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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.04.2001
Aktenzeichen: 24 U 58/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 519 b Abs. 1
ZPO § 516
ZPO § 222 Abs. 1
ZPO § 233
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 2
BGB § 188 Abs. 3
GKG § 16 Abs. 1
GKG § 16 Abs. 2
Keine Wiedereinsetzung, wenn Anwaltsgehilfin eine Berufungsfrist abweichend von einer Anweisung eigenmächtig falsch einträgt.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

BESCHLUSS

in dem Rechtsstreit ...

Der 24. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat am 12.04.2001 durch die Richter ... beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 31.10.2000 - 10 O 372/00 - wird verworfen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Der Wert der Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 15.000,00 DM.

Gründe:

1. Der Beklagte wurde mit Urteil vom 05.12.2000 zur Räumung und Herausgabe einer Gaststätte verurteilt. Das Urteil wurde seinem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten am 29.01.2001 zugestellt. Die Akte wurde ihm am selben Tage vorgelegt, und er wies eine Angestellte an, die Berufungsfrist zum Ablauf 28.02.2001 in den Fristenkalender einzutragen. In der Annahme, der Anwalt habe sich bei der Berechnung der Frist geirrt und die Berufungsfrist laufe in Wahrheit erst am 01.03.2001 ab, trug die Angestellte den Fristablauf auf diesen Tag in den Kalender ein. Sie teilte dem Anwalt ohne nähere Erläuterung mit, die Frist eingetragen zu haben, und er unterzeichnete das Empfangsbekenntnis.

Die Akten wurden ihm sodann am 01.03.2001 vorgelegt.

Der Beklagte beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund unverschuldeter Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren.

Die Klägerin beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen.

2. a) Die Berufung ist unzulässig, da sie nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist; sie ist deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 519 b Abs. 1 ZPO). Die Berufungsfrist von einem Monat lief mit der Zustellung des Urteils (§ 516 ZPO) am 29.01.2001 an; sie endete mit dem Ablauf des folgenden Monats am 28.02.2001 (§§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 3 BGB). Die mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbundene Berufung wurde aber erst am 15.03.2001 - Eingang beim Oberlandesgericht - eingelegt.

b) Im Blick auf die Versäumung der Berufungsfrist ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren. Der Beklagte war nicht ohne sein Verschulden verhindert, die Berufungsfrist - eine Notfrist - einzuhalten (§ 233 ZPO). Denn die Fristversäumung beruhte auf einem Verschulden seines Anwalts, und dieses Verschulden ist dem Beklagten wie eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO).

Der Anwalt muß in großer Sorgfalt alle zumutbaren Vorkehrungen treffen, um möglichst sicher zu stellen, daß jede einzelne Frist gewahrt wird (Hartmann in Baumbach-Lauterbach-Alvers-Hartmann, ZPO, 59. Aufl. 2001, § 233 Rz 50). Dabei darf er - alles andere wäre gerade nicht mehr zumutbar - die Führung des Fristenkalenders seinem Büropersonal überlassen, als es gut ausgebildet und sorgfältig überwacht ist (BGH NJW 1965, 1021; 1996, 1350).

Eine sorgfältige Überwachung setzt dabei nicht allein eine regelmäßige nachträgliche Prüfung dessen voraus, ob das Personal korrekt gearbeitet hat (und deshalb die Hoffnung gerechtfertigt ist, es werde auch zukünftig korrekt arbeiten); zur notwendigen Überwachung gehört auch und sogar vorrangig, vorsorgend durch geeignete organisatorische Vorkehrungen Fehlverhalten des Personals nach Möglichkeit zu Vermeiden.

In diesem Sinne Vorsorge gegen Fehlhandlungen der Angestellten zu treffen, heißt im Blick auf den Vollzug von Anweisungen des Anwalts, daß sichergestellt sein muß, daß die gegebenen Anweisungen auch erfüllt werden. Ganz dementsprechend hat die höchstrichterliche Rechtsprechung hervorgehoben, daß der Rechtsanwalt schon allgemein organisatorische Vorkehrungen gegen eigenmächtige Änderungen von Eintragungen im Fristenkalender durch seine Büroangestellten treffen muß (BGH FamRZ 1990, 144 f). Sie hat ergänzend hervorgehoben, daß das erstrecht dann gelte, wenn die Berechnung der Frist im konkreten Fall nicht ganz einfach ist (BGH NJW 1996, 1350).

Auf dieser Grundlage bewertet der Senat die Büroorganisation des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten als mangelhaft; die infolge mangelhafter Büroorganisation eingetretene Fristversäumung ist ihm - und damit dem Beklagten - als schuldhaft vorzuwerfen. Allein schon die Tatsache, daß die Anwaltsgehilfin sich befugt sah, die ihr soeben ausdrücklich erteilte Anordnung des Anwalts aus eigener Machtvollkommenheit abzuändern, belegt, daß dem Personal nicht die ganz selbstverständliche, in ihrer Geltung stets zu bekräftigende Anweisung erteilt war, den Anordnungen des Anwalts Folge zu leisten und im Zweifelsfall Rücksprache mit ihm zu nehmen. Das der handelnden Angestellten nicht vermittelt worden war, daß der Anwalt persönlich für die korrekte Fristberechnung verantwortlich war, wird besonders anschaulich daraus, daß sie nach Schlechterfüllung" seiner Anweisung die Akte wieder - zur Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses - vorlegte, ohne es auch nur für nötig zu befinden, ihm die soeben ausgeführte Korrektur" auch nur mitzuteilen. Da der Februar 2001 keinen dem 29. Januar gleichbenannten Tag enthielt" mußte ihr zwangsläufig vor Augen stehen, daß die für sie offenbar überraschende Anweisung des Anwalts einen inhaltlichen Grund haben mußte, die Fristberechnung also nicht von einfachster Art war. Befand sie es nicht für nötig, die Richtigkeit von Anweisung und Eintragung auch nur anzusprechen, dann zeigt das, daß ihr allzu große Freiheiten eingeräumt waren.

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1 ZPO, 16 Abs. 1, 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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