Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.07.2007
Aktenzeichen: 26 Sch 9/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1036 Abs. 2
Zu persönlichen Anforderungen an einen Schiedsrichter, wenn die Parteien vereinbart haben, dass dieser "ein im Steuer- und Wirtschaftsrecht erfahrener Jurist" sein muss.
Gründe:

I.

Die Schiedsparteien standen in längerer Geschäftsbeziehung, wobei die Schiedsklägerin für die Schiedsbeklagte, damals noch als A GmbH ... firmierend, Dienstleistungen wie die Erstellung von Jahresabschlüssen, Gewinnermittlungen und Steuererklärungen für Mandanten der Schiedsbeklagten zu erbringen hatte. Die Schiedsparteien schlossen ferner einen Schiedsvertrag, der Folgendes bestimmte:

"Jede Partei benennt innerhalb von drei Wochen ab Zugang der schriftlichen Mitteilung, dass die Verhandlungen als gescheitert angesehen werden, der anderen Partei einen Schiedsrichter, die sodann gemeinsam einen im Steuer- und Wirtschaftsrecht erfahrenen Juristen zum Vorsitzenden wählen".

Wegen einer Streitigkeit der Schiedsparteien aus ihrer Geschäftsbeziehung wurde ein Schiedsgericht gebildet, zu dessen Vorsitzenden Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht a. D. X gewählt wurde. Am 11.05.2006 fand vor dem Schiedsgericht eine mündliche Verhandlung statt, gemäß deren Protokoll die Parteien übereinstimmend erklärten:

"1) Es wird anerkannt, dass das Schiedsgericht ordnungsgemäß gebildet worden und besetzt ist.

...".

Mit Schriftsatz vom 14.02.2007 lehnte die Schiedsbeklagte den Vorsitzenden des Schiedsgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte sie aus, sie habe am 08.02.2007 davon Kenntnis erlangt, dass gegen den Vorsitzenden des Schiedsgerichts im Jahre 1996 ein Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung, nämlich Nichtangabe von Nebeneinkünften, ergangen sei. Wegen dieser Verurteilung bestünden begründete Zweifel, ob der Vorsitzende des Schiedsgerichts die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen erfülle.

Die Verurteilung indiziere seine mangelnde Erfahrung im Steuerrecht, was sich auch mit den Eindrücken der Schiedsbeklagten aus dem bisherigen Verfahren decke.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 14.02.2007 (Bl. 20 - 22 d. A.) verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung wies des Schiedsgericht unter Mitwirkung des abgelehnten Richters den Ablehnungsantrag zurück, woraufhin der Schiedsbeklagten am 26.02.2007 ein schriftlicher Beschluss (Bl. 3/4 d. A.) zugestellt wurde.

Mit am 15.03.2007 eingegangenem Schriftsatz beantragt die Schiedsbeklagte eine gerichtliche Entscheidung über ihr Ablehnungsgesuch. Das Schiedsgericht erließ am 14.04.2007 in der Schiedssache einen Endschiedsspruch.

Die Schiedsbeklagte meint, der abgelehnte Schiedsrichter hätte an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht mitwirken dürfen, weil sich nach dem Schiedsvertrag das Schiedsverfahren sinngemäß nach den Bestimmungen der ZPO richte und gemäß § 45 Abs. 1 ZPO das Kollegialgericht ohne den abgelehnten Richter zu entscheiden habe. Der Beschluss vom 17.02.2007 sei auch aus materiellen Gründen aufzuheben, weil die Ablehnungsvoraussetzungen des § 1036 Abs. 2 ZPO in Bezug auf den Vorsitzenden des Schiedsgerichts vorlägen. Seine berufliche Tätigkeit im Wettbewerbssenat des OLG Frankfurt am Main habe nur sehr bedingt Kenntnisse des Steuerrechts vermitteln können.

Das gegen ihn gerichtete Steuerstrafverfahren belege, dass er die steuerrechtlichen Verwicklungen überschätzt bzw. nicht gekannt habe und sich über Verwicklungen aus diesem Rechtsgebiet auch deswegen hinweggesetzt habe, weil er steuerrechtsunkundig gewesen sei.

Die Schiedsbeklagte beantragt,

die Ablehnung des Schiedsrichters Herrn Vorsitzenden Richter am OLG a. D. X als begründet festzustellen und ihn von der weiteren Tätigkeit im zwischen den Parteien schwebenden schiedsrichterlichen Verfahren auszuschließen.

