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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.01.2008
Aktenzeichen: 24 U 61/07
Rechtsgebiete: BetrAVG
Vorschriften:
BetrAVG § 2 |
Gründe:
1.
Der Kläger war Mitglied des Vorstandes der Beklagten; die Parteien hatten am 18.01.1988 neben einem Anstellungsvertrag auch einen "Pensionsvertrag" geschlossen.
Am 30.09.1993 schied der Kläger aus den Diensten der Beklagten aus; am 09.03.1993 hatten die Parteien einen Aufhebungsvertrag geschlossen, welcher unter anderem eine Vereinbarung zur Ruhegehaltsanwartschaft des Klägers enthielt.
Der Kläger erkrankte später schwer und bezog von seinem privaten Krankenversicherer Tagegeld bis zum 31.10.2001. Mit Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 04.03.2002 wurde dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung rückwirkend zum 01.10.2001 bewilligt; die Anspruchsvoraussetzungen wurden zum 12.08.2000 festgestellt.
Vom 01.11.2001 an zahlte die Beklagte an den - zu diesem Zeitpunkt 57 Jahre alten - Kläger Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit.
Mit der Klage begehrt der Kläger eine Ruhegeldsnachzahlung für den Zeitraum September 2000 bis März 2006; er geht von einem früheren Beginn der Rentenzahlungsverpflichtung und von einem höheren monatlichen Rentenbetrag aus als die Beklagte.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der von ihm gefundenen Gründe sowie der getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil vom 12.03.2007 verwiesen.
Mit der Berufung trägt der Kläger vor, auf der Grundlage übereinstimmend getroffener ärztlicher Feststellungen sei er jedenfalls seit August 2000 als dauerhaft berufsunfähig anzusehen gewesen; davon sei auch die Beklagte ausgegangen und habe keine weiteren ärztlichen Feststellungen für notwendig gehalten. Die fortlaufende Zahlung des Krankengeldes habe einer gleichzeitigen Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente ebenso wenig im Wege gestanden wie es umgekehrt der Fall gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil im Kostenpunkt aufzuheben und im Übrigen dahin abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, € 157.547,14 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB seit 19.01.2005 und weitere € 33.174,11 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit des Erweiterungsantrages an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, auf der Grundlage von Gesprächen des Klägers mit dem Zeugen Z1 - Abteilungsleiter ihres Rückversicherers - seien die Parteien sich einig darüber gewesen, dass die Berufungsunfähigkeitsrente erst ab 01.11.2001 gezahlt werden sollte.
Wegen des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die vor dem Oberlandesgericht gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das Oberlandesgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Z1; zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 10.12.2007 verwiesen.
2.
Die Klage ist in Höhe von 72.265,83 € begründet; der Kläger kann für den Zeitraum vom 01.11.2001 bis zum 31.03.2006 Nachzahlung einer monatlichen Rentendifferenz in Höhe von jeweils 1.420,11 € verlangen.
a)
Die laufende Verpflichtung zur Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente trat zum 01.11.2006 ein.
Sachlich waren die Voraussetzungen des Anspruchs auf Zahlung von Ruhegehalt für den Fall dauernder Dienstunfähigkeit - § 1 Abs. 3 des Pensionsvertrages - zwar bereits seit August 2000 gegeben. Anknüpfend an die im Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 04.03.2002 getroffene Feststellung - zum 12.08.2000 - lassen die vom Kläger mit Schriftsatz vom 09.11.2007 vorgelegten ärztlichen Gutachten an dieser Einschätzung überhaupt keinen Zweifel offen. Folgerichtig hat die Beklagte solche Zweifel auch nicht mehr erhoben; sie geht umgekehrt mit dem Zeugen Z1 davon aus, dass jedenfalls schon zum 01.01.2001 Rentenzahlungen hätten aufgenommen werden können.
Allerdings hatten sich die Parteien darauf geeinigt, diese Zahlungen erst zum 01.11.2001 anlaufen zu lassen, um - ob sachlich zu Recht oder zu Unrecht, kann dahingestellt bleiben - Ansprüche auf Zahlung und Verbleib von Krankentagegeld beim Kläger nicht zu gefährden. Dieser übereinstimmende Wille der Parteien bildete sich auf der Grundlage der zwischen dem Kläger und dem Zeugen Z1 geführten Gespräche über die im Raume stehenden Varianten zur Aufnahme der laufenden Zahlungen, und er dokumentierte sich darin, dass der Kläger über Jahre hinweg den Beginn der Rentenzahlung - erst - zum 01.11.2001 akzeptierte.
