Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.06.2006
Aktenzeichen: 24 U 83/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 157
Zur Auslegung einer Provisionsvereinbarung eines Geschäftsführers.
Gründe:

I.

Der Kläger und Berufungskläger verlangt Geschäftsführervergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2003. Er war für die Beklagte mit dem Verkauf von Immobilien tätig. Entsprechende Verträge datieren vom 06.11.1998 (GA 5), 16.07.2001 (GA 11) und 13.10.2002 (GA19). Danach erhielt der Kläger ein festes Grundgehalt und eine erfolgsabhängige Provision. Während im ersten Vertrag das Gehalt des Klägers absolut gedeckelt war, enthielten die Folgeregelungen eine jährliche Obergrenze. War die erzielte Provision höher als diese Grenze, sollte eine Übertragung und Anrechnung in das Folgejahr erfolgen. Der Kläger war freigestellt ab Oktober 2003.

Der Kläger hat gemeint, seine Provisionsansprüche seien nach Vertragsende nicht verfallen, sondern müssten akkumuliert ausgezahlt werden. Aus Ziffer 2. 1. B. VI des Vertrages (GA 22) ergebe sich, dass im letzten Jahr alle Provisionsansprüche fällig würden. Bei einer endgültigen Deckelung seiner Provisionsansprüche hätte der Kläger keine Motivation gehabt, möglichst viele Immobilien zu verkaufen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.947,65 € zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 7.982,55 € seit dem 01.11.2003, 01.12.2003 und 01.01.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen und widerklagend den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 3.247,26 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten alle Schäden zu ersetzen, die der Beklagten dadurch entstehen, dass sich der Kläger zu Lasten der Beklagten im Jahre 2000 eine um 7.539,38 € zu hohe Vergütung auszahlen ließ.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, die Übertragung von Ansprüchen auf Folgejahre habe mit dem letzten Vertragsjahr zu enden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Aufrechnung der Beklagten greife durch, und die Beklagte habe darüber hinaus einen Rückzahlungsanspruch auf zuviel bezahlte Provision. Das Einkommen des Klägers sei durch Ziffer 2. 1. B. III und 2. 1. B. VII des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages (GA 14) begrenzt. Demgegenüber enthalte Ziffer 2. 1. B. VIII lediglich eine Fälligkeitsregelung.

Mit der Berufung des Klägers begehrt er Abänderung des landgerichtlichen Urteils und verfolgt seine erstinstanzlichen Ansprüche weiter: Der ursprüngliche Vertrag sei extra in Bezug auf eine Übertragung der Provisionen ergänzt worden, um dem Kläger eine entsprechende Belohnung für seine Verkäufe nicht zu versagen. Darin liege aber nicht nur eine Übernahme der dem jährlichen Höchstbetrag übersteigenden Provisionen im Folgejahr. Vielmehr gelte dies auch nach Vertragsbeendigung für bis dahin noch nicht berechnete/ausgezahlte Provisionen. Der Vertrag enthalte keine entsprechende Verfallsregelung. Die Deckelung der Jahreseinkünfte des Klägers habe nur der jeweiligen Liquiditätssicherung der Beklagten gedient. Die Widerklageerweiterung sei verspätet. Die Beklagte habe auch die ins Folgejahr übertragenen Provisionsansprüche jeweils bilanztechnisch eingestellt. Das Zahlenwerk der Beklagten werde bestritten. Die Voraussetzungen der von der Beklagten angeführten Anspruchsgrundlage seien nicht erfüllt. Der Kläger habe die von der Beklagten monierten Überzahlungen gar nicht alleine an sich anweisen können, sondern nur mit dem Mitgeschäftsführer A. Dieser habe für die Zahlungen jeweils die Gesellschafterversammlung und den Aufsichtsrat informiert und sich die Auszahlungen absegnen lassen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 23.947,65 € zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 7.982,55 € seit dem 01.11.2003, 01.12.2003 und 01.01.2004 zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie mit erweiterter Widerklage den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 52.567,30 € nebst 5 Prozentzinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte führt aus, die jährliche Deckelung der Gesamtbezüge des Klägers sei abschließend. Die zwischen den Parteien getroffene Übertragungsvereinbarung auf das nächste Jahr habe nur während der Vertragslaufzeit zwischen guten und schlechten Jahren ausgleichen sollen. Nicht jedoch sei damit ein Verdienst über die vereinbarte jährliche "Höchstvergütung" (GA 13) des Klägers hinaus gemeint gewesen. Bei einer solchen akkumulierten Zahlungspflicht der Beklagten zum Vertragsende wäre diese mit einer unabsehbaren und möglicherweise punktuell hohen Belastung konfrontiert, während der Kläger eine sehr hohe Einnahme auf einmal versteuern müsse. Dieses Problem hätten die Parteien bei entsprechend gewollter Regelung durch eine entsprechend anteilige jährliche Zahlung vermieden.

