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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.11.2002
Aktenzeichen: 24 U 91/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 812 I 1
1. Führt eine Bank einen Überweisungsauftrag versehentlich zweimal aus, dann kann sie das zuviel Überwiesene selbst dann vom Empfänger zurück verlangen, wenn der Bankkunde ihm auch den Betrag der zweiten Überweisung schuldete.

2. Der gute Glaube des Empfängers schützt ihn nicht vor der Rückzahlungsverpflichtung.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 91/01

Verkündet am 29.11.2002

In dem Rechtsstreit

...

hat der 24. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2002 durch die Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 1.2.2001 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte ist mit weniger als 20.000,00 ? beschwert.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Die Kammer hat ihn zu Recht zur Rückzahlung der am 8/11.1.1998 überwiesenen 20.000,00 DM an die Klägerin verurteilt.

1. Durch diese Überweisung erlangte der Beklagte auf Kosten der Klägerin den überwiesenen Betrag; um ihn ist er ungerechtfertigt bereichert, da es im Verhältnis des Beklagten zur Klägerin keinen Rechtsgrund für die Überweisung gab - sie schuldete ihm nichts.

2. Der hieraus folgende Herausgabeanspruch der Klägerin wegen ungerechtfertigter Bereicherung "in sonstiger Weise" (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des "Vorrangs der Leistungskondiktion" ausgeschlossen. Zwar scheidet in Fällen, in denen - wie hier - außerhalb einer unmittelbaren Leistungsbeziehung die eine Partei etwas auf Kosten der anderen Partei rechtsgrundlos erlangt hat, ein Bereicherungsausgleich unter diesen Parteien dann aus, wenn die Vermögensverschiebung ihre Grundlage in der Leistungsbeziehung des Empfängers zu einem anderen Beteiligten hat; bereicherungsrechtlich genießt die Leistungskondiktion stets den Vorrang vor der sog. Eingriffskondiktion (Bereicherung in sonstiger Weise; BGHZ 40,272; Palandt/Sprau, BGB, 61. Auflage 2002, § 812 Rz. 2). Dass die Zahlung der Klägerin sich aber einer Leistungsbeziehung eines anderen Beteiligten zum Beklagten, nämlich einer Leistungsbeziehung der Firma R., Ab., zum Beklagten zuordnen ließe, hat sich tatbestandlich nicht ergeben.

a) Die Übermittlung des umstrittenen Betrages am 8./11.1.1998 - auf die unstreitig von der Firma R. veranlasste Überweisung vom 5./7.1.1998 folgend - lässt sich nicht als Leistung, als zweckgerichtete Zuwendung aus dem Vermögen der Firma R. an den Beklagten (zum Leistungsbegriff vgl. BGHZ 111, 382; OLG Bamberg NJW-RR 2001, 129) verstehen. Eine solche Zuordnung der Überweisung würde voraussetzen, dass die Firma R. (über ihre Hausbank) die Klägerin angewiesen hätte, den streitigen Betrag zu überweisen. Nur auf der Grundlage einer vom Kontoinhaber - bzw. des von ihm beauftragten Bankinstituts - erteilten Anweisung wird die bankmäßige Übermittlung von Geld zu einer Leistung des Kontoinhabers an den Geldempfänger; denn die überweisende Bank handelt für alle Beteiligten offensichtlich nicht, um eigene Vermögenswerte an den Empfänger zu übertragen, vielmehr, um Geld des Anweisenden an den Empfänger zu übermitteln (BGHZ 61, 289; 89, 376; 111, 382; 147, 145; OLG Bamberg NJW-RR 2001, 129).

b) Die Auffassung des Beklagten, er habe die Überweisung guten Gewissens als Leistung der Firma R. verstehen dürfen, weil die Firma R. ihm in der Tat (auch den am 8./11.1.1998) überwiesenen Betrag schuldete, begründet eine Zurechnung der Zahlung an die Firma R., damit eine Einbindung in eine Leistungsbeziehung der Firma R. zum Beklagten und zugleich einen Ausschluss eines Bereicherungsausgleichs in sonstiger Weise zwischen der Klägerin und dem Beklagten nicht. Denn der gute Glaube des Überweisungsempfängers - der sog. Empfängerhorizont - kann die für eine Zurechnung zu einer Leistungsbeziehung notwendige Anweisung des Kontoinhabers - des Schuldners - nicht ersetzen (BGHZ 147, 145; OLG Bamberg NJW-RR 2001, 129).

