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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.04.2005
Aktenzeichen: 24 U 115/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 278
BGB § 635
1. Liegen schriftliche Pläne zur Zeit der Ausführung eines bestimmten Gewerks noch nicht vor, dann hat der Bauunternehmer entweder - gegebenenfalls unter Abgabe einer Behinderungsanzeige - bis zur Vorlage der Pläne zuzuwarten oder er hat sich auf anderem als schriftlichem Wege verlässliche Klarheit über die Planvorgaben zu verschaffen.

2. In der Übermittlung des Standes der baufachlichen Planung ist der Vermessungsingenieur nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Bauunternehmer.


Gründe:

I.

Die Kläger beauftragten die Beklagte mit der Errichtung eines Wohnhauses. Die Pläne waren von dem Streithelfer zu 1) angefertigt worden.

Nach Aushebung der Baugrube gegen Ende des Jahres 2001 wurde festgestellt, dass der Streithelfer zu 1) den Baukörper zu tief in das - geneigte - Gelände eingeplant hatte.

Die Beklagte füllte die Baugrube im Januar 2002 zum Teil wieder auf und verlegte Streifenfundamente. In diesem Zusammenhang - und vor der Verlegung der Fundamente - kam es am 18. Januar 2002 zu einem Gespräch zwischen dem vom Streithelfer zu 1) mit der Vermessung des Baugeländes beauftragten Streithelfer zu 2) und dem Geschäftsführer der Beklagten. Dieser bat um Angabe eines Höhenmaßes, da er die Bauarbeiten fortsetzen wolle. Der Streithelfer zu 2), dem - wie der Beklagten - noch keine letztgültigen Planunterlagen vorlagen, fragte bei dem Streithelfer zu 1) telefonisch an und erhielt die Auskunft, die Höhe des Erdgeschossfußbodens sei aktuell mit 145,31 m über NN geplant. Daraufhin brachte der Streithelfer zu 2) an dem auf der Baustelle errichteten Schnurgerüst eine Markierung an und beschriftete sie mit "143,31 m über NN".

In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten um die Folgen der ursprünglichen Fehlplanung; die Bauarbeiten ruhten bis in den Monat Oktober 2002. Als nunmehr die Arbeiten aufgenommen werden sollten, wurde festgestellt, dass die im Januar 2002 angelegten Streifenfundamente höher verlegt waren als in der aktuellen Planung vorgegeben.

Die Kläger begehren Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten wegen der Schäden, die aus der planwidrigen Einbringung der Fundamente entstanden sind.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Wegen der von ihm gefundenen Gründe sowie der der Entscheidung zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil vom 1. April 2004 verwiesen.

Mit der Berufung trägt die Beklagte anknüpfend an ihren erstinstanzlichen Vortrag vor, der Streithelfer zu 2) habe im Laufe des Gesprächs vom 18. Januar 2002 die von ihm angebrachte Höhenmarkierung als die Höhe der Oberkante des Rohfußbodens des Kellergeschosses bezeichnet. Für die Folgen der fehlerhaften Höhenangabe habe - so meint die Beklagte weiter - die Klägerseite einzustehen, da der Streithelfer zu 2) als vom Architekten - dem Streithelfer zu 1) - beauftragter Vermessungsingenieur Erfüllungsgehilfe der Bauherren - der Kläger - gewesen sei; die Höhenmaße seien dem Bauunternehmer vom Bauherrn anzugeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 1. April 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Streithelfer stellen keinen Antrag.

Die Kläger tragen vor, die Beklagte habe mit der Fortführung der Bauarbeiten zu einem Zeitpunkt, zu welchem Pläne noch nicht vorlagen, auf eigene Verantwortung gehandelt; mit der Rückfrage beim Architekten und der Angabe eines Höhenmaßes auf Grund dieser Rückfrage habe der Streithelfer zu 2) eine Aufgabe der Beklagten wahrgenommen. Unabhängig davon habe der Streithelfer zu 2) das Höhenmaß korrekt bezeichnet. Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivortrages wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil zu Recht festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz der Schäden verpflichtet ist, die den Klägern aus der im Verhältnis zur seinerzeit geltenden Planung zu hohen Verlegung der Streifenfundamente entstanden sind.

