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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 16.11.2001
Aktenzeichen: 24 U 131/00
Rechtsgebiete: HGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

HGB §§ 352 f
BGB § 284
BGB § 288
BGB § 810
BGB § 633 Abs. 1
BGB § 641 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 422
ZPO § 426
ZPO § 450 f
ZPO § 519
ZPO § 527
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 524 Abs. 4
ZPO § 296 Abs. 1
ZPO § 708 Ziff. 10
Ein werkvertragliches Verhältnis wird begründet, wenn neben der Lieferung von Standardsoftware deren Anpassung an die betrieblichen Erfordernisse des Käufers vereinbart wird. Für die Frage der Mangelhaftigkeit kommt es dann nicht darauf an, ob das Programm "an sich" lauffähig ist, sondern darauf, dass Abnahmereife erst mit erfolgreichem Abschluß der Installation eintritt.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 131/00

Verkündet am 16.11.2001

in dem Rechtsstreit ...

Der 24. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2001 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter gemäß § 524 Abs. 4 ZPO

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt vom 28.03.2000 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte ist mit 30.600,00 DM beschwert.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Auf der zutreffenden rechtlichen Grundlage, dass die Klägerin zur Wandelung des Werkvertrages vom 18./21.11.1997 berechtigt war, hat die Kammer die Beklagte zu Recht zur Rückerstattung der auf die werkvertragliche Vergütung geleisteten Anzahlung ­ Zug um Zug gegen Herausgabe von Datenträgern ­ verurteilt.

a) Das zwischen den Parteien begründete Vertragsverhältnis war ein werkvertragliches. Kam den zu Ziffern 1 und 2 vereinbarten Leistungen ­ der Überlassung von Standardsoftware ­ auch für sich betrachtet kaufvertraglicher Charakter zu, so erhielt die Vereinbarung vom 18./21.11.1997 doch insgesamt werkvertragliches Gepräge dadurch, dass die Beklagte die Anpassung der Standardsoftware an die betrieblichen Erfordernisse der Klägerin und auf dieser Grundlage auch eine Erweiterung im Leistungsumfang gegenüber der Standardsoftware übernommen hatte. Allein schon daraus nämlich wurde deutlich, dass den Bedürfnissen der Klägerin durch die bloße Überlassung der Standardsoftware nicht hätte genüge getan werden können, dass die Beklagte der Klägerin vielmehr ein "Paket" zur Verfügung stellen sollte.

b) Dieses Werk war mangelhaft, nämlich mit Fehlern behaftet, die die Tauglichkeit zu dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch ­ EDV-technische Abwicklung von Auftragsbearbeitung, Rechnungswesen und Reparaturverwaltung ­ minderte (§ 633 Abs. 1 BGB).

Das Berufungsgericht trägt keine Bedenken, der tatsächlichen Feststellung der Kammer dahin zu folgen, dass die von der Beklagten gelieferte und installierte Software auch am 20.01.1999 ­ 10 Monate nach Lieferung und Erstinstallation - noch nicht lauffähig in dem Sinne war, dass die betrieblichen Vorgänge fehlerfrei über sie hätten abgewickelt werden können. Wenn die Kammer auf der Grundlage der Aussage des Zeugen W. und des von ihm ausgefüllten Empfangsscheines vom 20.01.1999 festgehalten hat, dass das Programm nach wie vor die Artikel- und die Seriennummern der Produkte der Klägerin vertauschte, und wenn sie weiter festgehalten hat, dass damit eine sinnvolle Nutzung des Programms ausgeschlossen war, so folgt das Berufungsgericht ihr hierin vollen Umfanges. Der Zeuge W. hat nicht nur ­ Blatt 4 Mitte des Protokolls vom 08.02.2000 - hervorgehoben, dass die Artikel- und Seriennummern vertauscht wurden und dass er mit diesem Problem nicht zurecht kam; er hat in dem zum Abschluss seines Besuches bei der Klägerin ausgefüllten Empfangsschein seine Ratlosigkeit auch dadurch dokumentiert, dass er die Datenträger "in die Firma" mitnahm, dies nach fast siebenstündiger vergeblicher Arbeit.

