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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 01.07.2005
Aktenzeichen: 24 U 234/04
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 41
GKG § 45
Zum Gebührenstreitwert bei einer Klage eines Mieters gegen den Vermieter, durch die dieser veranlasst werden solle, einem störenden weiteren Mieter zu kündigen.
Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen rückständiger Mietzinsen aus einem Gewerberaummietverhältnis in Anspruch. Der Beklagte begehrt im Wege der Widerklage die Feststellung, dass das Mietverhältnis durch die von ihm ausgesprochene fristlose Kündigung vom 1. September 2003 beendet ist.

Die Klägerin errichtete 1999/2000 in O1 ein Wohn- und Geschäftshaus. Ausweislich einer "Mietinformation" und eines "Mietexposés" wurde das Objekt als "repräsentatives,... elegantes Büro- und Geschäftshaus" angepriesen. In einem farblich unterlegten Prospekt nebst Projektbeschreibung ist von der Errichtung "eleganter Büro- und Geschäftsflächen" die Rede. Der mit der Vermietung betraute Immobilienberater unterbreitete dem Beklagten am 7. September 2000 ein Mietangebot. Am 4. Dezember 2000 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über einen Teil der im 4. Obergeschoss des Anwesens gelegenen Räume. Einschließlich der Tiefgaragenstellplätze belief sich der monatliche Mietzins auf DM 8.630,40 (brutto). In den angemieteten Räumen betreibt der Beklagte seine Anwaltskanzlei. Das Mietverhältnis war, beginnend am 15. Januar 2001, für die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen; der Mietvertrag enthielt eine Verlängerungsklausel (§ 2) und eine Verlängerungsoption (§ 17).

Das Mietverhältnis verlief für den Beklagten zunächst ohne jede Beanstandung. Große Teile der Geschäftsflächen standen zunächst leer. Die Klägerin vermietete daher im Frühjahr 2003 insgesamt 3 1/2 Etagen an die ...-Schule, die dort ein Schulungszentrum für Umschulungen, Weiterbildungen, Eingliederungsangebote und berufsbegleitende Weiterbildungen einrichtete. Zur Änderung gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Nutzung erwirkte die Klägerin ergänzende Baugenehmigungen vom 24. März 2003 und vom 4. Dezember 2003.

Nach Einzug der Schule kam es zum Streit der Parteien. Der Beklagte rügte die seiner Ansicht nach fehlende Sauberkeit in dem Gebäude (Pappbecher, Zigarettenkippen, Essensreste); auch rügte er, dass die Schüler nicht dem Publikum für ein "Bürohaus mit gehobenem Niveau" entsprächen; ferner rügte er erschwerte Zugangsmöglichkeiten zu seiner Anwaltskanzlei, da nur ein Aufzug zur Verfügung stand und das Treppenhaus seiner Ansicht nach zu eng sei, um den Zu- und Abgang der Schülerzahl zu verkraften. Außerdem wies der Beklagte auf drohende Mandatseinbußen hin und rügte den fehlerhaften Brandschutz im Treppenhaus. Beginnend ab Juli 2003 minderte er den monatlichen Mietzins um 50 %.

Am 26. August 2003 fand ein klärendes Gespräch der Parteien statt. Dem Wunsch des Beklagten, das Mietverhältnis mit der ...-Schule zu beenden, trat die Klägerin hierbei nicht näher. Sie erklärte sich allerdings bereit, durch eine entsprechende Schaltung des Aufzugs den Zugang zu den Kanzleiräumen des Beklagten zu erleichtern, Raucher aus dem Treppenhaus zu verbannen und erforderlichenfalls zusätzliche Reinigungsschichten einzurichten. Im Übrigen erbrachte das Gespräch kein Ergebnis.

