Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 03.07.2000
Aktenzeichen: 25 W 1/00
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 21
ZPO § 91
ZPO § 91 a
ZPO § 93
ZPO § 97
Keine Ermäßigung der Gerichtskosten bei teilweisem Anerkenntnis und teilweiser Erledigung.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

25 W 1/00

6 0 639/99 LG Kassel

In dem Kostenfestsetzungsverfahren ...

hat der 25. Zivilsenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Ritter, Richter am Oberlandesgericht Dr. Nassauer und Richter am Oberlandesgericht Treml am 3. Juli 2000 beschlossen:

Tenor:

Die als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin beim Landgericht Kassel vom 14.10.1999 wird, soweit sie nicht zurückgenommen ist zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 275 DM zu tragen.

Gründe:

Die Klägerin hat mit der Klage vom Beklagten die Zahlung von 27.527,38 DM aus verschiedenen Rechnungen über die Herstellung und Lieferung von Betonteilen verlangt. Nach Zustellung der Klageschrift am 08.04.1999 hat der Beklagte angezeigt, dass er sich gegen die Klage verteidigen wolle, dann aber mit Schriftsatz vom 31.05.1999 den Klageanspruch (Hauptsache und Zinsen) anerkannt und um Erlass eines Anerkenntnisurteils im schriftlichen Verfahren ersucht.

Mit Schriftsatz vom 14.06.1999 hat die Klägerin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt und Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils gestellt

Mit Schriftsatz vom 06.07.1999 hat die Klägerin mitgeteilt, der Beklagte habe am 15.06.1999 und am 28.06.1999 Beträge von insgesamt 11.916,16 DM auf die eingeklagten Rechnungen gezahlt. Sie hat den Rechtsstreit in Höhe von 11.916,16 DM für erledigt erklärt und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 15.611,22 DM nebst Zinsen zu zahlen. Hinsichtlich des erledigten Teils hat sie Kostenantrag gestellt

Mit Schriftsatz vom 19.07.1999 hat der Beklagte sich der Erledigungserklärung der Klägerin angeschlossen und im übrigen auf sein Anerkenntnis sowie sein Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren verwiesen.

Das Landgericht Kassel hat am 27.07.1999 im schriftlichen Verfahren das beantragte Anerkenntnisurteil erlassen und den Beklagten in die gesamten Kosten des Rechtsstreits verurteilt. Zur Rechtfertigung der Kostenentscheidung hat die Zivilkammer ausgeführt, die Entscheidung beruhe auf §§ 91, 91 a ZPO; die Kosten des Rechtsstreits seien insgesamt dem Beklagten aufzuerlegen gewesen, da er mit der Begleichung der Klageforderung nach Mahnung in Verzug gewesen sei und dementsprechend Anlass zur Klageerhebung geboten habe.

Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.10.1999 hat die Rechtspflegerin beim Landgericht Kassel u.a. 1.425 DM Gerichtskosten ­ das ist die dreifache Verfahrensgebühr aus dem Streitwert von 27.527,38 - DM ­ als Teil der Kostenerstattungsforderung der Klägerin gegen den Beklagten festgesetzt.

Mit der am 21.10.1999 bei Gericht eingegangenen Erinnerung hat der Beklagte zunächst verlangt, die Festsetzung der Gerichtskosten über einen Betrag von 475 DM, hinaus aufzuheben, weil die Bestimmung der Nr. 1202 b KV nicht beachtet worden sei. Die zu diesem Antrag angehörte Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Kassel hat die Auffassung geäußert, in Nr. 1202 KV zum Gerichtskostengesetz letzter Absatz sei ausdrücklich geregelt, dass Erledigungserklärungen nach § 91 a ZPO der Zurücknahme der Klage nicht gleich stehen und somit nicht zu einer Ermäßigung der Gerichtsgebühren fuhren.

Der Beschwerdeführer hat sodann die Erinnerung zurückgenommen, soweit die Gerichtskosten bis zu 1.150 DM festgesetzt seien, sie aber wegen des darüber hinausgehenden Betrages von 275 DM mit der Begründung aufrechterhalten, im Falle eines mit einem Teilanerkenntnisurteil verbundenen Beschlusses nach § 91 a ZPO sei § 21 GKG anzuwenden. In der Hauptsache sei ein Betrag von 11.916,16 DM für erledigt erklärt worden; nach diesem Wert betrage die 3-fache Gebühr gemäß Kostenverzeichnis Nr. 1201 795 DM; ein Teilanerkenntnisurteil sei über einen Betrag von 15.611,22 DM ergangen, nach diesem Wert betrage die einfache Gerichtsgebühr gemäß Kostenverzeichnis Nr. 1202 355 DM. Damit betrügen die Gerichtskosten höchstens 1.150 DM.

