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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 27.11.2008
Aktenzeichen: 26 Sch 22/08
Rechtsgebiete: ZPO, AktG


Vorschriften:

ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b
ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d
ZPO § 1063 Abs. 2
ZPO § 1064 Abs. 1
AktG § 112
Zum Aufhebungstatbestand des § 1059 II Nr. 1 b) ZPO.
Tenor:

Der von dem Schiedsgericht, bestehend aus A (Obmann), B und C, am 5.9.2008 erlassene Schiedsspruch, der folgenden Inhalt hat:

1. Die Schiedsbeklagte wird verurteilt, an den Schiedskläger 56.556,63 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 4.801,98 € brutto seit dem 1.Oktober 2007, 1. November 2007, 1. Dezember 2007 und 1.Januar 2008 sowie aus jeweils 5.335,53 € brutto seit dem 1. Februar 2008, 1. März 2008, 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008, 1. Juli 2008 und 1. August 2008 zu zahlen.

2. Die Schiedsbeklagte wird verurteilt, an den Schiedskläger eine monatliche Pension in Höhe von 5.335,53 € brutto an jedem Ersten eines Monats, beginnend mit dem 1. September 2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweiligen Ersten des Monats zu zahlen.

wird für vollstreckbar erklärt.

Die Schiedsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Schiedskläger war bis zum 30.9.1997 Vorstandsmitglied der Schiedsbeklagten. Am 7.2.1985 schlossen die Parteien einen Pensionsvertrag sowie am 19.8.1997 aus Anlass des Ausscheidens des Schiedsklägers eine weitere Vereinbarung, in der der Ruhegeldanspruch des Schiedsklägers als unverfallbar bezeichnet und der Höhe nach bestimmt wurde.

Nachdem die Schiedsbeklagte die vertraglich vereinbarten Pensionszahlungen bis einschließlich September 2007 gezahlt hatte, kürzte sie diese unter Hinweis auf eine existenzielle Krise des Unternehmens in der Folgezeit auf 10% des zuletzt gezahlten Betrages und stellte die Zahlungen ab Februar 2008 vollständig ein.

Der Schiedskläger hat deshalb vor dem Schiedsgericht Klage erhoben. In der Schiedsklage war kein Vertretungsorgan der Schiedsbeklagten angegeben worden. Nachdem das Schiedsgericht in der ersten mündlichen Verhandlung auf die Unvollständigkeit der Parteibezeichnung der Schiedsbeklagten hingewiesen hatte, stellte der Schiedskläger mit Schriftsätzen vom 18.3. und vom 23.4.2008 klar, dass die Schiedsbeklagte, vertreten durch ihren Aufsichtsrat, verklagt werde. Die Schiedsklage (Schriftsatz vom 23.4. 2008) wurde sodann der Schiedsbeklagten, vertreten durch den Aufsichtsrat zugesandt (Begleitschreiben des Obmanns des Schiedsgerichts vom 25.4.2008). Durch Beschluss vom 26.4.2008 genehmigte der Aufsichtsrat die Bestellung des von der Schiedsbeklagten benannten Schiedsrichters C.

Das Schiedsgericht hat die Schiedsbeklagte verurteilt,

1. an den Schiedskläger 56.556,63 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 4.801,98 € brutto seit dem 1.Oktober 2007, 1. November 2007, 1. Dezember 2007 und 1.Januar 2008 sowie aus jeweils 5.335,53 € brutto seit dem 1. Februar 2008, 1. März 2008, 1. April 2008, 1. Mai 2008, Juni 2008, 1. Juli 2008 und 1. August 2008 zu zahlen;

2. an den Schiedskläger eine monatliche Pension in Höhe von 5.335,53 € brutto an jedem Ersten eines Monats, beginnend mit dem 1. September 2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweiligen Ersten des Monats zu zahlen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung im Einzelnen wird auf den Schiedsspruch Bezug genommen (Bl. 2 bis 9 d. A.). Der Schiedskläger beantragt,

den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.

Die Schiedsbeklagte beantragt,

den Antrag des Schiedsklägers gemäß § 1060 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Schiedsbeklagte macht u. a. geltend,

dass die Schiedsklage ihrem Aufsichtsrat durch das Schiedsgericht nicht zugänglich gemacht worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist zulässig.

Das angerufene Oberlandesgericht ist gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sachlich und örtlich zuständig. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Schiedsklägers liegt der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main.

Der Antrag ist begründet.

Der Schiedskläger hat, wie es § 1064 Abs. 1 ZPO verlangt, den Schiedsspruch im Original vorgelegt.

Aufhebungsgründe gemäß § 1059 Abs. 2 ZPO liegen ersichtlich nicht vor.