Mit Schreiben vom 1. September 2003 erklärte der Beklagte die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses, weil die angemieteten Räume "für unsere anwaltliche Tätigkeit... nicht mehr geeignet" seien. Ferner erklärte er sich bereit, bis zum Auszug aus den gemieteten Räumen, der zeitlich nicht näher fixiert war, die Hälfte des vereinbarten Mietzinses zu zahlen. Der Beklagte nutzt die Räume bis heute.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dem Beklagten stehe ein Recht zur fristlosen Kündigung sowie zur Mietzinsminderung nicht zu. Sie beansprucht mit der vorliegenden Klage die rückständigen Mietzinsen für die Monate Juli 2003 bis Januar 2004, die sich unbestrittenermaßen auf insgesamt € 14.914,62 belaufen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe bei Abschluss des Mietvertrages vertraglich zugesichert, nur Mieter mit "gehobenem Niveau" auszuwählen, welches bei der ...-Schule nicht zutreffend. Durch die Teilvermietung des Gebäudes an die ...-Schule habe sich der gesamte Charakter des Hauses wesentlich geändert. Wegen eines Mangels der Mietsache und des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft hält er sich zur Mietzinsminderung und zur fristlosen Kündigung für berechtigt.

Widerklagend begehrt der Beklagte die Feststellung, dass das Mietverhältnis mit der Klägerin durch seine am 1. September 2003 ausgesprochene fristlose Kündigung beendet ist. Hilfsweise begehrt er die Verurteilung der Klägerin dazu, das Mietverhältnis mit der ...-Schule zu beenden.

Wegen der Parteianträge im Einzelnen und wegen des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird weiterer Einzelheiten wegen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat nach Durchführung eines Ortstermins der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, eine besondere Eigenschaftszusicherung seitens der Klägerin liege nicht vor; sie scheitere bereits an der vertraglich vereinbarten Schriftform. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Mietobjekt nicht mit einem Mangel behaftet; eine weitere, vom Beklagten beantragte Beweisaufnahme hielt das Landgericht für entbehrlich, da der Vortrag des Beklagten nicht hinreichend substantiiert sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Der Beklagte beruft sich weiterhin auf einen Mangel der Mietsache. Ferner macht er wiederholend geltend, ihm sei ein gehobener Standard zugesichert worden. Die im Mietvertrag enthaltene einfache Schriftformklausel hindere eine derartige Zusicherung nicht. In der Vermietung an die ...-Schule sieht er eine nachträgliche Nutzungsänderung, die er für vertragswidrig hält. Die Berufung rügt, das Landgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Gesamtsituation nicht hinreichend beachtet. Der Brandschutz im Treppenhaus sei unzureichend.

Der Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 12.11.2004 (2 O 488/03) wird abgeändert; die Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die fristlose Kündigung vom 01.09.2003 den am 04.12.2000 zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag beendet hat.

Hilfsweise: Die Klägerin wird verurteilt, unter freier Wahl rechtlicher Erklärungen, den Mietvertrag mit der ...-Schule zu beenden und die Schule aus dem Gewahrsam und Besitz der Räume ... Straße, O1 zu setzen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin macht sich die Begründung des angefochtenen landgerichtlichen Urteils zu Eigen. Sie bestreitet eine konkrete Eigenschaftszusicherung. Ferner rügt sie wiederholend die fehlende Schriftform. Auch ist sie der Ansicht, das Gebäude habe durch die Vermietung an die ...-Schule nicht den Charakter eines Schulhauses angenommen, sondern seinen ursprünglichen Charakter behalten.

Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 17. Februar 2005 (Bl. 154 ff. d. A.), vom 2. Mai 2005 (Bl. 181 d. A.) und vom 22. Juni 2005 (Bl. 222 ff. d. A.), sowie auf die Schriftsätze der Klägerin vom 18. Mai 2005 (Bl. 186 ff. d. A. und Bl. 203 d. A.) und vom 28. Juni 2005 (Bl. 231 f. d. A.) weiterer Einzelheiten wegen verwiesen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet.

1. Dass der Beklagte für die Zeit von Juli 2003 bis Januar 2004 mit Mietzinszahlungen in Höhe von insgesamt € 14.914,62 im Rückstand ist, ist als solches nicht streitig.

