren als adäquater Weg zur Feststellung der Ansprüche der Minderheitsaktionäre angesehen wird.

Eine ganz andere Frage ist es jedoch, ob der Minderheitsaktionär diesen - im vorliegenden Fall wegen Fristversäumnis, § 4 SpruchG, ausscheidenden - Weg wählen kann oder muss. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem ähnlich liegenden Fall (NJW-RR 2000, 842 ff.) für Recht erkannt, dass der Schutz der Minderheitsaktionäre nicht notwendig im Spruchverfahren erfolgen müsse, sondern auch im Wege der Leistungs- und ggf. Feststellungsklage durchgesetzt werden könne. Die Argumentation der Klägerin, dass eine Leistungs- und Feststellungsklage aus Gründen der Gewährleistung des Rechtes auf effektiven Rechtschutz bei Zweifeln über die Zulässigkeit eines Spruchverfahrens gegeben sein müsse (Bl. 315 d.A.), erscheint dem Senat überzeugend.

Es kommt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu, auf den die Klägerin ebenfalls zu Recht hinweist:

Nach allgemeiner Auffassung (OLG Düsseldorf ZIP 2001, 158 ff., Bilda, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 8. Band, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 115, Lutter/Grunewald, Umwandlungsgesetz, Band I, 3. Aufl. 2004, § 34 Rn. 3) erlöscht im Fall der Annahme eines Barabfindungsgebots die Antragsberechtigung des Anteilsinhabers. Auf diese Lösung kann sich ein Anteilsinhaber auch einlassen, weil die spätere Entscheidung im Spruchverfahren gem. § 13 S. 2 SpruchG auch zu seinen Gunsten wirkte. Wenn die Rechtslage aber so ist, dass der ein Angebot akzeptierende Anteilsinhaber die Antragsberechtigung nach dem Spruchgesetz verliert, dann ist sicherlich auch die Auffassung vertretbar, dass auf Grund dieses Arguments derjenige, der ein öffentliches Kaufangebot der Mehrheitsaktionärin akzeptiert, keine Antragsberechtigung nach dem SpruchG hat.

b.

Die Beklagte hält die Abtretungen für unwirksam, da es sich um Inkassozessionen handele, die gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen würden. Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen.

Von einer Inkassozession ist im vorliegenden Fall auszugehen. Dass durch die gemeinsame Geltendmachung der verschiedenen abgetretenen Forderungen eine Reduzierung der Kosten erreicht wird, spricht nicht gegen die Wirksamkeit der Abtretungen.

Gemäß Art. 1 § 1 S. 1 RBerG ist die Einziehung fremder oder zur Einziehungszwecken abgetretener Forderungen aber nur dann erlaubnispflichtig, wenn sie geschäftsmäßig erfolgt. Fehlt die Erlaubnis, ist die Zession nichtig (Palandt/Grüneberg, BGB, 65 Auf. 2006, § 398 Rn. 28, BGH ZIP 1993, 1708 f.).

Die Frage, wann jemand geschäftsmäßig im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 des Rechtsberatungsgesetzes handelt, ist bekanntlich schwierig zu beantworten. Die Hauptschwierigkeit resultiert daraus, dass die Frage der Geschäftsmäßigkeit auch eine der inneren Einstellung ist (BGH NJW 2002, 2104 ff., Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 3. Auf. 2001, Art. 1 § 1 Rn. 58), die nur in begrenzter Form durch nach außen wirkende Handlungen dokumentiert wird. Als gesichert gilt, dass

- "geschäftsmäßig" nicht mit "gewerbsmäßig" gleichzusetzen ist, so dass auch eine unentgeltliche Rechtsbesorgung erlaubnispflichtig sein kann (Rennen/Caliebe, a.a.O., Art. 1 § 1 Rn. 56),

- selbst eine Einzelhandlung geschäftsmäßig sein kann (Rennen/Caliebe, a.a.O., Art. 1 § 1, Rn. 58),

- familiäre Beziehungen dem Merkmal der Geschäftsmäßigkeit nicht entgegenstehen (Chemnitz/Johnigk, Rechtsberatungsgesetz, 11. Auf. 2003, Art. 1 § 1 Rn. 106).