Dass der gute Glaube des Beklagten eine wirkliche Anweisung - einen Überweisungsauftrag - der Firma R. widergespiegelt hätte, hat sich nicht feststellen lassen.

Die auf Ersuchen der Kammer vernommenen Zeugen R. und Neumeier haben nicht bestätigt, dass auch für die hier umstrittene - die "zweite" - Überweisung ein Auftrag der Firma R. erteilt worden wäre; sie haben es vielmehr - auf die Vernehmungsprotokolle sei verwiesen - ausdrücklich verneint, und der Zeuge Neumeier hat in diesem Zusammenhang im Einzelnen dargestellt, wie es zu der versehentlichen Zweitausführung des (nur) einen Auftrages gekommen sei. Auch das vom Beklagten nunmehr vorgelegte Telefaxschreiben der Raiffeisenbank Ab. vom 11.1.1999 belegt die Behauptung des Beklagten nicht, die zweite Überweisung sei von einem eigenen Auftrag gedeckt gewesen. Das Telefaxschreiben belegt allenfalls das Gegenteil, ist dort doch unter dem 11.1.1999 nur von einer Überweisung in Höhe von 20.000,00 DM am 5.1.1999 die Rede. Wären bis zum 11.1.1999 zwei Aufträge eingegangen - neben dem vom 5.1. noch ein solcher vom 8.1. - dann hätte nichts näher gelegen, als auch diesen Auftrag zu erwähnen.

c) Dem in zweiter Instanz eingeführten Beweisangebot, gerichtet auf Vernehmung des Zeugen Herrmann zum Beweise der Behauptung, der Kunde des Beklagten R. habe vor dem 10.1.1999 "hoch und heilig" versichert, er habe den Abschlag für Dezember 1998 angewiesen - zu verstehen als zweite Überweisung -, ist nicht nachzugehen. Die Behauptung kann als wahr unterstellt werden; aus ihr, nämlich der bloßen Indiztatsache, dass der Zeuge R. die zitierte Zusicherung in der Tat gegeben habe, würde sich die Haupttatsache, dass er die Anweisung wirklich erteilt hätte, aber nicht erweisen.

Wie der Beklagte nämlich selbst hervorhebt, war auf die Zusagen seines Kunden R. nichts zu geben; er hatte schon in der Vergangenheit nur verzögert gezahlt und Zahlungszusagen nicht eingehalten; er soll selbst vor Gericht - so der Kläger ausdrücklich mit Bezug auf die Äußerungen des Zeugen R. vor dem Rechtshilfegericht - gelogen haben. Auf dieser Grundlage spricht nichts für die Annahme, die vor dem 10.1.1999 gegebene Zusicherung des Kunden habe - dieses eine Mal und ausnahmsweise - der Wahrheit entsprochen.

d) Die Nichterweislichkeit seiner Behauptung, die Überweisung vom 8./11.1.1998 sei von einer Anweisung - einem Überweisungsauftrag der Kundin - getragen gewesen, fällt dem Beklagten zur Last. Denn der Ausschluss des in seinen Voraussetzungen erfüllten Anspruchs auf Herausgabe einer in sonstiger Weise erlangten Bereicherung infolge Vorranges der Leistungskondiktion ist in seinen tatsächlichen Voraussetzungen durch den Zahlungsempfänger nachzuweisen. Er ist die Partei, der die Tatsachen günstig wären, die die Zahlung als Leistung eines anderen Beteiligten erscheinen ließen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens belasten den Beklagten, da seine Berufung erfolglos geblieben ist. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709, 708, Ziffer 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Zulassung der Revision sind nicht gegeben, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung einer Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die bereicherungsrechtliche Lage ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt.

Ende der Entscheidung

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