2. Ein Mangel der Mietsache (§ 536 Abs. 1 BGB) liegt nicht vor.

Eine nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache vom vertraglich geschuldeten Zustand (BGH, NJW 2000, 1714, 1715) ist nicht festzustellen. Die vom Beklagten angemieteten Büroräume sind als solche wie zu Beginn des Mietverhältnisses nutzbar. Zwar können auch äußere Umstände und Einflüsse, auch Zugangsbeschränkungen, einen Mangel begründen. Notwendig ist hierbei aber stets eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache (BGH, a. a. O.). Zudem ist nur eine erhebliche Minderung der Tauglichkeit beachtlich (§ 536 Abs. 1 Satz 3 BGB). Umstände mit nur mittelbarer Einwirkung auf die Mietsache genügen zur Annahme eines Mangels nicht.

Die Nutzung der übrigen Büroflächen in dem Wohn- und Geschäftshaus der Klägerin begründet für den Beklagten allenfalls eine mittelbare Einwirkung. Auf die Art der Nutzung der übrigen Flächen hat der Beklagte aber keinen Einfluss. Auch eine intensive Nutzung der übrigen Büroflächen muss der Beklagte hinnehmen. Dass eine außergewöhnliche Nutzung vorläge (wie z. B. beim Betrieb einer Spielhölle), ist nicht ersichtlich. Die vorgetragenen Beeinträchtigungen der Mandantschaft sind allenfalls mittelbare Beeinträchtigungen. Konkrete nachprüfbare Zahlen zu Mandatsverlusten hat der Beklagte nicht vorgetragen.

Der durch die ...-Schule verursachte Schulbetrieb mit Erwachsenen zählt noch zu einer typischen Nutzung eines Bürogebäudes. In der Gesamtschau unterscheidet sich diese Nutzung nicht wesentlich von dem Betrieb einer Geschäftsstelle oder einer Allgemeinarztpraxis. Da sich der Beginn und das Ende des Unterrichts und die Pausen nur auf wenige überschaubare Zeitabschnitte beschränken, ist während der übrigen Zeit eine Beeinträchtigung der Büroräume des Beklagten überhaupt nicht erkennbar.

Ob die Schülerzahl tatsächlich bei 220 lag, wie sie Gegenstand der Erörterungen vom 26. August 2003 war, und ob die Schülerzahl damit höher liegt als in den nachträglichen Baugenehmigungen der Stadt O1 vom 24. März 2003 und vom 4. Dezember 2003 zugrunde gelegt, ist für die Annahme eines Mangels nicht entscheidungserheblich. Eine Schülerzahl von 180 ist ausweislich der nachträglichen Baugenehmigungen jedenfalls hinzunehmen. Eine etwaige Schülermehrzahl von 40 Personen fällt nicht erheblich ins Gewicht. Der Beklagte stört sich auch weniger an der Anzahl der Schüler, als vielmehr daran, dass das Gebäude seiner Ansicht nach seinen Charakter verändert hat und die Schüler nicht zu den Personen mit gehobenem Niveau gehören, die sich der Beklagte bei Anmietung der Räume vorgestellt hat.

Der vom Landgericht am 10. September 2004 durchgeführte Ortstermin ist in der Tat wenig aussagekräftig. Hierauf weist die Berufung zu Recht hin. Denn er stellt lediglich eine, auch leicht beeinflussbare, Momentaufnahme dar.

Gleichwohl bedurfte es keiner zusätzlichen Beweisaufnahme. Zu den vom Beklagten gerügten Verschmutzungen, die angeblich über das vertraglich hinzunehmende Maß hinausgehen, fehlt jeder konkrete Vortrag. Außerdem hat die Klägerin anlässlich des Gesprächs vom 26. August 2003 zusätzliche Reinigungseinheiten ausdrücklich angeboten. Dass diese erforderlich geworden wären, erschließt sich aus dem allgemein gehaltenen Vortrag des Beklagten nicht. Dass die Schüler in Freizeitkleidung zum Unterricht erscheinen, mag zwar nicht zu der vom Beklagten bevorzugten Klientel passen. Ein Mangel der Mietsache liegt hierin indes nicht, da der Beklagte auf die büromäßige Nutzung der übrigen Büroflächen keinen Einfluss hat. Die angeblich übermäßige Benutzung des Aufzugs wurde nicht nachvollziehbar vorgetragen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass außerhalb des Beginns und Endes der Schulzeit sowie außerhalb der Pausen eine übermäßige Benutzung des Aufzugs stattfinden würde. Dass das Treppenhaus für den Schulbetrieb ausreicht, ergibt sich aus den ergänzenden Baugenehmigungen der Stadt O1. Die Nutzungsänderung der Flächen zum Betrieb der ...-Schule wurde ausdrücklich genehmigt.