Im Einzelnen: Der Zeuge Z1 stellte den Verlauf der Gespräche mit dem Kläger sehr anschaulich dar, schilderte insbesondere, wie man die im Raume stehenden Varianten diskutiert und ihre Folge erwogen habe. Aus den Bekundungen des Zeugen Z1 wurde deutlich, dass schon im Verlaufe des persönlichen Gespräches eine Tendenz hin zur Annahme eines Leistungstermins "01.11.2001" bestand.
An der Richtigkeit der vom Zeugen Z1 gegebenen Darstellung zweifelt das Oberlandesgericht nicht; der Zeuge - nach Eintritt in den Ruhestand ohne greifbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits - erwies sich nach dem gesamten persönlichen Eindruck, den das Gericht von ihm gewinnen konnte, als verantwortungsbewusst, ruhig abwägend und zuverlässig; in jeder Hinsicht mitvollziehbar stellten seine Bekundungen sich als Wiedergabe auch jetzt noch anschaulich vor Augen stehender Vorgänge dar.
Ob der Kläger die im Gespräch mit dem Zeugen Z2 erarbeitete Tendenz zur Entscheidung zu Gunsten eines Rentenbeginnes erst zum 01.11.2001 durch ausdrückliche Erklärung gegenüber dem mit der Abwicklung betrauten Rückversicherer oder gegenüber der Beklagten ausdrücklich bestätigte, steht allerdings nicht fest; dem Zeugen Z1 gegenüber hat der Kläger eine solche Erklärung nicht abgegeben; die von dem Zeugen Z1 aus den Akten des Rückversicherers zitierten Notizen der zuständigen Sachbearbeiterin "es soll ab 01.11. anerkannt werden. Er hat das auch so mit der .A abgesprochen, die uns informieren wollte" sind vor allem in ihrer gleichsam doppelten Mittelbarkeit - zweimaliges "Hörensagen" - so vage und unzuverlässig, dass das Gericht auf sie nicht die Überzeugung stützen kann, der Kläger habe sich in der Tat ausdrücklich in diesem Sinne geäußert.
Wohl aber durfte die Beklagte auf der Grundlage der mit dem Zeugen Z1 geführten Gespräche dem weiteren Verhalten des Klägers entnehmen, dass dieser einverstanden war, die Berufsunfähigkeitsrente erst vom 01.11.2000 an zu beziehen. Kommt dem Schweigen im Rechtsverkehr auch nicht ohne weiteres Erklärungscharakter - schon gar nicht ohne weiteres positiver Erklärungscharakter - zu, so kann Schweigen doch dann, wenn nach den Umständen, nach der Art und Bedeutung der Angelegenheit, über die geschwiegen wird, eine Erklärung, ein Widerspruch angezeigt wäre, Erklärungscharakter bekommen, für alle Beteiligten deutlich machen, dass mit dem Schweigen Zustimmung deutlich gemacht werden soll. Solches liegt regelmäßig insbesondere dann nahe, wenn die Parteien einen Rechtsverhältnisses einen bestimmten Zustand längerfristig "gelebt", Leistungen längerfristig gleichartig gewährt und in Empfang genommen haben, ohne dass ein Beteiligter gerügt hätte, dass ihm mehr oder anderes zustünde als von der anderen Seite geleistet.
Die Festsetzung einer Berufsunfähigkeitsrente war für den Kläger wie für jeden anderen denkbar an seiner Stelle stehenden Berechtigten von größter wirtschaftlicher Bedeutung; nahm er vom 01.11.2001 an die monatlichen Zahlungen der Beklagten in Empfang, ersuchte er - erst - nach knapp zwei Jahren um eine Überprüfung der Rente der Höhe nach, ließ er auch nach mehr als drei Jahren durch einen mittlerweile beauftragten Anwalt - Schreiben vom 15.12.2004 - Unstimmigkeiten zum Beginn des Laufes der Zahlungsverpflichtung nicht anklingen, so konnte ein redliches Verständnis dieses Verhaltens aus der Sicht der Beklagten wie jedes vernünftigen Beteiligten - jedes vernünftigen Erklärungsempfängers - nur bedeuten, dass der Kläger sich mit der Beklagten darin einig war, dass Rente erst vom 01.11.2001 gezahlt werde sollte. Gerade der Kläger als in wirtschaftlichen Fragen sehr erfahrener Mann, als Mann, der kraft seiner Ausbildung und der früher bei der Beklagten eingenommenen Position keineswegs als jegliches Unrecht still duldend gelten durfte, hätte geradezu offensichtlich widersprochen - widersprechen müssen -, hätte die Beklagte ihn gegen seinen Willen um die Rente für einen - alles andere als belanglosen - Zeitraum von 10 Monaten gebracht.