Mit der Widerklageerweiterung verweist die Beklagte auf Überzahlungen der Beklagten an den Kläger in Höhe von 98.877,69 € für die Monate Dezember 2002, Dezember 2000 und September 2002. Diese hätten zu staatlichen Abgabenzahlungen der Beklagten in Höhe von 52.567,30 € geführt (GA 247, 249). Die entsprechenden Überzahlungen seien vom Kläger veranlasst bzw. angeordnet worden, weshalb er auf Rückzahlung nach § 826 BGB hafte. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat der Kläger gegen die mit der Widerklage geltend gemachten Forderungen die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Berufungen beider Parteien erweisen sich als im Ergebnis unbegründet.

Dem Kläger ist zuzugeben, dass die Tendenz der vertraglichen Regelung zwischen den Parteien dahin geht, dem Kläger verdiente Provisionsansprüche über die jährlichen Höchstgrenzen hinaus auf Folgejahre zu übertragen. Dies gilt allerdings nur bis zum letzten Vertragsjahr, wie sich aus Ziffer 2. 1. B. V, VI und VIII ergibt (GA 22). Ausweislich des Vertrages bestand nämlich für den Kläger eine jährliche Verdienstobergrenze (GA 140). Diese ergibt sich aus einer absoluten Anrechnung der Erfolgsprovisionen auf das Grundgehalt gemäß Ziffer 2. 1. B. III und VI (GA 22). VI der genannten Vereinbarungen enthält darüber hinaus folgende Abrede: "Über Art und Weise der Verrechnung werden sich die Parteien im jährlichen Rhythmus abstimmen, vorbehaltlich des übernächsten Satzes dieses Abschnitts".

Mit dieser Regelung sollten dem Kläger während der Vertragslaufzeit verdiente Provisionen erhalten bleiben, sofern das jährliche Gesamteinkommen nicht überschritten wurde. In einem eventuell schwächeren Folgejahr wären dem Kläger demnach zu hohe verdiente Provisionen zugute gekommen, die den Höchstbetrag im Vorjahr überschritten hätten. Mit Vertragsende war jedoch das Einkommen entsprechend für das letzte Jahr abzurechnen, d. h. mit dem maximalen Höchstbetrag ohne Fälligwerden eventuell noch überschießender Provisionen. Diese Regelung macht auch Sinn, weil die Beklagte nur so die von ihr ausbedungene Höchstvergütung an den Kläger zahlen musste. Dass eine derartige Vergütung nur dann anfällt, solange der Kläger für die Beklagte tätig ist, versteht sich von selbst. Anderenfalls hätte die Beklagte gegebenenfalls einen den Höchstbetrag sogar übersteigenden Betrag an den Kläger ausgerechnet zu einem Zeitpunkt zahlen müssen, zu dem der Kläger gar nicht mehr für die Beklagte tätig war. Entsprechend enthält der Vertrag auch die Regelung, dass "der Übertrag für mehrere Jahre infolge bis zum Jahr der Beendigung des Dienstverhältnisses vorzunehmen" ist. Ferner heißt es dort: " Sollte der Geschäftsführerdienstvertrag nach fünf Jahren nicht verlängert werden, gilt für die Provisionsberechnung des letzten Jahres folgende Regelung:". Kein Wort hingegen findet sich dahingehend in dem Vertrag, dass noch weitere Provisionen in unbestimmter Höhe über das letzte Vertragsjahr hinaus ausgezahlt werden sollen.

Soweit der Kläger hiergegen einwendet, dass er möglicherweise seine Verkaufsbemühungen gedrosselt hätte, wenn er gegen Vertragsende Provisionsansprüche verlieren würde, steht dem das Argument der Beklagten entgegen, dass derartige eventuell hohe Einmalzahlungen nach Beendigung des Vertragsverhältnisses weder im Interesse des Klägers noch im Interesse der Beklagten gewesen wären und eine derart beabsichtigte Regelung auch ihren Eingang in den Vertrag gefunden hätte. Der Kläger verkennt auch, dass er darlegungs- und beweispflichtig für die für ihn günstigen Tatsachen ist. Mag seine Rechtsauffassung auch vertretbar sein, hat er gleichwohl nicht den Nachweis dafür erbracht, dass Provisionen über das Vertragsende hinaus zu zahlen waren. Insbesondere hat er keine entsprechend VI der Vereinbarung zwischen den Parteien etwa getroffene Abstimmung "über Art und Weise der Verrechnung" dargelegt.