3. Auch auf eine zugesicherte Eigenschaft (§ 536 Abs. 2 BGB) kann der Beklagte sich nicht stützen.

In diesem Falle kommt es zwar nicht auf die Erheblichkeit der Beeinträchtigung an. Indes ist eine zugesicherte Eigenschaft der an den Beklagten vermieteten Büroräume nicht feststellbar.

Dass das Gebäude "repräsentativ" und "elegant" ist, trifft zu. Im Übrigen sind diese Beschreibungen lediglich anpreisender Natur, auch betreffen sie lediglich das Äußere des Gebäudes; hierin liegt indes keine ergänzende vertragliche Vereinbarung der Parteien.

Die "Zusicherung" bedeutet nämlich, dass der Vermieter für den Bestand einer bestimmten Eigenschaft einstehen möchte. Dass die Klägerin sich verpflichtet hätte, "repräsentative" und "elegante" Mieter für die übrigen Büroflächen auszuwählen, erschließt sich aus der vertraglichen Vereinbarung im Mietvertrag ebenso wenig wie aus dem Vortrag des Beklagten.

Der Hinweis darauf, die Klägerin habe erklärt, bei Auswahl der Mieter "wählerisch" zu sein, stellt keine Zusicherung dar, ganz abgesehen davon, dass dieser Begriff nicht konkret fassbar ist. Aus dem Prospekt, dessen sich der Vermittler der Geschäftsräume bedient hat, ergibt sich keine über die bloße anpreisende Beschreibung des Objekts hinausgehende Zusage.

Im Übrigen hätte der Leerstand eines erheblichen Teils der Büroflächen den Charakter des Hauses viel nachhaltiger beeinträchtigt als die jetzige Nutzung durch die ...-Schule.

Da von einer zugesicherten Eigenschaft nicht ausgegangen werden kann, erübrigen sich weitere Darlegungen zum Schriftformerfordernis einer solchen Vereinbarung.

4. Durch die vom Beklagten am 1. September 2003 ausgesprochene fristlose Kündigung wurde das Vertragsverhältnis der Parteien nicht beendet. Dem Beklagten stand ein Kündigungsgrund (§ 543 BGB) nicht zur Seite. Der vertragsgemäße Gebrauch der von ihm angemieteten Büroräume war ihm nicht entzogen. Eine Vertragsverletzung der Klägerin ist nicht ersichtlich. Es kann daher für die Entscheidung dahinstehen, ob der Beklagte gehalten gewesen wäre, vor Ausspruch der Kündigung die Klägerin abzumahnen (§ 543 Abs. 3 BGB). Ebenso kann dahinstehen, ob die fristlose Kündigung formal unwirksam war, weil der Beklagte auf unbestimmte Zeit die weitere Nutzung der Büroräume beabsichtigte (vgl. insoweit BGH, NJW 2004, 288).

5. Da der Beklagte zur Mietzinsminderung nicht berechtigt war, hat das Landgericht dem Klagebegehren zu Recht stattgegeben. Die Widerklage hat das Landgericht zutreffend abgewiesen, weil das Mietverhältnis gerade nicht beendet worden ist.

Der mit der Widerklage verfolgte Hilfsantrag ist unbegründet. Der Beklagte hat keinen klagbaren Anspruch gegen die Klägerin, das Mietverhältnis mit der ...-Schule zu beenden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 und 108 ZPO.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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