a) Materielle Grundlage dieses Ersatzanspruches ist § 635 BGB a. F. i. V. m. Art. 229 § 5 EGBGB. Das von der Beklagten ausgeführte Werk leidet unter einem Mangel, ist nämlich gegenüber der zum Zeitpunkt der Ausführung geltenden Planung in den Fundamenten zu hoch angesetzt; diesen tatbestandlichen und rechtlichen Ausgangspunkt des angefochtenen Urteils hat die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht in Zweifel gerückt. So gilt es auch für die - in diesem Falle: Negative - förmliche Voraussetzung der Schadensersatzpflicht: Die Beklagte verweigert die - kostenfreie - Beseitigung des Mangels, und einer ausdrücklichen diesbezüglichen Fristsetzung bedürfte es deshalb nicht (§ 634 Abs. 2 BGB a. F.).

b) Der Mangel des Werkes beruht auch auf einem Umstande, den die Beklagte zu vertreten hat.

Dass die Bauunternehmerin das Bauwerk nach den Vorgaben der Baupläne auszuführen hat, dass sie dann, wenn die Pläne im Verlaufe der Arbeiten geändert wurden, den geänderten - also: den aktuell geltenden - Plänen zu folgen hat, und dass zu der Zeit, als die Beklagte die umstrittenen Fundamentierungsarbeiten ausführte, eine geänderte Planung mit der Zielvorgabe "Erdgeschossfußbodenhöhe 145,31 m über NN" galt, wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.

Wenn die Beklagte diese Planvorgabe nicht beachtete, das Bauwerk nämlich in einer Höhe fundamentierte, welche die Oberkante des Rohfußbodens im Kellergeschoss exakt 2 m unter dem Planwert der Fußbodenhöhe im Erdgeschoss ansetzte und damit zwangsläufig eine Überschreitung dieses Planwertes nach sich ziehen würde, dann war dies von der Beklagten zu vertreten, und zwar unabhängig davon, welche Erläuterung der Streithelfer zu 2) in Zusammenhang mit der Markierung der Höhe "143,31 m über NN" gegeben hatte. Ohne Belang bleibt also, ob der Streithelfer zu 2) im Verlaufe des Gespräches vom 18. Januar 2002 gesagt hatte, die Markierung kennzeichne - so die Beklagte - die Oberkante des Rohfußbodens im Kellergeschoss, oder ob er - so die Kläger - gesagt hatte, die Markierung kennzeichne eine Höhe von 2 m unterhalb der Oberkante des Fußbodens im Erdgeschoss.

Wäre das Letztere der Fall gewesen, so hätte die Beklagte zweifelsfrei die fachlichen Anforderungen, die an eine Bauunternehmerin zu stellen sind, nicht erfüllt, ließ sich doch - wie sie selbst nicht bestreitet - auf der Grundlage dieses Ansatzes die Planvorgabe zur Fußbodenhöhe im Erdgeschoss nicht verwirklichen.

Hätte der Streithelfer zu 2) - der Vermessungsingenieur - dem Geschäftsführer der Beklagten hingegen gesagt, die Höhenmarkierung kennzeichne die Oberkante des Rohfußbodens im Kellergeschoss, dann hätte die Befolgung dieser Vorgabe zwar zwangsläufig zur Verfehlung des Planzieles, zu der letztendlichen Überschreitung des Planwertes zur Fußbodenhöhe im Erdgeschoss führen müssen. Für die schadensersatzrechtlichen Beziehungen der Parteien dieses Rechtsstreits hätte sich dadurch aber nichts geändert; denn es lag - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - allein im Verantwortungsbereich der Beklagten, dass sie sich ohne weitere Prüfung nach dieser - behaupteten - Mitteilung des Streithelfers zu 2) richtete.

Steht nämlich im rechtlichen Ausgangspunkt - wie schon angedeutet - fest, dass die Bauunternehmerin sich in der Bauausführung nach dem aktuell geltenden Planvorgaben zu richten hat, dann obliegt es ihr, für ihre Arbeiten sicherzustellen, welches diese Planvorgaben sind. Liegen - abweichend vom Regelfall verbindlicher und verlässlicher Vorgabe - schriftliche Pläne zur Zeit der Ausführung eines bestimmten Gewerks noch nicht vor, dann hat die Unternehmerin entweder - gegebenenfalls unter Abgabe einer Behinderungsanzeige - bis zur Vorlage der Pläne zuzuwarten oder sie hat sich auf anderem als schriftlichem Wege verlässliche Klarheit über die Planvorgaben zu verschaffen.