Die Erinnerung des Beklagten gegen den Ansatz der Gerichtskosten, welche die Klägerin bei Einleitung des Verfahrens gezahlt hat und nun erstattet haben möchte, gilt nach 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 2 Satz 2, 577 Abs. 2 ZPO als sofortige Beschwerde und ist als solche zulässig.

Sie ist aber in der Sache nicht gerechtfertigt. Nach Nr. 1202 KV zum Gerichtskostengesetz ermäßigt sich die normale Verfahrensgebühr nach Nr. 1201 KV von 30/10 bei Klagerücknahme sowie u.a. bei Anerkenntnisurteilen auf 10/10. Nach dem vorletzten Satz der Bestimmung zur Gebühr Nr. 1202 KV stehen Erledigungserklärungen nach § 91 a ZPO der Zurücknahme der Klage nicht gleich, mithin bleibt es in diesem Fall bei der allgemeinen Verfahrensgebühr ohne Ermäßigung (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 29. Aufl., Rdn. 8 zu Nr. 1202 KV). Die unterschiedliche Behandlung der Kosten, bei Beendigung des Rechtsstreites durch Klagerücknahme, Vergleich, Anerkenntnis- und Verzichtsurteil gegenüber der Erledigung des Rechtsstreits durch übereinstimmende Erledigungserklärungen ist verfassungsgemäß (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 1999, 3549).

Der vorliegende Fall, dass über einen Teil des Streitgegenstandes durch Anerkenntnisurteil, entschieden ist und ein anderer Teil durch übereinstimmende Erklärungen der Parteien in der Hauptsache für erledigt erklärt und sodann über die Kosten nach § 91 a ZPO entschieden worden ist, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die Frage, ob in diesem Fall die Privilegierung der Kostenfolge zugunsten des Kostenschuldners im Falle von Rücknahme oder Anerkenntnisurteil für den ganzen Streitgegenstand, oder nur für den Teil des Streitgegenstandes, soweit er durch Rücknahme bzw. Anerkenntnisurteil erledigt wird, eingreift, oder ob in diesen Fällen die Kostenprivilegierung gar nicht gilt, wird in der Literatur (vgl. Hartmann a.a.O.; Seutemann, MDR 1995, 122 und MDR 95, 1096; Herget MDR 1995, 785) und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt.

So hat das Oberlandesgericht Nürnberg (MDR 1997, 400) ausgesprochen, dass eine Ermäßigung nicht eintrete, wenn ein Teil der Klageforderung anerkannt und im übrigen die Hauptsache für erledigt erklärt wird, ohne dass die Parteien auch die Kostenpflicht abschließend regelten. Ebenso hat das Oberlandesgericht München (MDR 1999, 957) eine Kostenermäßigung in allen Fällen abgelehnt, wo noch eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO nötig sei - selbst wenn dieser Kostenentscheidung eine durch die Parteien vergleichsweise getroffene Regelung der Kosten zugrunde zu legen sei.

Demgegenüber hat jedenfalls für den letztgenannten Fall sowie für den Fall, dass der Kostenerstattungsanspruch von einer oder beiden Parteien anerkannt werde, das Kammergericht eine Kostenermäßigung entsprechend Nr. 1202 Satz 1 lit. b, c KV für richtig gehalten (KG MDR 1997, 889). Dieser Meinung sind auch das Oberlandesgericht Nürnberg und das Oberlandesgericht Bamberg für den Fall gefolgt, dass die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären und sich über die Kosten abschließend einigen (OLG Nürnberg FamRZ 1999, 610; OLG Bamberg JurBüro 1999, 95), ebenso das Oberlandesgericht Düsseldorf für den Fall, dass die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären und der Beklagte sogleich die Verpflichtung zur Tragung der Kosten des Rechtsstreites anerkennt (OLG Düsseldorf MDR 1998, 1374).

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 12. Zivilsenat - hat dies auch für den Fall für richtig gehalten, dass die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, der Beklagte die Klageforderung zahle und seine Kostentragungspflicht anerkannt habe (OLG Frankfurt JurBüro 1999, 94).

