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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: 24 W 66/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 141 |
2. Über § 141 ZPO kann die Aufnahme von Vergleichsverhandlungen im Termin nicht mittelbar erzwungen werden.
Gründe:
1. Die Parteien hatten im Februar 2002 einen Leasingvertrag geschlossen, aufgrund dessen die Klägerin dem Beklagten einen Pkw überließ. Nachdem der Beklagten mit der Zahlung von Leasingraten in Rückstand geraten war und die Klägerin den Leasingvertrag fristlos gekündigt hatte, erhielt sie den Wagen zurück. Sie erteilte dem Beklagten eine Abrechnung mit einem Saldo in Höhe von 10.970,15 € zu seinen Lasten.
Den hieraus hergeleiteten Zahlungsanspruch verfolgt sie im Rechtsstreit weiter. Der Beklagte stellt die Richtigkeit der ihm erteilten Abrechnung in Frage.
Das Landgericht hat Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf den 10.05.2006. Die Geschäftsführer der Klägerin erschienen zur mündlichen Verhandlung nicht. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten führte zur Sache aus, er halte eine für die sachliche Beurteilung des Falles zentrale Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin für unwirksam, und er meine auch zu wissen, dass diese Bestimmung zwischenzeitlich geändert worden sei; hierzu konnte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht erklären.
Im Verhandlungstermin wurde sodann ein Widerrufsvergleich geschlossen; dieser Vergleich wurde später seitens der Klägerin widerrufen. Nunmehr erlegte das Landgericht den Geschäftsführern der Klägerin wegen des Nichterscheinens zum Termin zur mündlichen Verhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 € auf. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde.
2. Das Rechtsmittel ist begründet. Die gegen den Beklagten getroffene Maßregel ist ersatzlos aufzuheben, da das Landgericht das ihm eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
aa) § 141 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass gegen die zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladene, aber nicht erschienene Partei Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden kann, es sei denn, die Partei entsende einen Vertreter, der zur Aufklärung des Sachverhalts in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen ermächtigt wäre. Die Maßregel entfällt, wenn die ausgebliebene Partei ihr Nichterscheinen nach Maßgabe des § 381 Abs.1 ZPO entschuldigt. Grundsätzlich war deshalb - nachdem die Geschäftsführer der Klägerin zum Verhandlungstermin geladen, aber nicht erschienen waren - eine Entschließung des Gerichts über die Verhängung eines Ordnungsgeldes geboten.
bb) Die Verhängung eines Ordnungsgeldes steht allerdings im Ermessen des Gerichts; dies ergibt sich aus der Verwendung des Wortes "kann" in der Vorschrift des § 141 Abs.3 Satz 1 ZPO. In der Ermessensausübung hat sich das Gericht am Zweck des § 141 Abs.3 Satz 1 ZPO zu orientieren. Dieser Zweck liegt nach heutigem, geläutertem Verständnis des Verhältnisses von Staatsorganen und Bürger - Gericht und Prozessparteien - nicht etwa darin, die nichterschienene Partei wegen der Nichtbefolgung gerichtlicher Anordnungen zu bestrafen; er liegt vielmehr darin, das gerichtliche Verfahren zu fördern und in diesem Zusammenhang das Wissen der Partei um den Sachverhalt - § 141 Abs.1 Satz 1 ZPO: "Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint" - fruchtbar zu machen. Schon daraus allerdings, dass die Partei nicht gezwungen werden kann, ihr Wissen auch tatsächlich preiszugeben (vgl. hierzu i.E. OLG Hamm MDR 1997, 1061; OLG Brandenburg MDR 2001, 411) folgt, dass vor Verhängung eines Ordnungsgeldes eine sorgfältige Abwägung darüber geboten ist, ob das Nichterscheinen der Partei zu einem im Sinne des Förderungszweckes ungünstigeren Verlauf des Verfahrens geführt, das Verfahren behindert oder verzögert hat.
Der angefochtene Beschluss lässt ebenso wie der Nichtabhilfebeschluss vom 25.08.2006 jede sachliche Auseinandersetzung mit dem die Ermessensausübung leitenden Gesetzeszweck vermissen. Es ist auch nicht zu erwarten, dass eine am Gesetzeszweck orientierte Ermessensausübung zu einem anderen Ergebnis als der Nichtverhängung der Maßregel führen könnte:
Denn Gegenstand der im Verhandlungstermin gebotenen Erörterung waren im wesentlichen - von der sachlich und wirtschaftlich marginale Fragen nach den "Sicherstellerkosten" abgesehen - Rechtsfragen, vor allem der Inhalt des Leasingvertrages, seine umfassende Wirksamkeit und die bei sachgerechter Auslegung des Leasingvertrages "richtige" Abrechnung. Diese Rechtsfragen zu erörtern war Sache der Prozessbevollmächtigten der Parteien und des Gerichts, keineswegs zwingend der Parteien - ihrer Geschäftsführer - selbst.
Eine Aufklärung des Sachverhalts von Seiten der Geschäftsführer der Klägerin war auch und insbesondere nicht unter dem im Nichtabhilfebeschluss vom 25.08.2006 angedeuteten Aspekt erforderlich, dass der nach § 141 Abs.3 ZPO ermächtigte Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Verhandlungstermin keine Erklärung zu der Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten abgeben konnte "meines Wissens hat die Klägerin ihre AGB insoweit inzwischen auch geändert". Denn für die Beurteilung der Frage, in deren Zusammenhang die Erklärung stand, der Frage danach nämlich, ob die Ziffer 3 der AGB der Klägerin rechtswirksam war, war es vollständig ohne Belang, ob die Klägerin ihre AGB später geändert hat, die frühere Fassung nicht mehr gegenüber verwendet.
cc) Für die Ermessensausübung hatte außer Betracht zu bleiben, dass der im Verhandlungstermin in Abwesenheit der Parteien selbst geschlossene Vergleich später widerrufen wurde. Dem in § 141 Abs.3 Satz 1 ZPO gegebenen Hinweis auf einen Vergleich darf nicht entnommen werden, dass die Partei gezwungen wäre, über einen Vergleichsschluss auch nur ernstlich zu verhandeln.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das für die beschwerdeführende Partei erfolgreiche Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei (Anlage 1 Teil 1 zu § 3 Abs.2 GKG). Die außergerichtlichen Kosten sind nicht der Staatskasse aufzuerlegen. Der in OLG Hamm OLGR 1994, 154 und MDR 1997, 1061 vertretenen Auffassung, bei diesen Kosten handele es sich um solche, die den in §§ 467 Abs.1StPO, 46 Abs.1 OWiG bezeichneten Kosten des Beschuldigten vergleichbar seien, folgt das hier zur Entscheidung berufene Gericht nicht. Denn § 141 Abs.3 ZPO hat keinen Strafcharakter, die nichterschienene Partei wird keiner Strafverfolgung - und keinem Bußgeldverfahren - unterworfen. Die Kosten, die im Verfahren nach § 141 Abs.3 ZPO entstehen, sind nicht anders "unregelmäßige" Kosten des Zivilverfahrens, als es die mit der - nicht in jedem Zivilprozess notwendig werdenden - Beweisaufnahme verbundenen Kosten sind, vor allem kein andersartigen Kosten als die, die im Verfahren gegen einen nichterschienenen Zeugen nach §§ 380, 381 ZPO entstehen; für diese Kosten verweist § 7 Abs.1 JVEG auf die allgemeinen Vorschriften (OLG Brandenburg MDR 1999, 508; 2001, 411).
Ende der Entscheidung
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