Soweit der Kläger die Abrechnung der Beklagten im Schriftsatz vom 04.10.2004 angegriffen hat, ist dies nicht in substantiierter Form erfolgt. Denn es kann dahinstehen, ob dem Kläger nach seiner Abrechnung sogar noch höhere Provisionsansprüche zustehen, da er an deren Geltendmachung durch die zwischen den Parteien vereinbarte Deckelung seiner Ansprüche gehindert ist. Der Beklagte konnte hiergegen wirksam aufrechnen mit Überzahlungen zugunsten des Klägers. Soweit das Landgericht der übersteigenden Widerklageforderung stattgegeben hat, steht dem auch nicht die unsubstantiierte Einrede der Verjährung des Klägers entgegen, §§ 195, 199 Abs. 1, 203 BGB.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Gleiches gilt für die im Wege der Anschlussberufung geltend gemachte erweiterte Widerklage. Denn die Beklagte hat die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht dargelegt. Für die Begründetheit der Widerklageforderung müsste die Beklagte darlegen und beweisen, dass die Zahlung von Steuern seitens der Beklagten auf Gehaltsüberzahlungen an den Kläger von diesem nach den Voraussetzungen des § 826 BGB veranlasst worden sind. Demgegenüber hat die Beklagte nicht einmal dargelegt, dass der Kläger sich sein Geschäftsführergehalt alleine hat anweisen können. Vielmehr geschah dies im Zusammenwirken mit dem Mitgeschäftsführer A, der Kämmerer der Stadt ... ist. Dies ist seitens der Beklagten noch mit Schriftsatz vom 01.06.2006 (GA 276) bestätigt worden. Demnach sind eventuelle Überzahlungen an den Kläger mit Wissen und Wollen der Beklagten selbst erfolgt. Wenn die Beklagte jedoch auf ein Schreiben des Klägers wie das vom 18.09.2001 (GA 279) auf dessen bloße Bitte 60.000,00 € an den Kläger überweist, ist darin doch ein erhebliches Mitverschulden zu sehen. Denn der Beklagten war doch die zwischen den Parteien getroffene Provisionsvereinbarung mit ihren Höchstbeträgen bekannt. Dass sich hingegen der Kläger bei der Bitte um Auszahlung und der Entgegennahme des Geldes darüber Gedanken gemacht hat, dass die Beklagte auf die Honorarzahlungen Steuern zahlen musste und diese nach einem Rechtsstreit wie dem vorliegenden nunmehr uneinbringlich sind, ist nicht anzunehmen. Dem Kläger ist - was gegen eine Anwendung des § 826 BGB spricht - zumindest ein entschuldbarer Rechtsirrtum dahingehend zugute zu halten, dass er die Vereinbarung des Vertrages anders werten konnte. Für § 826 BGB ist jedoch grobe Fahrlässigkeit allein nicht ausreichend, vgl. Palandt, 62. Aufl., Rn 4 und 12 zu § 826 BGB. Auch eine Verletzung von Nebenpflichten aus dem Geschäftsführervertrag ist dem Kläger nicht nachzuweisen. Dem Kläger kommt hierbei § 2 B VI des Geschäftsführervertrages zugute, wonach sich die Parteien über Art und Weise der Verrechnung jährlich abstimmen werden. Insofern ist zugunsten des Klägers zumindest unklar geblieben, warum die Beklagte im Jahre 2002 dem Kläger über diesen vereinbarten Höchstbetrag hinaus Zahlungen angewiesen hat.

Die erweiterte Widerklage war deshalb abzuweisen, womit dem seinerzeit noch unbezifferten Feststellungsausspruch des Landgerichts gleichfalls die Grundlage entzogen ist. Dies gilt nach dem zur Klageforderung Gesagten nicht für den Ausspruch des Landgerichts zur Gehaltüberzahlung in Höhe von 3.247,26 € nebst Zinsen.

Den Wert zweiter Instanz hat das Gericht wie geschehen festgesetzt, da in der bezifferten Anschlussberufung die unbezifferte Berufung bezüglich des Feststellungsantrages in Höhe der vom Landgericht festgesetzten 27.487,80 € enthalten ist.

Die Kosten waren nach dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen auch für die erste Instanz zu quoteln, §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück