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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 02.07.2004
Aktenzeichen: 24 U 205/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 434
BGB § 435
1. Bei einer falsa demonstratio gilt auch im Bereich beurkundungsbedürftiger Rechtsgeschäfte nicht das objektiv Erklärte, sondern das wirklich Gewollte, soweit das wirklich Gewollte im beurkundeten Vertrag wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck gekommen ist und der Kaufgegenstand nach dem Inhalt des beurkundeten Vertrages zuverlässig zu identifizieren ist.

2. Besteht das nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien verkaufte Grundstück grundbuchmäßig so nicht, so leidet der Kaufgegenstand unter einem Rechtsmangel.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 205/03

Verkündet am 02.07.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2004 durch ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 5. August 2003 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 16.939,72 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 30. Januar 2002 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu 79 %, die Kläger haben sie zu 21 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien sind jeweils mit weniger als 20.000,00 € beschwert.

Gründe:

1.

Der Beklagte war Eigentümer eines mit einem sanierungsbedürftigen Doppelhaus bebauten Grundstückes. Er wurde mit den Klägern im Mai 1995 über den Verkauf der einen Doppelhaushälfte an sie einig; über den Verkauf der anderen Doppelhaushälfte wurde er im März 1996 mit anderen Kaufinteressenten einig. Die Verträge wurden am 18. Mai 1995 bzw. 28. März 1996 protokolliert.

Wie die Käufer nicht wussten, verlief die Grundstücksgrenze allerdings nicht durch die Mittelwand des Doppelhauses, sondern rechtwinklig zu ihr entlang des gesamten Gebäudes.

Die Kläger sanierten "ihre" Doppelhaushälfte. Im Jahre 2000 verkauften sie sie weiter; nachdem die Käufer bemerkt hatten, dass das Grundstück in anderer Weise als von ihnen und den Klägern angenommen geteilt war, fochten sie den Kaufvertrag an und forderten von den Klägern Ausgleich sämtlicher Erwerbskosten. Der Kaufvertrag wurde rückabgewickelt und die Kläger leisteten "ihren" Käufern Schadensersatz.

Wegen des in diesem Zusammenhang entstandenen Aufwandes wollen sie nunmehr Rückgriff beim Beklagten nehmen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; auf die im Urteil vom 5. August 2003 getroffenen tatsächlichen Feststellungen nimmt das Berufungsgericht Bezug.

Mit der Berufung tragen die Kläger vor, der Beklagte habe beim Verkauf gewusst, dass das Grundstück nicht in zwei wirkliche Doppelhaushälften mit zugehörigen Grundstücksanteilen, vielmehr in ein Haus- und ein Gartengrundstück aufgeteilt war. Wegen des erheblichen Sanierungsbedarfs ­ auch ­ der anderen Doppelhaushälfte sei das wirklich erworbene Grundstück weniger wert gewesen als das vermeintlich Erworbene.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 8. Juli 2003, Aktenzeichen 10 O 2/03 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger zur gesamten Hand einen Betrag in Höhe von 21.378,24 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 30. Januar 2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Gewährleistungsansprüche der Kläger seien verjährt. Bei Übergabe und Eintragung des Eigentumsübergangs sei der allseitige Irrtum über die Grundstücksgrenzen noch zu korrigieren gewesen, da er ­ der Beklagte ­ zu diesem Zeitpunkt noch Eigentümer der anderen Grundstückshälfte war.

Wegen des zweitinstanzlichen Parteivortrages im einzelnen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

2.

Das angefochtene Urteil ist abzuändern. Die Kläger können vom Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, da der Kaufgegenstand zum Zeitpunkt des Eigentumsüberganges mit einem Rechtsmangel behaftet war (§§ 434, 440 Abs. 1, 325 BGB a. F.).

a)

Der Beklagte war verpflichtet, den Klägern den verkauften Gegenstand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen sie geltend gemacht werden könnten (§ 434 BGB a. F.). Kaufgegenstand war die scheinbare Doppelhaushälfte mit den zugehörigen Grundstücksanteilen, wie er zum anderen Teil des Grundstückes durch die gedachte Linie durch die Mittelwand der Doppelhaushälfte begrenzt war. Denn hierüber, nicht etwa über den Erwerb des nach der wirklichen Grundbuchlage ganz anders zugeschnittenen Grundstückes waren die Parteien einig.

b)

Der Grundstückskaufvertrag war nicht unter dem Gesichtspunkt formunwirksam, dass das von den Parteien übereinstimmend Gewollte nicht beurkundet worden wäre (§§ 313, 125 BGB); der Vertrag war also nicht deshalb formunwirksam, weil das im notariellen Vertrag grundbuchmäßig bezeichnete (Teil-) Grundstück ein anderes war als das Grundstück, das nach den übereinstimmenden Willen der Parteien übereignet werden sollte.

Haben die Parteien den Vertragsgegenstand versehentlich falsch bezeichnet, sich unter diesem Gegenstand übereinstimmend etwas anderes vorgestellt, so gilt auch im Bereich beurkundungsbedürftiger Rechtsgeschäfte nicht das objektiv Erklärte, sondern das wirklich Gewollte, soweit das wirklich Gewollte im beurkundeten Vertrag wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck gekommen ist und der Kaufgegenstand nach dem Inhalt des beurkundeten Vertrages zuverlässig zu identifizieren ist (zu diesem Aspekt vgl. BGHZ 74, 116; weitergehend OLG Karlsruhe, OLGR Karlsruhe 2002, 37).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben: Unter § 6 Abs. 6 des notariellen Vertrages ist "die andere Doppelhaushälfte" ausdrücklich erwähnt, damit klar gestellt, dass die Kläger "die eine Doppelhaushälfte" erwerben sollten. Damit war auch die Grundstücksgrenze zu bestimmen: Für das Gebäude selbst zwingend vorgegeben durch die Mittelwand konnte aus der Sicht der Verkehrs gar kein Zweifel daran bestehen, dass sich die durch die Mittelwand vorgegebene Grenzlinie nach beiden Seiten bis zu den äußeren Grundstücksgrenzen in gerader Linie fortsetzen würde.

c)

Das vermeintliche Doppelhaushälften-Grundstück war bis zum dem Zeitpunkt, als der notarielle Vertrag abschließend vollzogen wurde, zum Zeitpunkt der Eintragung des Übergangs des Eigentums (an einem anders geschnittenen Grundstück), mit Rechten belastet, die von Dritten gegen die Kläger würden geltend gemacht werden können. Denn in diesem Zeitpunkt war und über diesen Zeitpunkt hinaus blieb der Beklagte als Eigentümer eines Teils des vermeintlich übertragenen Grundstückes eingetragen; dies entsprach, da anders zugeschnittene Grundstücke flur- und grundbuchmäßig nicht existierten, der wirklichen Rechtslage.

Der Beklagte war "Dritter" im Sinne des § 434 a. F. BGB. Zielt die gesetzliche Verpflichtung des Verkäufers, dem Käufer den verkauften Gegenstand frei von Rechten Dritter zu verschaffen (§§ 434 a. F., 435 n. F.) nämlich darauf, die Käuferseite so zu stellen, dass sie nach Belieben über den Kaufgegenstand verfügen kann, ohne durch Rechte anderer beschränkt zu sein (Palandt/Putzo, BGB, 60. Auflage 2001, § 434 Rz. 1 und 63. Auflage 2004, § 435 Rz. 1), dann bedeutet dies, dass der Käuferseite schlicht uneingeschränktes von rechtlich begründeten Eingriffsmöglichkeiten anderer freies Eigentum verschafft werden muss. Mit dem für die Anwendung der §§ 434 a. F., 435 n. F. BGB maßgebenden Zeitpunkt der Eintragungen im Grundbuch wird der Verkäufer Dritter, nämlich ganz ebenso Außenstehender wie jeder andere Außenstehende auch; Verkauf bedeutet ­ umgekehrt ausgedrückt ­ die vollständige Aufgabe aller Rechte am verkauften Gegenstand.

d)

Dass die Grundbuch- und damit die Eigentumslage zum Zeitpunkt der Eintragung und Monate später noch hätten korrigiert werden können, konnte den Rechtsmangel ­ entgegen der Ansicht des Beklagten ­ nicht beseitigen. Denn die Möglichkeit einer tatsächlichen oder rechtlichen Umgestaltung des Kaufgegenstandes ändert an seiner wirklichen tatsächlichen oder rechtlichen Gestalt nichts; eine bloße nicht verwirklichte Möglichkeit stellt die Käufer nicht besser.

f)

Rechtsfolge ist die Verpflichtung zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§§ 440 Abs. 1, 325 Abs. 1 BGB a. F.). Der bei den Klägern entstandene Schaden ist typischer Rechtsmangelschaden; der Rechtsmangel führte dazu, dass die Kläger das Grundstück nicht so weiter übertragen konnten, wie es ihnen tatsächlich überlassen worden war und werden sollte, und wie sie es auch "ihren" Käufern tatsächlich überlassen hatten und überlassen sollten. Sämtliche Aufwendungen, die in Zusammenhang mit dem Weiterverkauf des belasteten DoppelhaushälftenGrundstückes entstanden, wären nicht entstanden, wenn ihnen das Grundstück so wie geschuldet auch übereignet worden wäre.

g)

Der Höhe nach beläuft sich der den Klägern zu ersetzende Schaden auf 16.939,72 €. Wie von Beklagteenseite nicht in Zweifel gerückt, mussten die Kläger "ihren" Käufern die mit der Rückabwicklung des von ihnen aufgenommenen Erwerbsdarlehens anfallende Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 12.587,17 € ersetzen. Wie ebenfalls außer Streit steht, mussten die Kläger Beurkundungs- und Eintragungskosten in Höhe von 4.352,55 € ausgleichen.

Die weiter zum Ersatz beanspruchten Positionen "Zinserstattung" gegenüber den Käufern und "Zinsaufwand" zur Finanzierung eigener Zahlungen ­ 3.600,00 € bzw. 839,52 ­ sind als tatsächlich entstanden vom Beklagten bestritten, von den Klägern aber nicht dargetan. Sie tragen weder vor, wieso sie "ihren" Käufern Zinsen erstattet haben, insbesondere, ob das rechtlich geboten war, noch belegen sie eine Zahlungsverpflichtung gegenüber ihren Schwiegereltern.

h)

Der ­ nur ­ mit 16.939,72 € berechtigte Ersatzanspruch ist nicht verjährt. § 477 BGB a. F. regelte mit der Bestimmung einer Jahresfrist nur den Bereich der Sachmängelgewährleistung; für die Rechtsmängelgewährleistung bleibt ­ blieb ­ es bei den allgemeinen Regelungen (BGH NJW 2001, 2875).

3.

Das Berufungsgericht erachtet die gesetzlichen Voraussetzungen einer Zulassung der Revision für nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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