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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: 25 W 54/03
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 890 Abs. 1 S. 1
ZPO § 3
GKG § 25 Abs. 3
Der Streitwert des Verfahrens über Ordnungsmaßnahmen nach § 890 I 1 ZPO kann nicht schematisch auf einen Bruchteil des Hauptsachestreitwertes festgelegt werden. Abzustellen ist vielmehr auf das Interesse des auf die Ordnungsmaßnahme Antragenden, wobei von der im Antrag enthaltenen Bezifferung für das Ordnungsgeld ausgegangen werden kann, sofern sich die Höhe der Bezifferung durch die Angaben des Antragstellers zu den befürchteten Nachteilen aus den Verstößen gegen den Unterlassungstitel - hier: Wettbewerbsverstöße - rechtfertigt. Dabei sind die Schwere, Zahl, Vorwerfbarkeit und Gefährlichkeit der Verstöße für den Antragsteller von Bedeutung. (GKG 25 III; ZPO 3; ZPO 890)
Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss

25 W 54/03

Entscheidung vom 30.09.2003

In dem Rechtsstreit

...

hat der 25. Zivilsenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 30. September 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten wird der Beschluss des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kassel vom 4. August 2003, durch welchen der Streitwert des Verfahrens nach § 890 ZPO auf 3.400 Euro festgesetzt worden ist, aufgehoben.

Der Streitwert für das Verfahren nach § 890 ZPO wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Klägerin hat den Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung von Werbemaßnahmen in Anspruch genommen und ist im 2. Rechtszuge - in dem es nur noch um die Erledigung der Hauptsache ging - unterlegen.

Das Landgericht hat den Hauptsachestreitwert auf 20.000 DM festgesetzt; der Senat hatte im Berufungsverfahren den Gegenstandswert nach dem Kosteninteresse der Verfügungsbeklagten auf bis zu 3.000 Euro festgesetzt.

Nach Erlass der einstweiligen Verfügung durch das Landgericht am 3. Januar 2002 hat die Verfügungsklägerin am 28. Januar 2002 einen Bestrafungsantrag gestellt. In diesem Antrag hatte es geheißen, da der Schuldner zweimal schuldhaft gegen das sich aus der einstweiligen Verfügung ergebende Unterlassungsgebot verstoßen habe, sei gegen ihn ein empfindliches Ordnungsgeld zu verhängen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass allein die Herstellungskosten der unzulässigen Werbung vom ....01.2002 je Exemplar mindestens Euro 0,10 koste und die Verteilung des Prozesses etwa Euro 0,07 pro Exemplar koste. Schon bei einer Auflage von 100000 Werbeprospekten würden sich damit die Kosten dieser 1. Werbemaßnahme auf Euro 17.000 belaufen. Um die Kosten dieser Werbung zusätzlich zu den Kosten des Wareneinsatzes des Vertriebes wieder einzuspielen, müsste der Schuldner, ausgehend von einer Gewinnspanne von 15 %, einen Umsatz von etwa Euro 120.000 erreichen.

Da der Schuldner sich offenbar von dem gerichtlichen Verbot der Durchführung des Räumungsverkaufes habe nicht beeindrucken lassen und statt dessen noch erhebliche Investitionen für weitere gegen das Verfügungsverbot verstoßende Werbungen getätigt habe, um weitere hohe Umsätze zu erreichen, sei die Ordnungsstrafe auf ein Mehrfaches des Werbeaufwandes zu bemessen.

Diesen Antrag hat die Verfügungsklägerin nach Ergehen der Senatsentscheidung vom 07.02.2003 mit Schriftsatz vom 23.06.2003 zurückgenommen.

Durch Beschluss vom 4. August 2003 hat das Landgericht den Streitwert für das Bestrafungsverfahren auf 3.400 Euro festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, der Streitwert des Verfahrens richte sich nach dem Interesse des Gläubigers an der Durchsetzung des Verbotes, also an seinem Interesse, eigene Umsatzeinbußen zu verhindern. Er sei grundsätzlich niedriger als der Streitwert des Verbotes selbst, weil dieses weiter in die Zukunft wirke; während der Streitwert für die Hauptsache nach dem Interesse des Gläubigers an der dauernden Unterlassung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes zu bemessen sei, solle im Zwangsvollstreckungsverfahren ein Ordnungsmittel lediglich wegen einer einzelnen oder bestimmter einzelner Zuwiderhandlungen verhängt werden. Die Kammer halte daher im Normalfall ein Fünftel bis ein Drittel des Streitwertes des Hauptverfahrens als Streitwert des Ordnungsmittelverfahrens für angemessen. Maßgeblich seien freilich immer die Umstände des Einzelfalles, wobei es in erster Linie auf die Art und Weise des Verstoßes, die Intensität, mit welcher der Schuldner den Titel missachte, die Gefahr weiterer Zuwiderhandlungen und darauf ankomme, inwieweit im konkreten Fall die einzelne Zwangsvollstreckung der Verwirklichung des Titels diene.