Der ­ zuletzt ­ mit der Berufungsbegründung erhobene Einwand der Beklagten, in Wahrheit sei nicht das von ihr gelieferte Programm selbst fehlerhaft gewesen, die Ursache der aufgetretenen Störungen habe vielmehr in Problemen der Übertragung betrieblicher Daten aus dem früher verwendeten System gelegen, stellt den in der äußeren Funktionsstörung zutage tretenden Mangel des Werkes nicht in Frage; dieser Mangel bleibt auch gegenüber dem zitierten Einwand der Beklagten ein Mangel gerade des Werkes der Beklagten. Soweit es das von der Beklagten hervorgehobene Alter des Vorgängersystems angeht, leuchtet zwar ohne weiteres ein, dass die Übernahme der alten Daten in ein neues System nicht unproblematisch sein müsste. Daran aber, dass die alten Daten übernommen werden mussten, bestand zwischen den Parteien gar kein Zweifel; ganz folgerichtig wurden die Parteien ja auch darüber einig, dass die Klägerin neben der Softwareentwicklung und ­lieferung auch die Datenübertragung in die Hand nehmen sollte; aus diesem Vertrag leitet die Beklagte ­ ebenso folgerichtig ­ einen Zahlungsanspruch gegen die Klägerin her (Rechnung vom 01.11.1999).

Wenn die Beklagte vor Abnahme ­ sei es aufgrund eines erst im Anschluss erteilten Ergänzungsauftrages (zur Datenübernahme) ­ Eingriffe in das Programm vornahm, dann wurde diese Arbeiten ungeachtet ihrer anderweiten "auftragsmäßigen Herkunft" doch Arbeiten an dem noch nicht abgenommenen Werk, und ihr negatives Ergebnis wurde unmittelbar zum negativen Ergebnis der Bemühung um die Erstellung des ­ ursprünglich ­ geschuldeten Werkes selbst.

Von daher bleibt kein Raum für die von der Beklagten besonders im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.10.2001 angeregte Erhebung des Sachverständigenbeweises darüber, das von ihr gelieferte Programm sei an sich EDV- technisch in Ordnung gewesen. Mit der Überlassung eines "an sich" lauffähigen Programmes auf Datenträgern war der der Beklagten erteilte Auftrag noch nicht erfüllt; Erfüllung konnte erst mit Abnahme oder Abnahmereife eintreten. Hatte die Beklagte neben der Softwareentwicklung und -zusammenstellung auch die Installation bei der Klägerin übernommen, so konnten Abnahme oder Abnahmereife erst mit erfolgreichem Abschluss der Installation, mit der "Lauffähigkeit" auf der Anlage der Klägerin eintreten. So weit aber gedieh die Leistung der Beklagten nicht.

c) Die Klägerin schuf auch die förmlichen Voraussetzungen der Wandelung: Spätestens mit Schreiben vom 13.01.1999 setzte sie der Beklagten eine angemessene Frist zur Herstellung der Lauffähigkeit des Programms, dies insbesondere auch im Blick auf Artikel-Stammdaten und Seriennummern-Verwaltung. Die auf den ersten Blick knapp erscheinende Frist von nur einer Woche war angemessen. Dies folgt zum einen daraus, dass die Beklagte seit dem Aufspielen der Software und einer anschließenden Schulung der Mitarbeiter der Klägerin bereits ganz ungewöhnlich lange Zeit mit Versuchen zugebracht hatte, die Software lauffähig zu machen; dass der Klägerin angesichts des insgesamt doch eher begrenzten Auftragsvolumens nicht zuzumuten war, noch länger zu warten, liegt geradezu auf der Hand ­ die Beklagte hatte für die Nachbesserung bereits mehr als das Dreifache des Zeitraums in Anspruch genommen, den sie für die eigentliche Herstellung gebraucht hatte.

Ganz unabhängig hiervon ergibt sich die Angemessenheit der nunmehr gesetzten einwöchigen Frist auch aus dem eigenen Vortrag der Beklagten: Sie hebt hervor, dass ein versierter Programmierer die verbliebenen Fehler innerhalb weniger Minuten hätte beseitigen können.

Die von der Klägerin gewählte Formulierung "...vollständig und betriebsbereit auf drei PCs und Netzwerkserver installiert sein werden. Sollte dies so nicht zutreffen und dadurch eine Abnahme...nicht stattfinden, so ist die Bestellung/Angebot vom 18.11.1997 nichtig...-...die bereits angezahlte A-Conto-Zahlung...in Höhe von 15.300,00 DM...wird...entrichtet" ließ aus verständiger Sicht der Beklagten keinen Zweifel daran, dass die Klägerin mit fruchtlosem Fristablauf weitere Erfüllungshandlungen nicht mehr annehmen, vielmehr Rückabwicklung verlangen werde.

d) Nachdem die Beklagte in der Tat mit Ablauf des 20.01.1999 die Lauffähigkeit des Programmpakets nicht hergestellt hatte, erlosch das Nachbesserungsrecht der Beklagten, und das werkvertragliche Erfüllungsverhältnis wandelte sich in ein Abwicklungsverhältnis um, ohne dass es noch weiterer Erklärungen der Klägerin bedurft hätte (BGH NJW 1999, 3710).

