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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: 26 Sch 13/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1061
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruches.

Sie ist als Anbieterin von Informationen im Baugewerbe tätig und gehörte zur F, einer Gruppe von Gesellschaften, die auf die Beschaffung und den Verkauf von Informationen betreffend das Baugewerbe spezialisiert sind. Der Antragsgegner ist Mehrheitsaktionär der D AG mit Sitz in O1, welche ihrerseits die Aktienmehrheit an der E AG in O2 erworben hatte. Der Antragsgegner war zugleich Aktionär der F AG und bis ins Jahr 2003 als Geschäftsführer diverser Gesellschaften der F tätig.

Mit Vertrag vom 6. Juli 2004 veräußerte der Antragsgegner seine Anteile an der F AG an die Antragstellerin. In Ziffer 8.3 des Vertrages vereinbarten die Parteien für die Dauer von drei Jahren ein umfassendes Wettbewerbsverbot. Ferner enthält der Vertrag in Ziffer 13.11 eine Schiedsklausel, wonach für alle Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis die ausschließliche Zuständigkeit eines Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich nach der Verfahrensordnung der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) vereinbart wurde.

Im Juni 2005 erhob die Antragstellerin eine Schiedsklage gegen den Antragsgegner, mit der sie Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung des vereinbarten Wettbewerbsverbotes geltend machte. Sie behauptete, der Antragsgegner habe gegen das vereinbarte Konkurrenzverbot verstoßen, weil die E AG bereits im Oktober 2004, als sie unbestritten vom Antragsgegner indirekt kontrolliert worden sei, Submissionsergebnisse vermittelt habe. Auch nachdem der Antragsgegner seine Anteile an der E AG angeblich verkauft habe, sei er weiterhin für die Geschicke der AG verantwortlich gewesen und habe damit das Konkurrenzverbot verletzt. Daraus sei ihr, der Antragstellerin, ein Schaden, entstanden, der sich aus verschiedenen Schadenspositionen zusammengesetzt habe.

Der Antragsgegner hat die Gültigkeit des Konkurrenzverbotes in Zweifel gezogen und darüber hinaus behauptet, die E AG im Januar 2005 verkauft und seither keinen Einfluss mehr auf die AG zu gehabt zu haben.

Das Schiedsgericht hat nach Beweisaufnahme der Antragstellerin mit Schiedsspruch vom 07. Mai 2008 einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 31.000,- € als Marktverwirrungsschadens zuerkannt und im Übrigen die Zahlungsklage abgewiesen. Das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin hat es wegen Zeitablaufs als gegenstandslos betrachtet. Die Kosten des Verfahrens hat das Schiedsgericht zu 43,8% der Antragstellerin und zu 56,2% dem Antragsgegner auferlegt und zugleich die Höhe der vom Antragsgegner an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten festgesetzt.

Die Antragstellerin begehrt nunmehr die Vollstreckbarerklärung dieses Schiedsspruches. Sie ist der Auffassung, der Antragsgegner habe keinen Verstoß gegen den ordre public dargelegt. Die Rüge des Antragsgegners beschränke sich auf die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts, was grundsätzlich nicht ausreichend sei, um einem Schiedsspruch die Vollstreckbarerklärung zu versagen. Schließlich sei auch die festgesetzte Kostenquote nicht zu beanstanden; der Antragsgegner verkenne, dass das Schiedsgericht den geltend gemachten Unterlassungsanspruch im Grunde bejaht habe, wegen Zeitablaufs aber von einer Erledigung ausgegangen sei. Deshalb sei es auch folgerichtig, den Antragsgegner insoweit mit den Kosten zu belasten.

Die Antragstellerin beantragt,

den von dem Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer Paris (ICC), bestehend aus dem Vorsitzenden Herrn A und den Schiedsrichtern Herrn B und Herrn C am 07. Mai 2008 in Zürich erlassenen Schiedsspruch - ICC Case No. 13890/ FM/RCH/JHN - für vollstreckbar zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Schiedsspruch leide schon einem formalen Mangel, da er keine eigene Vollstreckbarkeitserklärung beinhalte, diese aber für eine Vollstreckung im Inland erforderlich sei. Zudem stünden der Vollstreckbarerklärung auch materiell-rechtliche Einwände entgegen. Obwohl das von dem Schiedsgericht eingeholte Gutachten zu der Frage, ob der Antragstellerin durch den behaupteten Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot überhaupt ein Schaden entstanden sei, einen solchen nicht festgestellt habe, habe das Schiedsgericht der Antragstellerin einen Marktverwirrungsschadens zuerkannt, der ohne ausreichende tatsächliche Grundlage auf einer willkürlichen und nicht nachvollziehbaren Schätzung beruhe. Dies sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Die Begründung des Schiedsspruches sei insoweit auch widersprüchlich, da das Schiedsgericht zum einen ausgeführt habe, dass kein Schaden festzustellen sei, es andererseits aber einen Marktverwirrungsschadens bejaht habe, ohne darzulegen, auf welchen tatsächlichen Grundlagen die vorgenommene Schadensschätzung beruhe. Schließlich habe das Schiedsgericht auch die Kostenquote falsch berechnet, da es einerseits von einem Obsiegen der Antragstellerin in Höhe von 12,4 % ausgegangen sei, den Antragsgegner aber gleichwohl mit einer Quote von 56,2% belastet habe.