Die Entscheidung der Frage nach einer Kostenermäßigung in den Fällen, wo nur ein Teil des Streitgegenstandes von den Privilegierungstatbeständen der Nr. 1202 KV erfasst wird, hat zunächst vom Wortlaut der Bestimmung auszugehen. Dieser sieht vor, dass die Privilegierungen greifen, wenn sie zur Beendigung des gesamten Verfahrens" führen. Diese Fassung des Gesetzes verbietet die Ausdehnung der Privilegierung auf Fälle nur teilweiser Beendigung des Verfahrens durch Klagerücknahme, Vergleich, Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil. Sie geht als speziellere Regelung auch der Bestimmung des § 21 GKG vor. Die am Wortlaut orientierte Auslegung des Gesetzes wird auch dem erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung gerecht. Denn diese will die Tatbestände privilegieren, in denen dem Gericht eine Entscheidung in der Sache erspart bleibt (vgl. BT-Drucksache 12/6962, Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 04.03.1994; Herget a.a.O.; Hartmann a.a.0.). Zudem wollte der Gesetzgeber die Verfahrensbeendigung durch Rücknahme, Vergleich, Anerkenntnis und Verzicht durch Kostenanreize fördern (dazu vgl. auch Bundesverfassungsgericht a.a.O.).

Diese Gesetzeszwecke sind gerade auch aus der Regelung zu erschließen, dass die Beendigung durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien nicht zu den privilegierten Tatbeständen gehört. Das Gericht hat nämlich in diesem Fall im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO in der Regel noch Erwägungen zur Sache selbst und zum mutmaßlichen Ausgang des Rechtsstreites anzustellen, was letztlich einer Entscheidung in der Sache selbst nahe kommen kann. Der Senat ist daher der Auffassung, dass die Kostenermäßigung nach Nr. 1202 KV nur dann greift, wenn die im Gesetz genannten Fälle gegeben sind, in denen das Gericht einer Stellungnahme zur Sache selbst jedenfalls enthoben ist. Nur diese vollständige Arbeitsentlastung der Gerichte rechtfertigt die Ermäßigung der Kostenlast für die Parteien.

Der Senat kann vorliegend offen lassen, ob in den Fällen, in denen nach Erledigung der Hauptsache durch Erfüllung oder durch übereinstimmende Erledigungserklärungen die Parteien die offene Kostenfrage einverständlich durch Vergleich, Anerkenntnis oder Verzicht regeln ­ und damit das Gericht von einer streitigen Entscheidung im Kostenbeschluss nach § 91 a ZPO freistellen ­ eine entsprechende Anwendung von Nr. 1202 b oder c KV in Frage kommt (in diesem Sinne KG MDR , 1997, 889; OLG Nürnberg FamRZ 99, 610; OLG Bamberg JurBüro 99, 95; OLG Düsseldorf MDR 98, 1374; OLG Frankfurt am Main JurBüro 99, 94; OLG Karlsruhe MDR 1997, 399; LG Wuppertal JurBüro,97, 536) oder nicht (vgl. OLG Nürnberg MDR 1997, 400; OLG München MDR 1999, 957; Hartmann a.a.0. Rdn. 8). Denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zwar hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 19.07.1999 ­ also vor Erlass des Anerkenntnisurteils der Zivilkammer, das hinsichtlich des nach Zahlung für erledigt erklärten Teils eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO enthält ­ nicht nur der teilweisen Erledigungserklärung der Klägerin zugestimmt, sondern auch im übrigen auf das schon früher erklärte vollständige Anerkenntnis der Klageforderung verwiesen. Diese Erklärung stellte indessen kein Kostenanerkenntnis dar, da es insbesondere nicht die bei Klageanerkenntnissen in der Regel zu prüfende Frage der Kostenentlastung des Anerkennenden nach § 93 ZPO außer Streit stellte. Tatsächlich hat dann die Zivilkammer die nach § 93 ZPO zu überprüfende Frage, ob der Beklagte zur Erhebung der Klage Anlass gegeben habe, im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO geprüft.

Die Prozessparteien haben vorliegend auch keinen Vergleich über die Kostenfolge abgeschlossen. Da nach alledem der Beklagte mit seinem Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt, hat er dessen Kosten gemäß § 97 ZPO zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens ist nach dem Interesse des Beklagten, die Belastung mit weiteren Kosten in Höhe von 275 DM zu vermeiden, festgesetzt worden.



Ende der Entscheidung

Zurück