Die Schiedsklägerin hat sich zu dem Antrag nicht geäußert.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Schiedsrichterablehnung ist zulässig. Er ist form- und fristgerecht und beim zuständigen Gericht gestellt worden. Der Zulässigkeit des Antrages steht auch nicht entgegen, dass das Schiedsgericht bereits einen Endschiedsspruch erlassen hat. Der Antrag nach § 1037 Abs. 3 ZPO wird nicht unzulässig, wenn nach Antragseingang bei Gericht der Schiedsspruch ergeht. Vielmehr ist auch in diesem Fall das Verfahren über den Ablehnungsantrag fortzusetzen (Zöller/Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 1037 Rdn. 4).

Die weitere Voraussetzung nach § 1037 Abs. 2 Satz 2 ZPO für eine Sachentscheidung liegt vor. Danach kann der Antrag beim staatlichen Gericht erst gestellt werden, wenn der abgelehnte Schiedsrichter nicht von seinem Amt zurücktritt. Ausweislich des von der Schiedsbeklagten vorgelegten Berichts ihrer Verfahrensbevollmächtigten im Schiedsverfahren vom 23.02.2007 hat der Vorsitzende des Schiedsgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2007 erklärt, dass er nicht von seinem Amt zurücktrete (Bl. 17 d. A.). Im Übrigen wäre der Weg zum staatlichen Gericht auch durch den Beschluss des Schiedsgerichts vom 17.02.2007 eröffnet, ohne dass es darauf ankommt, ob der abgelehnte Richter an der Entscheidung mitwirken durfte (hierzu Zöller/Geimer a. a. O. Rdn. 2).

Der Ablehnungsantrag bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Gemäß § 1036 Abs. 2 ZPO kann ein Schiedsrichter abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen, oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt. § 1037 Abs. 2 Satz 1 ZPO verlangt, dass die Partei dem Schiedsgericht gegenüber die Ablehnungsgründe innerhalb von zwei Wochen, nachdem ihr die Zusammensetzung des Schiedsgerichts oder ein Umstand im Sinne von § 1036 Abs. 2 ZPO bekannt geworden ist, schriftlich darzulegen hat.

Zwischen den Parteien war zwar vereinbart worden, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts ein im Steuer- und Wirtschaftsrecht erfahrener Jurist sein muss. Dies mag so auszulegen sein, dass es sich um einen Juristen handeln muss, der von Berufs wegen mit steuerrechtlichen und wirtschaftsrechtlichen Angelegenheiten befasst ist. Für einen Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind berufliche Erfahrungen im Steuerrecht indes nicht die Regel. Anderes gilt allenfalls für Richter, die längere Zeit Wirtschaftsstrafsachen oder schwerpunktmäßig Steuerberatungssachen bearbeitet haben. Zumindest dem Verfahrensbevollmächtigten der Schiedsbeklagten musste jedoch bekannt sein, in welchem Umfang Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit von Berufs wegen Erfahrungen im Steuerrecht besitzen. Wenn die Schiedsbeklagte die Bestellung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht a. D. X nicht zum Anlass für einen Ablehnungsantrag nach § 1037 Abs. 2 ZPO nahm, sondern vielmehr in der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2006 erklärte, dass das Schiedsgericht ordnungsgemäß gebildet worden und besetzt sei, so hat sie für diesen Umstand nicht nur die Ablehnungsfrist des § 1037 Abs. 2 Satz 1 ZPO versäumt, sondern auf einen entsprechenden Einwand für das weitere Verfahren verzichtet. Denn die Erklärung wurde seinerzeit gerade zu dem Zweck abgegeben, den Einwand der unrichtigen Besetzung des Schiedsgerichts zu präkludieren und im Sinne des § 1027 ZPO auszuschließen.

Die Schiedsklägerin kann sich auch nicht auf das gegen den abgelehnten Schiedsrichter geführte Steuerstrafverfahren berufen. Dieser Vorgang weist nicht daraufhin, dass der Schiedsrichter nicht über die für das Schiedsverfahren erforderlichen steuerrechtlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt. Das Strafverfahren liegt bereits über zehn Jahre zurück und kann schon deshalb nichts über die aktuelle steuerrechtliche Berufserfahrung des abgelehnten Schiedsrichters aussagen. Überdies stellt die Verurteilung die fachliche Qualifikation des Schiedsrichters auf dem Gebiet des Steuerrechts für seine konkrete schiedsrichterliche Aufgabe nicht in Frage.

Gegenstand des Steuerstrafverfahrens waren Verletzungen einkommensteuerrechtlicher Bestimmungen.

Abgesehen davon, dass dem Schiedsrichter gerade diese Regelungen spätestens durch das Steuerstrafverfahren bekannt geworden sein dürften, spielen sie im vorliegenden Schiedsverfahren auch ersichtlich keine Rolle.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Streitwert ist mit einem Fünftel des Streitwertes des Schiedsverfahrens zu bemessen.

Ende der Entscheidung

Zurück