Hinsichtlich des Sachvortrages der Parteien im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Antragstellerin vom 02. Juni 2008 (Bl. 4 ff d.A.) und 30. Juli 2008 (Bl. 115 ff d.A.) sowie auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 02. Juli 2008 (Bl. 102 ff d.A.), jeweils nebst Anlagen, Bezug genommen.

II.

Der Antrag, den Schiedsspruch vom 08.10.2007 für vollstreckbar zu erklären, ist zulässig (§§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. 1 S. 1, 1064 Abs. 1 S. 1 ZPO; Art. VII Abs. 1 UN-Übereinkommen vom 10.06.1958, BGBl. 1961 II S. 121 - im folgenden UNÜ abgekürzt).

Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus §§ 1025 Abs. 4, 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO; der Antragsgegner hat seinen Wohnsitz in .... Die Antragstellerin hat zudem eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruches eingereicht (Art. IV Abs. 1 lit. a UNÜ). Der Vorlage der Urschrift oder einer beglaubigten Abschrift der Schiedsvereinbarung bedurfte es gemäß Art. VII Abs. 1 UNÜ nicht, da die nationale Regelung für die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen dies nicht vorsieht (§ 1064 Abs. 1, 3 ZPO; Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl. auch BGH, NJW-RR 2004, 1504).

Der Antrag ist auch begründet. Dem Schiedsspruch kann die Anerkennung im Inland nicht versagt werden.

Der Einwand des Antragsgegners, der Schiedsspruch könne schon deshalb nicht für vollstreckbar erklärt werden, weil er selbst keine eigene Vollstreckbarkeitserklärung enthalte, ist unerheblich. Voraussetzung für eine Vollstreckbarerklärung nach § 1061 ZPO ist insoweit nur, dass der Schiedsspruch nach dem für ihn maßgeblichen Recht verbindlich geworden ist (Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ). Der Schiedsspruch darf weder bei einem Oberschiedsgericht noch mit einem Rechtsmittel bei einem staatlichen Gericht angegriffen werden können (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 1061 Rz. 24). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Ziffer 13.11 des Übernahmevertrages enthält eine Schiedsklausel, wonach für alle Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis die ausschließliche Zuständigkeit eines Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich nach der Verfahrensordnung der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) vereinbart wurde. Nach Art. 28 Abs. 6 der Schiedsgerichtsordnung der ICC ist jeder nach dieser Verfahrensordnung ergangene Schiedsspruch für die Parteien verbindlich. Diese verpflichten sich mit der Wahl dieser Schiedsordnung, auf alle Rechtsmittel zu verzichten.

Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches führt auch nicht zu einem Ergebnis, dass der (deutschen) öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht (Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ).

Nach diesen Grundsätzen kann die Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruches im Inland nur versagt werden, wenn die Anerkennung in ihrem Ergebnis im konkreten Fall die tragenden Grundlagen des deutschen staatlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebens angreift, d.h. wenn das Ergebnis zu den Grundgedanken der deutschen Rechtsordnung und der in ihr verkörperten Wertvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es als untragbar zu beurteilen ist (BGH, NJW 2002,960,961 - materieller ordre public), oder wenn die Entscheidung auf einem Verfahren beruht, dass von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem Maße abweicht, dass es nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten und in rechtsstaatlicher Weise ergangenen Verfahren angesehen werden kann (BayObLG, FamRZ 2002, 1637, 1639 - verfahrensrechtlicher ordre public). Offensichtlich ist die Unvereinbarkeit, wenn sie eklatant, unzweifelhaft ist und sozusagen auf der Hand liegt. Die Darlegungslast liegt bei demjenigen, der die Anerkennung verhindern will (BGHZ 134, 79,91; BGH, NJW-RR 2002,1151). Eine "revision au fond" findet nicht statt, das heißt die sachliche Unrichtigkeit des Schiedsspruches ist kein Aufhebungsgrund; etwaige Fehlentscheidungen des Schiedsgerichtes sind hinzunehmen (vergleiche auch OLG München, OLGR 2006, 906,907).