Positiv formuliert handelt geschäftsmäßig derjenige, der beabsichtigt - sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit - die Tätigkeit zu wiederholen, um sie dadurch zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen (BGH NJW 2002, 2104 ff.). Eine Abgrenzung ist erforderlich zu demjenigen, der ausnahmsweise aus besonderen Gründen wie z.B., um eine Gefälligkeit zu erweisen, eine Forderungseinziehung vornimmt (BGH NJW 2002, 2104 ff., Rennen/Caliebe, a.a.O., Art. 1 § 1, Rn. 56).

Davon auszugehen ist, dass die Klägerin, eine Familien-Holdinggesellschaft, die sich ausweislich des Handelsregisterauszuges (Bl. 259 d.A.) mit dem "Erwerb von Beteiligungen und Anlagen aller Art, sowie von Immobilien" befasst, von fünf Verwandten, darunter auch ihrem Geschäftsführer, Forderungen gegen die Beklagte abgetreten bekommen hat. Wie der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert hat, wird die Klägerin treuhänderisch im Interesse der Familienmitglieder tätig, wobei über eine Verwendung des erstrittenen Betrages im Falle eines Prozesserfolges noch keine Entscheidung gefällt worden sei und auch ein Verbleiben bei der Klägerin in Betracht komme.

Ein Verstoß gegen das RBerG liegt in diesem Verhalten nicht. Auch wenn es sich um fünf Fälle handelt, ist nach Auffassung des Senats zu berücksichtigen, dass diese auf einen gemeinsamen Grund zurückgehen (Investitionen der Familie in die X) und es konkrete Anhaltspunkte für eine Wiederholungsabsicht nicht gibt (vgl. Rennen/Caliebe, a.a.O., Art. 1 § 1 Rn. 62). Ausschlaggebend aber ist, dass eine treuhänderische Tätigkeit im Interesse des Geschäftsführers und Mitglieder seiner Familie auf Grund einer Abtretung nicht als geschäftsmäßige Tätigkeit angesehen werden kann, bezüglich der es sinnvoll wäre, die Wirksamkeit der Abtretung von einer staatlichen Erlaubnis abhängig zu machen. Es liegt im Gegenteil ein eher positiv zu beurteilender prozessökonomischer Effekt vor.

c.

Zwischen den Parteien ist umstritten, ob die Klausel in dem öffentlichen Kaufangebot, wonach ein Bewertungsgutachten eingeholt wird, das zu einer entsprechenden Nachzahlung führt, falls es einen höheren Wert der einzelnen X Aktie als 30,40 € ausweist, eine Leistungsbestimmung im Sinne des § 317 BGB darstellt. Das Landgericht ist insoweit der Auffassung der Beklagten gefolgt, es handele sich dabei lediglich um eine Nebenabrede zum Kaufvertrag, auf die § 317 BGB nicht anwendbar sei. Der Senat ist anderer Auffassung.

Im Rahmen des § 317 BGB unterscheidet man zwischen Gutachten zur rechtsgestaltenden Vertragsergänzung und solchen zur Vertragsklarstellung (Jauernig/Stadler, BGB, 11. Auf. 2004, § 317 Rn. 5 f.). Der vorliegende Fall ist ein Mischfall. Die Bedingungen des Verkaufs standen fest - die Höhe des Preises sollte aber durch das gemeinsamen Gutachten zweier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften überprüft und bindend festgestellt werden, falls das Gutachten zu dem Ergebnis kommt, dass die einzelne Aktie mehr als 30,40 € wert ist. Aus Sicht des Senats ist dabei aber durchaus die Bestimmung einer Teilleistung einem Dritten überlassen worden. Dies reicht zur Anwendung des § 317 BGB aus, zumal als Gutachten im Sinne des § 317 BGB auch das auf Feststellung des Wertes eines Gesellschaftsanteils anerkannt worden ist (Erman/Hager, BGB, Band I, 11. Aufl. 2004, § 317 Rn. 8).

d.