Dem ist der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten mit einer im eigenen Namen erhobenen Beschwerde entgegengetreten. Er meint, der Streitwert sei mit 15.000 Euro zu bemessen, da der Gläubiger in dieser Sache eine massive Bestrafung des Schuldners begehrt habe. Auch sei dem Eindruck entgegen zu treten, dass der Streitwert dann, wenn die Wettbewerbszentrale in einem gerichtlichen Verfahren obsiege, hoch angesetzt werde, während in vergleichbaren Fällen bei Unterliegen der Wettbewerbszentrale der Streitwert äußerst niedrig angesetzt werde.

Die Streitwertbeschwerde ist zulässig (§ 25 Abs. 3 GKG) und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Streitwert des Ordnungsmaßnahmen-Verfahrens nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann weder direkt an den Streitwert des Hauptsacheverfahrens - hier das Verfahren der einstweiligen Verfügung - gebunden werden, noch schematisch auf einen Bruchteil des Hauptsachestreitwertes festgelegt werden (vgl. BGH NJW 1994, 45), wie es gelegentlich geschieht (OLG Stuttgart OLGR Stuttgart 2000, 430, s. a. Hans OLG Hamburg WRP 1994, 42).

Abzustellen ist vielmehr auf das Interesse des auf die Ordnungsmaßnahme antragenden Gläubigers an der konkreten Bestrafung des oder der konkret gerügten Verstöße gegen den Unterlassungstitel. Zur Bezifferung dieses Interesses kann zunächst von der im Antrag etwa enthaltenen Bezifferung für das beantragte Ordnungsgeld ausgegangen werden (vgl. OLG München NJW E-WettbR 2000, 147 = Juris KORE 54782290), sofern sich die Höhe der Bezifferung durch die Angaben des Gläubigers zu den (ohne die Ordnungsmaßnahme) befürchteten eigenen Nachteilen aus den Verstößen gegen den Unterlassungstitel - hier: aus den Wettbewerbsverstößen des Schuldners - rechtfertigt, wobei die Schwere, Zahl, Vorwerfbarkeit, insbesondere aber die Gefährlichkeit der Verstöße für den Umsatz des Gläubigers von Bedeutung sind (vgl. BGH NJW 1994, 45; siehe auch OLG München am angegebenen Ort sowie OLG Dresden WRP 1999, 1204 = Juris KORE 118 39900 und Hans. OLG Hamburg InVO 1998, 264).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erscheint die Bemessung des Streitwertes des Ordnungsverfahrens auf den beantragten Wert von 15.000 Euro angemessen.

Die Gläubigerin hat im Hinblick auf zwei behauptete Verstöße des Schuldners gegen das wettbewerbliche Unterlassungsgebot ein empfindliches Ordnungsgeld gegen die Schuldnerin gefordert. Sie hatte gemeint, die Ordnungsstrafe müsse ein Mehrfaches des bei den verbotenen Werbemaßnahmen betriebenen Kostenaufwandes von 17.000 Euro - also wohl 34.000 Euro oder 51.000 Euro - betragen. Diese Werte erscheinen indessen als Ausgangspunkt für die Bemessung des Streitwertes als zu hoch, weil sie sich nicht in erster Linie am Interesse des Gläubigers orientieren, welches viel mehr in den gefürchteten Einbußen für die Geschäfte der Mitbewerber bei Unterbleiben der Ordnungsmaßnahme besteht. Insoweit sind aussagekräftiger die Ausführungen der Gläubigerin, dass der für den Schuldner schon unter dem Aspekt der Werbungskosten mindestens zu erwartende Mehrumsatz auf 120.000 Euro zu schätzen sei, wobei 15 % Gewinn mitveranschlagt seien. Das ließe einen Gewinn in dieser Höhe für den Vollstreckungsschuldner sowie einen entsprechenden Schaden für die Mitbewerber erwarten. Da es für die Streitwertbemessung nicht darauf ankommt, ob die diese Schätzung tragenden Annahmen sich verwirklichten, sondern nur darauf, ob sie nach dem vom Gläubiger mit seinem Antrag vom 28.01.2002 vorgetragenen Tatsachen als realistisch erscheinen - was hier der Fall ist - erscheint es angemessen, den Streitwert auf den im Bereich von 18.000 Euro liegenden, beantragten Wert von 15.000 Euro festzusetzen.

Der Ausspruch über die Kostenfreiheit des Beschwerdeverfahrens sowie die Nichterstattung außergerichtlicher Kosten beruht auf § 25 Abs. 4 GKG.



Ende der Entscheidung

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