Der Aufhebungstatbestand des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b) ZPO, der u. a. voraussetzt, dass der Schiedskläger von dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist, ist nicht erfüllt. Der Aufhebungsgrund könnte allerdings gegeben sein, wenn die Schiedsklage und die nachfolgenden Ladungen und Schriftsätze nicht dem vertretungsberechtigten Organ der Schiedsbeklagten zugestellt worden sind. Vorliegend ist die Schiedsklage offenbar zunächst dem Vorstand der Schiedsbeklagten zugegangen, obwohl Vorstandsmitgliedern gegenüber die Aktiengesellschaft gemäß § 112 AktG durch den Aufsichtsrat gerichtlich vertreten wird. Zwar gilt § 112 AktG auch gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern (BGH NJW 1987, 254; BGH AG 1990, 359; NJW-RR 2007, 98; Hopt/Roth in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., § 112 Rdn. 25 ff.). Eine Klage eines Vorstandsmitglieds gegen die Gesellschaft ist deshalb unzulässig, wenn diese im Prozess nicht vom Aufsichtsrat vertreten wird. Die Klage gegen die Akteingesellschaft ist somit dem Aufsichtsrat zuzustellen (Hopt/Roth, a. a. O., Rdn. 112, 114). Die fehlerhafte Vertretung der Aktiengesellschaft durch den Vorstand wird aber geheilt, wenn der Aufsichtsrat durch Eintritt in die Prozessführung die Prozesshandlungen des Vorstands genehmigt (BGH NJW 1998, 384, 385; NJW-RR 2007, 98; Hopt/Roth, a. a. O., Rdn. 115). Im vorliegenden Fall war in der Schiedsklage das Gesellschaftsorgan, durch das die Schiedsbeklagte vertreten wird, nicht genannt. Entgegen der Ansicht der Schiedsbeklagten folgt daraus nicht schon, dass damit vom Schiedskläger eine Vertretung durch den Vorstand gewollt war. Vielmehr war die Schiedsklage so auszulegen, dass das zuständige Vertretungsorgan die Schiedsbeklagte vertreten sollte. Dabei ergibt sich aus dem Gesetz, welches Organ die Gesellschaft vertritt. Es bestanden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Schiedskläger die Vertretung seiner Verfahrensgegnerin durch ein anderes, nach dem Gesetz unzuständiges Gesellschaftsorgan wollte. Spätestens aber nach der Klarstellung durch die Schriftsätze vom 18. 3. und 23.4.2008 war unzweifelhaft, dass der Schiedskläger eine Zustellung der Schiedsklage an den Aufsichtsrat wollte. Die Schiedsklage wurde daraufhin vom Schiedsgericht dem Aufsichtsrat der Schiedsbeklagten zugestellt. Dass diese Zustellung im Sekretariat des Vorstandes der Schiedsbeklagten einging und wiederum an den Vorstand weitergeleitet wurde, ändert nichts daran, dass die Sendung dem Aufsichtsrat zugegangen war. Die Schiedsbeklagte trägt selbst vor, dass der Aufsichtsrat über kein eigenes Sekretariat verfügt. Daraus ergibt sich, dass das "Vorstandssekretariat" unternehmensintern auch für die Posteingänge des Aufsichtsrats zuständig war. Auf diese Weise gelangte die Zusendung in den Machtbereich des Aufsichtsrates. Denn bei ordnungsgemäßer Weiterleitung durch das Sekretariat hätte der Aufsichtsrat die Zusendung ohne Weiteres zur Kenntnis nehmen können (vgl. dazu Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Aufl., § 130 Rdn. 5). Abgesehen davon hat der Aufsichtsrat die Bestellung des von der Schiedsbeklagten benannten Schiedsrichters am 26. 4. 2008 genehmigt, worin zugleich eine stillschweigenden Genehmigung der bisherigen Prozessführung durch den Vorstand zu sehen ist.

Unabhängig davon ist der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b) ZPO nur dann schlüssig, wenn der Antragsgegner zugleich darlegt, was er bei ordnungsgemäßer Unterrichtung über die Schiedsklage vorgetragen hätte (Zöller/Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 1060 Rdn. 40). Die Schiedsbeklagte macht indes keine Ausführungen dazu, was sie weiter zu ihren Gunsten im Schiedsverfahren vorgebracht hätte, wenn die Schiedsklage von Anfang an ihrem Aufsichtsrat - und nicht lediglich ihrem Vorstand - vorgelegt worden wäre.

Der Schiedsspruch ist auch nicht gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d) ZPO wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufzuheben. Das Schiedsgericht hat den Vortrag der Schiedsbeklagten, dass es an wirksamen Beschlüssen des Aufsichtsrates fehle, nicht wegen Verspätung zurückgewiesen, sondern mit dem Argument sachlich beschieden, die Berufung auf dieses Argument sei rechtsmissbräuchlich, nachdem die Schiedsbeklagte die Pensionsansprüche des Klägers vorbehaltslos bis zum September 2007 erfüllt habe. Jedenfalls habe die Schiedsbeklagte trotz Erörterung der Rechtsfrage in der mündlichen Verhandlung keinen Beweis für ihren Vortrag angeboten.

Die weiteren Einwendungen der Schiedsbeklagten betreffen allein die Richtigkeit des Schiedsspruchs. Diese Nachprüfung ist dem staatlichen Gericht im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung oder auf Aufhebung des Schiedsspruchs verwehrt (Verbot der révison au fond).

Da Aufhebungsgründe nach dem Vorstehenden nicht ernsthaft in Betracht kommen, bedurfte es keiner mündlichen Verhandlung (§ 1063 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 1064 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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