Die in dem Gutachten erfolgte Festlegung ist aber nicht offenbar unbillig im Sinne des § 319 BGB. Die Wesentlichkeitsgrenze ist nicht verletzt.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hinweist, der (erhöhte) Preis von 31,41 € müsse bereits deshalb fehlerhaft sein, weil die Beklagte selbst von einem angemessenen Preis von 31,79 € ausgehe, ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich des Verschmelzungsberichtes der Betrag von 31,79 € auf Grund einer Aufzinsung des Unternehmenswertes in Höhe von 5,5 % p.a. für die Zeit vom 31.12.2000 bis zum 09.05.2001 ermittelt worden (Bl. 142 f. d.A.) und insoweit nicht geeignet sei, einen höheren Wert zum Zeitpunkt des Verkaufs der Aktien im Mai 2001 zu belegen. Im Übrigen ist die Differenz von 0,38 € (1,2 %) so gering, dass zweifelsfrei keine offensichtliche Unbilligkeit vorliegt.

§ 319 BGB regelt den Maßstab für die gerichtliche Kontrolle der Leistungsbestimmung (Erman/Hager, a.a.O., § 319 Rn. 1). Grundgedanke dieser Vorschrift ist es, dass die Parteien Zweifel am Gutachten und kleinere Ungenauigkeiten oder Fehler hinzunehmen haben (Erman/Hager, a.a.O., § 319 Rn. 3, Gottwald in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 2, 4. Aufl. 2001, § 319 Rn. 6). Nur erhebliche Abweichungen, deren Unbilligkeit sich dem unbefangenen Sachkundigen aufdrängen, rechtfertigen eine gerichtliche Intervention. In quantitativer Hinsicht wird teils angenommen, dass ab Abweichungen etwa um 20 % eine offensichtliche Unbilligkeit vorliege (Erman/Hager, a.a.O., § 319 Rn. 6, Gottwald a.a.O., § 319 Rn. 6), teils wird die Meinung vertreten, dass Abweichungen bis zu 25 % im Allgemeinen zu tolerieren seien (Sörgel/Wolf, BGB, Band 2, 12. Aufl. 1990, § 319 Rn. 8, Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB Band 1 2003, § 319 Rn. 2). Der BGH (NJW 1991, 2761 ff.) hat die Auffassung vertreten, es sei Sache der tatrichterlichen Beurteilung, wo im Einzelfall die Toleranzgrenze zu ziehen sei, die vorliegende Ergebnisdifferenz von nur 16,79 % sei so geringfügig, dass sie kein erhebliches Ausmaß habe und das Schiedsgutachten daher im Ergebnis nicht offenbar unbillig sei. Überdies darf die Bestimmung nicht willkürlich sein und einseitig die Interessen einer Partei berücksichtigen (BGHZ 62, 314ff.).

Im vorliegenden Fall begründet die Klägerin die Unrichtigkeit des Gutachtens im Grunde nur mit einem intensiv diskutierten betriebswirtschaftlichen Argument aus dem Bereich der Thesaurierung, das nach ihren Berechnungen dazu führt, dass der Wert der Aktie um fast 20 % zu niedrig angesetzt worden sei. Der Senat kann unter diesen Umständen keine offensichtliche Unbilligkeit erkennen. Eine Unternehmensbewertung (die Voraussetzungen für die Ermittlung des Wertes der Aktien dieses Unternehmens sind) ist wegen der Vielzahl der Einflussfaktoren eine schwierige, komplexe Aufgabe, die - anders als in der Mathematik - nicht zu einem völlig objektiven, unbestreitbaren Ergebnis führt. Zur Bewältigung dieser Aufgabe wurde die dem Senat vorliegende gutachtliche Stellungnahme zweier internationaler renommierter Wirtschaftsprüfungsgesellschaften eingeholt und entsprechend deren Empfehlungen verfahren. Wenn unter diesen Umständen dem Vortrag der Klägerin nach die Ergebnisdifferenz sich - wenn auch nur knapp - im von der Lehre angegebenen Toleranzbereich hält, ist eine gerichtliche Korrektur nicht angebracht, zumal der Senat dem Vorbringen der Klägerin auch keine einseitige Berücksichtigung von Interessen der Beklagten entnehmen kann. Das Gutachten vom 19.3.2001 berücksichtigt ebenso wie der Verschmelzungsbericht eine Vielzahl von Faktoren. Der Umstand, dass nach Darstellung der Klägerin die Thesaurierung die prognostizierten Erträge der X minderte (Bl.11), kann allein nicht belegen, dass eine einseitige Bevorzugung von Interessen vorliegt.