b) Ausgangspunkt der Berechnung des monatlichen Ruhegehalts ist das letzte Grundgehalt des Klägers in Höhe von 206.220,00 DM jährlich, 17.185,00 DM monatlich.
aa)
Diesem Grundgehalt ist - entgegen der Auffassung des Klägers - kein dem Ausgleich des Nutzungswertes das dem Kläger während seiner Dienstzeit zur Verfügung stehenden Kraftwagens dienender Zuschlag anzufügen. Schon der Wortlaut des Pensionsvertrages - § 2 - spricht mit der Formulierung "60 % des Endgehaltes" dafür, dass für die Berechnung maßgeblich sein sollten nur Geldleistungen; denn "Gehalt" ist dem allgemeinen Sprachgebrauch nach Geld, nicht Sachleistung. Für eine Beschränkung auf die im Dienstverhältnis zu gewährende laufende Geldleistung spricht auch die Systematik des Dienstvertrages selbst: hier waren die dem Kläger zu gewährenden Geldleistungen getrennt von den dem Aufwendungsersatz dienenden Leistungen geregelt (§ 4/ § 5), die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens wurde auf gleicher Ebene wie Aufwendungen im Interesse der Genossenschaft und Ausgaben für Dienstreisen als Ersatz von Aufwendungen, nicht als Entgelt für Dienstlungen behandelt.
bb)
Auch die im Dienstvertrag vereinbarte zusätzliche Einmalzahlung - jeweils - für den Monat Dezember des laufenden Geschäftsjahres hat in die Berechnung der Berufsunfähigkeitsrente nicht einzugehen. Denn die Sonderzahlung (§ 4 Abs. 3 des Dienstvertrages) war als leistungsbezogene Zahlung ausgestaltet, von der Erzielung eines "positiven Jahresergebnisses" abhängig gemacht, also von der Leistung des Klägers - und seiner Vorstandskollegen - als im Verständnis der vertragsschließenden Parteien für das Gesamtergebnis zentral verantwortlichen Personen. Das Jahresergebnis fördernde Leistungen konnte der Pensionär naturgemäß nicht mehr erbringen.
cc)
Der Betrag der monatlichen Rente ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht in Anwendung des § 2 des BetrAVG zu kürzen. Zwar hatten die Parteien in § 7 des Aufhebungsvertrages vom 09.03.1993 vereinbart "die Ruhegehalts€anwartschaft des Herrn Z2 wird auf der Grundlage des Betiebsrentengesetzes berechnet und behandelt". Daraus folgte aber keine Anwendung des § 2 BetrAVG. Denn die Parteien hatten, wie es im Verhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber und - bei vereinbart entsprechender Anwendung - folgerichtig auch im Verhätlnis von Dienstverpflichtetem und Dienstberechtigtem rechtlich zulässig ist (BAGAP Nr. 22 zu § 2 BetrAVG; DB 2002, 644), vertraglich vereinbart, dass eine dem Kläger günstigere Berechnungsmethode zur Anwendung kommen sollte, nämlich die Berechnungsmethode des § 2 des Pensionsvertrages. Angesichts der erheblichen Bedeutung, die eine sachliche Aufhebung - Ersetzung - des § 2 des Pensionsvertrages gehabt hätte, geht das Oberlandesgericht ohne weiteres davon aus, dass die Parteien, hätten sie eine derart weitreichende Kürzung, wie sie mit der Anwendung des § 2 BetrAVG verbunden sein musste, gewollt, dies auch ausdrücklich formuliert hätten. So, wie sich die knappe Formulierung des § 7 des Aufhebungsvertrages in ihrem äußeren Zusammenhang mit den den Kläger begünstigenden Regelungen - §§ 4 bis 6 - darstellt, konnte sie sich für die Beteiligten nur als Hinweis auf die den Rentenberechtigten in seiner Anwartschaft sichernden Regelungen des BetrAVG, nicht als gleichsam beiläufige Aufhebung einer bestandskräftigen, den Rentenberechtigten sichernden vertraglichen Regelung (§ 2 des Pensionsvertrages) darstellen.
c)
Auf der Grundlage eines rechnerischen Satzes von 54 % (§ 2 Sätze 1 und 2 des Pensionsvertrages) steht dem Kläger aus einem letzten Jahresgehalt von 206.220,00 DM ein Anteil von 111.358,80 DM jährlich oder 9.279,90 DM monatlich zu; dies entspricht 4.744,74 €.
Für den streitigen Zeitraum von 53 Monaten ist - damit - die monatliche Differenz zum tatsächlich Geleisteten, 1.420,11 € oder insgesamt 72.265,83 € nachzuzahlen.
3.
Das Oberlandesgericht erachtet die gesetzlichen Voraussetzungen der Zulassung der Revision für nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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