Eine an diesen Maßstäben orientierte Überprüfung der vom Antragsgegner erhobenen Einwände rechtfertigt keine Versagung der begehrten Vollstreckbarerklärung. Der Antragsgegner bemängelt im Wesentlichen, dass das Schiedsgericht entgegen dem Ergebnis eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens einen Schaden der Antragstellerin bejaht und dessen Höhe ohne die Angabe nachvollziehbarer Tatsachen letztlich willkürlich geschätzt habe. Damit beschränkt sich die Rüge des Antragstellers jedoch allein auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Schiedsgericht, die vom staatlichen Gericht nicht nachzuprüfen ist. Der Antragsgegner hat nicht aufgezeigt, inwieweit die - vermeintliche - Verletzung des materiellen Rechts zu einem Ergebnis geführt hat, das zu den Grundgedanken der deutschen Rechtsordnung und der in ihr verkörperten Wertvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es als untragbar zu beurteilen wäre. Das Schiedsgericht hat nach der Bejahung eines Schadensersatzanspruches wegen der Verletzung des vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbotes unter Abweisung der weitergehenden Ansprüche der Antragstellerin einen sogenannten Marktverwirrungsschaden zuerkannt und dessen Höhe nach Maßgabe des Art. 42 Abs. 2 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) geschätzt. Nach dieser Vorschrift kann der nicht ziffernmäßig nachweisbare Schaden nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Verlauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Maßnahmen geschätzt werden. Diese Art der Schadensberechnung ist auch der deutschen Rechtsordnung nicht fremd, wie sich aus § 252 BGB und § 287 ZPO ergibt. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public lässt sich vor diesem Hintergrund nicht feststellen. Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist im Übrigen auch nicht widersprüchlich. Die Antragstellerin hat zu Recht darauf hingewiesen, das sich das vom Schiedsgericht eingeholte Gutachten nur auf einen Teilaspekt des geltend gemachten Schadens bezog, nämlich die Frage, ob durch den Wechsel der Mitarbeiter der Antragstellerin zur E AG ein Schaden entstanden ist. Insoweit hat das Schiedsgericht auch einen Schaden der Antragstellerin verneint. Wenn es darüber hinaus aber einen anders gearteten Schaden bejaht, steht dies nicht in Widerspruch zu den Feststellungen im Gutachten. Zudem wäre das Gericht auch nicht gehindert gewesen, entgegen dem Gutachtenergebnis einen Schaden anzunehmen. Das Schiedsgericht hat darüber hinaus im Einzelnen auch die Umstände genannt, die es für Bejahung eines Marktverwirrungsschadens und die Schätzung dessen Höhe als maßgebend erachtet hat (Rz. 131. bis 139. des Schiedsspruches), so dass von einer willkürlichen Entscheidung keine Rede sein kann.

Der Vollstreckbarerklärung steht schließlich nicht entgegen, dass der Schiedsspruch sich unter anderem auch auf die Kosten des Schiedsgerichts erstreckt. Zwar dürfen Schiedsrichter wegen des Verbotes, als Richter in eigener Sache zu entscheiden, grundsätzlich ihre Gebühren nicht selbst festlegen, auch nicht mittelbar über die Festsetzung des Streitwertes oder durch einen bezifferten Kostenschiedsspruch, der die Schiedsrichterhonorare mit umfasst. Ein solcher Schiedsspruch kann regelmäßig nicht für vollstreckbar erklärt werden. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Kosten bereits vorher feststehen, d.h. wenn sie im Schiedsrichtervertrag oder in einem späteren Abkommen mit beiden Parteien der Höhe nach festgelegt sind (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap 33 Rz. 15; Zöller-Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 1057 Rz. 4, 5). So liegt der Fall auch hier. Nach der von den Parteien vereinbarten Schiedsordnung der ICC werden der Streitwert, die Schiedsrichterkosten und die übrigen Verfahrenskosten nicht durch die Mitglieder des Schiedsgerichts, sondern durch den Schiedsgerichtshof bzw. dessen Generalsekretär festgesetzt (Art. 30, 31 der Schiedsgerichtsordnung der ICC; Art. 1, 2 des Anhanges III zu dieser Schiedsordnung).

Soweit der Antragsgegner Einwände gegen die Kostenentscheidung, insbesondere die vom Schiedsgericht festgesetzte Kostenquote erhebt, stehen diese der Vollstreckbarerklärung nicht entgegen. Auch diesbezüglich beschränkt sich die Rüge des Antragsgegners auf die - vermeintliche - Verletzung von Prozessrecht ohne zugleich einen Verstoß gegen den ordre public aufzuzeigen. Das Schiedsgericht hat die Kostenquote nach dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien in Bezug auf den Gesamtstreitwert berechnet; dies entspricht der Regel des § 92 Abs. 1 ZPO. Im Übrigen ist die Kostenquote auch nicht falsch berechnet, denn das Schiedsgericht ist hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruches (Wert: 250.000,- €) von einem Obsiegen der Antragstellerin ausgegangen, da der Anspruch ursprünglich begründet und sich nur wegen Zeitablaufs erledigt habe. Bei einem Gesamtobsiegen in Höhe von 281.000,- € bei einem Streitwert von 500.000,- € ergibt sich genau die vom Schiedsgericht errechnete Quote.

Da weitere Aufhebungsgründen weder dargetan noch sonst ersichtlich sind, war dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches in vollem Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich auf § 91 ZPO; die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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