Andere Anhaltspunkte für eine unbillige Bewertung gibt es nicht. Soweit die Klägerin im Übrigen die unterschiedliche Handhabung bei den beiden Banken im Bereich der Risikovorsorge rügt, ist damit ein Bewertungsmangel nicht dargetan. Zwar ist eine Risikobewertung zwangsläufig Teil einer Unternehmensbewertung (vgl. Theysohn-Wadle in: Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, 4.Aufl. 2003, Kapitel 3, Rn. 20ff.). Das fragliche Gutachten enthält aber entsprechende Kalkulationen (vgl. S. 13), deren Unrichtigkeit nicht behauptet wird. Der Umstand der unterschiedlichen Behandlung der Risikovorsorge mag für das Verfahren nach dem SpruchG von Bedeutung sein. Eine sich daraus für das vorliegende Verfahren ergebende Erhöhung des Unternehmenswertes und des Wertes der Aktien der X ist aber nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht beziffert. Auf Grund der ex ante vorzunehmenden Beurteilung ist auch die spätere Praxis ohne Bedeutung.

2.

Feststellungsklage:

Das Landgericht hält die Feststellungsklage für unzulässig. Dem ist zuzustimmen.

Es mag zwar sein, dass der Klägerin nicht vorgehalten werden kann, dass sie Leistungsklage erheben könne, da ihr Feststellungsantrag in der Zukunft liegende Umstände einbezieht. Eine Feststellungsklage kann jedoch nur erhoben werden bei einem bestehenden Feststellungsinteresse und wenn die Feststellung die Klägerin zum Ziel führen kann (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 64. Auf. 2006, § 256 Rn. 21, 34). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die zu erwartende Entscheidung des Landgerichts in Köln im Spruchstellenverfahren beeinflusst das vorliegende Verfahren nicht. Diese Entscheidung wirkt gemäß § 13 SpruchG nicht auf vor der Verschmelzung verkaufte Aktien. Etwaige Wertfeststellungen im Spruchstellenverfahren mag die Klägerin - im Rahmen einer Leistungsklage - vorbringen, wobei diese allerdings nur eingeschränkten Wert hätten, weil es bei den Spruchstellenverfahren betreffend Verschmelzungen weniger auf die exakte Berechnung der jeweiligen Unternehmenswertes als auf die richtige Ermittlung der Relation der Unternehmenswerte ankommt (Lutter/Drygala, a.a.O., § 5 Rn. 19) und die Klägerin überdies nicht erwarten kann, dass die rechtliche Beurteilung von Vorgängen aus den Jahren 2000 und 2001 aufgeschoben wird, bis sie vielleicht weitere Erkenntnisse erwirbt, die ihre Klage unterfüttern könnten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 711 und 709 S.2 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, § 543 ZPO, liegen nicht vor.

Die vorliegende Entscheidung widerspricht nicht anderen. Es handelt sich auch nicht um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung. Die für die Entscheidung ausschlaggebende Frage des Umfangs der Toleranzgrenze ist eine Sache tatrichterlicher Beurteilung im Einzelfall (BGH NJW 1991, 2761ff.).

IV.

Bei der Abfassung dieses Urteils hat der Senat den nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 13.2.2007 nicht berücksichtigt. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht beantragt, ihr eine Schriftsatzfrist zu gewähren. Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO, bestehen nicht. Der Senat sieht weder eine Veranlassung zur Aussetzung des Verfahrens, noch eine Veranlassung zur Berücksichtigung weiterer Bedenken gegen die Richtigkeit des Gutachtens, die sich überwiegend erst noch ergeben sollen aus dem in Köln anhängigen Spruchstellenverfahren, zumal nicht vorgetragen ist, in welchem Umfang die Unternehmensbewertung dadurch beeinflusst werden soll.

Ende der Entscheidung

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