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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 19.10.2005
Aktenzeichen: 24 W 64/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
Auf die Frage der krassen finanziellen Überforderung eines Ehegatten kommt es nicht an, wenn dieser den Darlehensvertrag als Mitschuldner und nicht lediglich als Mithaftender unterzeichnet hat.
Gründe:

Die nach § 127 II 2 ZPO statthafte und im übrigen form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten, über die der originäre Einzelrichter des Beschwerdegerichts zu entscheiden hat (§ 568 ZPO), ist nicht begründet.

Das Landgericht hat der Beklagten die nachgesuchte Prozesskostenhilfe zutreffend wegen fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung versagt. Der Darlehensvertrag vom 19./21. Nov. 2001 ist nicht sittenwidrig und daher nicht nichtig.

Die Beklagte hat den Darlehensvertrag als gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin neben ihrem Ehemann abgeschlossen. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Ehegattenbürgschaften (siehe hierzu: BverfG, NJW 1994, 36, 39 und NJW 1994, 2749, 2750; BGH, NJW 2001, 815 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB - 64. Aufl., § 138 Rn 37 ff. m. w. N.), sind auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Zwar gelten die zur Bürgschaft des Ehegatten entwickelten Grundsätze auch für andere Arten der Mithaftung, wenn diese nur aus emotionaler Verbundenheit übernommen worden ist und erkennbar Ausdruck einer strukturellen Unterlegenheit des mithaftenden Ehegatten ist. Diese Grundsätze finden aber keine Anwendung, wenn die Kreditaufnahme auch im eigenen Interesse des mithaftenden Ehegatten erfolgt und die Auszahlung und Mittelverwendung auch von seiner Mitentscheidung abhängt. Genau so liegt der Fall hier.

Nach dem Wortlaut des Darlehensvertrages war die Beklagte gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin. Dies war von den Parteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses so gewollt. Denn das bei der Klägerin aufgenommene Darlehen diente vollumfänglich der Umschuldung anderer Kreditverpflichtungen, die zur Bestreitung der ehelichen Lebensverhältnisse eingegangen worden sind, und die höhere Zinsbelastung aufwiesen.

Von dem Nettokreditbetrag in Höhe von DM 43.368,12 wurden ausweislich der Zahlungsanweisung der Beklagten und ihres Ehemannes vom 19. Nov. 2001 folgende Verbindlichkeiten getilgt:

a) DM 3.000,00 dienten der Rückführung einer Überziehung des von beiden Eheleuten gemeinsam genutzten Girokontos bei der ...kasse O1.

Das Girokonto diente der ehelichen Lebensführung.

b) Weitere DM 6.668,12 wurden zur Rückführung eines bei der Klägerin bestehenden Kredits über ursprünglich 7.994,00 (Nettokreditbetrag) verwendet. Dieser Vorkredit war zur Anschaffung einer Küche für die im Anwesen ... in O2 gelegene Mietwohnung der Eheleute bestimmt, die die Beklagte nach Trennung der Eheleute auch heute noch bewohnt. Die Küche in der damals gemeinsamen ehelichen Wohnung diente der Erhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Es spielt deshalb für die vorliegende Entscheidung keine Rolle, dass der Kaufvertrag für die Küche und der Vorkreditvertrag nur vom Ehemann der Beklagten unterzeichnet worden sind.

c) Ein weiterer Betrag über DM 18.500,00 diente der Rückführung eines bei der ...-Bank am 17. Sept. 2001 aufgenommenen Kredits über DM 16.880,00 (Nettokreditbetrag), der für die Anschaffung eines Pkw verwendet worden ist. Das Fahrzeug war das Familienfahrzeug der Eheleute. Damit stand auch diese Anschaffung im eigenen Interesse der Beklagten; dies unabhängig davon, ob die Beklagte das Fahrzeug selbst genutzt hat. Der Kaufkreditvertrag mit der ...-Bank wurde dementsprechend auch von beiden Eheleuten abgeschlossen.

d) Der verbleibende Differenzbetrag von DM 15.200,00 war für die Ablösung eines von beiden Eheleuten bei der ...kasse O1 aufgenommenen Kredits bestimmt. Zwar tragen die Parteien zu diesem Kreditverhältnis nichts näheres vor; es sind aber andererseits auch keine Umstände ersichtlich, aus denen sich ergeben würde, dass der Darlehensbetrag vom Ehemann der Beklagten allein beansprucht worden wäre. Der Senat muss deshalb seiner Entscheidung zugrundelegen, dass dieser Kredit ebenfalls der Verwirklichung der gemeinsamen ehelichen Lebensverhältnisse gedient hat.

Dass das von der Klägerin gewährte Darlehen mit einer krassen Überforderung der Darlehensnehmer verbunden gewesen wäre, ergibt sich aus dem Parteivortrag nicht. Bei Darlehensnehmern, die - wie vorliegend - ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung haben, ist zur Beurteilung einer möglichen krassen finanziellen Überforderung das gemeinsame Familieneinkommen zugrunde zu legen (BGH, NJW-RR 2004, 924, 925). Die monatlich an die Klägerin zu leistende Tilgungsrate betrug DM 882,73 (= € 451,33). Das laufende monatliche Familieneinkommen der Beklagten und ihres Ehemannes belief sich ausweislich der erteilten Selbstauskunft zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf DM 4.520,00 (= € 2.311,04) netto. Aus diesem Einkommen konnte die Tilgungsraten erbracht werden; eine den Darlehensnehmern nachteilige Einkommensveränderung war nicht abzusehen. Dementsprechend wurden die monatlichen Tilgungsleistungen auch bis zum Juni 2003 und - nach kurzzeitiger Unterbrechung - weiter bis zum Nov. 2003 in vereinbarter Höhe entrichtet.

Für eine Ausnutzung geschäftlicher Unerfahrenheit seitens der Klägerin spricht nichts. Es stand der Beklagten und ihrem Ehemann frei, sich in eigener Verantwortung zu Geschäften zu entschließen, die sie finanziell (auch erheblich) belasteten. Eine Finanzierung der ehelichen Lebensgemeinschaft auf Pump führt nicht zur Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB. Für die Trennung der Eheleute und die damit verbundene Schlechterstellung der Beklagten trägt die Klägerin keine Verantwortung.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos bleibt (KV Nr. 1811 in Anlage 1 zu § 3 II GKG); außergerichtliche Kosten werden gemäß § 127 IV ZPO nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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