Eine solche verlässliche Klarheit aber hat die Beklagte sich nicht verschafft; denn die über den Streithelfer zu 2) eingeholte Auskunft war - den Vortrag der Beklagten zum Verlauf des Gespräches vom 18. Januar 2002 als richtig unterstellt - falsch.

c) Der Versuch, auf mündlichem Wege zur Klarstellung in der Anknüpfung eines bestimmten Bauteiles an ein bestimmtes Höhenmaß zu gelangen, und damit das tatsächlich eingetretene Ergebnis einer Fehlanknüpfung lag im Verantwortungsbereich der Beklagten. Der Streithelfer zu 2) war ihr Gehilfe in der Erfüllung ihrer Pflicht, die jeweiligen Bauteile - so: das Streifenfundament - der Höhe nach plangerecht in das Baugelände einzupassen; er war nicht etwa - wie die Beklagte meint - Erfüllungsgehilfe der Kläger.

Zwar kann der Architekt der Bauherrn ihr Erfüllungsgehilfe im Verhältnis zum Bauunternehmer dann sein, wenn ihn ein Planungsverschulden mit der Folge fachlich unsachgemäßer Bauausführung trifft; dieses Planungsverschulden kann der Bauunternehmer dem Bauherren vorhalten (BGH NJW 1984, 1677). Eine solche Konstellation steht hier allerdings nicht im Streit, da der Architekt - der Streithelfer zu 1) - keine falsche Auskunft gegeben hat.

Anders als der Architekt ist der Vermessungsingenieur aber nicht gehalten, Sorge für die fachliche "Richtigkeit" der Bauplanung zu tragen; Angaben des Vermessungsingenieurs zum Inhalt der Planung bleiben deshalb im Verhältnis des Bauherrn zum Bauunternehmer unverbindlich, handelt es sich aus verständiger Sicht des Bauunternehmers doch um Angaben über baufachliche Fragen, welche außerhalb des Kenntnis- und Pflichtenbereichs des Mitteilenden - des Vermessungsingenieurs - liegen. Mit anderen Worten: Welche Vorgaben die aktuell geltende Planung zur Höhe bestimmter Bauteile machte, hatte die beklagte Bauunternehmerin allein beim Architekten - dem Streithelfer zu 1) - zu klären; bediente sie sich bei dieser Klärung des Streithelfers zu 2) - des Vermessungsingenieurs - dann war dieser ganz so, wie das Landgericht es angenommen hat, ihr Bote.

Ob die Dinge anders zu bewerten wären, hätten die Bauherren - die Kläger - darauf gedrungen, die Beklagte solle die Bauarbeiten ungeachtet dessen fortführen, dass ihr noch keine schriftlichen Pläne vorlagen, und sie solle sich durch den Vermessungsingenieur die notwendigen Kenntnisse verschaffen, kann dahingestellt bleiben; dies ist nicht die tatsächliche Konstellation des vorliegenden Falles. Es war die Beklagte, die die Vorlage schriftlicher Pläne nicht abwartete.

d) Nur zur Vermeidung von Missverständnissen hält das Berufungsgericht fest, dass im Zusammenhang mit der Vermessung des Baugeländes Pflichten im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Bauunternehmer entstehen können, und dass fehlerhafte Vermessungsleistungen, deren dem Bauunternehmer namens des Bauherrn durch den Vermessungsingenieur mitgeteiltes Ergebnis fehlerhafte Bauleistungen nach sich zieht, unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Verschuldens seines Erfüllungsgehilfen dem Bauherrn zuzurechnen sein können. Um einen solchen Tatbestand geht es hier aber nicht: Die Beklagte wirft dem Streithelfer zu 2) - ungeachtet einer auf den ersten Blick abweichenden Wortwahl - nicht einen "Vermessungsfehler" im Sinne einer falschen Berechnung der Höhe über NN vor; sie wirft ihm vielmehr vor, er habe die bauliche Anknüpfung an die physikalisch richtige Höhenangabe falsch mitgeteilt.

e) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist den Klägern ein Mitverschulden auch nicht unter dem Aspekt vorzuhalten, dass ihr Architekt - der Streithelfer zu 1) - die Arbeiten der Beklagten nicht ausreichend beaufsichtigt habe. Denn es obliegt nicht dem Bauherrn - und damit auch nicht dem von ihm mit der Bauleitung beauftragten Architekten - im Vermögensinteresse des Bauunternehmers Sorge dafür zu tragen, dass dieser seine in eigener fachlicher Verantwortung zu erfüllenden Pflichten fachgerecht erfüllt (BGH NJW 1972, 447; EWiR 2002, 657; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 741).

III.

Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Zulassung der Revision erachtet das Berufungsgericht für nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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