Der von der Klägerin nunmehr verfolgten Wandelung steht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entgegen, dass der verbliebene Mangel die Tauglichkeit des Werkes nur unerheblich mindern würde (§ 634 Abs. 3 BGB). Selbst zugunsten der Beklagten unterstellt, der Lauffähigkeit des Programmpakets habe nur der eine verbliebene Mangel in Gestalt der Verwechslung von Artikel- und Seriennummern entgegen gestanden, selbst weiter zugunsten der Beklagten unterstellt, dieser Mangel hätte durch einen versierten Programmierer innerhalb weniger Minuten beseitigt werden können, würde dies nicht zur Unerheblichkeit des Mangels führen.

Die Erheblichkeit eines Mangels ist nicht aus der Sicht der Werkunternehmerin und im Blick auf den von ihrer Seite zur vertragsgerechten Herstellung erforderlichen Aufwand zu beurteilen. Das Gesetz stellt ausdrücklich auf "den Wert oder die Tauglichkeit des Werkes", nicht auf den Aufwand ab, der zur Herstellung dieses Wertes oder dieser Tauglichkeit erforderlich ist; so ist es auch nichts als folgerichtig, wird das Werk doch für die Bestellerin und zur Nutzung durch sie erbracht (BGH NJW-RR 1993, 309).

e) Der Umfang der Abwicklungsverpflichtungen ­ die Höhe des Klageanspruchs ­ ist in zweiter Instanz nur insoweit umstritten, als die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.10.2001 gerügt hat, die Klägerin habe eine CD- ROM mit dem Zusatzprogramm ­ Ziffer 3 des schriftlichen Werkvertrages ­ behalten. Eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in dem Sinne, dass nun- mehr eine dritte Programm-CD-ROM in die Zug um Zug-Verurteilung aufzunehmen sei, kann aber nicht Folge dieses Einwands sein. Ihn lässt das Berufungsgericht nicht zu, da die Zulassung dieses Einwandes nach freier Überzeugung des Berufungsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, er entgegen § 519 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht wurde und die Beklagte die Verspätung auch nicht entschuldigt hat (§§ 527, 296 Abs. 1 ZPO). In der Berufungsbegründungsschrift hatte die Beklagte zum Umfang der Zug um Zug-Verurteilung keine Rügen vorgebracht; sie hatte auch nicht andeutungsweise vorgebracht, der Klägerin seien mehr Datenträger überlassen worden als sie im Urteil ­ im Zug um Zug-Ausspruch ­ berücksichtigt seien. Wenn dort nur von den Datenträgern für die Standardprogramme die Rede war, dann musste dies bis dahin auch ganz folgerichtig erscheinen, hatte doch der Zeuge W. (Empfangsschein vom 20.01.1999) nach seinem fruchtlosen Nachbesserungsversuch drei CD-ROM mitgenommen.

Ob diese mitgenommenen CD-ROM in der Tat das von der Beklagten entwikkelte Zusatzprogramm trugen oder dieses Zusatzprogramm auf einer weiteren CD-ROM im Hause der Klägerin zurückgelassen wurde, ließ sich weder im Termin noch innerhalb der der Klägerin nachgelassenen Schriftsatzfrist klären. Zur Klärung müsste das Berufungsgericht nunmehr einen neuen Termin anberaumen, nämlich aufgrund entsprechender Anwendung der §§ 422 ZPO, 810 BGB, 426, 450 f ZPO durch Beweisbeschluss Termin zur Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin über den Verbleib der etwa in seinem Hause zurückgelassenen CD- ROM anordnen; das würde den Rechtsstreit verzögern.

Entschuldigt hat die Beklagte die Verspätung ihres Vorbringens nicht ­ eine Entschuldigung liegt auch deshalb nicht nahe, weil sie besser als die Klägerin wissen muss, welche Datenträger welche Programmdateien enthalten.

f) Die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung geht fehl. Aus dem ihr erteilten Zusatzauftrag zur Datenübertragung (Anlage BK 5 zur Berufungsbegründungsschrift) kann sie schon deshalb nichts verlangen, weil das Werk weder abgenommen noch zur Abnahmereife gediehen ist (§ 641 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie selbst hebt hervor, dass die Daten nicht lauffähig in das von ihr erstellte Programmpaket implementiert werden konnten.

f) Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 284, 288 BGB, 352 f HGB, 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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